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ADB:Heinrich VI. (Kaiser)

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Artikel „Heinrich VI., römischer Kaiser“ von Eduard Winkelmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 419–433, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_VI._(Kaiser)&oldid=- (Version vom 6. Dezember 2024, 18:50 Uhr UTC)
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Heinrich VI., römischer Kaiser, geb. zu Nimwegen im Herbste 1165, römischer König seit dem 15. August 1169, Kaiser seit 15. April 1191, als König von Sicilien gekrönt 25. Dec. 1194, gest. am 28. Sept. 1197 zu Messina. H., der älteste Sohn Kaiser Friedrichs I. und dessen zweiter Gemahlin Beatrix von Burgund, erhielt einen trefflichen Unterricht durch den als Gelehrten wie als Staatsmann hervorragenden Konrad v. Querfurt, welcher später sein Kanzler und Bischof von Hildesheim wurde und unter König Philipp als Bischof von Würzburg durch Mord sein Leben verlor. Die Zeitgenossen rühmen die vielseitige Bildung Heinrichs, der von Jugend auf schwächlich nie sonderliche Neigung für die Handhabung der Waffen bekundet hat, obwol er nach der Sitte der Zeit derselben nicht fern bleiben konnte. Er war vier Jahre alt, als der Vater seine Wahl und Krönung zum römischen Könige durchsetzte; zwölf Jahre, als man gelegentlich auch seine Zustimmung zu den Regierungshandlungen des Vaters einzuholen anfing; sein geschichtliches Leben beginnt jedoch erst mit dem berühmten Pfingstfeste zu Mainz 1184, mit welchem seine Schwertleite gefeiert ward, unter dem Zuströmen zahlloser Fürsten und der Ritter aus aller Herren Länder. Diese noch lange im Gedächtnisse der Menschen fortlebende Versammlung war so recht geeignet, den jungen König mit einer ganz falschen Vorstellung von der wirklichen Macht des Kaiserthums zu erfüllen, an welcher er nun als Mitregent wenigstens für Deutschland Theil hatte, und er gerieth sogleich, als sein Vater nach Italien zog, durch unbedachtes Eingreifen in oft ganz unbedeutende Dinge in allerlei Zerwürfnisse mit den Fürsten, auch mit dem bis dahin den Staufern treu ergebenen Erzbischofe von Köln, Philipp von Heinsberg, dessen Unterstützung die Dynastie doch um so mehr brauchte, je drohender sich wieder das Verhältniß zum Papste anließ. Und zwar zum großen Theil gerade um Heinrichs willen. Denn Kaiser Friedrich wollte, daß der Papst den Sohn zum Mitkaiser weihe, [420] und diesem Verlangen setzte Lucius III. die auf die Praxis der letzten Jahrhunderte gegründete Theorie entgegen, daß es nicht zwei Kaiser zugleich geben könne. Wir dürfen hier dahingestellt sein lassen, was den Kaiser zu seinem immerhin ungewöhnlichen Wunsche bestimmt haben mag, der auch in Deutschland und namentlich bei Philipp von Heinsberg Widerstand fand; der Papst aber würde demselben vielleicht nicht so hartnäckig widerstrebt haben, wenn ihm nicht überhaupt die Stellung, welche Friedrich seinem Sohne in Italien zu schaffen gedachte, große Besorgnisse eingeflößt hätte. Derselbe söhnte sich damals durch kluge Nachgiebigkeit mit den früher feindlichen Städten völlig aus; er dachte gar nicht mehr an Herausgabe des mathildischen Gutes; er warb für seinen Sohn bei dem Könige Wilhelm II. von Sicilien um die Hand der Erbin dieses Reiches, Constanze, der nicht mehr ganz jungen Tochter Rogers I., und er setzte diese Werbung in der That durch, so daß am 29. Octbr. 1184 zu Augsburg der Verlobungsvertrag abgeschlossen werden konnte. Beabsichtigte Friedrich also seinem Sohne, dem künftigen Mitkaiser, eine Herrschaft über ganz Italien zuzuweisen, wie sie bisher noch kein Kaiser gehabt hatte, so wollte begreiflicher Weise weder Lucius III. noch sein Nachfolger Urban III. sich dazu herbeilassen, diese Herrschaft seinerseits durch Heinrichs Krönung zum imperator augustus förmlich zu sanctioniren. Friedrich mußte nothgedrungen von der Mitwirkung des Papstes absehen.

Als am 27. Jan. 1186 die Hochzeit Heinrichs mit Constanze von Sicilien in Mailand gefeiert wurde, da ließ Friedrich den Sohn zum Könige von Italien krönen und ernannte ihn zugleich zum Caesar, also zum Mitregenten im Kaiserthum, und der Papst empfand bald, was diese Ernennung zu bedeuten hatte. H., der nun fast zwei Jahre lang selbständig in Italien waltete, durchzog plündernd und brennend die päpstlichen Besitzungen, empfing dort die Huldigung, setzte dort seine Beamten ein. Wohl hätte Urban III., der von der Welt abgesperrt in Verona lebte, gegen Vater und Sohn den Bann schleudern können, obwol dies Mal auf keine Unterstützung durch die Normannen und noch weniger von Seiten der deutschen Fürsten zu rechnen war, unter welchen Philipp von Heinsberg fast allein stand. Da ist Urban gestorben und die unverkennbare Uebermacht des Kaiserthums und die Siege Saladins im Osten bestimmten nun seine Nachfolger Gregor VIII. und Clemens III. sich der ersteren zu fügen, um durch sie den letzteren einen Damm entgegenzustellen. Der Papst ließ den von Urban gegen Friedrichs Willen geweihten Erzbischof von Trier fallen und er hat sicherlich auch die Unterwerfung Philipps von Heinsberg beschleunigt: Friedrich dagegen rief seinen Sohn aus Italien zurück und nahm auf dem Reichstage zu Mainz (Laetare 1188), auf welchem Philipp um Verzeihung bat, selbst das Kreuz. Nie war er mächtiger, nie seine Stellung unbestrittener gewesen als damals, da er, so recht im Sinne des Kaiserthums der Heerführer der Christenheit gegen die Ungläubigen, im Mai 1189 seine Fahrt in den Osten antrat.

Friedrichs Abmarsch leitete einen neuen Abschnitt im Leben seines Sohnes ein, der nun freier Herr seiner Entschlüsse war, aber freilich auch die Verantwortlichkeit für seine Handlungen allein zu tragen hatte. Hatte H. noch jene Verhandlungen mit dem kölnischen Erzbischofe eigenmächtig und gewaltthätig zu stören versucht, so ist nun sein Auftreten versöhnlich und vorsichtig nach allen Seiten hin, darauf berechnet, den Frieden im Reiche zu erhalten. Denn auch er möchte Deutschland so schnell als möglich verlassen, weil Clemens III., ungleich seinem Vorgänger, noch vor Barbarossa’s Abzug ihm gegen gewisse Restitutionen im Patrimonium die Kaiserkrönung versprochen hat. Schon ist der Römerzug auf den Sommer 1190 angesagt, als zwei Ereignisse dazwischen treten, welche gleich [421] gebieterisch, das eine Heinrichs Verbleiben in Deutschland, das andere sein unverweiltes Erscheinen in Italien verlangten, nämlich die unerlaubte Zurückkunft des Löwen aus der ihm von Friedrich auferlegten Verbannung und der Tod des normannischen Königs Wilhelms II. von Sicilien. Nun mußte sich zeigen, was H. höher schätzte, seine Stellung in Deutschland oder die in Italien. Soviel Zeit und Mühe Barbarossa auch auf die italischen Verhältnisse verwandte, als das Hauptland hat er doch immer Deutschland betrachtet, nach der Schlacht bei Legnano lieber in Italien nachgegeben als Rebellion in Deutschland unbestraft gelassen und noch jüngst sich selbst die Verwaltung Deutschlands vorbehalten, während er seinem mitregierenden Sohne Italien überließ. Dagegen hat Friedrich II. später den Schwerpunkt der staufischen Herrschaft ganz in den Süden verlegt. In der Mitte steht H. VI. Am liebsten hätte er wol gleichzeitig in Deutschland und Italien alle Versuche gegen seine Macht und sein Recht zu Boden geschlagen; da das nicht anging, hielt er die Befestigung seiner Stellung in Italien für das wichtigere.

Es ist wahr, mit großem Eifer und bemerkenswerther Energie ist er auf die erste Nachricht von des Welfen Rückkehr und von der den sächsischen Fürsten durch diesen drohenden Gefahr in der schlimmsten Jahreszeit gegen jenen in das Feld gerückt und hat damals ganz sicher die Absicht gehabt, die Welfen für immer unschädlich zu machen, weil er damals noch nicht wußte, daß der Normannenkönig todt war. Diese Nachricht mag er zu derselben Zeit erhalten haben, in welcher er sich gestehen mußte, daß jener Herbstfeldzug in der Hauptsache gescheitert war. Allerdings verbot nun der Winter die Fortsetzung des Krieges, aber es kommt das Frühjahr 1190, und H. nimmt ihn auch dann nicht wieder auf. Im Juli schloß er sogar Frieden, den man nicht anders bezeichnen kann als einen Frieden um jeden Preis. Er besteht nicht mehr darauf, daß jener das Land verläßt, er vermindert nicht nur nicht seinen Besitz, sondern schenkt ihm noch die Hälfte von Lübeck dazu, ja die welfischen Chronisten behaupten, daß er ihm im allgemeinen für die Zukunft vollkommene Restitution zugesagt habe: kurz der König war zufrieden, wenn Heinrich der Löwe ihn durch augenblickliche Unterwerfung aller Verpflichtung überhob, noch länger sich in Deutschland aufzuhalten. Nicht allein die in Aussicht gestellte Kaiserkrone zog ihn mit aller Macht nach Italien; es handelte sich auch nicht mehr darum, heute oder morgen friedlich die Erbschaft des normännischen Königs anzutreten, sondern es galt einer förmlichen Eroberung des sicilischen Reiches, dessen Barone den Eid vergessen hatten, durch welchen im J. 1186 dem deutschen König und dessen Gemahlin die Erbschaft feierlich verbürgt worden war, und theils aus nationaler Abneigung gegen die Deutschen überhaupt, theils aus Furcht vor dem in Italien schon bekannten gewaltthätigen Wesen Heinrichs und vor seiner großen Macht die Selbständigkeit des Reiches durch die Erhebung eines einheimischen Königs zu bewahren gedachten. Auf einen ganz vortrefflichen Mann, den Fürsten Tancred von Lecce, einen Enkel Rogers des Großen, war die Wahl gefallen; im Januar 1190 ward er gekrönt, und obwol er noch keineswegs überall anerkannt wurde, am wenigsten auf dem Festlande, befestigte er sich doch von Tag zu Tag mehr auf dem Throne. Die ersten Angriffe deutscher Capitäne von Mittelitalien her wurden glücklich zurückgeschlagen. Tancred war ein nicht mehr ganz zu verachtender Gegner, und eigenthümliche Umstände hätten ihn beinahe zum Mittelgliede eines großen Bundes gegen den deutschen König gemacht.

Fast zu derselben Zeit, in welcher das Heer Heinrichs sich zur italienischen Heerfahrt in Schwaben versammelte und nach Süden abzumarschiren anfing, landeten im September 1190 die auf dem Kreuzzuge begriffenen Könige [422] von Frankreich und England in Messina, um dort zu überwintern. Bei dem hastigen, unbändigen, immer nur auf den nächsten Vortheil bedachten Wesen Richards von England dürfen wir uns nicht wundern, wenn sein Benehmen allen Regeln gesunder Vernunft zu spotten scheint. Was hätte ihm, der doch unzweifelhaft die Herstellung seines Schwagers Heinrichs des Löwen wünschte, da er ihn auch sonst unterstützte, näher liegen müssen, als dessen Gegnern, wenn er irgend konnte, Verlegenheiten zu bereiten, also die junge Herrschaft Tancred’s gegen den bevorstehenden Angriff Heinrichs VI. möglichst zu stärken? Statt dessen finden wir ihn wenige Wochen nach seiner Ankunft in vollem Streite mit Tancred; er stellte an ihn die unbilligsten Ansprüche und schickte sich an, indem er Messina besetzte und befestigte, mit den Waffen in der Hand die Gewährung dieser Forderungen dem sicilischen Könige abzutrotzen. Aber ebenso plötzlich schließt er mit ihm wieder Frieden (11. Novbr. 1190). Er versteht sich zu dem Versprechen, so lange er in Tancreds Lande verweile, wolle er es gegen jedermann vertheidigen, der es angreifen und Tancred bekriegen werde. Dieses unerwartete Bündniß war allerdings einzig und allein gegen den deutschen König gerichtet; aber es ist unmöglich in demselben mehr als einen augenblicklichen Einfall des abenteuernden Königs von England zu erkennen. Richard hat in Wahrheit auch nicht das geringste gethan, um sein Versprechen zu erfüllen und Tancred zu schützen; er fuhr im April 1191 von Messina ab, unbekümmert darum, daß nun erst mit Heinrichs Erscheinen an der Grenze des Königreichs für Tancred die wirkliche Gefahr begann. Dieser sah sich von seinem treulosen Bundesgenossen um Geld und Hülfe betrogen, und nicht viel besser erging es ihm mit einem zweiten, dem Papste.

Man kann nicht behaupten, daß Clemens III. zu der Erhebung Tancreds mitgewirkt habe, wenigstens fehlen dafür alle Beweise, aber daß er mit derselben zufrieden war, wird ausdrücklich überliefert. In der That, mochte Clemens noch so sehr von kaiserfreundlicher Gesinnung beseelt sein, das konnte er sich nicht verhehlen, daß die politische Unabhängigkeit des Papstthums für immer dahin war, wenn es den Staufern gelang, sich dauernd zugleich im Süden, in der Mitte und im Norden Italiens festzusetzen, und mit Freuden mußte er deshalb die Ereignisse im Süden begrüßen, welche möglicher Weise zur Erhaltung der sicilischen Selbständigkeit führen konnten. Zunächst jedoch war er gleich weit von offener Parteinahme für Tancred und von offener Feindschaft gegen Heinrich entfernt: er würde sicher für den ersteren eingetreten sein, sobald dieser sich im Kriege behauptet hätte; er durfte nicht mit letzterem brechen, so lange die in den letzten Jahren Barbarossa’s entstandene Uebermacht des Kaiserreiches noch so gewaltig auf ihm lastete. Er war bereit, wie er versprochen hatte, den deutschen König, der mit dem Beginne des Jahres 1191 nach Italien gekommen war, zum Kaiser zu krönen – auch das letzte Bedenken fiel weg, da inzwischen Barbarossa’s Tod im Salef bekannt geworden war – da starb Clemens und sein Nachfolger Cölestin III., ein hochbetagter Greis und von verschiedenen Parteien unter den Kardinälen hin und her gezogen, ein Mann, der bald jedem Drängen schwächlich nachgab, bald solche Nachgiebigkeit durch leidenschaftliches Aufwallen gut zu machen suchte, war der rücksichtslosen Energie Heinrichs noch weniger gewachsen. Er hat die Kaiserkrönung verzögert, nicht um sie zu versagen, sondern um einen möglichst hohen Preis für dieselbe herauszuschlagen.

Aber nicht das ist es, was dem deutschen Könige zum Vorwurf gemacht werden kann, daß er diesen Preis, nämlich die Zurückgabe der besetzten Campagna und Romagna an die Kirche gewährte, sondern der schmachvolle Handel durch welchen er sich von den Römern ihre Vermittelung bei dem Papste und den Eintritt in die ewige Stadt erkaufte. Tusculum war von jeher durch treue [423] kaiserliche Gesinnung ausgezeichnet gewesen, ein Bollwerk der Deutschen gegen Rom; doch erlag es allmählig der Kraft der mächtigeren Nachbarstadt und wußte zuletzt keine andere Rettung, als daß es den Schutz Heinrichs anflehte und deutsche Besatzung aufnahm. Und wie hat H. dies Vertrauen belohnt, wie kaiserlichen Schutz geübt? Damit, daß er die wehrlose Stadt dem wüthenden Hasse der Feinde preisgab und um das Verderben Tusculums seine eigene Erhöhung erkaufte. Der Umweg, den er wählte, daß er nämlich Tusculum nicht direct den Römern, sondern dem Papste auszuliefern versprach, mit dem jene sich zuvor verständigt hatten, beweist zur Genüge, daß er das schmachvolle seines Handels selbst wol fühlte. Am Ostertage ward er gekrönt, am nächsten Tage übergab er Tusculum dem Papste, am dritten dieser es den Römern. H. hat das Reich nicht wenig beschimpft, sagt Otto von St. Blasien; wir fügen hinzu: und am meisten sich selbst erniedrigt. Die Flammen der geopferten Stadt und das Blut der wehrlos von den Römern hingeschlachteten Einwohner sind für ihn ein ewiges Brandmal. Selbst die armselige Entschuldigung, daß die Umstände ihn gedrängt haben, sich schnell mit den Römern auseinanderzusetzen, kann nicht vorgebracht werden: er hat nach seiner Krönung noch zwei Wochen vergehen lassen, ehe er am 29. April 1191 die Grenze des normannischen Reiches überschritt.

Anderthalb Jahre war Tancred nun schon König gewesen, und er hatte die Frist, die ihm gelassen worden, vortrefflich benutzt. Freilich den Abfall der größten Barone des Festlandes, selbst einiger Bischöfe, konnte er nicht verhindern; die Terra di Lavoro ward fast ohne Widerstand von den Deutschen besetzt; auch Salerno ergab sich ihnen; nur Gaeta und Neapel vermochten sie nicht zu nehmen. Die tapfere Vertheidigung der letzteren Stadt, welche durch die starke sicilische Flotte unterstützt und fortwährend mit neuem Proviant versehen ward, setzte dem Vordringen des Kaisers eine Grenze und wurde der Wendepunkt seines Geschickes. Während er von Monat zu Monat vergeblich vor Neapel lag, entfloh Heinrichs des Löwen Sohn aus seinem Lager, um in Deutschland aufs neue die Fahne der Empörung aufzustecken, räumte die Fieberseuche, die entsetzliche Verbündete der Italiener, unter den nordischen Kriegern auf. Noch immer hielt Heinrich aus – umsonst: es starb der Herzog von Böhmen, es starb Philipp von Heinsberg, der große Erzbischof von Köln; am Ende erkrankte H. selbst und am 24. August mußte er von Neapel abziehen, vor dessen Mauern neun Zehntel seines Heeres den Tod gefunden hatten. Seine Gemahlin Constanze, die in Salerno durch Verrath gefangen worden war, blieb in den Händen der Feinde.

Der Zauber der kaiserlichen Allgewalt war gebrochen, und von allen Seiten thürmten sich nun Verlegenheiten auf. In Deutschland erhob sich Heinrich der Löwe, jetzt nicht blos um seine verlorene Stellung wieder zu erringen, sondern um dem Staufer die Krone zu entreißen und sie auf seinen Sohn, jenen Flüchtling, zu übertragen. Zugleich begann Cölestin III. sich Schritt vor Schritt den Gegnern des Kaisers zu nähern. Nach der Kaiserkrönung hatte er sich begnügt, ihn von einem Angriffe auf das sicilische Reich abzumahnen; als der Angriff zu scheitern schien und die Welfen sich empörten, ertheilte er Heinrich dem Löwen „wegen der frommen Ergebenheit, die derselbe seinen Vorgängern und besonders ihm selbst erwiesen habe“, die bedeutsame Gunst, daß er von niemand als vom Papste selbst excommunicirt werden dürfe; jetzt endlich bot er geradezu seine Vermittelung zwischen H. VI. und Tancred an, den jener doch nur als Usurpator der ihm selbst zustehenden Rechte betrachten konnte. Andere Verwicklungen schuf H. sich durch eigene Unzuverlässigkeit und gewagte Speculationen. Der von seinem Vater in dessen letzten Jahren den lombardischen Städten gegenüber [424] befolgten Politik, welche hauptsächlich auf eine Verbindung mit Mailand hinauslief, kehrte er nun – man sieht nicht recht aus welchem Grunde – den Rücken und schloß, während er selbst noch in Mailand verweilte und für Mailand Freundschaft heuchelte, am 2. December 1191 auf fünfzig Jahre einen Bund mit Mailands Gegnern. Als er dann nach Deutschland zurückging, wie ist doch sein Auftreten in dem Streit um die damals erledigten Bisthümer so gar wenig königlich, so wenig ehrenhaft! Ohne Geld ist bei ihm nichts, mit Geld alles auszurichten, so lange nicht von anderer Seite ein höheres Gebot erfolgt. Ganz Niederlothringen gerieth in Aufruhr, als er der Lütticher Kirche in der Person Lothars von Hochstaden einen Bischof aufdrängen wollte, obwohl die Mehrzahl der Domherrn Albert von Brabant gewählt hatte; doch erzwang H. damals noch durch persönliches Einschreiten Gehorsam für seine Ernennung. Als aber Albert von Brabant, der auf Befehl des Papstes in Rheims zum Bischofe geweiht worden war, dort am 24. November 1192 ermordet und die Mörder vom Kaiser nicht bestraft wurden – sie erhielten sogar später im normännischen Reiche Grafschaften – da hat die unkluge verbrecherische That alle Fürsten der westlichen Gebiete gegen den Kaiser zusammengeführt, den Herzog von Brabant und seinen bisherigen Gegner, den Grafen von Hennegau und Flandern, den neuen Erzbischof von Köln und den von Trier. Der Erzbischof von Mainz, dem mehr die Beschränkung der kirchlichen Wahlfreiheit Anstoß gab, suchte den Anschluß der sächsischen Fürsten an jenes große Bündniß zu vermitteln. Denn diese waren darüber empört, daß H., auf dessen versprochene Hülfe vertrauend sie im Sommer 1192 einen Feldzug gegen Heinrich den Löwen und seinen geächteten Sohn unternommen hatten, in der eifrigen Beschäftigung mit dem Lütticher Streite ganz die Existenz der Welfen vergessen zu haben schien, ihnen nicht nur nicht half, sondern obendrein durch unkluge Einmischung in die inneren Verhältnisse des dänischen Königshauses den König Knud VI. veranlaßte für die Welfen einzutreten. Diese sächsischen Fürsten waren vom Kaiser im Stiche gelassen, fast verrathen; noch mochten sie schwanken, als jener Mord auch ihren Entschluß beschleunigte. Sie traten zu dem Bunde der westlichen Fürsten hinzu und gewannen ihrerseits auch Ottokar von Böhmen für denselben. Gleichzeitig erklärte der Herzog Berthold von Zähringen seinen Beitritt, und der Papst gab die Zusage, daß er den Bund unterstützen wolle.

So schien das J. 1193, nicht ohne Heinrichs Schuld, einen furchtbaren Bürgerkrieg bringen zu müssen, dessen Ausgang dem staufischen Kaiser leicht sehr verderblich werden konnte, einen Krieg zugleich in Deutschland und Italien, zugleich gegen Heinrich den Löwen und den mächtigen Fürstenbund, gegen die Mailänder und ihre Genossen, gegen den normännischen König und den Papst. Die Gefangennahme des vom Kreuzzuge heimkehrenden Richard Löwenherz hat wenigstens der Lage in Deutschland eine andere Gestalt gegeben.

Nicht allein Geldgier hat den Kaiser veranlaßt, den um das heilige Land mehr als man gewöhnlich annimmt verdienten König in seine Gewalt zu bringen. Als H. ihn einmal in seiner Gewalt hatte, da hat er freilich diesen Vortheil auf die maßloseste Art auszubeuten gesucht; aber die Gründe, welche ihn zur Gefangennahme des Königs gedrängt, waren andere und lagen tiefer. Sie sind vielmehr in der prinzipiell gegnerischen Stellung beider Fürsten zu suchen, in der Unterstützung, die Richard den Welfen gewährte, in dem Bündniß, welches er mit Tancred abgeschlossen hatte, und in der einen Eingriff in die ideellen Rechte des Kaiserthums einschließenden Weise, wie Richard über die Königreiche Jerusalem und Cypern verfügte. Die großen Geldsummen, welche Richard sich von Tancred hatte zahlen lassen, betrachtete H. überdies als Entwendung seines Eigenthums, als Beraubung des ihm von Rechts wegen gebührenden normännischen Kronschatzes. Der englische König mußte wissen, daß der [425] Kaiser sein Feind war; wenn er trotzdem das Reich desselben zu durchreisen wagte, mußte er auf Gefährdung gefaßt sein. Schon am Ende des J. 1191 haben H. und Philipp August von Frankreich einander versprochen, ihm aufpassen zu lassen. Der Kaiser gab den Befehl auf ihn wie auf einen Reichsfeind zu fahnden, und niemand nahm sich den Befehl eifriger zu Herzen, als Herzog Leopold von Oesterreich, der von Richard im heiligen Lande persönlich beleidigt worden war. Das Glück fügte es, daß Richard gerade in seine Hände fiel (21. Decbr. 1192); gegen genau stipulirte Vortheile lieferte er ihn dem Kaiser aus.

Das verstand sich von selbst, daß der gefangene König einen hohen Preis für seine Freilassung zahlen mußte, und er hat sich in richtiger Erwägung seiner Lage denn auch nicht lange gegen die Forderungen des Kaisers gesträubt. Er mußte die Huldigung leisten, die nicht ganz Förmlichkeit geblieben ist und noch weniger nach Absichten des Kaisers es sein sollte, er mußte ferner bestimmte Lehndienste zu Wasser und zu Lande zusagen und endlich für seine Freilassung eine gewaltige Summe zahlen, gleichsam als Schadenersatz für jene von Tancred empfangenen Gelder. Aber der König stellte auch noch andere Forderungen, „denen Richard selbst bei Gefahr seines Lebens nicht zustimmen wollte“, Forderungen, die unzweifelhaft darauf hinaus gingen, dem Verhältniß Richards zu den Welfen ein Ende zu machen, und weitere Verhandlungen veranlaßten, durch welche Richards Freilassung sich eben so sehr verzögerte, als durch die Herbeischaffung der Gelder oder der Geiseln für dieselben. H. suchte die wunderbare Gunst des Augenblicks möglich zu nützen, und es wäre thöricht, ihn dafür anzuklagen. Aber etwas anders ist es doch, wenn er, nachdem endlich der Vertrag mit Richard wirklich abgeschlossen war, noch immer den Gefangenen und seine Macht über denselben zur Grundlage weitgehender sehr problematischer Entwürfe machte und jeden Augenblick bereit war, die Vertragstreue einem neuen geglaubten Vortheile zu opfern. Diese in buntem Wechsel einander ablösenden Combinationen sind charakteristisch für Heinrichs unbeständiges und unzuverlässiges Wesen. Zuerst nach der Huldigung erklärte er dem französischen Könige, daß er jede seinem nunmehrigen Vasallen zugefügte Beeinträchtigung auf das strengste ahnden werde, und wenige Wochen später erwog er den Vortheil, der ihm daraus erwachsen konnte, wenn er Richard an Frankreich auslieferte. Denn noch immer beharrten die westlichen Fürsten in ihrer feindseligen Haltung, und H. wünschte nun gegen sie sich der Hülfe Frankreichs zu versichern. Richard war in der höchsten Gefahr dem momentanen Interesse des Kaisers geopfert zu werden, und wir begreifen, daß er alles mögliche that, um die Mitglieder jenes Fürstenbundes zur Unterwerfung zu bereden. Einige hatten sich schon früher ausgesöhnt, die übrigen folgten nun; die ganze Opposition, die an Zahl groß, aber nur im losen Zusammenhange gewesen war, löste sich auf; der Herzog Ottokar von Böhmen, der sich nicht fügte, ward entsetzt, und am Ende verharrten nur noch die Welfen in der Empörung. Nicht durch die Gefangennahme Richards, sondern durch die Art, wie H. sie zu verwerthen wußte, war der gefährliche Fürstenbund zersprengt worden. Nach diesem Erfolge war das in Aussicht genommene Bündniß mit Frankreich nicht mehr nöthig, und sogleich erging H. sich in neuen Entwürfen. Jetzt gilt es den König von England, für dessen Freilassung durch Vermittelung der Fürsten der 17. Jan. 1194 als endgültiger Termin festgesetzt worden ist, zu fesseln, und aus freien Stücken verspricht H. ihm deshalb die Belehnung mit dem Reiche Arelat. Das Versprechen war billig, denn der Kaiser hatte in Wirklichkeit in diesen Gebieten nicht viel mehr als die nominelle Oberhoheit, aber es konnte dem Könige als ein Beweis der aufrichtigen Freundschaft des Kaisers gelten, wie denn in der That Richard darüber hocherfreut gewesen ist, und es war in jedem Falle eine Demonstration gegen Frankreich. Aber auch diese Gedanken hatten keinen Bestand: als der für die Freilassung festgesetzte Tag herannahte, [426] trafen Boten des französischen Königs ein, mit der Bitte, den Gefangenen an Frankreich auszuliefern oder doch noch ein Jahr oder wenigstens bis zum Herbste festzuhalten. Die Welt werde nie in Ruhe kommen, wenn Richard frei werde. Für jeden Monat, den er noch in Haft bliebe, sollten dem deutschen Kaiser tausend Mark bezahlt werden. Es war ein schamloses Anerbieten und eine Schmach, daß H. auch nur einen Augenblick zwischen seiner Ehrenpflicht und den Lockungen des Geldes schwanken konnte. Er zögerte den ganzen Januar hindurch, und erst als die Fürsten, welche für jenen Vertrag die Bürgschaft übernommen hatten, ernstlich auf Erfüllung desselben bestanden, willigte er in die Freilassung, welche endlich am 2. Febr. 1194 erfolgte. Auch das ist bezeichnend, daß H. noch beim Abschiede seinem englischen Vasallen von den wenig freundschaftlichen Angeboten Philipps Kenntniß gab.

Wahrscheinlich aber würde der Kaiser dem Andrängen der Fürsten zum Trotz auch damals aus irgend einem Grunde die Freilassung Richards hinausgeschoben haben, wenn auch nur die geringste Möglichkeit gewesen wäre, die Gefangenschaft desselben anderweitig zu verwerthen, namentlich zum Schaden der Welfen. Aber Richard hatte unerschütterlich alle darauf zielenden Anträge zurückgewiesen, und überdies war durch die berühmte romantische Vermählung der Tochter des Pfalzgrafen vom Rhein, einer Cousine des Kaisers, mit Heinrich von Braunschweig, einem Sohne Heinrichs des Löwen, schon ein Weg zur dauernden Aussöhnung beschritten. So sehr der Kaiser am Anfang auch über die Durchkreuzung seiner Pläne toben mochte, der Vortheil, daß er nach einer Ausgleichung mit den Welfen freie Hand für weitere Unternehmungen in Italien bekam, war auch nicht zu verachten, und so gab er sich gar bald zufrieden. Auf der Zusammenkunft zu Tilleda am Kiffhäuser (März 1194) versöhnte er sich mit dem greisen Löwen, der der Ruhe bedürftig an den Ereignissen der letzten Jahre selbst fast gar keinen thätigen Antheil genommen hatte, und sicherte dem Sohne desselben schon im voraus die Belehnung mit der Pfalzgrafschaft zu. Mochte nun auch ferner noch im Erzbisthum Bremen und in Holstein der Kampf der Parteien fortdauern und der Graf von Holstein allmählich dem dänischen Könige erliegen: Heinrichs VI. Sinn war nur auf Italien gerichtet.

Unberechenbare Glücksfälle, die Gefangennahme Richards und jene Heirath, hatten ihm in Deutschland aus aller Verlegenheit geholfen; ein anderer glücklicher Umstand sicherte ihm im Voraus den Sieg in Italien. Der Krieg gegen Tancred hatte auch nach dem Rückzuge von 1191 niemals ganz aufgehört; aber über Terra di Lavoro und Abruzzo waren die deutschen Kapitäne, die ihn führten, nicht hinausgekommen, und auch in diesen Landschaften gingen einzelne Burgen fortwährend aus einer Hand in die andere über. Tancred behauptete sich. Nachdem der Kaiser die von Cölestin angebotene Vermittelung stolz zurückgewiesen hatte – nur die Unterwerfung des sicilischen Reichs möge Gegenstand päpstlicher Fürsorge sein – ging Cölestin in der Begünstigung Tancred’s einen Schritt weiter. Im J. 1192 erkannte er ihn förmlich als König an und ließ sich von ihm den Lehnseid leisten, wünschte aber trotz diesem entschieden dem Kaiser feindlichen Schritte noch ferner zu vermitteln und setzte deshalb bei Tancred die Freilassung der Kaiserin Constanze durch, um mit ihr persönlich über den Frieden zu verhandeln. Jedoch Constanze theilte ganz die Anschauungen ihres Gemahls in Betreff der Usurpation Tancred’s und sie wich auf der Reise nach Norden absichtlich einem Zusammentreffen mit dem Papste aus, mit dem jener nach der Anerkennung des Usurpators sich nicht mehr verständigen konnte. H. ließ alle, die zum Papste gingen, aufgreifen; der Papst drohte ihm dagegen in dem Lütticher Streite mit dem Banne. Dieser mochte darauf rechnen daß der Kaiser durch die damalige Conspiration der deutschen Fürsten auf längere [427] Zeit unfähig sein werde, in Italien einzugreifen, und daß sich in der Zwischenzeit Tancred’s Herrschaft, der 1192 sich mit Ostrom verbündete, im folgenden Jahre seinen mitregierenden Sohn Roger mit der byzantinischen Kaisertochter Irene verlobte und fast auf allen Punkten siegte, genügend befestigen werde, um seinerseits die Kirche wirklich zu stützen. Aber jene Hoffnung wurde durch den merkwürdigen Umschwung in Deutschland zu nichts, und jetzt war es ein furchtbarer Schlag, daß am Anfang des J. 1194 erst Roger, bald nachher Tancred starb. Vielleicht wäre Tancred, eine durchaus tüchtige und zugleich liebenswürdige Persönlichkeit, doch noch im Stande gewesen bei längerem Leben die Usurpation glücklich durchzuführen; seine Wittwe Sibylla, welche für ihren zweiten Sohn Wilhelm III. die Regierung übernahm, war dem doppelten Andrange der großen Barone und der Deutschen gegenüber vollständig wehrlos.

Es ging nun, wie es nicht anders gehen konnte. Als H. im Sommer 1194 mit einem stattlichen Heere, zu dessen Anwerbung und Unterhalt ihm das Lösegeld des englischen Königs sehr nützlich war, über die Alpen kam, und ohne sich mit den feindlichen Städten der Lombardei oder mit dem Papste aufzuhalten, in das normännische Gebiet einrückte, fand er nirgends nachhaltigen Widerstand. Der Adel, die Geistlichkeit, die Städte wetteiferten in der Schnelligkeit ihrer Unterwerfung; Gaeta und Neapel, welche sich vor drei Jahren so glücklich vertheidigt hatten, ergaben sich ohne Zwang, Salerno nach eintägiger Belagerung. Letzteres wurde für den einst gegen die Kaiserin geübten Verrath schwer gezüchtigt. So zog das große deutsche Heer ruhig weitermarschirend von Stadt zu Stadt, von Provinz zu Provinz, während gleichzeitig die genuesisch-pisanische Flotte, angeführt von dem kaiserlichen Truchseß Markward von Anweiler, gegen Sicilien operirte und Messina nahm. Ein glänzender Sieg bei Catanea über das sicilische und saracenische Aufgebot, welches die Regentin den Kaiserlichen entgegenwarf, entschied auch über das Schicksal der Insel. Am 20. November zog H. in Palermo ein. Bald hernach hat die Wittwe Tancred’s, als H. der besiegten Königsfamilie Sicherheit ihrer Personen und ihrer Habe gelobte und ihr selbst die Grafschaft Lecce, ihrem Sohne das Fürstenthum Tarent zusagte, sich und ihre Kinder in seine Gewalt gegeben und ihm auch den Königsschatz und die Krone ausgeliefert, mit welcher sich H. am Weihnachtsfeste unter großem Pompe krönen ließ. Und als ob selbst der Himmel ihm nach so großen Erfolgen ein weiteres Zeichen dauernder Gunst geben wollte, wurde ihm am folgenden Tage von seiner in der Mark Ancona zurückgebliebenen Gemahlin endlich ein Kind geboren, der künftige Herrscher von Deutschland und Italien. H. gab diesem Sohne die bedeutungsvollen Namen Friedrich Roger.

Im Allgemeinen war die Masse der Bevölkerung im normännischen Reiche mit der stattgehabten Veränderung wohl zufrieden, da sie wenigstens ein bis dahin fast unbekanntes Glück, feste Ordnung und inneren Frieden zu verbürgen schien. An Grausamkeiten aller Art, von denen H. sich nicht frei hielt, an der harten Bestrafung Salerno’s, an der unmenschlichen Behandlung gefangener feindlicher Anführer nahm man wenig Anstoß, da dergleichen unter den früheren Königen die Regel gewesen war. Schlimmer ist es, daß H. auch denen, die sich ihm freiwillig unterworfen hatten, sein Wort nicht hielt, daß er wenige Tage nach seiner Krönung die Königin Sibylla und ihre Kinder, überhaupt alle früheren Freunde Tancred’s gefangen nahm. Ob eine Verschwörung derselben, die er als Grund für dies Verfahren anführte, wirklich bestanden hat oder nicht, läßt sich nicht mehr entscheiden. Die Gefangenen wurden sammt und sonders nach Deutschland gebracht, mit den Schätzen der normännischen Könige und der Ausstattung ihrer Paläste die staufischen Burgen gefüllt.

[428] Denn daran hat H. nicht gedacht, dauernden Aufenthalt in dem eroberten Reiche zu nehmen, wie später Friedrich II.; es sollte ihm nur der Stützpunkt für weitergreifende Pläne sein, denen er sich im Hochgefühl des Sieges mit Leidenschaft hingab. Wir wissen nicht, in wie weit und worin auf dem großen Hoftage zu Bari, den er vor seiner Abreise auf Ostern berufen hatte, die Verfassung des normännischen Reiches alterirt worden ist, aber daß damals und überhaupt unter Heinrichs Herrschaft Veränderungen in derselben vorgenommen wurden, beweist der bemerkenswerthe Umstand, daß Friedrich II. bei seiner Reorganisation des Königreiches nicht blos die Regierung Tancred’s und Wilhelms III., sondern auch die seines Vaters vollständig außer Acht ließ und auf das Todesjahr Wilhelms II. als auf das Normaljahr zurückgriff. Es hängt damit zusammen, daß Friedrich sich zur Begründung seiner Anrechte auf Sicilien niemals auf das Eroberungsrecht seines Vaters, sondern immer nur auf das Erbrecht seiner Mutter Constanze berief, kurz seine Regierung als Fortsetzung der normännischen Zeit betrachtete. Etwas der Art hat nun auch H. beabsichtigt, als er bei seinem Scheiden aus dem Königreiche seine zurückbleibende Gemahlin, die Erbin desselben, an die Spitze der Regierung stellte. So wurde doch wenigstens der Anschein der Continuität gewahrt, wenn sich auch die wirklichen Zustände durch die massenhaften Landverleihungen an deutsche Ritter und durch die Einsetzung eines deutschen Reichsstatthalters neben der Regentin wesentlich verändert hatten.

Jener Hoftag zu Bari bahnte ferner eine Aussöhnung mit dem Papste an, indem H. damals das Kreuz nahm. Vortrefflich ist von Toeche[WS 1] nachgewiesen worden, wie H. sich durch diesen Schritt dem Papste näherte, ja ihn dahin brachte, alles was vorhergegangen, die Eingriffe in die geistliche Wahlfreiheit, den Verlust der kirchlichen Besitzungen, die Eroberung des sicilischen Lehnreichs völlig zu vergessen und eine Zeit lang sich rückhaltlos zum Werkzeuge der kaiserlichen Politik zu machen. Cölestin glaubte einen reuig in den Schooß der Kirche zurückkehrenden Sohn zu umarmen und merkte es nicht, daß die Umarmung nur darauf berechnet war, ihn völlig zu erdrücken. Denn das würde das Schicksal des Papstthums gewesen sein, wenn H. sein Ziel, die Herstellung einer wirklichen Weltherrschaft erreicht hätte! Nun nach der Unterwerfung des normännischen Reichs, als der Papst ihm mehr folgte, als gegenüberstand, – als Mailand ihm bei der Rückkehr die Thore öffnete, obwol er Cremona und die Städte der Gegenpartei offen begünstigte, – als in Deutschland, nach der Ausgleichung mit den Welfen, niemand gegen den Kaiser sich zu rühren wagte, glaubte dieser den Augenblick gekommen, um das ideelle dominium mundi, welches man sich mit dem Kaiserthum verbunden dachte, thatsächlich zu verwirklichen.

Es würde zu weit führen, wollten wir auf Grund der von sorgsamer Quellenforschung gewonnenen Resultate diese Bestrebungen Heinrichs im einzelnen verfolgen, die in ihrer Gesammtheit durch ein Wort des byzantinischen Chronisten Nicetas charakterisirt werden: „Wie der Herr aller Herrscher, wie der König aller Könige trat er mit seinen Forderungen auf.“

Auch sein Sohn Friedrich II. hat wol von den Königen seiner Zeit Hülfe und Zuzug verlangt, aber nicht deshalb, weil sie ihm als dem Kaiser dazu verpflichtet wären, sondern weil ihre monarchischen Interessen mit den seinen, namentlich der Kirche gegenüber, aufs engste verwachsen seien. Friedrich II. betrachtete alle Könige als seine natürlichen Verbündeten; H. betrachtete sie als seine Vasallen, über welche, wie über deren Reiche er zu seinem eigenen Vortheile verfügen könne. Als Richard von England mit dem Könige von Frankreich Frieden geschlossen hatte, verwarf der Kaiser den Vertrag, der seinen Absichten [429] nicht entsprach, und befahl jenem den Krieg fortzusetzen. Als die Genuesen sich darüber beklagten, daß er sie um die für ihre Unterstützung bei dem sicilischen Feldzuge in Aussicht gestellten Vortheile betrogen habe, meinte er, sie sollten sich an Aragonien schadlos halten; bei der Eroberung dieses Reiches wolle er sie wieder unterstützen. Schon 1191 hatte er die Absicht ausgesprochen, nach der Unterwerfung Siciliens die Saracenen auf den Balearen zu bekämpfen; dieselbe Absicht traute man ihm auch jetzt noch zu, und der Almohadenkönig schickte ihm Tribut, um ihn im Voraus gegen die Almoraviden zu gewinnen. Zu allen diesen Projecten kamen nun noch die Pläne auf den Osten hinzu, welche sich gleichsam von den normännischen Königen auf ihn vererbten und die ihn um so mehr fesselten, je weniger bei diesen ein Ende abzusehen war. Dem Kaiser Isaak Angelos von Byzanz versprach er Hülfe, forderte aber zugleich Tribut, Heeresfolge und Abtretung des Landes von Epidaurus bis Thessalonich; als Isaak im April 1195 gestürzt und geblendet ward, machte H. im Namen der Tochter desselben, welche einst Rogers von Sicilien Gattin gewesen, jetzt Philipps von Schwaben Braut war, gar Ansprüche auf das ganze Reich geltend. Ihm hatte schon im J. 1195 der König von Armenien (Cilicien) gehuldigt, von seinem Abgesandten ließ sich im folgenden Jahre der König von Cypern, Amalrich von Lusignan belehnen. Nun sollte der Kreuzzug, für den er sich die Ernennung der Anführer vorbehielt, die Hoheit des Kaisers auch im heiligen Lande begründen. Von der Grenze Schottlands bis zum Bosporus und zu den Säulen des Hercules gedachte er seinem Befehle Geltung zu verschaffen und die Welt für seine Zwecke auszubeuten. Indessen damit auch nur das eine oder das andere gelänge, hätte Heinrichs Autorität in den beiden Fundamenten seiner Stellung, in Deutschland und in Sicilien doch fester gewurzelt sein müssen, als sie es in Wirklichkeit war, und vor allem hätte er nicht durch noch andere gleichzeitig betriebene Pläne jene durchkreuzen und sich selbst neue Opposition erwecken dürfen. (Vergleiche für das Folgende besonders Toeche S. 396 ff.)

Oft genug ist darüber geklagt worden, daß die Deutschen es nicht bis zur Stiftung einer Erbmonarchie gebracht haben, und H. ist gefeiert worden, weil er diesem Mangel abzuhelfen versuchte. Beides sicherlich nicht mit vollem Rechte. Denn einerseits war man durch die eigenthümliche Sitte, meist schon bei Lebzeiten des Regierenden zum Nachfolger Denjenigen zu wählen, der nach dem Erbrechte am meisten zur Nachfolge berufen gewesen wäre, der wirklichen Erbmonarchie und ihren Vortheilen thatsächlich so nahe gekommen, daß das noch immer hochgehaltene Wahlrecht kaum noch eine Wahlfreiheit einschloß, und auf der andern Seite läßt sich nicht gut absehen, wie die Centralgewalt durch die Einführung der Erbmonarchie viel an Stärke hätte gewinnen können, wenn gleichzeitig, wie H. es wollte, auch dem Fürstenthume eine ausgedehnte Erblichkeit förmlich zugesprochen worden wäre. Wenn H. trotzdem seit dem December 1195 die Erblichkeit der Krone in seinem Hause zum Gegenstande von Verhandlungen machte, so wird seines Geschichtsschreibers Meinung (Toeche S. 398), daß Ziel und Motiv dieses Planes zunächst nicht in nationalen Bedürfnissen, sondern in der Stiftung des Weltreichs lagen, gewiß volle Berücksichtigung verdienen. H. hatte ein Werk unternommen, für welches die kurze Spanne eines einzigen Lebens nicht ausreichte: nur von langdauernden, durch mehrere Generationen stetig fortgesetzten Bemühungen war möglicher Weise die endliche Vollendung desselben zu erwarten.

Wie sehr dieser Gesichtspunkt alle anderen überwog, zeigt die andere Forderung, die H. mit jener ersten verband. Denn die gewünschte Einverleibung seiner sicilischen Eroberungen in das Reich bedeutete nichts anderes, als daß die Fürsten die ausdrückliche Verpflichtung übernehmen sollten, auch diese fernliegenden [430] Gebiete zu vertheidigen – Gebiete, welche mit den nationalen Aufgaben des Deutschen Reiches auch nicht das geringste zu thun hatten, die aber für jene auf die Weltherrschaft und namentlich auf die Herrschaft über die Mittelmeerländer gerichteten Tendenzen geradezu unentbehrlich waren. H. mochte sich in ihrem Besitze doch nicht ganz sicher fühlen: wurden sie als Reichsländer von der gesammten Macht des Reiches vertheidigt, wer wollte sie ihm nehmen?

Beide Forderungen schlossen bedeutende Nachtheile für die deutschen Fürsten ein. Sie sollten auf ihr Wahlrecht verzichten, welches sie trotz seiner beschränkten Ausübung als ein kostbares Kleinod ungemein hochhielten, weil unter Umständen durch dasselbe auch ihre eigenen Familien auf den Thron berufen werden konnten: diesem zwar geringen, aber immerhin nutzbaren Vorrechte sollten sie entsagen und überdies mit der Incorporation Siciliens eine wirklich bedeutende Last auf ihre Schultern nehmen! Da hätte H. andere Dinge für die Bewilligung seiner Wünsche bieten müssen, als er in Wirklichkeit bot. Denn was H. auf die andere Wagschale legte, zu Gunsten der weltlichen Fürsten das Zugeständniß unbeschränkter Erblichkeit der Reichslehen in männlicher und weiblicher Linie und zu Gunsten der geistlichen Fürsten die Aufgabe des sogenannten Spolienrechts, waren Angebote von höchst zweifelhaftem Werthe. Der Klerus hatte das Spolienrecht der Könige niemals anerkannt, aber oft dasselbe als ungesetzlich verdammt, und die weltlichen Fürsten waren in der Praxis schon längst auf dem besten Wege, jene ausgedehnte Erblichkeit, die bisher einzelnen von ihnen zugestanden worden war, als allgemeines Recht zu erlangen. Im Grunde machte H. nur solche Zugeständnisse, die aller Wahrscheinlichkeit nach so wie so nicht mehr lange zu verweigern waren, und verlangte dafür von den Fürsten Gegengaben von unbestreitbarem und dauerndem Werthe. Wir können uns daher denken, daß seine Pläne auf starke Abneigung stießen, und vielleicht auf um so größere, weil H. nach seiner Art und Weise dem Widerspruche gegenüber die Anwendung von Gewalt in Aussicht stellte. Aber während der nächsten Monate, auf den Reichstagen zu Würzburg im April 1196 und zu Mainz im Mai hat er theils durch Drohungen, theils durch lockende Versprechungen und wol auch mit Hülfe seiner Schätze die einzelnen für sich gewonnen und schließlich erreicht, daß eine bedeutende Anzahl der Fürsten seinem Andringen nachgab und durch Unterschrift und Siegel der Verfassungsänderung zustimmte. Mit der Urkunde in der Hand gedachte H. nun den Papst zur Krönung seines jungen Sohnes zu bewegen, der also unmittelbar zum Mitkaiser gekrönt werden sollte. Die sonst vorhergehende Krönung zum deutschen Könige mochte überflüssig erscheinen, als die Erblichkeit der deutschen Krone für gesichert gehalten wurde.

Ein Jahr war vergangen, seitdem Cölestin sich dem Kaiser, der das Kreuz gelobte, genähert hatte, aber noch immer blieben für ihn die von dieser Versöhnung gehofften Früchte aus, und in keiner Beziehung war seitdem die Lage des Papstthums eine bessere geworden. In keiner Beziehung gab H. nach, immer hatte er und hatten seine Beamten vollkommen Recht, am wenigsten wollte er davon wissen, dem Papste für Sicilien den Lehnseid zu leisten: der Kaiser könne nicht Mann des Papstes sein. So war man während des J. 1196, als H. langsam wieder nach Süden zog, zwar noch nicht zum Bruche, aber ihm wieder sehr nahe gekommen: wie hätte unter solchen Umständen der Papst sich bewogen fühlen sollen, auf Heinrichs neue Forderung, daß er durch die Krönung seines Sohnes der Umgestaltung der Reichsverfassung seine Sanction geben möge, einzugehen und die Erblichkeit des Kaiserthums in der Familie der Staufen durch einen feierlichen Akt zu bekräftigen? Freilich hat Cölestin nicht gewagt, direct die Krönung zu verweigern; als er aber am Ende des Jahres nach langen [431] Verhandlungen neue Bedenkzeit sich ausbat, war diese Bitte doch nur eine wenig verblümte Abweisung.

Inzwischen hatte die bevorstehende Umgestaltung der Reichsverfassung auch in Deutschland alle Gemüther in Unruhe erhalten und wiederholte Besprechungen der Fürsten veranlaßt. Bei diesen ist nun, seitdem Heinrichs Abreise sie von seinem persönlichen Drucke befreit hatte, ein allmählicher, aber entschiedener Umschlag der Stimmung nicht zu verkennen, und die aus Italien eintreffenden Nachrichten von den neuen Zerwürfnissen mit dem Papste und von dem Widerstande desselben gegen die Sanction der Erbmonarchie, werden nicht verfehlt haben, die Gegner der letzteren zu ermuntern. So geschah es, daß im Herbste, als H. den Burggrafen von Magdeburg nach Deutschland schickte, um die Sache zum Abschlusse zu bringen, von allen Seiten sich Widerspruch erhob und am meisten von denjenigen, welche, wie Landgraf Hermann von Thüringen, aus persönlichen Interessen früher der Verfassungsänderung zugestimmt hatten. Die deutschen Fürsten wiesen sie jetzt entschieden zurück. Aber nicht die Rücksichten auf den Papst sind es gewesen, welche Heinrichs Entwürfe zum Scheitern brachten, auch nicht etwaige Abneigungen gegen eine Fortdauer des staufischen Königthums, sondern einmal die principiellen Bedenken der Fürsten gegen die Erbmonarchie und dann ihr Widerwille gegen die Incorporation Siciliens, die H. mit jener zugleich betrieb. Man hatte trotz mancher erfahrenen Unbill so wenig gegen ein staufisches Königthum, daß, sobald H. die Incorporation fallen ließ und allein seinen Sohn zum Nachfolger nach alter Art gewählt zu sehen wünschte, dieser Wunsch fast augenblickliche und fast einstimmige Erfüllung fand. Für die nächste Zukunft war oder schien das staufische Haus im Besitze der Krone gesichert, und somit hatte der Kaiser alles erreicht, was selbst die Einführung der Erblichkeit ihm für den Augenblick hätte gewähren können.

Aber gerade das, was für ihn das wichtigste und nächstliegende war, hat er nicht durchgesetzt, nämlich die Incorporation Siciliens, das heißt die Garantie der deutschen Fürsten für die Grundlage des geträumten künftigen Weltreichs. Unübersteigliche Schwierigkeiten, jedenfalls größere als H. meinte, thürmten sich gegen die Verwirklichung desselben auf. Die Deutschen sprachen durch die Nichtgewährung jener Incorporation stillschweigend auch dem Weltreiche das Urtheil; der Papst trat mit dem besonders bedrohten byzantinischen Kaiser in freundschaftliche Verbindung, und im sicilischen Reiche selbst gerieth Heinrichs Herrschaft ins Schwanken. Er hatte durch die Regentschaft seiner Gemahlin Constanze es vergessen zu machen gesucht, daß diese Herrschaft durch Eroberung gegründet worden – vergeblich: nur durch die Furcht vor den im Lande gebliebenen deutschen Kapitänen und durch deren eisernes Regiment war sie bisher aufrecht gehalten worden. Aber es gibt eine Grenze, auf welcher die Furcht in waghalsige Verzweiflung umschlägt, und als nun mit Heinrichs Wiederkunft im December 1196 der Druck sich womöglich noch steigerte, als gleichzeitig der Glaube sich verbreitete, das im Frühjahr erwartete deutsche Kreuzheer sei nur dazu berufen, um die letzten Regungen in Blutströmen zu ersticken und die Schreckensherrschaft zu verewigen, und als endlich die Unzufriedenen sogar auf die Kaiserin rechnen zu dürfen glaubten, da bildete sich eine große Verschwörung des Adels, um den Kaiser auf der Jagd zu ermorden und alle Deutschen zu vertilgen. Zwar ward die Verschwörung verrathen, aber doch zu spät, als daß dem Ausbruche des Aufstandes hätte vorgebeugt werden können. Im Februar 1197 erhob sich die ganze Insel; auch Palermo, wo Constanze verweilte, fiel ab, und ein gewaltiges Heer sicilischer Lehnsleute zog gegen Messina heran, wohin sich der Kaiser in der ersten Ueberraschung geflüchtet hatte. Seine Lage war kritisch, denn er hatte nur wenige Deutsche bei sich, und doch durfte er nicht die Entscheidung verzögern, [432] dem Aufstande nicht Zeit lassen, sich zu organisiren. Schon war der Burgherr von Castro San Giovanni zum künftigen nationalen Könige ausersehen. Furchtbar ist der Kampf gewesen, als die kleine Schaar der Kaiserlichen, von den bewährten Hauptleuten Markwald von Anweiler und Heinrich von Kalden angeführt, sich bei Catanea auf das überlegene Heer der Aufständischen warf; noch in den Straßen der Stadt wurde geschlagen, aber der Sieg gehörte den Deutschen und war entscheidend. So plötzlich der Aufstand emporgeflammt war, so schnell erlosch er nach dem ersten Mißlingen; nur einzelne Burgen haben sich noch bis zum Sommer gewehrt, und Ketten noch schwerer als die, welche man hatte zerbrechen wollen, wurden dem aufrührerischen Lande nun angelegt. Wenn H. je vorher eine Anwandlung von Milde gespürt haben mochte, von diesem Aufruhr an war sie vollends verschwunden. Seiner Rache entging keiner der Schuldigen: „ohne Erbarmen, ohne Schonung tödtete er sie ohne Unterschied“. Was irgend jenes Zeitalter an grausamen Martern ersonnen hatte, fand hier seine Anwendung. Massenhafte Confiscationen gaben die Mittel, um noch mehr deutsche Mannen dauernd in das Land zu ziehen. Nur von solcher Unnachsichtigkeit, durch welche der unruhige Adel für immer eingeschüchtert und unschädlich gemacht werden sollte, hat H. – der Abt Joachim von Fiore[WS 2] nennt ihn „einen Hammer der Erde, die Halsstarrigen zu zermalmen“ – sich eine wirkliche Befestigung seiner Herrschaft im sicilischen Reiche versprochen und Ruhe, um ungestört seinem weiten Plane nachgehen zu können.

Doch anderes war bestimmt. Schon trafen im Frühjahr und Sommer des J. 1197 zahlreiche Kreuzfahrerschaaren in den Häfen des Königreiches ein, wurden zum Theil auf Kosten des Kaisers ausgerüstet und fuhren unter Hauptleuten, die der mit Einwilligung der Fürsten zurückbleibende Kaiser ihnen setzte, weiter übers Meer nach Osten; schon pochten in Byzanz deutsche Gesandte mit eherner Faust an die Pforte des Thronsaales und preßten dem geängstigten Kaiser des Ostens ungeheueren Tribut ab; schon war Herzog Philipp von Schwaben unterwegs, um seinen Neffen Friedrich zur Krönung in Aachen abzuholen: da ist H. nach kurzer Krankheit, welche ihn im Jagdrevier von Linaria ergriffen, am 28. Septbr. 1197 zu Messina gestorben.

Wie ist er doch von Vater, Bruder und Sohn verschieden, eine ganz eigenartige Erscheinung in der Reihe der Staufer! Ein bleicher schmächtiger Mann, jedem Genusse feind, verschlossen und ernst, vor der Zeit gealtert, mit von Sorgen gefurchter Stirn, immer über Entwürfen brütend, rücksichtslos in der Wahl seiner Mittel, fieberhaft an vielen Dingen zugleich beschäftigt, vor Allem aber bedacht auf Herrschaft über die Welt. Ob sie zu verwirklichen war? Auf dem Krankenbette scheint H. die Ahnung gekommen zu sein, daß er einer Unmöglichkeit nachjage und daß selbst die Union Siciliens mit dem Kaiserreiche nicht zu halten sein werde, wenn es nicht gelinge, den Papst mit derselben zu versöhnen. In seinem Testamente bot er demselben außer der von ihm verweigerten Anerkennung des Lehnsverhältnisses von Sicilien das ganze mathildische Gut, die zwischen Kirche und Reich streitigen tuscischen Grenzgebiete, die Lehnshoheit über jene Gebiete, welche der Seneschall Markward von Anweiler bisher vom Reiche zu Lehen hatte, nämlich das Herzogthum Ravenna, Medisina, Argelata, Bertinoro und die Mark Ancona und wir dürfen annehmen, daß ein gleiches Angebot rücksichtlich des Herzogthums Spoleto, welches Konrad von Uerslingen besaß, in dem uns nicht erhaltenen Theile des Testamentes gestanden haben wird. Das Testament kam nicht zur Ausführung, weil Markward, der zum Executor desselben bestellt war, seinen persönlichen Interessen durch Geheimhaltung besser zu dienen meinte, während die Kurie bei dem plötzlichen Zusammenbruche der bisherigen Ordnung nach dem Tode Heinrichs noch Größeres für sich erstrebte. [433] Aber im Grunde ist nach langen Wirren Innocenz III. doch zuletzt auf die Vorschläge Heinrichs VI. zurückgekommen, als er gegen die Zulassung der Personalunion der beiden Reiche unter Heinrichs Sohn, Friedrich II., sich von diesem und den deutschen Fürsten 1213 die Anerkennung des Kirchenstaates in jenem Umfange geben ließ.

Heinrichs VI. Leiche konnte erst im Mai 1198, wie es scheint, weil die Kirche eine Zeit lang ihn wie einen im Banne Gestorbenen behandelte wegen der Gewaltthat an dem Kreuzfahrer Richard Löwenherz, feierlich im Dome zu Palermo beigesetzt werden in einem mächtigen Porphyrsarkophag, der jetzt neben den ähnlichen Särgen der Kaiserin Constanze, ihres Sohnes Friedrich II. und des großen Roger im südlichen Nebenschiffe des Domes steht.

Vgl. Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, und besonders: Toeche, Kaiser Heinrich VI., Leipzig 1867. – Ficker, Das Testament Kaiser Heinrichs VI., Wien 1871. – Winkelmann, Philipp von Schwaben und Otto IV. von Braunschweig. Bd. I. Einleitung.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Theodor Toeche-Mittler (1837–1919), Historiker und Verleger.
  2. Joachim von Fiore (1130/35–1202), Abt von S. Giovanni in Fiore, Geschichtstheologe.