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ADB:Wolfenbüttel, Günzelin von

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Artikel „Wolfenbüttel, Günzelin von“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 1–4, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolfenb%C3%BCttel,_G%C3%BCnzelin_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 04:35 Uhr UTC)
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Wolfenbüttel: Günzelin von W. stammte aus einem braunschweigischen Ministerialengeschlechte, das sich um das Jahr 1090 zuerst urkundlich nachweisen läßt und wurde um das Jahr 1170 geboren. Sein Vater Ecbert stand bei dem Herzoge Heinrich dem Löwen in hohem Ansehen, so daß ihm dieser, als er 1172 eine Pilgerfahrt nach dem heiligen Lande antrat, den Schutz seiner Gemahlin anvertraute. Selbständig handelnd begegnet uns G. zuerst in Verbindung mit seinem älteren Bruder Ecbert bei einem Kaufgeschäfte des Klosters Steterburg im J. 1187. Einige Jahre darauf vertheidigte er in den Kämpfen gegen Heinrich den Löwen, in denen seine Familie wider diesen ihren Lehnsherrn stand, die Stammburg Wolfenbüttel, die Heinrich’s Sohn, der Pfalzgraf Heinrich, eroberte und von Grund aus zerstörte. Als dann 1194 Herzog Heinrich sich mit dem Kaiser ausgesöhnt hatte, erhielten die unbotmäßigen Lehnsleute ihre Güter zurück, und auch die Burg Wolfenbüttel erstand aufs neue. Der Vater Ecbert scheint inzwischen bereits gestorben und Ecbert d. J. ihm bald nach 1204, wo er am 22. October zum letzten Male urkundlich erwähnt wird, gefolgt zu sein. G. vereinigte nun in seiner Hand den ganzen Besitz der Familie, der außer den braunschweigischen Lehen, insbesondere dem Schlosse Wolfenbüttel, in dessen Nähe noch Grundeigenthum, Gandersheimsche Lehen und die Vogtei des Klosters Heiningen umfaßte, nach dem Aussterben der von Peine (um 1200) aber – wir wissen nicht, auf Grund welchen Rechtes – durch deren Güter, zumal die dicht an Wolfenbüttel stoßende und von dem Bisthum Hildesheim zu Lehen gehende Grafschaft Peine, vermehrt wurde. G. wird daher mitunter auch nach dieser Feste „v. Peine“ genannt. In dem Kampfe um die Königskrone zwischen Philipp von Schwaben und Otto IV. stand G. entschieden auf der Seite des letzteren, und es spricht für die tüchtigen Dienste, die er ihm leistete, daß er im J. 1200 zum Truchseß ernannt wurde. Als solcher hat er in guten und bösen Tagen treu bei dem Könige ausgehalten. Während dieser in der Ferne weilte, suchte G. das Reichsgut und die welfische Hausmacht vor den Gegnern zu schirmen. Als Graf Herman von Woldenberg von der Harzburg aus sich 1204 des Lichtenbergs bemächtigt hatte und von dort aus das braunschweigische Gebiet verheerte, rückte G. Anfang Juni 1206 vor die Feste, fand sie jedoch so wohl verwahrt, daß er nichts auszurichten vermochte. Da wandte er sich plötzlich gegen die Stadt Goslar, die Rivalin Braunschweigs, die lange Zeit den Hauptstützpunkt [2] der Staufer in Norddeutschland gebildet hatte. Am 8. Juni erobert, wurde sie gründlich geplündert und entging kaum völliger Zerstörung. Dann lag G. nochmals sechs Wochen vor Lichtenberg, mußte sich aber zurückziehen, als am 25. Juli Erzbischof Albrecht von Magdeburg, Landgraf Hermann von Thüringen und Markgraf Dietrich von Meißen zum Entsatze heranzogen, und konnte es nicht hindern, daß sie die Festung auf ein Jahr mit Lebensmitteln versahen. Der plötzliche Tod König Philipp’s († 21. Juni 1208) befreite Otto von seinen Gegnern und verschaffte ihm allgemeine Anerkennung. G. begleitete ihn zu dem Fürstentage nach Frankfurt, wo er zu denen gehörte, die die Verleihung des Herzogthums Baiern an Ludwig beschwören mußten. Er scheint der einzige Hofbeamte Otto’s gewesen zu sein, der auch nach Philipp’s Tode in der alten Stellung belassen wurde. Zwar erscheint auch noch 1209 neben ihm der Reichstruchseß Philipp’s, Heinrich von Waldburg; aber dann verschwindet dieser und seit dem 19. August 1209 wird G. ausdrücklich als dapifer imperii[WS 1] bezeichnet. Im Sommer 1209 ging letzterer mit Otto nach Italien; er war hier Mitglied der Gesandtschaft, die der König unter Leitung des Kanzlers, Bischof Konrad’s von Speier,[WS 2] an Papst Innocenz III. wegen der Kaiserkrönung abschickte, die dann am 4. October dieses Jahres erfolgte. Im folgenden Sommer kehrte G. nach Deutschland zurück, um wichtige Reichsangelegenheiten zu ordnen. So belehnte er im Namen des Kaisers mit der durch des Markgrafen Konrad Tod erledigten Lausitz dessen Vetter, Markgraf Dietrich von Meißen, nachdem dieser eine beträchtliche Geldzahlung geleistet hatte. Als dann am 18. November 1210 der päpstliche Bannstrahl gegen Otto geschleudert war, und ihm auch in Deutschland sofort Gegner erstanden, wandte G. sich 1211 gegen den Landgrafen Hermann von Thüringen. Von den Reichsstädten Nordhausen und Mühlhausen als sicheren Stützpunkten aus drang er vor und erreichte es bald, daß die meisten der thüringischen Großen zu ihm übertraten, und der Landgraf sich auf seine Burgen zurückziehen mußte. Im März 1212 war er wieder bei dem Kaiser in Frankfurt und beschwor hier u. a. den Vertrag, den Otto mit dem Markgrafen Dietrich von Meißen geschlossen hatte. Dann traf er im Juli die Vorbereitungen für die Belagerung der Feste Weißensee, vor der Otto’s Niedergang beginnen sollte. Hier traf ihn die Kunde von dem Tode seiner Gemahlin Beatrix und der Ankunft König Friedrich’s in Deutschland. Einer nach dem andern verließ Otto. Unter den Inhabern der großen Reichshofämter war G. der einzige, der nicht zu Friedrich übertrat. Treu nahm er in Gemeinschaft mit seinen Söhnen, von denen Ecbert Walbeck, Burchard Quedlingenburg besetzt hielt, an dem Schutze der Erblande des Kaisers theil, auf die dieser sich bald beschränkt sah und in die die Gegner einzudringen vergeblich versuchten. Er stand auch am 19. Mai 1218 auf der Harzburg am Todtenlager seines kaiserlichen Herrn, der ihm noch in seinem letzten Willen wichtige Aufträge in Betreff der Festen Herlingsberg und Walbeck ertheilte und seine Gemahlin auf den Rath des treuen Beamten verwies. In den folgenden Jahren erscheint G. wiederholt in der Umgebung des Pfalzgrafen Heinrich. Dieser lieferte im Juli 1219 zu Goslar König Friedrich die Reichsinsignien aus und wurde zum Reichsverweser zwischen Elbe und Weser ernannt. Vielleicht hat G. bei dieser Gelegenheit Anschluß an den König gesucht und Zusicherungen von ihm erhalten. Seit 1222 erscheint er neben Eberhard v. Tanne-Waldburg und Werner v. Boland d. J. als Truchseß bei Friedrich. Es war in Niedersachsen der Zeit eine nicht kleine Partei von Grafen und Herren, die im Anschluß an die geistlichen Fürsten von Magdeburg, Halberstadt und Hildesheim dem Streben der Welfen nach territorialer Herrschaft über jene Lande sich widersetzten, lieber dem fernen Könige unmittelbar dienen, als einem nahen Reichsfürsten sich unterwerfen wollten. [3] G. setzte sich zwar noch nicht in Opposition gegen die Welfen, aber es geschah doch gewiß in dem Wunsche, sich auf alle Fälle zu sichern, wenn er in Verbindung mit Haold von Biewende u. a. auf einem steilen Höhenzuge der Asse eine starke Burg anlegte.[WS 3] Ihr Bau scheint 1219 schon so weit vorgeschritten gewesen zu sein, daß sich Günzelin’s zweiter Sohn Burchard bereits „de Asseburc“ nennen konnte. Die Burg lag auf Stift Gandersheimschem Boden; Papst Honorius erließ daher am 17. Juni 1220 auf Bitten der Aebtissin ein Mandat gegen die Erbauer, das jedoch ohne Folgen blieb. Vielleicht ist die Burg damals in Reichsbesitz übergegangen. Im März 1222 treffen wir dann G. an der Seite Kaiser Friedrich’s in Italien, der ihn im folgenden Monate zum Legaten von Tuscien ernannte. Jetzt suchte er die kaiserliche Gewalt nicht nur hier, sondern auch außerhalb dieses Gebietes zur Geltung zu bringen. Er leistete der Stadt Viterbo gegen die Römer Hülfe, hielt sich dann zwar zurück und schaute zu, als am 21. Juli d. J. Pisa den Lucchesen und Florentinern in der Schlacht von Castel del Bosco gründlich unterlag. Dann suchte er aber in dem Herzogthume Spoleto in der Mark Ancona die Reichshoheit wieder herzustellen und rief in seinem Uebereifer dadurch arge Verwickelungen mit dem päpstlichen Stuhle hervor. Mochte er dabei auch geheime Wünsche Friedrich’s zur Ausführung bringen, so verkannte er doch völlig die politische Lage, die die Verwirklichung solcher Bestrebungen als ganz unzeitgemäß erscheinen ließ. Friedrich mußte ihn daher fallen lassen; er mißbilligte und widerrief alle Schritte, die G. gegen die römische Kirche unternommen hatte, und ließ ihn zu Weihnachten 1222 mit dem Deutschordensmeister Herman von Salza selbst nach Rom gehen, damit er hier die friedliche Gesinnung des Kaisers eidlich erhärte. Bald darauf sandte er ihn nach Deutschland zurück. Hier nahm G. an den Verhandlungen theil, die über den von Graf Heinrich von Schwerin gefangenen König Waldemar von Dänemark geführt wurden. In dem zu Nordhausen am 24. September 1223 errichteten Vertrage, nach dem der König in die kaiserliche Gewalt ausgeliefert werden sollte, wird G. unter denjenigen genannt, welche die Sicherheit gutzuheißen hatten, die bei einer Freilassung des dänischen Königs Heinrich von Schwerin zu gewährleisten war; für das Ansehen der Asseburg aber spricht es, daß sie nebst vier anderen Burgen als Stätte für die Niederlegung der Graf Heinrich versprochenen Geldsumme bezeichnet wurde. Da dieses Abkommen nicht zur Ausführung gelangte, nahm G. als Botschafter des Reichs auch an dem zweiten Vertrage theil, der die Freilassung Waldemar’s bezweckte und am 4. Juli 1224 in Bardowik errichtet wurde. In diesem und in dem folgenden Jahre begegnet G. am Hofe König Heinrich’s VII., ohne daß das Verhältniß zu den welfischen Fürsten, in deren Umgebung seine Söhne auftreten, getrübt zu sein scheint. Erst als nach dem Tode des Pfalzgrafen Heinrich († 28. April 1227) auf Grund der angeblichen Erbrechte, die von dessen Töchtern Kaiser Friedrich gekauft hatte, die Stadt Braunschweig plötzlich von den Kaiserlichen besetzt wurde, lag der Verdacht nahe, daß G. von dem nahen Wolfenbüttel aus seine Hand dabei im Spiele gehabt habe. Bald gelang es aber dem jungen Welfen Otto der Stadt wieder Herr zu werden und allmählich auch durch kluge Politik einen Gegner nach dem andern auf seine Seite zu ziehen. Mochte G. ihm auch fern bleiben, so ist doch von keinerlei Streit zwischen ihnen uns eine Nachricht überliefert. Im April 1231 treffen wir G. wieder bei König Heinrich VII. auf dem Reichstage zu Worms, wo ihm und dem Grafen Herman von der Harzburg die Ueberwachung der für das Reich erlassenen Münzgesetze in Sachsen übertragen wurde. In demselben Jahre weilt er dann bis in den Mai 1232 bei Kaiser Friedrich in Italien, bei dem er uns darauf noch einmal im Juni 1236 ohne Amtstitel begegnet. Ob er zu jener Zeit den Reichsdienst verlassen, muß dahingestellt [4] bleiben: er selbst hat den Truchseßtitel bis in sein Alter hinein noch geführt. Seine Thätigkeit beschränkt sich nun, so weit wir sie verfolgen können, auf die Angelegenheiten der Heimath. Doch hat er dem Kaiserhause unverbrüchliche Treue gehalten. Als am Silvestertage 1234 der Erzbischof von Mainz, der Bischof von Hildesheim, G. und verschiedene Große mit Heinrich von Neifen, dem Vertrauten des rebellischen Königs Heinrich, in Goslar zusammenkamen, wird dieser es an Versuchen, jene für seine Pläne zu gewinnen, nicht haben fehlen lassen. Aber es war vergeblich; wie die andern, so blieb auch G. Friedrich II. treu. Als dann zwischen diesem und Herzog Otto im August 1235 zu Mainz die endgültige Aussöhnung erfolgte, die die Begründung des Herzogthums Braunschweig-Lüneburg zur Folge hatte, wird man die Bestimmung, daß die Ministerialen des Herzogs den Reichsministerialen gleich gestellt sein sollten, wesentlich als ein Zugeständniß für G. aufzufassen haben. Obwol nach Kaiser Friedrich II. Tode († 13. December 1250) König Wilhelm von Holland in Niedersachsen allgemeine Anerkennung fand, verweigerte ihm G., der dem Sohne Friedrich’s, König Konrad IV., die Treue glaubte bewahren zu müssen, wol der einzige Mann nördlich dem Harze, dennoch die Huldigung. Ein Fürstengericht sprach ihn daher seiner Reichslehen verlustig, und König Wilhelm verlieh diese 1253 seinem Schwager, Herzog Albrecht von Braunschweig. Die Vollziehung des Urtheils scheint G. nicht mehr erlebt zu haben. Er starb wol im J. 1255, sicher am 2. Februar. Die Unterwerfung der Söhne mußte Herzog Albrecht erst durch längeren Kampf erzwingen. 1255 fiel Wolfenbüttel, 1258 ward nach mehrjähriger Belagerung gegen Zahlung einer Geldsumme die Asseburg übergeben, die seitdem den Nachkommen Günzelin’s, wenn sie sich auch nach ihr nennen, für immer verloren gegangen ist. – Der Name von Günzelin’s Gemahlin ist uns nicht überliefert; sie scheint einem Hildesheimer Ministerialengeschlechte angehört zu haben. Von den Söhnen ist Günzelin II. wol schon vor dem Vater verstorben; ihn überlebten Ecbert, der kinderlos blieb, und Burchard, von dem das noch blühende Geschlecht der Grafen von der Asseburg abstammt.

Vgl. außer den allgemeinen reichsgeschichtlichen Werken von Ed. Winkelmann u. a. das Asseburger Urkundenbuch von J. Grafen v. Bocholtz-Asseburg, Bd. I und den Aufsatz über G. v. W. von C. v. Schmidt-Phiseldeck in der Harzzeitschr., Bd. 16 (1883), S. 209–230.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Lat.: Reichstruchsess
  2. Konrad III. von Scharfenberg (um 1165–1224).
  3. Die Asseburg ist seit 1492 Ruine.