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ADB:Gerhard II. (Erzbischof von Hamburg-Bremen)

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Artikel „Gerhard II., Erzbischof von Bremen“ von Wilhelm von Bippen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 734–736, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gerhard_II._(Erzbischof_von_Hamburg-Bremen)&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 04:25 Uhr UTC)
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Gerhard II., Erzbischof von Bremen 1219–58, ein Sohn jenes merkwürdigen Edelherrn Bernhard von der Lippe (s. Allgem. Biogr. Bd. II S. 422 ff.), der als Bischof von Selonien in Gemeinschaft mit seinem Sohne Otto, Bischof von Utrecht, G. die Weihe ertheilte, nachdem ihn, der seit 1216 Propst zu Paderborn gewesen war, das Bremische Domkapitel ohne Zuziehung des Hamburger Kapitels erwählt hatte. Der Ruhm des Vaters, des alten Parteigängers Heinrichs des Löwen, die ansehnliche Stellung von Gerhards nächsten Verwandten, die nahen Beziehungen seines Hauses zu den Welfen empfahlen ihn ebenso sehr wie seine persönlichen Eigenschaften zur Regelung der schwierigen Verhältnisse, in welchen sich das Erzstift befand. Wenige Wochen schon nach Antritt der Regierung gelang ihm der Abschluß eines Vertrages mit dem Pfalzgrafen Heinrich (September 1219), durch welchen die Grafschaft Stade der bremischen Kirche zu Eigen abgetreten, jedoch als Lehnbesitz bis zum Tode des Pfalzgrafen in dessen Händen belassen wurde. Aber der natürliche Widerstreit der Interessen zwischen dem Erzbisthum und den welfischen Nachbarn erwies sich stärker als die alten Freundschaftsbeziehungen, und die viel umstrittene Stader Grafschaft wurde noch mehrmals zum Zankapfel der Parteien. Gegen den Vertrag von 1219 hatte Pfalzgraf Heinrich seinen Neffen Otto das Kind im J. 1223 zum Lehnserben auch für die Stadischen Güter bestimmt und dies gab für Otto von Lüneburg den Anlaß im Kampfe zwischen Dänen und Deutschen, der soeben durch die Gefangennahme König Waldemars eine entscheidende Wendung zu Gunsten der Deutschen genommen und den Erzbischof G. an die Spitze der Kämpfer gegen die dänische Occupation Holsteins gerufen hatte, seinerseits die dänische Partei zu ergreifen. Aber in der Schlacht bei Möln wurde er 1225 mit Albert von Orlamünde durch die deutschen Verbündeten aus dem Felde geschlagen; und als Otto nach der Entlassung König Waldemars aus der Gefangenschaft aufs Neue dessen Fahnen ergriff, wurden in der Schlacht bei Bornhövd, in welcher Erzbischof G. den ersten Angriff leitete, zugleich mit den Plänen des Dänenkönigs auch die Hoffnungen des Lüneburgers fürerst vernichtet. Noch einmal indeß versuchte Otto die Verlegenheiten des Erzbischofs während des Stedinger Krieges zur Geltendmachung seiner Ansprüche auf Stade zu benutzen, und erst als auch dieser Versuch fehlschlug, verstand er sich im J. 1236 zu einem definitiven Verzichte auf die Grafschaft, die von da ab ein unbestrittener Besitz des Erzstifts geblieben ist, deren glückliche Behauptung durch Erzbischof G. der Territorialentwickelung des Erzbisthums ihren Abschluß gab. Die ruhmvolle Schlacht bei Bornhövd, welche mit einem Schlage Holstein von der Dänenherrschaft befreite, gab dem Erzbischof G. auch den alten Besitz seiner Kirche, Ditmarschen, zurück und befestigte sein Ansehen jenseits der Elbe. Der durch seine einseitige Wahl durch das bremische Domkapitel aufs Neue erregte Streit zwischen diesem und dem Kapitel zu Hamburg fand nach langwierigen Processen endlich durch den Vertrag vom 24. December 1223, vom Papste bestätigt am 1. April 1224, seine Erledigung, wonach künftig die erzbischöfliche Würde ausschließlich bei der bremischen Kirche verbleiben sollte: von da ab ist der Titel eines hamburgischen Erzbischofs völlig erloschen, ein Umstand, der nicht blos zufällig zeitlich zusammenfällt [735] mit dem völligen Ende der großen nordischen Missionsthätigkeit, für welche einst das Erzbisthum Anschars errichtet worden war. Denn so glücklich G. in den bisher erwähnten Unternehmungen war, den definitiven Verlust der letzten überseeischen Provinz seines Stifts, der livländischen Kirche, vermochte er nicht abzuwenden. Faktisch war schon der im J. 1229 verstorbene Bischof Albert von Riga völlig unabhängig von Bremen gewesen, die definitive Constituirung des Rigaischen Erzbisthums erfolgte 1255 durch eine Bulle Alexander IV. Vergeblich hatte G. im J. 1230 eine Gesandtschaft an den Papst geschickt, um eine autoritative Anerkennung der Rechte seiner Kirche auf Livland durchzusetzen, vergeblich sich 1247 bindende Zusagen von Albert Suerbeer geben lassen, der damals auf den Lübecker Bischofsstuhl erhoben wurde und bereits zum künftigen livländischen Metropolitan ausersehen war. Gerhards Gesandtschaft im J. 1230 hing noch mit einem anderen Plane des Erzbischofs zusammen, mit dem beabsichtigten Kreuzzug gegen die Stedinger. Daß diese Bauernschaft, welche in den Kämpfen während des bremischen Kirchenschismas von 1207–17 eine gewichtige Rolle stets auf Seiten des vom Kaiser anerkannten Erzbischofs gespielt hatte, dicht vor den Thoren der erzbischöflichen Metropole eine unabhängige Existenz führte, selbst den kirchlichen Zehnten zu zahlen verweigerte, erschien als eine so gefährliche Anomalie in einer Zeit der wachsenden Unabhängigkeit der Städte von der fürstlichen Gewalt, daß G. gleich nach Beendigung der nordalbingischen Wirren ihre Unterwerfung ernstlich beschloß. Aber der erste Versuch dazu war von dem kriegerischen Volke in einer Schlacht vom 25. December 1229 siegreich zurückgewiesen, des Erzbischofs Bruder Hermann von der Lippe war im Kampfe gefallen. Die Kräfte des Erzstifts erwiesen sich nicht stark genug das freie Bauernvolk zu bezwingen, es mußten die großen Mächte der Kirche zu Hülfe gerufen werden. Schon im März 1230 erklärte die bremische Synode die Stedinger für Ketzer und eifrig betrieb nun G. bei Kaiser und Papst die Kreuzpredigt gegen seine Feinde. Doch erlangte er erst 1232 von Gregor IX. die Erlaubniß und erst auf die Kunde von dem Mißgeschick der ersten Kreuzfahrt gegen die Verketzerten ertheilte der Papst 1233 den Theilnehmern an dem Kampfe die gleichen Vergünstigungen wie denen, welche gegen die Heiden zogen. Aber vier Angriffe wiesen die Stedinger mit unvergleichlicher Bravour zurück, obwol selbst ihre natürlichen Bundesgenossen, die friesischen Völkerschaften an der Unterweser, die Stadt Bremen, sie im Stiche ließen, ja die letztere endlich gar für die Theilnahme am Kampfe gegen sie gewonnen wurde, obwol Herzog Otto von Lüneburg, der eben jetzt seine Kämpfe wegen Stade wieder aufnahm, ihnen keine directe Unterstützung gewährte. Erst am 27. Mai 1234 erlagen die tapferen Bauern in der blutigen Schlacht bei Altenesch ihrem Geschick; Erzbischof G. hatte mit Anwendung der äußersten Mittel auch hier triumphirt. Mit der Stadt Bremen war G. gleich im Beginne seiner Regierung in heftigen Zwiespalt gerathen, als er zur Hebung der durch die voraufgegangenen Wirren stark erschütterten Finanzkräfte des Stifts vermittelst eines festen Schlosses an der Weser Handel und Schifffahrt mit einem Zoll zu belasten versucht hatte. Er vermochte, durch seine anderweiten Sorgen zu sehr in Anspruch genommen, nicht durchzudringen, sondern mußte sich die gewaltsame Zerstörung der Witteborg gefallen lassen und in der nächsten Zeit darauf bedacht sein durch eine Reihe von Concessionen, namentlich im J. 1233, als er sich die Unterstützung der Stadt gegen die Stedinger sichern wollte, ein gutes Verhältniß zu den Bürgern zu erhalten. Die starke Stellung aber, welche er nach der Consolidirung seines Territoriums und nach Ordnung der Finanzen des Erzbisthums sich erworben hatte, erzwang im J. 1247 von den Bremer Bürgern den Verzicht auf das eigenmächtig von ihnen abgefaßte Stadtrecht und die unbedingte Anerkennung der erzbischöflichen [736] Gerichtsbarkeit. Hochbetagt starb G., nachdem ihm in den letzten Jahren sein Neffe Bischof Simon von Paderborn als Administrator zur Seite gestanden hatte, am 27. Juli 1258.

Dehio, Gesch. des Erzbisth. Hamburg-Bremen, Bd. II, Kap. 9 und 10. Schumacher, Die Stedinger.