ADB:Göchhausen, Louise von

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Artikel „Göchhausen, Louise“ von Hugo Schramm-Macdonald in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 303–305, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:G%C3%B6chhausen,_Louise_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 23:52 Uhr UTC)
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Göchhausen: Luise Ernestine Christiane Juliane v. G., badische und weimarische Hofdame, geboren zu Eisenach, getauft daselbst am 15. Febr. 1752, gestorben zu Weimar am 7. September 1807, war eine Tochter des hochfürstl. sachsen-eisenachschen Schloßhauptmanns Wilhelm Ernst Friedrich v. G., der 1768 als Oberkämmerer zu Weimar starb, und kam zuerst an den Hof der Markgräfin Luise von Baden, einer geborenen Prinzessin von Hessen-Darmstadt. Schon in Karlsruhe machte sie sich durch ihren aufgeweckten und gebildeten Geist, wie ihr munteres Wesen bemerklich. Wenn jedoch Theodor Mundt in seiner Lebensbeschreibung Knebel’s sagt, Luise v. G. sei als eine geborene „Straßburgerin“ von „französischer“ Leichtigkeit und Grazie gewesen, so ist dies nicht minder irrthümlich als die Angabe, sie habe eine schöne und reizende Gestalt gehabt. Eine ältere Zeitgenossin, Amalie v. Voigt, geborene Ludecus (geb. zu [304] Weimar 1780, † daselbst 1840), schildert sie vielmehr als „nichts weniger als hübsch, ja verwachsen, doch machte sie ihre vortreffliche Unterhaltungsgabe, trotz ihres Aeußern, höchst einnehmend; sie verstand es in hohem Grade, mit Jedermann zu verkehren und einen Jeden in den Fall zu setzen, auch sein Scherflein zur Unterhaltung beitragen zu können und sich behaglich zu fühlen“. Durch diese Eigenschaften zog auch die G. geistig bedeutende Persönlichkeiten an; insbesondere faßte Knebel, als er sich, mit dem sachsen-weimarschen Erbprinzen Karl August und dessen Bruder Constantin auf einer Reise nach Frankreich begriffen, 1775 eine Zeit lang in Karlsruhe aufhielt, eine lebhafte Neigung zu der jungen Hofdame, während diese wegen des ihr, wie den meisten gebrechlichen Personen, eigenen scharfen Witzes bei ihrer höfischen Umgebung mehr gefürchtet als beliebt war. „Ob es übrigens Knebel’n damals gelungen – sagt Mundt – jene Pfeile des Witzes, die auch ihn trafen, sich in die eines anderen Gottes umzuschleifen, wissen wir nicht zu erzählen, da er selbst in seinen Tagebüchern seine Abenteuer mit diesem Fräulein nur flüchtig erwähnt“. In dieser Bemerkung erscheint der leicht mißzudeutende Ausdruck „Abenteuer“ um so unpassender, als Knebel selbst gerade den „streng moralischen Geist“ der G. rühmt. Bis zu dem im J. 1783 erfolgten Tode der Markgräfin Luise blieb Fräulein v. G. in Karlsruhe; dann wurde sie Hofdame der verwittweten Herzogin Amalie von Sachsen-Weimar, und hiermit betrat sie einen Boden, wie er nicht günstiger für sie gedacht werden kann. In Weimar hatte auch schon ein Ahn von ihr wegen seiner Gelehrsamkeit in hohem Ansehen gestanden: jener Samuel G., der 1608 in den Reichsadelsstand erhoben wurde und 1658 als sachsen-weimarscher Geheimer Rath, Kanzler und Oberconsistorial-Präsident starb. Sie selbst gewann durch ihre Klugheit und ihre Kenntnisse mancherlei Einfluß auf die dortigen Kreise, in denen sie später scherzweise Thusnelde genannt wurde. Auch genoß sie den Verkehr mit den auserlesensten Geistern ihrer großen Zeitperiode, und nicht blos mit denen, die Weimars Musenhof bildeten, denn da sie fertig Englisch und Französisch sprach und als Begleiterin ihrer erleuchteten Fürstin auf deren Reise nach Italien sich auch mit der Sprache dieses Landes vertraut gemacht, „konnte sie ihr gesellschaftliches Talent mit Leichtigkeit auf die vielen Fremden ausdehnen, die theils als Zugvögel, theils als länger weilende Gäste, sich in Weimar aufhielten“. Mit mehreren derselben, und zwar den ausgezeichneteren, blieb sie dann zeitlebens in schriftlicher Verbindung. In den letzten Jahren des vorigen und in den ersten unseres Jahrhunderts gab Fräulein G. vom Herbst bis zum Frühjahr jeden Sonnabend in ihren Mansard-Zimmern ein Frühstück zum Besten, das man mit dem Namen „der Freundschaftstag“ zu bezeichnen gewohnt war. Diese „Freundschaftstage“, die allen Theilnehmenden vielfaches Interesse gewährten und lange Zeit auf das gesellschaftliche Leben Weimars günstig einwirkten, schildert Amalie v. Voigt (unterm Pseud. Cäcilie) in „Weimars Album zur vierten Säcularfeier der Buchdruckerkunst am 24. Juni 1840“ (S. 123 ff.), bei welcher Gelegenheit die Verfasserin zur Charakteristik der Gastgeberin und ihrer Zeit Folgendes bemerkt: „Fräulein v. G. gehörte zu den Personen, die stets geneckt sein wollen und eher einen recht derben Scherz, als übersehen zu werden, ertragen können. Der Herzog Karl August, im jugendlichen Muthwillen, trieb allerlei Scherz mit ihr, wohl wissend, daß, je mehr er sie peinige, um so mehr es ihr gefiel. Goethe bot zu manchen lustigen Mystificationen die Hand, aber nicht zu der in jener Schmähschrift auf Goethe – dem sogenannten „Büchlein von Goethe“ (Penig 1832) – angeführten. Bei diesem Vorfalle war er durchaus nicht gegenwärtig. Dort ist das Begebniß mit greller Uebertreibung erzählt … In jenen harmlosen Zeiten konnte man sich schon einen Scherz und mitunter auch einmal einen ausgelassenen erlauben. Man wog nicht ängstlich [305] ab, ob sich’s auch vollkommen schicke und was die Nachbarn dazu sagen würden … Man übte Nachsicht und nahm sie auch für sich in Anspruch“. Die G. starb bald nach ihrer Fürstin. „Ihre moralische Existenz“, schrieb unterm 22. November 1807 der Obersthofmeister Fr. v. Einsiedel an Böttiger, „war mit dem Tode der Herzogin sehr zerrüttet, doch glaubte man sie nicht so krank, als sie sich fühlte. In dem Kreise ihrer Freunde und ihrer Freundinnen lebt ihr Andenken, und ihr Verlust ist Allen fühlbar. Ihr Geist war dem gesellschaftlichen Leben wohlthätig und belebend, auch war sie dauernder Freundschaft fähig – eine Tugend, die in unsern Zeiten nur selten leuchtet“. Auf Grund einer testamentarischen Bestimmung wurden ihre Papiere vernichtet, „zum Bedauern Vieler“, meint Amalie v. Voigt, „aber auch zur Freude Mancher, die durch eine Veröffentlichung ihrer Indiscretionen sich compromittirt fürchteten“. Dagegen ist eine Anzahl ihrer eigenen Briefe veröffentlicht worden. So finden sich sechs Briefe von ihr in den von Karl Wagner herausgegebenen „Briefen an J. H. Merck“ (Darmst. 1835), ein Brief in den gleichfalls von Wagner herausgegebenen „Briefen an und von J. H. Merck“ (ebend. 1838), 13 Briefe in den von K. W. Böttiger aus Karl August Böttiger’s litterarischem Nachlaß unter dem Titel „Litterarische Zustände und Zeitgenossen“, herausgegebenen Schilderungen (Leipzig 1838) und sieben Briefe an die Mutter Goethe’s in Robert Keil’s „Frau Rath“ (Leipzig 1871). Letztere Briefe, in denen das geistvolle Hoffräulein die „gute liebe Herzensmutter“ nicht blos in Prosa, sondern auch in Versen begrüßt und eifersüchtig, daß etwa andere ihr zuvorkommen möchten, über das fürstliche Liebhabertheater und über den Hätschelhans, sein Befinden und seine poetischen Producte humoristischen Bericht erstattet, erhielten dadurch noch eine Bedeutung, daß sie die Frau Rath veranlaßten, beziehungsweise ebenfalls poetisch, freilich nur in „Knittelmanier“, zu antworten.