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ADB:Heinrich V. (Pfalzgraf bei Rhein)

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Artikel „Heinrich von Braunschweig, Rheinpfalzgraf“ von Eduard Winkelmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 559–561, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_V._(Pfalzgraf_bei_Rhein)&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:28 Uhr UTC)
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Heinrich von Braunschweig, Rheinpfalzgraf, geb. frühestens Anfang 1174, gest. am 28. April 1227. Als Heinrich der Löwe nach dem Gebote Barbarossa’s 1182 und nochmals 1189 Deutschland verlassen mußte und zu seinem Schwiegervater Heinrich II. nach England ging, nahm er beide Male den ältesten gleichnamigen Sohn dorthin mit. Bekanntlich kehrten sie aber schon im Herbste 1189 eigenmächtig nach Sachsen zurück und wir finden den Sohn bald hernach als Vertheidiger Braunschweigs gegen den staufischen Heinrich VI., der diesen Hauptplatz der Welfen nicht zu erobern vermochte. Beim Frieden von 1190 wurde H. mit seinem Bruder Lothar – der am 15. Octbr. 1190 zu Augsburg starb – als Geisel gegeben; er mußte 1191 Heinrich VI. auf dem Feldzuge gegen Tancred folgen und nahm so Theil an der unglücklichen Belagerung von Neapel. Die das kaiserliche Heer vor Neapel hinraffende Seuche und das schwere Erkranken des Kaisers selbst erweckten aber in dem jungen Welfen den Glauben, daß jetzt der Augenblick gekommen sei, um sein Geschlecht wieder zu erheben und vielleicht selbst die Krone zu erringen. Er ging zu den Feinden über und kehrte dann über Marseille nach Deutschland zurück, wo er den Tod Heinrichs VI. verkündete und sich selbst für die künftige Königswahl empfahl. Der Plan mißlang, weil der Kaiser weder gestorben noch in seiner deutschen Stellung wesentlich erschüttert war; der Welfe wurde zu Pfingsten 1192 geächtet, und man begreift, daß der Kaiser sich alle Mühe gab, ihn zu vernichten, und daß er namentlich auch die Gefangenschaft Richards von England nach dieser Seite auszubeuten gedachte. Wie mußte er erzürnen, als seine Cousine Agnes, die Tochter und Allodialerbin des staufischen Rheinpfalzgrafen Konrad, sich 1193 heimlich ohne Wissen des Vaters auf Stahleck diesem gefährlichen Nebenbuhler vermählte! Indessen die Fürsten sahen in dem, was sich nicht mehr ändern ließ, ein ganz geeignetes Mittel, den Hader der beiden Häuser zu tilgen; auf ihre Vermittelung hin stellte H. sich im Januar 1194 dem Kaiser, der ihn nicht blos begnadigte, sondern auch nach dem Tode des Pfalzgrafen Konrad (8. Novbr. 1195) wirklich mit der Pfalz belehnte. Und da inzwischen auch Heinrich der Löwe zur Ruhe gegangen war und das ganze Allodium des welfischen Hauses mit all den Lehen, welche es von den Bisthümern Bremen, Verden, Minden, Magdeburg, Halberstadt, Hildesheim und den Abteien Verden, Quedlinburg, Gandersheim und Korvei hatte, nun bis zur Mündigkeit der jüngeren Brüder ungetheilt in Heinrichs Hand lag, so nahm dieser jetzt eine Stellung, welche von der einstigen seines Vaters nicht allzu sehr abstand, andererseits aber auch dem Kaiser zu Gute kam, da H. sich jetzt ihm unbedingt anschloß. Er nahm an dem zweiten sicilischen Feldzuge Theil, welcher mit der Eroberung Palermo’s endigte: er half im Herbste 1196 den Kaisersohn Friedrich II. zum Könige wählen, nahm selbst für den großen Kreuzzug, welchen Heinrich VI. 1197 ins Werk setzte, das Kreuz, und wird ohne Zweifel gleich den andern deutschen Fürsten, welche mit ihm nach Syrien gekommen waren, aufs Neue Friedrich II. geschworen haben, als zu Anfang 1198 die Nachricht vom Tode Heinrichs VI. dort eintraf. In der Heimath aber gab dieser Todesfall den Anlaß, daß von den Gegnern der Staufer die Uebertragung der Krone auf ein anderes Haus betrieben wurde. Nachdem man anfangs auf Anregung [560] des englischen Königs seinen ältesten Neffen, eben den Rheinpfalzgrafen, ins Auge gefaßt hatte, wurde schließlich, weil dieser nicht so schnell zur Stelle sein konnte, dessen jüngerer Bruder Otto von Poitou zum Könige erkoren, während die staufische Partei Philipp von Schwaben an die Spitze stellte. H. nahm in dem daraus entspringenden Bürgerkriege natürlich die Seite des Bruders und er hat sich namentlich die Vertheidigung der sächsischen Hausbesitzungen angelegen sein lassen, über deren Theilung er am 1. Mai 1202 mit seinen Brüdern Otto IV. und Wilhelm von Lüneburg einen Vertrag schloß. Von der Rheinpfalz dagegen vermochte er wol nur die tiefer am Rheine gelegenen Theile zu behaupten und dies im Zusammenhange damit, daß Otto IV. ihm jede Entschädigung für seine Mühen und Verluste verweigerte, endlich überhaupt der entschiedene Niedergang des welfischen Königthums, waren die Gründe, durch welche H. 1204 zum Frieden mit Philipp von Schwaben bestimmt wurde, der ihm die Pfalz zurückgab. Erst der Tod Philipps 1208 führte H. wieder mit seinem Bruder zusammen, für dessen allseitige Anerkennung im Reiche und Unterstützung durch den Oheim Johann von England er sich nun redlich bemühte und dem er auch dann treu blieb, als mit dem Erscheinen Friedrichs II. in Deutschland der große Abfall von Otto IV. begann und dieser im Herbste 1212 wieder an den Niederrhein zurückweichen mußte. H., der sich fortan wieder vorzugsweise der Vertheidigung der welfischen Interessen in Sachsen widmete, scheint damals, um die Pfalz zu retten, zu Gunsten seines einzigen in England erzogenen Sohnes abgedankt und diesem den Anschluß an den Staufer gestattet zu haben. Dieser Sohn, welcher mit Mathilde, der Tochter des Herzogs Heinrich von Brabant verheirathet war, starb indessen schon im Frühlinge 1214 und zwar ohne Kinder zu hinterlassen, so daß Friedrich II. frei über die Pfalz verfügen konnte, die er darauf an Otto, den Sohn des Herzogs Ludwig von Baiern, vergab. Auch die dortigen Allodien und Kirchenlehen gingen ganz oder zum größten Theile auf die Wittelsbacher über, da Agnes, die Schwester Heinrichs II. mit jenem Otto verlobt wurde; wie ihre ältere Schwester Irmgard, welche nachher als Gemahlin Hermanns V. von Baden erscheint, abgefunden worden ist, wissen wir nicht. Wie aber der ältere Heinrich sich oft Herzog von Sachsen genannt hat, obwol seinem Vater das Herzogthum abgesprochen war, so führte er auch nach seiner Entsagung von der Pfalz und nach dem Uebergange derselben auf die Wittelsbacher den Titel des Pfalzgrafen weiter, obwol er mit der Pfalz nie wieder zu thun hatte. Ohne irgend ein Reichslehen, war er fortan nur noch ein Edelherr. Er überlebte seinen Bruder Wilhelm von Lüneburg, der mit Hinterlassung eines unmündigen Sohnes am 12. Decbr. 1213 gestorben war, und ebenso den Kaiser Otto IV., welcher ihn am 18. Mai 1218 zum Vollstrecker seines Testamentes einsetzte und ihn dabei verpflichtete, die Reichsinsignien innerhalb einer gewissen Frist und ohne alle Entschädigung dem von den Fürsten anerkannten Reichsoberhaupte auszuliefern. Das hat H. nun nicht gethan, indem er durch Vorenthaltung der Insignien Friedrich II. wol zu irgend welchem Ersatz seiner beträchtlichen Verluste nöthigen wollte. Er erreichte jedoch, da auch der Papst ihn bedrohte, nur so viel, daß Friedrich sich im Juli 1219 zur Zahlung von 10000 Mark verstand und ihn zum Reichsvicar bestellte, unter welchem Titel H. weiterhin über die sächsischen Bisthümer eine Art Schutzhoheit übte und über den Landfrieden in seinem Bereiche zu wachen hatte. Damals setzte er sich auch mit den Erzbischöfen von Magdeburg und Bremen auseinander, mit welchen aus Anlaß der Reichslehen mancherlei Streit gewesen war. Seit längerer Zeit an den Füßen krank, hielt er sich übrigens nun von jeder hervorragenden Thätigkeit fern und auch die Veränderung der Dinge jenseits der Elbe nach der Gefangennahme des Königs Waldemar von Dänemark, seines [561] nahen Verwandten, vollzog sich ohne seine Betheiligung. Er starb am 28. April 1227. Nachdem seine erste Gemahlin Agnes von der Pfalz am 7. Mai 1204 gestorben war, hatte er später Agnes von Landsberg geheirathet; diese zweite Ehe war jedoch kinderlos geblieben, so daß über seine Hinterlassenschaft sich allein die beiden Töchter aus der ersten Ehe, Agnes die Gemahlin des Pfalzgrafen Otto und Irmgard von Baden, welcher Friedrich II. ihre Ansprüche abkaufte, mit ihrem Vetter Otto von Lüneburg auseinanderzusetzen hatten.

Vgl. Origines Guelficae; Häusser, gesch. d. Pfalz und die Litteratur über Heinrich VI., Philipp von Schwaben, Otto IV. und Friedrich II.