Zum Inhalt springen

ADB:Philipp von Schwaben

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Philipp, römischer König“ von Eduard Winkelmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 742–754, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Philipp_von_Schwaben&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 02:51 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Philicinus, Petrus
Nächster>>>
Philipp der Schöne
Band 25 (1887), S. 742–754 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Philipp von Schwaben in der Wikipedia
Philipp von Schwaben in Wikidata
GND-Nummer 118593854
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|25|742|754|Philipp, römischer König|Eduard Winkelmann|ADB:Philipp von Schwaben}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118593854}}    

Philipp, römischer König, als jüngster Sohn Kaiser Friedrichs I. und der burgundischen Beatrix um die Zeit des Friedens von Venedig (August 1177) geboren, am 21. Juni 1208 zu Bamberg ermordet. Von seinem Vater für den geistlichen Stand bestimmt, wurde er von einem kölnischen Geistlichen erzogen; schon 1189 erscheint er als Propst von Aachen. Sein Bruder Heinrich VI. verschaffte ihm 1190 oder 1191 die Erwählung zum Bischofe von Würzburg, und als diese, wahrscheinlich wegen des Altersdefects, nicht aufrecht gehalten werden konnte, ließ er ihn in der Mitte des Jahres 1193 überhaupt in den weltlichen Stand zurücktreten. Wie Philipp schon 1191 den ersten Zug Heinrichs VI. nach Italien mitgemacht hatte, so begleitete er ihn auch 1194 auf dem zweiten, welcher die Eroberung des Normannenreichs Sicilien zur Folge hatte, und wurde im April 1195 von ihm auf dem Reichstage zu Bari mit dem Herzogthum Tuscien und dem Lande der Gräfin Mathilde ausgestattet, also mit Gebieten, in welchen die Ansprüche des Reichs und der Kirche sich kreuzten und Philipp in scharfem Zugreifen unzweifelhaft mehrfach der letzteren zu nahe trat. Er soll als Verletzer des Kirchenguts sogar vom Papst Coelestin III. gebannt worden sein, was er selbst freilich bestritt. Inzwischen hatte sich die Zahl der kaiserlichen Brüder beträchtlich vermindert – Herzog Friedrich von Schwaben war am 20. Januar 1191 gestorben und Herzog Konrad von Rotenburg, der ihm in Schwaben nachfolgte, am 15. August 1196 ermordet worden – ; außer dem Pfalzgrafen Otto von Burgund, welcher durch seine Zügellosigkeit sich selbst von allen Zukunftsberechnungen Heinrichs VI. ausschloß, war nur noch Philipp übrig, den dann Heinrich für den Fall seines eigenen Todes sehr früh sich als Vertreter der Hausinteressen und als Vormund des Kaisersohnes Friedrich II. (s. A. D. B. VII, S. 436) gedacht zu haben scheint. Er erhielt nun 1196 auch das erledigte Herzogthum Schwaben und [743] rechtfertigte sogleich das Vertrauen des Bruders, indem er einen großen Antheil daran hatte, daß der junge Friedrich jetzt schon zum Nachfolger des Vaters erwählt wurde. Er selbst hatte sich schon früher mit Irene, der Tochter des griechischen Kaisers Isaak, welche als Wittwe des sicilischen Roger III. in die Gefangenschaft der Deutschen gerathen war, verlobt: nun als Herzog von Schwaben feierte er zu Pfingsten 1197 auf dem Landtage, den er am Gunzenlech bei Augsburg abhielt, seine Hochzeit mit der Byzantinerin, welche ihren Namen gegen den der heiligen Jungfrau vertauschte, mit „der Rose ohne Dornen, der Taube ohne Galle“, wie Walther von der Vogelweide sie feierte. Zu gleicher Zeit ließ Philipp sich wehrhaft machen. Im September rief aber der Befehl seines Bruders ihn wieder nach Italien, um den Neffen zur Krönung nach Deutschland abzuholen; er war bis Montefiascone gekommen, als die Nachricht vom Tode seines Bruders, des Kaisers (28. September), und die plötzliche von Rom aus genährte Erhebung des Landes gegen die Deutschen ihn zur Heimkehr zwang, die selbst nur mit Gefahr bewerkstelligt werden konnte.

Aber auch in Deutschland lösten sich nach dem Tode Heinrichs VI. alle Bande der Ordnung und die Jugend und Abwesenheit des erwählten Königs ließen bald Zweifel aufkommen, ob ein solches Königthum den Umständen genügen könne, während an anderen Stellen schon die Gültigkeit selbst seiner Wahl bestritten wurde. Philipp trat allerdings zunächst mit allem Nachdrucke für das Recht seines Neffen ein, mußte jedoch bald erkennen, daß die Opposition, deren Leiter der mächtige Erzbischof von Köln, Adolf von Berg war, mit Friedrich das staufische Haus überhaupt von der Krone auszuschließen bestrebt war, und er gab deshalb, im Interesse des Hauses, seine Zustimmung dazu, daß die Freunde desselben, obenan Erzbischof Ludolf von Magdeburg, ihn selbst an die Spitze des Reiches stellten. Am 6. März 1198 zu Ichtershausen zwischen Erfurt und Arnstadt einigten sie sich über seine Wahl, die dann am 8. zu Mühlhausen förmlich vollzogen ward. Doch scheint Philipp, wenigstens anfänglich, sein Königthum nur wie eine Stellvertretung für Friedrich aufgefaßt zu haben.

Adolf von Köln und seine Partei waren weit davon entfernt, sich dieser Wahl zu fügen. Sie hatten schon vorher ihr Augenmerk auf den Herzog Bernhard von Sachsen gerichtet, der jedoch jede Wahl ablehnte und sich vielmehr Philipp anschloß. Dann war mit Richard Löwenherz verhandelt worden wegen der Wahl seines ältesten Neffen, des rheinischen Pfalzgrafen Heinrich von Braunschweig, und, als dessen Rückkehr aus dem heiligen Lande sich verzögerte, mit dem Herzoge Berthold V. von Zähringen, der in der That anfangs auf den Vorschlag einging, dann aber bedenklich wurde und endlich durch Philipps Anerbietungen gänzlich sich von der Opposition trennte. Die Ergebnißlosigkeit dieser Bemühungen scheint bei Philipp den Eindruck gemacht zu haben, als würden seine Gegner, welche er bei energischem Vorgehen damals wohl noch leicht hätte erdrücken können, schließlich in Ermangelung eines anderen Kandidaten sich ihm fügen. Er ließ ihnen so ruhig Zeit, sich anderweitig umzuschauen, und sich endlich auf den jüngeren Bruder des Pfalzgrafen, Otto von Poitou, zu einigen, für den auch die Gunst sprach, in welcher er bei Richard von England stand, und die Erwartung, daß letzterer nicht kargen werde. Um Pfingsten kam Otto nach Lüttich, wurde in Köln festlich empfangen und am 9. Juni dort als erwählter König ausgerufen. Gänzlich auf die Unterstützung seiner Anhänger angewiesen, mußte er sie mit Zugeständnissen nach allen Seiten hin erkaufen; in dieser Weise bemühte er sich auch die Anerkennung des Papstes Innocenz III. zu gewinnen, der allerdings für seine italienischen Bestrebungen bei dem Welfen auf größeres Entgegenkommen rechnen durfte als bei dem Staufer, dem Nachfolger eines Friedrich I. und Heinrich VI.

[744] Unzweifelhaft war Philipp von vornherein seinem Nebenbuhler an Macht überlegen: der ganze Osten, der ganze Süden, im Westen der zusammenhängende Strich von Lüttich, Trier und Lothringen stand ihm zur Verfügung, während Otto nur den Nordwesten auf seiner Seite hatte und seine sonstigen Anhänger, der Bischof von Straßburg, der Pfalzgraf, der thüringische Landgraf, in ihrer Vereinzelung wenig Aussicht hatten, sich gegen die staufische Uebermacht zu behaupten. Aber letztere wurde einigermaßen durch die größere Rührigkeit ausgeglichen, welche Otto entfaltete. Am 10. Juli erzwang er sich den Eintritt in Aachen und konnte sich so am 12. an der rechten Stätte krönen lassen, zwar nur mit nachgemachten Insignien, aber doch durch den Erzbischof von Köln, während Philipp, der allerdings die Reichsinsignien besaß, seine Krönung erst am 8. September, dazu nur in Mainz und nur durch den Erzbischof von Tarentaise in Burgund vornehmen zu lassen im Stande war. So rächte es sich, daß er der treuen Bürgerschaft von Aachen nicht zu Hülfe geeilt war, sondern in derselben Zeit, da diese den Angriffen Otto’s noch widerstand, den Bischof von Straßburg heimgesucht hatte, ohne ihn zur Unterwerfung zwingen zu können. Auch ein größerer Feldzug im Herbste an den Niederrhein, zu welchem der in Mainz mit der Königskrone begnadigte Ottokar von Böhmen das Hauptcontingent gestellt hatte, führte zu keinem entscheidenden Ergebnisse. Otto räumte zwar nach einem Kampfe an der Mosel das Feld und zog sich vor Philipps Uebermacht nach Köln zurück, aber Philipp wagte doch keinen Angriff auf diese damals noch nicht einmal mit Mauern umgebene Stadt, deren Einnahme wahrscheinlich den ganzen Bürgerkrieg beendigt haben würde. Sein Rückzug nach Verwüstung des platten Landes ermuthigte den Welfen nun seinerseits zum Angriffe überzugehen: er half dem Thüringer die Reichsstädte seines Bereichs unterwerfen und warf sich dann auf das reiche Goslar, welches in seiner Bedrängniß sich zu ergeben versprach, wenn bis zum 6. Januar kein Entsatz komme. Diesmal war nun Philipp rechtzeitig zur Stelle. Er traf am 5. in Goslar ein und versah es mit genügender Besatzung, aber stand auch hier von einem Angriffe auf Braunschweig ab, wohin Otto zurückgewichen war.

Hatte das Jahr 1198 keine Entscheidung gebracht und zwar hauptsächlich, weil Philipps Stöße der Wucht und Nachhaltigkeit ermangelten, so nahm das Jahr 1199 ein anderes Aussehen an. Philipp versicherte sich zunächst Triers, befestigte seine Stellung am Mittelrhein und raffte sich dann zu einer Reihe größerer Unternehmungen auf, deren Durchführung es spüren läßt, daß dem Könige jetzt der bewährte Feldhauptmann seines Vaters und Bruders, der Reichshofmarschall Heinrich von Kalden, welchen bisher ein Kreuzzug ferngehalten hatte, zur Seite getreten war. Nun wurde im Sommer der Bischof von Straßburg zur Unterwerfung gebracht und der Landgraf von Thüringen durch die Ueberlassung von Nordhausen, Mühlhausen u. A. auf Philipps Seite herübergezogen und dann im September ein neuer Verwüstungszug ins Kölnische unternommen, dem Otto nicht zu wehren wagte. Da dessen Aussichten obendrein durch den Tod Richards von England (6. April) sehr getrübt waren, soll sogar Adolf von Köln, dem er vornehmlich die Krone verdankte, damals schon daran gedacht haben, ihn zu verlassen. In Sachsen aber betrachtete man Ottos Sache als eine verlorene, wie der glänzende Kreis von geistlichen und weltlichen Fürsten, Grafen und Edeln zeigt, welcher mit Philipp das Weihnachtsfest 1199 in Magdeburg feierte. Braunschweig, von wo Otto’s Bruder Pfalzgraf Heinrich die staufisch gesinnten Nachbarn gelegentlich mit Einfällen heimsuchte, Köln, der gewöhnliche Aufenthalt Ottos selbst, und der Herzog von Brabant, mit dessen Tochter er sich bei seiner Aachener Krönung verlobt hatte, diese letzten Stützen des Gegenkönigthums niederzuwerfen, war anscheinend keine zu große Aufgabe [745] für das folgende Jahr, besonders da der neue König von England Johann das reiche Legat, welches Richard seinem Neffen ausgesetzt hatte, zurückhielt und sich in dem Stillstande, welchen er mit Philipps Verbündeten, dem Könige von Frankreich schloß, vielleicht nicht ungern die Bedingung aufnöthigen ließ, an Otto weiter keine Unterstützung zu gewähren. „Seit dem Tode meines Oheims Richard, schrieb Otto dem Papste, seid Ihr mein einziger Trost und Beistand“.

Auch Philipp hatte nicht versäumt, sich mit dem Papste in Verbindung zu setzen; nur daß seine darauf gerichteten Versuche wenig ermuthigend ausfielen. Der Bischof von Sutri war bald nach dem Tode des Kaisers an ihn abgeordnet worden, um die Freilassung der vom Gestorbenen nach Deutschland abgeführten Großen Siciliens zu erwirken, und sie wurde gewährt. Philipp ließ sich durch denselben auch vom Banne lösen, dem er wegen seiner tuscischen Uebergriffe verfallen sein sollte, und bevollmächtigte dann seinerseits den Bischof, welcher nach der Mainzer Krönung zurückreiste, zu Verhandlungen mit dem Papste. Zu solchen kam es indessen gar nicht, da Innocenz den Bischof beschuldigte, mit jener Absolution seine Vollmachten überschritten zu haben, und ihn mit lebenslänglicher Einsperrung strafte. Die Sendung des Straßburger Propstes Friedrich im Jahre 1199 hatte keinen besseren Erfolg. Innocenz bedauerte in seiner Antwort auf dessen Anbringen die Zwietracht des Reiches, betonte aber, daß die Entscheidung derselben der Kirche zustehe, welche das Kaiserthum vom Osten auf den Westen übertragen und die Kaiserkrone zu vergeben habe. In der That hatte Innocenz schon längst nicht blos innerlich für Otto Partei ergriffen, sondern auch in seinen nach Deutschland gerichteten Schriftstücken Wünsche für das Gedeihen desselben ausgedrückt, immer aber doch vermieden, die von Otto und seinen Freunden angestrebte förmliche Anerkennung auszusprechen, weil sie sowohl seinen Endzweck als Schiedsrichter im Thronstreite angenommen zu werden, vereitelt haben würde als auch Gefahren in sich schloß, solange die Angelegenheiten Ottos nicht besser gingen als bisher. Eine weitere Schwierigkeit kam hinzu. Nämlich der Erzbischof von Mainz Konrad von Wittelsbach, welcher zugleich Cardinalbischof der Sabina war, zeigte sich bei einem Besuche, den er im Herbste 1199 auf der Heimreise aus Syrien dem Papste machte, durchaus nicht geneigt, die politischen Pläne desselben zu fördern. Er war wohl wie der Papst gegen Philipps Königthum, aber darum doch nicht für Otto, sondern vielmehr für den 1196 erwählten Friedrich, obwohl das Zurückgreifen auf diesen, welcher päpstlicher Lehnskönig von Sicilien geblieben war, wieder die Personalunion Siciliens mit dem Kaiserreiche verwirklicht haben würde, in der Innocenz die größte Gefahr für die Machtstellung des Papstthums und vor Allem für den durch Gewalt geschaffenen Kirchenstaat erblickte. Indessen die Pacification, wie sie der Wittelsbacher plante und welche die Abdankung beider streitender Könige zur Voraussetzung hatte, scheiterte gleich daran, daß Otto sich auf keine Verhandlung über sein Thronrecht einlassen wollte und der bisher im Uebergewichte gebliebene Philipp natürlich noch weniger zurückzutreten dachte, da der Cardinal natürlich keine Bürgschaft stellen konnte, daß dann das Königthum Friedrichs nicht weiter bestritten werden würde. Als dann Konrad den Vorschlag eines fürstlichen Schiedsgerichts aufbrachte, so ging zwar Otto darauf ein, weil er vom Papste erwartete, daß derselbe die Schiedsrichter zu seinen Gunsten beeinflussen werde; die staufische Partei dagegen, welche sich erst kürzlich zu mannhaftem Einstehen für Philipp verpflichtet hatte und mit einiger Zuversicht auf seinen vollständigen Sieg rechnen durfte, lehnte solches Schiedsgericht rundweg ab. Konrad erreichte mit seinen Friedensbemühungen nur das Eine, daß wenigstens für das Rheinland ein Waffenstillstand abgeschlossen wurde, bei dem sowohl Otto als Philipp ihre Rechnung zu [746] finden glaubten. Der Abschluß dieser von Konrad von Wittelsbach angeregten Verhandlungen wird die Gesammterklärung der staufisch gesinnten Fürsten und Magnaten aus Speier vom 28. Mai, wie ich anzunehmen Grund habe, des Jahres 1200 sein, deren Bedeutsamkeit jedoch nicht verringert wird, wenn sie schon 1199, wie von anderer Seite gemeint wird, an den Papst gerichtet sein sollte. Jene, welche die große Mehrheit der Reichsstände in sich verkörperten, bezeugen hier die Rechtmäßigkeit der Wahl Philipps. versichern die Rechte der Kirche achten zu wollen, aber warnen auch den Papst, mit deutlichem Hinblicke auf seine Besitznahme der mittelitalischen Reichsländer, seine Hand nach Rechten des Reiches auszustrecken, und sie kündigen endlich an, daß sie demnächst mit aller Macht nach Rom ziehen werden, um ihrem Erwählten die Kaiserkrone zu verschaffen. Wenn die Anhänger Philipps dann außerdem sehr entschieden sich zu Gunsten Markwards von Anweiler aussprachen, der durch Innocenz aus seinen von Heinrich VI. ihm verliehenen Reichslehen in Mittelitalien verdrängt worden war und eben damals des Papstes Vormundschaft über den jungen Friedrich von Sicilien mit den Waffen in der Hand bekämpfte, so ist es klar, daß Innocenz, wenn er auch noch unparteiisch dem deutschen Thronstreite gegenübergestanden hätte, unmöglich auf Philipps Seite seine Rechnung finden konnte. Seine Antwort auf die Erklärung von Speier, er wisse, wem die apostolische Gunst zuzuwenden sei und er werde von sich aus den rechtmäßig erwählten König zur Kaiserkrönung berufen, war eine unzweideutige Absage an Philipp und dessen Freunde, und noch deutlicher sprach er in der Beglaubigung eines im Sommer 1200 nach Deutschland entsendeten Boten davon, daß die Wahl „des einen“ der streitenden Könige, nämlich Philipps, von vornherein ungültig sei, weil er durch Annahme derselben an Friedrich eidbrüchig geworden und überdies zur Zeit der Wahl sich im Banne befunden habe.

Innocenz scheint mit derartigen Aeußerungen einen Druck auf das durch Konrad von Mainz angeregte fürstliche Schiedsgericht beabsichtigt zu haben, von dem er freilich noch nicht wissen konnte, daß es überhaupt nicht zu Stande gekommen war. Trotzdem war die unverkennbare Parteinahme der obersten kirchlichen Autorität für den Welfen ein entschiedener Nachtheil für Philipp und sie fiel um so schwerer ins Gewicht, als seine Unternehmungen im Jahre 1200 nicht von Erfolg begleitet waren. Sein mit großen Zurüstungen unternommener sommerlicher Feldzug gegen Braunschweig, welches Otto’s Bruder vertheidigte, scheiterte vollständig. Dann starb Konrad von Mainz am 20. October 1200 und Philipp setzte zwar durch, daß dort von der Mehrheit der Wahlberechtigten der ihm persönlich zugethane Bischof von Worms Lupold von Scheinfeld erwählt wurde. Aber die Minderheit, welche sich vor ihm nach Bingen zurückgezogen hatte, ließ sich nicht einschüchtern: sie wählte den Dompropst Sigfried von Eppenstein und, kaum hatte Philipp diesen Gegenden den Rücken gewandt, so erschien Sigfrid mit Ottos Hülfe vor Mainz, bemächtigte sich der Stadt und gab so dem Welfen einen wichtigen Stützpunkt für weitere Vorstöße gegen den staufischen Süden. Die Fürsten, welche von Otto zu Philipp übergegangen waren, sahen sich mit Kirchenstrafen bedroht und des letzteren Anhang im Osten litt unter dem Streite, in welchen Ottokar von Böhmen mit Dietrich von Meißen gerathen war, dadurch daß er Adela von Meißen verstoßen und sich mit Konstanze von Ungarn vermählt hatte. In jeder Beziehung also hatte Philipps Stellung sich verschlechtert, und im letzten Grunde hauptsächlich darum, weil die durch Konrad von Mainz aufgebrachten Verhandlungen die rechtzeitige Ausnützung der früher gewonnenen Vortheile verhindert hatten.

Diese Sachlage ermuthigte den Papst einen Schritt weiter zu gehen. Am 5. Januar 1201 zeigte er den deutschen Fürsten an, daß er zwei Cardinalbischöfe [747] Guido von Praeneste und Octavian von Ostia mit dem Auftrage nach Deutschland senden werde, die Fürsten zu bestimmen, daß sie ihre Stimmen auf einen solchen vereinigten, welchem die Kaiserkrönung zu Theil werden könne, oder sich der päpstlichen Entscheidung unterwürfen. Bevor indessen noch diese Legation in Wirksamkeit trat, bestimmten Nachrichten über Ottos weitere Erfolge am Oberrhein den Papst, auf die doch sehr zweifelhafte Unterwerfung der Fürsten unter seinen Schiedsspruch zu verzichten und am 1. März einfach von sich aus den Welfen als König anzuerkennen, Philipp aber und seinen Anhang zu bannen. Es kann nun hier nicht ausgeführt werden, wie Innocenz nach diesem Entschlusse alle Hebel in und außerhalb Deutschlands ansetzte, seinem Schützlinge zum Siege zu verhelfen, der obendrein am 8. Juni die vom Papste in Italien geschaffene Ordnung rückhaltslos anerkannte und auch durch andere Zugeständnisse sich dankbar erwies. Am 3. Juli verkündete der Legat Guido – Octavian fand in Frankreich Beschäftigung – zu Köln die päpstliche Entscheidung und offen und insgeheim wurde nun daran gearbeitet, ihr Achtung zu verschaffen, vor Allem bei den deutschen Bischöfen, welche in ihrer großen Mehrheit bis dahin zu Philipp gehalten hatten. Der große Reichstag zu Bamberg, welchen Philipp im September abhielt, die glänzende Schaar linksrheinischer und burgundischer Großen, welche sich bei ihm zu Hagenau im December versammelte, und der Tag zu Halle im Januar 1202, auf welchem ein Protest gegen das Verfahren des Legaten vereinbart und eine Abordnung an Innocenz beschlossen wurde, – Versammlungen, auf welchen gerade die geistlichen Fürsten zahlreich vertreten waren – könnten den Glauben erwecken, daß sie nicht daran dachten, ihre bisherige Haltung aufzugeben. Aber wir wissen aus der Correspondenz des Papstes, daß viele von ihnen schon im Geheimen mit der Gegenpartei in Beziehung getreten waren und nur auf eine Erstarkung der Macht Otto’s warteten, um zu demselben überzugehen. Auch jetzt wieder war die größere Rührigkeit auf Seiten Otto’s und man muß ihm das Zeugniß geben, daß er es verstand, aus der glücklichen Wendung, welche das Eintreten der obersten kirchlichen Autorität für sein Königthum bedeutete, Nutzen zu ziehen. Mit Hilfe derselben fesselte er den schon unsicher gewordenen Nordwesten wieder an sich, machte den schwer zu befriedigenden Erzbischof von Köln durch ein Bündniß mit der mächtigen Bürgerschaft dieser Stadt unschädlich, gewann die Unterstützung der Dänen, welche mit Benutzung des Thronstreits bis zu Ende 1201 Holstein erobert hatten, gegen Philipps Anhänger im Norden, von denen die wichtigsten, wie der Erzbischof von Bremen noch im Laufe des Jahres 1202 zur Unterwerfung gebracht wurden, und hatte endlich die Genugthuung, daß sein Oheim Johann von England, von dem er bisher gänzlich vernachlässigt worden war, jetzt da er wieder mit Frankreich Krieg zu führen hatte, die Verbindung mit ihm suchte, ein Schutz- und Trutzbündniß abschloß und ihm einiger Maßen mit Geld zu Hülfe kam. Philipp aber hat, während Otto handelte, in auffallender Unthätigkeit verharrt und erst dann sich aufgerafft, als es fast schon zu spät war, als eine Verschwörung des Bischofs Konrad von Würzburg, des Landgrafen Hermann von Thüringen und des Böhmenkönigs ihn aus Mitteldeutschland zu verdrängen drohte.

Ottokar von Böhmen bedurfte wegen seines Ehehandels der Geneigtheit des Papstes, welche nur durch Anschluß an den Schützling desselben zu gewinnen war. Hermann von Thüringen mochte sich für seinen Abfall von Otto nicht genügend belohnt und größere Vortheile durch den Rücktritt zu Otto einzuheimsen glauben. Konrad von Würzburg aber, Philipps Kanzler, scheint schon 1201, als Innocenz ihm die Annahme des früher abgesprochenen Würzburger Bisthums gestattete, sich dem Papste verkauft zu haben, und wenn er trotzdem bis in den September 1202 hinein sich im Vertrauen Philipps erhielt, so zeugt [748] das nur von der Geschicklichkeit, mit welcher die welfisch-päpstliche Agitation das staufische Königthum untergrub. Erst Konrads Zusammenkünfte mit dem Landgrafen, der schon durch Befehdung des von Philipp anerkannten Erzbischofs Lupold seine wahre Gesinnung verrieth, öffneten dem Könige die Augen: im November sammelte er das schwäbische Aufgebot gegen Würzburg. Als er dort anlangte, war Konrad aber schon durch Dienstmannen aus dem Hause Ravensburg ermordet. Es ist begreiflich, daß dieser dem Interesse des Königs höchst gelegen kommende Todesfall hier und da den Verdacht erweckt hat, daß Philipp demselben nicht fern gestanden haben mag, und der Umstand. daß von seiner Seite keine Verfolgung der Mörder statt hatte, war nur zu sehr geeignet, solchen Verdacht zu nähren, der jedoch vor der Thatsache weichen muß, daß selbst Innocenz, welcher alles daran setzte den politischen Gegner zu vernichten, von diesem Verdachte keinen Gebrauch machte. An Konrads Stelle trat in Würzburg ein der Sache Philipps ergebener Mann.

Der Schlag gegen Thüringen und Böhmen mußte auf das nächste Jahr verschoben werden. Im Juni 1203 brach Philipp in Thüringen ein und verwüstete das Land so, daß der Landgraf einen Stillstand erbat. Philipp bewilligte ihn, aber nun kamen Hermanns Verbündete herbei, Pfalzgraf Heinrich von Braunschweig und Ottokar von Böhmen mit einem gewaltigen Heere, zu welchem auf Antrieb des Papstes auch Ungarn einen Schwarm der wilden Polowzen geschickt hatte. Da vermochte Philipp vor der Uebermacht das Feld nicht mehr zu behaupten: er zog sich erst nach Erfurt, dann nach Meißen zurück und konnte es nicht hindern, daß Otto, der nun selbst nach Thüringen kam, Merseburg eroberte, mit Hülfe der Böhmen die südlichen Theile des Erzbisthums Magdeburg, später auch das Halberstädtische verwüstete. Erst als Otto nach Braunschweig und die Böhmen, von denen das befreundete Thüringen noch mehr zu leiden gehabt hatte als von den Staufischen, nach Hause gezogen war, konnte Philipp sich den Rückweg durch Thüringen bahnen. Der Feldzug war für ihn gänzlich verloren, die Verbindung mit seinen Anhängern im Nordosten durchbrochen.

Philipp scheint übrigens schon zu der Zeit, als die Untreue des Würzburger Bischofs sich enthüllte, zu der Ueberzeugung gekommen zu sein, daß er sich gegen den Willen des Papstes nicht werde halten können. Durch einen Mönch von Salem ließ er die ersten Eröffnungen an Innocenz gelangen, der seinerseits dann den Prior der Camaldulenser Martin veranlaßte, scheinbar aus eigenem Antriebe zu Philipp zu gehen. Das Ergebniß der so angeknüpften Verhandlungen war (etwa im Mai 1203) eine Urkunde, in welcher Philipp sich allerdings zu bedeutenden Zugeständnissen an den Papst herbeiließ. Er versprach Genugthuung für die aus der Zeit seiner Verwaltung Tusciens herrührenden Beschwerden, einen Kreuzzug, Mitwirkung zur Unterwerfung der griechischen Kirche, falls Gott ihm oder seinem Schwager Alexios das griechische Kaiserthum verleihe, Preisgabe des Spolienrechts, völlige Freiheit der kirchlichen Wahlen, Einschränkung der Klostervögte und ein Reichsgesetz, daß der Gebannte auch der weltlichen Acht verfalle. Alles Dinge, die unzweifelhaft den Beifall des Papstes hatten, aber da sie zum Theil auch sonst sich erreichen ließen, zum Theil auch schon von Otto zugestanden waren, doch nicht im Stande waren, den Papst für Philipp zu gewinnen und um so weniger, da dieser mit keinem Worte auf eine Anerkennung des von Innocenz geschaffenen Kirchenstaates anspielte, der doch von Otto schon anerkannt war. Bot Philipp außerdem die Hand einer seiner Töchter für einen Neffen des Papstes, so hatte auch ein solches Angebot wenig Verlockendes, als nach dem Mißlingen des thüringischen Feldzuges sein Niedergang entschieden zu sein schien. Diese Verhandlungen, [749] für welche Innocenz nachträglich den Vermittler verantwortlich machte, waren am Ende doch nur ein Beweis, daß Philipp selbst kein rechtes Vertrauen mehr auf den Sieg seiner Sache hatte, und wenn er nicht, wie hätten seine Anhänger ein solches haben sollen? Die zu ihm haltenden Bischöfe wurden allmählich mürbe. Durch päpstliche Agenten bearbeitet, in Processe bei der Curie verwickelt, deren Entscheidung sich ganz nach ihrem politischen Verhalten richtete, in ihrem Gewissen durch den Bann bedrückt, haben sie sich immer mehr zu dem Gelöbniß verstanden, dem Papste auch in der Reichsangelegenheit gehorsamen zu wollen. Es ist wahr, die meisten derselben haben es auch mit diesem Gelöbnisse nicht allzuernst genommen und ihre Sympathien blieben nach wie vor Philipp zugekehrt; aber sie zu bethätigen wurde doppelt gefährlich, als das Kriegsglück dem Könige ihrer Wahl den Rücken wandte und die Zukunft dem Könige von des Papstes Gnaden zu gehören schien. Otto berichtete am Ende des Jahres 1203 dem Papste, daß im nächsten Jahre ein Feldzug nach Schwaben der Sache des Staufers den Todesstoß versetzen werde; er versprach schon seinem Oheime, ihm gegen Frankreich zu Hülfe zu ziehen. Er war auf seiner Höhe angelangt: von hier ging es reißend abwärts.

Mochte Philipps Anhang auch ins Schwanken gerathen sein, er verfügte doch vermöge seines Hausgutes über bedeutende Machtmittel, während der Welfe ohne die Unterstützung seiner Anhänger so gut wie Nichts war. Sein Bruder war der erste, der ihn verließ, ohne Zweifel zunächst, um durch den Uebertritt zu Philipp die rheinische Pfalzgrafschaft zurückzuerhalten, für deren Verlust wohl eine Entschädigung aus dem welfischen Erbgute möglich gewesen wäre, aber von Otto verweigert worden war. Der Pfalzgraf nahm dann sogleich an Philipps zweitem Feldzuge gegen Thüringen (Juli 1204) Theil, bei welchem der Landgraf gleichzeitig von allen Seiten angegriffen wurde und sich in Weißensee einschließen mußte, bis die böhmische Hülfe herankommen konnte. König Ottokar ließ allerdings auch diesmal nicht auf sich warten, wagte aber, weil er die Ueberlegenheit des Reichsheeres erkannte, keine Schlacht, sondern zog bald wieder nach Böhmen zurück. Da blieb dem Landgrafen nichts übrig, als Philipps Gnade anzurufen (17. September): er konnte froh sein, daß er mit dem Verlust des für seine erste Unterwerfung überlassenen Reichsgutes davon kam, und seinem Beispiele folgte nun auch der Böhmenkönig. Dieser mußte sich zu einer bedeutenden Zahlung an den König und zur Aufnahme der verstoßenen Adela verstehen, ohne welche zwischen ihm und den Wettinern kein Frieden sein konnte.

Während Philipp so seine Stellung in Mitteldeutschland befestigte, bereitete sich auch im eigensten Bereiche Otto’s, im Nordwesten, ein Umschwung zu seinen Gunsten vor. Durch den holländischen Erbfolgestreit ging die von dem päpstlichen Legaten mühsam zusammengekittete Einigung der niederländischen Großen auf das welfische Königthum in die Brüche. Adolf von Köln, dem Otto seine Erhebung verdankte, sah sich von ihm zur Seite geschoben, und der Herzog Heinrich von Brabant, mit dessen Tochter Otto sich verlobt hatte, mußte einen Angriff des mit Philipp befreundeten Frankreich befürchten, gegen welchen weder die eben in dieser Zeit vollständig besiegten Engländer noch Otto ihn zu schützen vermochten. Diese beiden Fürsten waren schon im Sommer, während Philipp noch in Thüringen zu thun hatte, zum Uebertritte entschlossen und sie vollzogen ihn, allen Warnungen und Drohungen des Papstes zum Trotz, am 12. November zu Koblenz, indem sie dem Staufer Treue schwuren und sich von ihm belehnen ließen. Nun konnte Philipp, dessen Krönung unter Anderm auch darum von Innocenz bemäkelt worden war, weil sie nicht an rechter Stelle und von dem rechten Erzbischofe vollzogen sei, dies wettmachen. Am 6. Januar 1205 wurde er und seine Gemahlin Maria durch [750] Adolf im Aachener Dome gekrönt. Von da an hat Otto sein Schicksal nicht mehr zu wenden vermocht, obwohl die Unterstützung des Papstes ihm noch zur Seite blieb und in Köln eine Neuwahl bewirkte, durch welche an Stelle des für seinen Abfall abgesetzten Adolf am 25. Juli der bisherige Propst von Bonn, Bruno von Sain, an die Spitze des Erzbisthums trat. Indessen Adolf wich nicht und die kölnische Landschaft hielt unter dem Einflusse seiner mächtigen Familie, der Grafen von Berg, im Allgemeinen zu ihm, so daß Bruno hauptsächlich auf die durch die päpstliche Agitation ganz fanatisirte Bürgerschaft von Köln beschränkt blieb und die Stellung des Welfen durch seine Einsetzung keineswegs verbessert wurde. Auch für ihn hing alles davon ab, wie lange Köln ihm treu sein werde. Ein größerer Feldzug Philipps gegen diese Stadt im September 1205, die fünftägige Berennung derselben, die schwere Verwundung Ottos bei einem Ausfalle vermochten allerdings die Treue der Bürger noch nicht zu erschüttern; aber da die nähere Umgebung grenzenlos verheert war, die Burgen im Umkreise in der Hand der Staufischen waren und die Zufuhr den Rhein aufwärts sehr erschwert wurde, als Philipp auch Neuß besetzte, war der Anfang vom Ende unstreitig gekommen und es macht der Ausdauer der Bürger alle Ehre, daß sie trotzdem das Ende hinauszuzögern wußten. Sie befanden sich in ähnlicher Lage wie im Osten das staufische Goslar, welches von welfischen Burgen umschlossen, allmählich herunterkam und endlich von Ottos Truchseß Gunzelin von Wolfenbüttel am 8. Juni 1206 erstürmt ward.

Das war der letzte Erfolg, welchen Otto im Bürgerkriege gegen Philipp zu verzeichnen hatte. Als Philipp im Sommer 1206 wiederum am Niederrhein erschien, wurde Otto am 27. Juli bei Wassenberg an der Roer vollständig geschlagen. Bruno wurde gefangen, Otto selbst entkam schwer verwundet nach Köln. Ein Versuch Philipps, in einer persönlichen Zusammenkunft mit dem nah verwandten Gegner, diesen zum Rücktritte zu bestimmen, führte zu Nichts, da so lange Köln sich hielt, auch er sich halten und auf irgend eine günstige Wendung seines Geschicks vom Papste, von England, von Dänemark her oder sonst irgendwoher warten konnte. Aber bald zeigte es sich, daß Köln selbst der Macht der Thatsachen sich fügen mußte. Am 11. November schloß es mit Philipp einen Vertrag über seine Uebergabe und die Bedeutung dieses Vertrags wird dadurch nicht abgeschwächt, daß die Bürger sich die Verschiebung der Huldigung bis zum März ausbedingten, wahrscheinlich weil sie darauf rechneten, daß auch Innocenz sich inzwischen von der Unmöglichkeit weiteren Widerstands gegen das staufische Königthum überzeugen und die dem Welfen geleisteten Eide lösen werde. Als das nicht geschah, haben sie sich auch um den Papst nicht weiter gekümmert und, nachdem Otto nach dem Braunschweigischen entwichen war, Philipp gehuldigt und ihn bei seinem Einzuge am 21. April 1207 mit allen erdenklichen Ehren begrüßt. Mit der Einnahme dieser Stadt, in welcher das welfische Gegenkönigthum geboren worden, war der Bürgerkrieg thatsächlich beendet; Otto auf einen Theil der welfischen Erblande beschränkt, konnte wohl kaum noch lange sein Recht auf die Krone vertheidigen, obgleich nun Waldemar II. von Dänemark, gekränkt über die durch Philipp im April vollzogene Aufnahme der deutschen Kolonie an der Düna ins Reich, einige Truppen nach Braunschweig schickte und Johann von England in letzter Stunde, als sein Neffe selbst zu ihm herüberkam, sich zu weiteren Hülfsgeldern an ihn entschloß. Auch Innocenz gab den Welfen jetzt verloren.

Innocenz hat sich begreiflicher Weise nicht leicht in die seit dem Jahre 1204 ganz veränderte Sachlage hineingefunden, deren Rückwirkung auf Italien so ganz seinen Wünschen entgegen sein mußte. Hatte doch Philipp selbst in der Zeit seiner größten Bedrängniß bei den im Sommer 1203 geführten Verhandlungen [751] durchaus keine Geneigtheit gezeigt, auf die Rechte des Reichs an den vom Papste annectirten Provinzen Ancona, Spoleto und anderen zu verzichten, vielmehr gleich nach dem Abbruche jener Verhandlungen den Bischof Lupold von Worms nach Italien gesandt, um diese Rechte nachdrücklichst zur Geltung zu bringen. Bischof Lupold, dessen Wahl zum Mainzer Erzbischofe von Innocenz verworfen, dessen Beharren auf dieser Wahl mit Bann und Absetzung gestraft worden war, ohne daß er sich darum kümmerte, hat offenbar sowohl mit ziemlichem Behagen als auch mit Erfolg an der Erschütterung und Beseitigung der päpstlichen Herrschaft im Kirchenstaate gearbeitet. Die Ueberlegenheit Philipps machte sich also im Laufe der Jahre 1204 und 1205, welche seinen Sieg für Deutschland entschieden, auch in Italien fühlbar und er durfte mit Recht erwarten, daß etwaige Anträge von seiner Seite jetzt nicht mehr von Innocenz kurzer Hand zurückgewiesen werden würden, besonders da er mit der Zurückberufung Lupolds, der geradezu verletzend gegen jenen aufgetreten war, deutlich bekundete, daß es ihm ernstlich um Frieden zu thun war. So kam es zwischen ihnen im Sommer 1206 zu neuen Verhandlungen, zu welchen Innocenz den Patriarchen Wolfger von Aquileja und wieder den Camaldulenser Martin benutzte, und in Folge deren dann Philipp ein ausführliches Schreiben an den Papst richtete, mit einer wahrheitsgemäßen Darstellung seiner Wahl und des bisherigen Verlaufs des Thronstreits und mit bestimmten Anerbietungen, welche als Basis einer weiteren Annäherung dienen sollten. Innocenz nahm nun allerdings des Königs Versicherungen seiner Ergebenheit wohlgefällig auf, aber dessen Anerbietungen schienen ihm doch nicht ausreichend und die Preisgebung Otto’s nicht aufwiegend; er hoffte auch wohl noch auf irgend einen Umschwung zu Gunsten des letzteren und ließ deshalb dem Staufer vorschlagen, er möge mit Otto auf ein Jahr Stillstand schließen, während dessen er, der Papst Gelegenheit finden werde, dem Reiche in heilsamer Weise Frieden zu schaffen. Er wollte offenbar Zeit gewinnen.

Aber die Schlacht bei Wassenberg, Otto’s Flucht aus Köln und der Uebertritt dieser Hochburg des welfischen Königthums zu Philipp bewiesen, daß mit Otto nicht mehr zu rechnen war und daß es nur noch darauf ankommen konnte, die nun doch unvermeidlich gewordene Auseinandersetzung mit Philipp möglichst vortheilhaft für die Curie zu gestalten. Eine solche zu finden, ward die Aufgabe der beiden Legaten, des Bischofs Hugo von Ostia (des späteren Papstes Gregor IX.) und des Cardinalpresbyters Leo von S. Croce, welche im August 1207 auf einer großen Reichsversammlung in Worms Philipp zunächst vom Banne lösten. Auf ihr Verlangen, den gegen Braunschweig vorbereiteten Feldzug auszusetzen, konnte dieser um so leichter eingehen, als die Legaten ihrerseits es übernahmen, Otto zur Aufgabe seiner Krone zu bewegen. Das vermochten sie nun allerdings nicht und ebensowenig haben die überaus günstigen Angebote Philipps, der im September zwei Mal von Quedlinburg aus mit Otto zusammentraf, dessen Starrsinn erschüttert. Wenn trotzdem Philipp auf einen Stillstand bis zum Johannistage des nächsten Jahres einging, während er doch unzweifelhaft die Macht besaß, die Sache zu Ende zu führen, so war dieses Eingehen auf die Wünsche des Papstes wohl geeignet, diesen in der Hoffnung zu bestärken, daß ihm schließlich sogar das von jeher angestrebte Schiedsrichteramt im Thronstreite zugestanden werden würde. In der That, das innerhalb der staufischen Partei vorhandene Friedensbedürfniß, die Sehnsucht nach friedlicher Beendigung des Thronstreites, welche bei Otto’s Eigensinn nur mittels des Papstes erreicht werden zu können schien, führten dazu, daß auf dem Reichstage zu Augsburg (30. Nov.) das päpstliche Schiedsgericht angenommen wurde, dem später dann auch Otto zustimmte. Und auch in anderen Beziehungen gab Philipp nach. Er entließ den bei Wassenberg gefangenen Bruno von Köln aus der Haft, [752] wogegen dann Adolf von Köln durch die Legaten vom Banne befreit wurde; er widerrief die Belehnung Lupolds mit den Mainzer Regalien und veranlaßte denselben, auf alle aus seiner Mainzer Wahl stammenden Rechte zu verzichten, um durch solche Gefügigkeit sich vielleicht noch sein altes, ihm vom Papste abgesprochenes Bisthum Worms zu retten. Darnach war nicht mehr zweifelhaft, daß die Entscheidung des Streites um Mainz und Köln auf die förmliche Anerkennung dort Sigfrids von Eppenstein und hier Brunos von Sain hinauslaufen werde, und das Bemühen des Königs konnte nur noch darauf gerichtet sein, für die um seinetwillen aus jenen Erzbisthümern zu Entfernenden möglichst günstige Bedingungen beim Papste zu erwirken, der sich denn auch darin nicht schwierig zeigte.

Verhandlungen zu Rom, welche etwa seit dem März 1208 Wolfger von Aquileja an der Spitze einer königlichen Gesandtschaft unmittelbar mit dem Papste führte, vollendeten das Friedenswerk. Ob es noch zu einem förmlichen Schiedsspruche des letzteren gekommen ist, wissen wir nicht; aber indem Innocenz versprach, wenn Philipp nach Italien komme, werde er ihm die Kaiserkrönung nicht versagen, erkannte er ihn als den rechtmäßigen König Deutschlands an. Stand Philipp ferner, wie es scheint, von seinen früheren Versuchen, in dem päpstlichen Lehnskönigthum seines Neffen Friedrich einen leitenden Einfluß zu üben, jetzt endgültig ab, so hat umgekehrt nach der glaubwürdigen Mittheilung der Ursperger Chronik Innocenz bei jenen römischen Verhandlungen die schließlich doch nur zu Unrecht besessenen mittelitalischen Reichslande, also den größten Theil seines neuen Kirchenstaates, wieder fahren lassen. Der Frieden zwischen ihnen war so vollständig als möglich und zur Befestigung desselben sollte eine Tochter Philipps mit einem Neffen des Papstes vermählt und der letztere dann mit Philipps eigenem Herzogthume Tuscien belehnt werden. Philipp hatte in Allem nachgegeben, nur nicht in Bezug auf sein Königthum und die Rechte des Reichs, wie umgekehrt Innocenz, als die Durchsetzung seiner kirchlichen Autorität nicht mehr in Frage gestellt war, in eine Einschränkung der früher von ihm unentbehrlich erachteten weltlichen Machtmittel des Papstthums willigen zu können glaubte.

Zur Entschädigung Otto’s dürfte wieder, wie bei den Quedlinburger Verhandlungen, seine Verheirathung mit einer Tochter Philipps und seine Nachfolge im Reich in Aussicht genommen worden sein und die Cardinäle Hugo und Leo wurden wieder nach Deutschland abgeordnet, um ihn zur Fügsamkeit in das jetzt noch mehr als im vorigen Jahre Unvermeidliche zu bestimmen. Sie waren am 30. Juni bis nach Mantua gekommen, als sie hier die Nachricht traf, daß König Philipp, dem jener den Platz räumen sollte, nicht mehr unter den Lebenden weilte. Philipp hatte seit Beginn des Frühlings im Hinblick auf den Ablauf des Stillstandes und auf Otto’s Starrköpfigkeit überaus stark gerüstet. Von allen Seiten setzten sich bedeutende Truppenmassen gegen Braunschweig in Bewegung, wo Otto nur noch hoffen konnte, in ehrenvollem Widerstande, aber doch als König zu fallen. Philipp selbst feierte auf dem Wege nach Norden am 21. Juni in Bamberg die Hochzeit seiner Nichte Beatrix, der Erbin des im Jahre 1200 verstorbenen Pfalzgrafen Otto von Burgund, mit dem ihm immer getreuen Herzoge Otto von Meran. Am Nachmittage dieses Tages, als der König im bischöflichen Palaste ausruhte, drang Pfalzgraf Otto von Wittelsbach ins Gemach und tödtete ihn durch einen Schwertstreich in den Hals. Der Verbrecher, ein an sich zu Gewaltthaten geneigter Mann, scheint dadurch gereizt gewesen zu sein, daß der König die Verlobung einer seiner Töchter mit ihm rückgängig gemacht hatte, wahrscheinlich um sie lieber mit dem Neffen des Papstes zu verbinden. Es gelang ihm für den Augenblick zu entfliehen; aber von Otto IV., welchen [753] der Tod Philipps nicht nur von aller Noth befreite, sondern in Kurzem auch an die Spitze des Reiches brachte, wurde er geächtet und Philipps Getreuer, der Marschall Heinrich von Kalden ruhte nicht, bis er die Acht an dem Mörder vollstreckt hatte. Hat man als Mitwisser der That den Bischof Ekbert von Bamberg und den Markgrafen Heinrich von Istrien, seinen Bruder, aus dem Hause Andechs oder Meran beschuldigt, so scheint der gegen sie rege gewordene Verdacht doch nur auf einem Zusammentreffen zufälliger Umstände zu beruhen und nur deshalb aufgebauscht worden zu sein, weil es Leute gab, welche wie der Herzog Ludwig von Baiern aus ihrem Verderben Nutzen zu ziehen gedachten.

Philipp hat ein gutes Andenken hinterlassen: ein „süßer junger Mann“, wie ihn Walther von der Vogelweide nennt, wird er selbst von seinen Gegnern gelobt. An Körperkraft und Größe dem Welfen nicht gewachsen, kam er ihm an Tapferkeit gleich und er übertraf ihn in der staatsmännischen Fähigkeit, mit den Umständen zu rechnen. Ist am Anfange des Thronstreits eine gewisse Unentschlossenheit ihm hinderlich gewesen, so wurde er im Laufe der Jahre und besonders durch die trüben Erfahrungen von 1202 und 1203 doch thatkräftiger und zielbewußter. Der Bürgerkrieg und die allmähliche Erschöpfung seiner Mittel durch denselben brachte es mit sich, daß er Rechte und Güter des Reichs wie seines Hauses nicht schonen durfte, wenn es sich darum handelte, Anhänger zu gewinnen oder zu fesseln, obwohl es übertrieben ist, wenn die Ursperger Chronik ihm zuletzt nur wenig übrig bleiben läßt. Auch die Geistlichkeit seines Bereichs mußte stark herangezogen werden, und es spricht vielleicht am Meisten für seine Persönlichkeit und seine Sache, daß trotzdem ihm aus ihren Reihen fast überschwängliche Lobeserhebungen zu Theil wurden. Alles in Allem war sein Tod ein schweres Unglück für Deutschland und nicht blos deshalb, weil eine gräuliche Anarchie die unmittelbare Folge desselben war.

Philipps Gemahlin, die Byzantinerin Irene-Maria, starb schon am 27. August auf der Burg Staufen in einem verfrühten Wochenbette. Von ihren Töchtern – Söhne hatte sie nicht geboren – war die älteste Beatrix wohl zur Braut Ottos IV. bestimmt, für den Fall, daß er sich auf den Frieden einließ, wie denn Otto in der That sich nach dem Tode Philipps mit ihr verlobte und 1212 verheirathete; sie starb kurz darauf. Eine andere Tochter Philipps Maria wurde 1207 mit dem eben geborenen Sohne des Herzogs von Brabant verlobt und starb 1235 als Gemahlin dieses Heinrich II. Eine dritte – die Altersfolge ist nicht sicher –, genannt Kunigund, wurde ebenfalls 1207 die Braut des zweijährigen Wenzel, Sohnes Ottokars I. von Böhmen und starb 1248: sie ward die Mutter Ottokars II. Die vierte Tochter Philipps, welche wie die älteste Beatrix hieß, ist doch wohl die, welche ursprünglich dem Wittelsbacher verlobt und dann dem Neffen des Papstes bestimmt war. Sie kam mit ihrer ältesten Schwester unter die Vormundschaft und Obhut Ottos IV. und nach dessen Tod in die Gewalt seines Bruders Heinrich von Braunschweig. Durch ihren Vetter, König Friedrich II., 1219 mit dem Könige Ferdinand III. von Castilien verheirathet, wurde sie die Mutter des späteren römischen Königs Alfons X. von Castilien.

Vgl. Böhmer, Regesta imperii V. 1198–1272, neu bearbeitet von J. Ficker. 1. Abth. Innsbruck 1881 und von Darstellungen (vgl. auch die Literatur bei Otto IV.) Abel, Kg. Philipp der Hohenstaufe. Berlin 1852.– Frz. Wieser, Die Bannung Philipps. Programm von Brünn 1872. – Niederländer, De Philippi Staufensis interitu eiusque causis. Programm von Münstereifel 1872. – Winkelmann, Philipp von Schwaben und [754] Otto IV. von Braunschweig. I. Band. König Philipp 1197–1208. Leipzig 1873. – Schwemer, Innocenz III. und die deutsche Kirche während des Thronstreites von 1198–1208. Straßburg 1882. – Philipps Antheil am vierten Kreuzzug ist viel behandelt worden. Meine Auffassung, daß Philipp dem Zuge im Interesse der Dynastie Angelos die entscheidende Wendung gegen Konstantinopel gegeben, wurde unterstützt und weiter ausgeführt vom Grafen P. Riant, Innocent III., Philippe de Souabe et Boniface de Montferrat. Paris 1875; Le changement de direction de la 4. croisade. Paris 1878; bekämpft aber unter anderen von L. Streit, Venedig und die Wendung des 4. Kreuzzuges. Anklam 1877, der die Venetianer, und von Tessier, Quatrième croisade, La diversion sur Zara et Constantinople. Paris 1885, der den Zufall verantwortlich macht.