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ADB:Gedike, Ludwig

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Artikel „Gedike, Ludwig“ von Heinrich Julius Kämmel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 490–491, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gedike,_Ludwig&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 07:49 Uhr UTC)
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Gedike: Ludwig Friedrich Gottlob Ernst G., ein Schulmann, der, was der ältere Bruder als dringend nöthig bezeichnet hatte, unter sehr günstigen Verhältnissen organisirt hat: die von der lateinischen Schule gelöste deutsche Bürgerschule. Er war den 22. Oct. 1760 zu Boberow in der Priegnitz geb.; er † den 9. Juli 1838 zu Breslau. – Bereits drei Monate nach der Geburt durch des Vaters Tod eine Waise, gab er um so inniger den Einwirkungen der Mutter sich hin. Nachdem er die ersten Jugendjahre in Perleberg verlebt hatte, wurde er, 10 Jahre alt, dem Schindler’schen Waisenhause in Berlin, dann aber dem Gymnasium zum grauen Kloster zugeführt. Als hierauf der Propst Spalding 1775 den älteren Bruder in sein Haus berief, erhielt er durch diesen neben Spalding’s Söhnen die erste Anleitung zu wissenschaftlicher Thätigkeit und bezog nachher, aus den Mitteln des Schindler’schen Waisenhauses unterstützt, 1780 die Universität Halle, um Theologie und Pädagogik zu studiren. Aber schon zu Ostern 1782 übertrug ihm Büsching als Director am grauen Kloster eine Lehrerstelle an dieser Anstalt, die ihn selbst gebildet hatte, und so kam er auch wieder in die Nähe des älteren Bruders, der damals das Friedrichswerdersche Gymnasium leitete. Wol auf Vermittelung desselben veranlaßte der Minister von Zedlitz seine Berufung an das Elisabeth-Gymnasium in Breslau, wo er als dritter Professor an die Seite des eben so gelehrten als derben Rectors Arletius trat. Neun Jahre hat er dort treu und mit Erfolg gearbeitet, beglückt durch eine von wahrer Liebe geknüpfte Ehe und durch die freundschaftliche Verbindung mit Lieberkühn, dem Nachfolger des Arletius, mit Garve, Manso, Streit u. A. Er war in dieser Zeit auch neben Schummel mit der pädagogischen Prüfung der zu Schulämtern berufenen Candidaten beauftragt, wie er die Aufsicht über das königl. Seminar für Landschullehrer hatte und an der Organisation der für die israelitische Jugend begründeten Wilhelmsschule Theil nahm. Als Schriftsteller verfaßte er „Einige Gedanken über den jetzigen Zustand der alten Litteratur in unseren gelehrten Schulen“ (1787) und ein hebräisches Lesebuch (1788); eine Freundschaftspflicht erfüllte er durch die Herausgabe von Lieberkühn’s lateinischer Uebersetzung des Robinson (1789) und (in Verbindung mit Struve) von Lieberkühn’s kleinen Schriften nebst dessen Lebensbeschreibung und Briefen (1791). Im October 1791 übernahm er die Leitung des Gymnasiums in Bautzen, der Hauptstadt der Oberlausitz. Er brachte in den Unterricht dieser Anstalt rasch festen Plan und straffe Ordnung und wirkte zugleich in weitere Kreise anregend hinein durch seine Programme, von denen wir nur zwei nennen: „Gedanken eines Schulmanns über eine dem Schulwesen in Kursachsen bevorstehende Veränderung, mit besonderer Beziehung auf die Oberlausitz“ (1795) und „Nachricht von der gegenwärtigen Verfassung des Gymnasiums zu B.“ (1796). Später erschien seine Schrift „Quintilian’s Gedanken über die öffentliche und häusliche Erziehung“ (1803). Durch sein Wirken in Breslau mit den Mängeln der damaligen Lehrerbildung bekannt geworden, forderte er jetzt nachdrücklich für Sachsen Lehrerseminarien; einstweilen aber suchte er an seinem Gymnasium junge Männer für die [491] Thätigkeit in Volksschulen vorzubereiten. Zugleich wirkte er, wie im allgemeinen, so zunächst für die Oberlausitz darauf hin, daß die lateinischen Schulen der kleineren Städte in Bürgerschulen umgewandelt, in den größeren Städten neben den Gymnasien selbständige Bürgerschulen errichtet würden. So war er ausreichend für eine noch einflußreichere Stellung ausgerüstet. Im J. 1803 wurde er zur Einrichtung und Leitung einer großen Bürgerschule nach Leipzig berufen und schon im Sept. d. J. übergab er dem Magistrate „Grundlinien des Planes der neuen Bürgerschule“, worauf eine für die Eltern bestimmte „Nachricht“ erschien, die sehr geeignet war, dieser Anstalt die Herzen der Betheiligten zu gewinnen. Und er erhob dieselbe rasch zu einer Musteranstalt für die weitesten Kreise. In einer Stadt, die als Sitz einer Universität, als Pflegestätte des regsten geistigen Lebens, als Mittelpunkt eines großartigen Handelsverkehrs, auch von ihm ungewöhnliches erwartete, fand er bald das allgemeinste Vertrauen. Aber er hatte auch große Schwierigkeiten zu überwinden. Das Prachtgebäude, das man sofort für seine Schule aufzuführen begonnen hatte, kam in Folge der Kriegsunruhen nur langsam der Vollendung näher, und die großen Kosten des Baues verzehrten die Mittel für genügende Ausstattung der Lehrerstellen. Die furchtbaren Octobertage des J. 1813 drohten der Schule völliges Verderben, da das Schulhaus in ein Lazareth verwandelt wurde und die Classen in alle Viertel der Stadt vertheilt werden mußten. Aber mit um so größerer Freude führte G., der in aller Bedrängniß den großen Befreiungskampf mit patriotischer Erhebung begleitet hatte, im nächsten Jahre seine Kinderschaaren zu den ihnen gehörenden Räumen zurück. Fast zwei Jahrzehnte noch hat er der Anstalt vorgestanden und zu ihrem Ausbau nach Kräften beigetragen. Was sie in dieser späteren Zeit geworden war, zeigt die „Neue Nachricht von der jetzigen Beschaffenheit der Leipziger Bürgerschule“ (1826). Als aber die Bewegungen des J. 1830 und die dann herbeigeführten Umgestaltungen auch für das öffentliche Unterrichtswesen neue Gesichtspunkte gewinnen ließen, neuen Anforderungen Recht und Raum gewährten, da erkannte G., der im April 1832 sein 50jähriges Amtsjubiläum feiern konnte, daß seine Kraft den neuen Aufgaben nicht mehr gewachsen wäre. Er legte deshalb noch im Herbste jenes Jahres sein Amt nieder und zog sich nach Breslau zurück, wo er, von Gattin, Kindern und Enkeln gepflegt, die letzten Jahre seines Lebens zubrachte. Der Rath von Leipzig hatte ihm den vollen Amtsgehalt gelassen und seiner Wittwe eine bedeutende Pension bestimmt. Die umfangreiche Thätigkeit, zu der in Leipzig sein Amt ihn verpflichtete, hatte ihn zu schriftstellerischer Thätigkeit nicht mehr kommen lassen. Doch hat er 1810 mit Keil die Schulreden Chr. Aug. Schwarze’s herausgegeben.

S. C. Vogel, Beiträge zur Gesch. der Leipz. Bürgerschule (1853. 4.).