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ADB:Gerschow, Jakob

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Artikel „Gerschow, Jakob“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 49–52, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gerschow,_Jakob&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 01:45 Uhr UTC)
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Gerschow: Jakob G., Dr., Professor an der Universität Greifswald, und als Sprachforscher wie Historiker für pommersche Geschichte, sowie für die allgemeine Kultur und Litteratur von Bedeutung, stammte aus einer alten von Holland nach Pommern eingewanderten Familie und wurde am 6. März 1587 zu Medow bei Anklam, wo sein Vater Lorenz bis 1625 als Pfarrer wirkte, geboren. Nachdem er die Schulen zu Anklam, Friedland und Stettin besucht hatte, studirte er von 1607–10 in Greifswald, wo sein Pathe und älterer Anverwandter, der Professor der Rechte, Friedrich G., ihm in seinem Hause Aufnahme gewährte. Für die Förderung seiner Studien war die Begründung der neuen Universitätsbibliothek im J. 1604 von Bedeutung, sowie die Anstellung mehrerer neuen Lehrer, unter denen Pet. Bestenböstel, Joh. Volkmar und Joh. Trygophorus[WS 1] philosophische Vorlesungen hielten, während Joh. Wegener Mathematik und Georg Maskow, sowie Pet. Grabow orientalische Sprachen lehrten, welchen letzteren G. in der Folge eine besondere Aufmerksamkeit widmete. Von Greifswald begab er sich, nach einem kürzern Aufenthalte in Kopenhagen, auf die Universität nach Königsberg in Ostpreußen. Hier übernahm er die Führung der Söhne des Herrn v. Below auf Münsterberg und erlernte mit ihnen in Thorn und Culm die polnische Sprache. Sodann kehrte er mit einem Sohne seines Oheims, Timotheus, im J. 1612 nach Greifswald zurück und unternahm mit diesem zu seiner Ausbildung eine größere Reise durch Deutschland, die Niederlande, England und Frankreich, über welche er eine ausführliche in lateinischer Sprache abgefaßte Beschreibung aufzeichnete, die uns einen interessanten Blick in die Kulturgeschichte jener Zeit gewährt. Da dieselbe erst 1639, nach 27 Jahren von ihm abgefaßt wurde, so berichtet sie nicht über unmittelbare Eindrücke, sondern über das, was dem Referenten im Gedächtniß haftete, und scheint derselbe letzteres durch Vergleichung seines Stammbuches unterstützt zu haben, da fast Alle, welche sich in dieses einzeichneten, nicht nur in ihren damaligen Beziehungen zu G., sondern auch mit Angabe ihrer späteren Lebensstellung erwähnt werden. Auf dieser Reise besuchte er die Mehrzahl der deutschen, englischen und französischen Universitäten, zuerst die vier obersächsischen: Wittenberg, Leipzig, Jena und Erfurt, darauf die hessischen: Marburg und Gießen, sowie die kleine nassauische Akademie Herborn. Sodann ging die Fahrt über Köln nach den Niederlanden und Amsterdam, sowie nach den Hochschulen Utrecht und Leyden und von hier nach England. In London betrachtete G. mit Bewunderung den Tower, die Westminster- und St. Paulskirche, spricht aber zugleich sein Befremden über die geringe Bedeutung der dortigen Hochschule aus. Sodann besuchte er Greenwich und Cambridge, welches einen um so größeren Einfluß auf ihn ausübte, sowol durch seine 16 Collegien, als durch die Zahl der Promotionen, unter denen während seiner Anwesenheit allein 20 in der juristischen Facultät vollzogen wurden. Auch trat er in nähere Beziehung zu dem Juristen Georg Poitus, dem Philosophen Andreas Dunaeus[WS 2] und dem Mathematiker Georg Balcanqualle. Einer günstigen Schiffsgelegenheit zu Liebe mußte er den Besuch von Oxford aufgeben, um die Reise nach Frankreich anzutreten und begab sich über Rouen, wo ihn die Bedeutung des Parlamentes anzog, nach Paris. Hier gedachte er mit besonderer Verehrung die beiden großen Rechts- und Sprachgelehrten Isaak Casaubonus[WS 3] und Jak. Aug. Thuanus[WS 4] zu begrüßen, hörte aber zu seinem größten Schmerze, bei seiner Ankunft in der Hauptstadt, daß dieselben auf einer Reise nach England abwesend seien, und begab sich nach kurzem Verweilen zu einem längeren Aufenthalte nach Straßburg. Hier las er [50] seinen früheren Schülern v. Below und deren Gefährten Privatcollegia über die Institutionen, sowie über philosophische und historische Gegenstände und widmete sich, in Gemeinschaft mit seinem Landsmanne Michael Wudrian, dem Studium der syrischen und arabischen Sprache, gab auch hebräische Dichtungen heraus. Nachdem er dann von dem Decan Joh. Ludwig Hawenreuter zum Magister promovirt war, unternahm er mehrere Ausflüge nach Schwaben und Lothringen, u. a. nach Tübingen und Freiburg, sowie nach Nanci, endlich auch nach Pont a Mousson, von wo er eine Fahrt nach den übrigen französischen Universitäten anzutreten gedachte, wurde aber durch die Befürchtungen des dortigen Professors der Rechte, J. Herdalius, wegen der Kriegsunruhen von diesem Plane zurückgehalten. In Folge dessen begab sich G. nach Basel, wo er mit dem berühmten Orientalisten Joh. Buxtorf d. Ae. in Verbindung trat und von dort nach Speier, wo er, in Gemeinschaft zweier Rechtsgelehrten, der Brüder Johann und Daniel Fabricius, den Gang des Processes beim Reichskammergerichte kennen lernte. Auch traf er hier einen Griechen, welcher längere Zeit in türkischer Gefangenschaft gelebt hatte und ihn zur Begleitung nach dem Orient aufforderte. G. wäre zwar gern diesem Anerbieten in Rücksicht auf seine Ausbildung in den morgenländischen Sprachen, gefolgt, doch hielt ihn die Persönlichkeit seines Begleiters davon zurück und er begab sich über Heidelberg und Mainz nach Trier. Hier zeigte man ihm die Porta nigra, die Basilika und die übrigen Trümmer der Römerzeit, deren Ursprung seine Führer in die Zeit Abrahams verlegten; er hegte aber so wenig Verständniß für diese ehrwürdigen Gebäude des klassischen Alterthums, daß er, in seinem confessionellen Eifer gegen den Katholicismus, den Bekennern desselben eine übertriebene Verehrung jener Ruinen zum Vorwurfe machte. Noch mehr trat diese Abneigung hervor, als bei seinem Aufenthalte in Köln einer seiner Reisegefährten, Lorenz v. Kleist, zur römischen Kirche überging. Von hier kehrte G. über Amsterdam und Hamburg in seine Heimath zurück, wo er sich zuerst bei seinen Eltern in Medow aufhielt, dann aber im J. 1617 als Conrector an die Stadtschule nach Greifswald berufen wurde. Neben seinen Amtsgeschäften widmete er sich zugleich historischen und poetischen Arbeiten, welche im J. 1619 seine Ernennung zum poeta laureatus Casesareus, sowie seine Berufung an die Greifswalder Universität zur Folge hatten, an welcher er die Professur der Poetik, sowie der klassischen und orientalischen Sprachen erhielt. Seit dem Tode des Professors Joh. Trygophorus im J. 1626 übernahm er auch das von diesem bisher vertretene Fach der Geschichte, für welches er eine besondere Vorliebe hegte, wie aus seinen chronologischen und genealogischen Arbeiten hervorgeht, unter denen besonders: „Tokeologia illustrium universalis“, 1624; „Centuria Athenaea“, 1624; „Pomero-Tokeologia“, 1625; „Ill. quadragenarius Atlanticus“, 1626; „Series rectorum acad. Gryph.“, 1634 u. A. zu nennen sind. Seine ersten Vorlesungen betrafen die Erklärung von Pindar, Horaz und Herodot, denen später auch historische und orientalische Collegia folgten. Wiederholt führte er das Decanat und im J. 1633 das Rectorat, bei dessen Schlusse er den zu seinem Nachfolger gewählten Herzog Ernst Bogislaw von Croy (s. d. Art.) mit einer lateinischen Rede begrüßte. Gerschow’s Amtsführung war für die Universität von besonderer Wichtigkeit, weil damals Bogislav XIV., der letzte pommersche Herzog, die Güter des 1535 säcularisirten Klosters Eldena als ein dankbares Vermächtniß seines Wohlwollens an die Universität übertrug. Da das Amt Eldena mit vielen Schulden belastet war, so hegte ein Theil der Professoren Bedenken, diese Schenkung anzunehmen, es war aber namentlich Gerschow’s Bemühungen zu verdanken, daß der edle Wille des Landesherrn zur Ausführung kam und daß durch ihn die pommersche Hochschule in den folgenden [51] Jahrhunderten ihre Selbständigkeit und Blüthe empfing. Schon im Jahre 1621 hatte G. durch seine Vermählung mit Ilsabe Bosselmann sich eine glückliche Häuslichkeit begründet, doch störte sehr bald der 30jährige Krieg, dessen Schrecken seit 1626 auch Pommern erfüllten, das Gedeihen der Universität und seiner Familie. Die Professoren blieben ohne Besoldung, die Zahl der Studirenden war geringe und es bemächtigte sich seiner und seiner Genossen der Gedanke, daß die Hochschule ihrem Untergange nahe sei. In dieser Zeit entwarf G. den Plan, sich der Rechtswissenschaft zuzuwenden, um durch juristische Praxis als Anwalt seinen Unterhalt zu verdienen und bemühte sich, gestützt auf seine schon früher erworbenen und durch seine Vorlesungen in Straßburg bethätigten Kenntnisse, um die Promotion in der Greifswalder Facultät. Da diese jedoch, mit Einschluß seines Verwandten, Professor Friedrich G., seinem Wunsche nicht entsprach, so begab er sich über Leyden nach Franecker im holländischen Friesland, woher seine Großmutter gebürtig war, und wurde hier 1635 zum Doctor der Rechte promovirt. Nach Greifswald zurückgekehrt, erhielt er im Herbste 1635, in Folge des Abganges des Professors Luden[WS 5] nach Dorpat, die ordentliche Professur für Geschichte und bezog bis zum September 1638 dessen Amtshaus. Inzwischen war mit Bogislaw XIV. Tode am 10. März 1637 das pommersche Herzogshaus erloschen und zugleich die kaiserlichen Truppen für alle Zeiten durch die Schweden aus dem Lande nach harten Kämpfen vertrieben, mithin die schwerste Zeit des Krieges überwunden, dennoch traten die Folgen jener Schreckensjahre gerade damals am empfindlichsten hervor, da das verwüstete Amt Eldena der Hochschule keine Einkünfte gewährte und auch die Stadt verarmt und verschuldet blieb. In Folge dessen unternahm G. 1638 seine dritte Reise über Lübeck nach Holstein und Schleswig. Hier eröffnete sich ihm die früher in Speier zurückgewiesene Gelegenheit, mit einem am Hofe des Herzogs Friedrich III. (1616–59) verweilenden persischen Fürsten Schah Saffi[WS 6] eine Fahrt in den Orient zu unternehmen und dort seine Kenntnisse der morgenländischen Sprachen zu erweitern. Bei der traurigen Lage der Greifswalder Universität wäre er jetzt gern auf dieses Unternehmen eingegangen, doch gab der Herzog, obwol er anfangs die ihm von G. überreichten arabischen und genealogischen Schriften mit Wohlwollen aufgenommen hatte, Math. Muttis, einem aus Cypern gebürtigen Griechen, welcher u. a. auch Luther’s Katechismus in die neugriechische Sprache übertragen, den Vorzug, weil letzterer die orientalischen Mundarten geläufiger sprach. In Folge dessen kehrte G. nach einem Aufenthalt in Eutin, Kiel und Oldenburg 1639 wieder in sein Greifswalder Amt zurück und wirkte in demselben als akademischer Lehrer, Decan und Rector bis zu seinem Tode am 29. Septbr. 1655. Von seinen späteren Schriften sind hervorzuheben seine Psalmenpolyglotte, welche unter dem Titel: „Psalterii Davidici hexaglotti et decastyli decas prima“, gedr. Greifswald bei J. Jäger, 1640 erschien, und dem Herzog von Holstein[WS 7], sowie seinem Bruder, dem Bischof Johannes von Lübeck[WS 8], gewidmet ist; dieselbe enthält die ersten zehn Psalmen in hebräischer, arabischer, chaldäischer, syrischer, griechischer und lateinischer Sprache; ferner ein Programm von 1638, welches erkennen läßt, welche Bedeutung er der Geographie als Wissenschaft beilegte, indem er von dem betreffenden Forscher die Angabe der älteren und neueren Ortsnamen, des Gründers, der klimatischen und meteorologischen, sowie zoologischen und botanischen Verhältnisse verlangt; endlich die „Recensio conditorum centum et viginti academiarum“, 1649, sowie mehrere genealogische Schriften, welche sich zum Theil handschriftlich auf der Bibliothek zu Neustrelitz befinden. Auch erkennen wir aus seinen zahlreichen Randbemerkungen in den Universitätsbüchern, wie genau er dieselben als Quelle für seine Schriften benutzte.

[52] Joh. Michaelis, Oratio par. in obitum Jacobi Gerschow, 1655. Georg. Henrici Goetze[WS 9], Elogia praecocium eruditorum, 1709, p. 94. Jöcher, Gelehrtenlexikon, 1750. Dähnert, Pomm. Bibl. I. 115, 2. 74–84; II. 229; III. 232; V. 285. Friedrich Latendorf, Jakob Gerschow’s Leben, nach dessen Selbstbiographie in einem Manuscript der Bibliothek zu Neustrelitz, herausgegeben in den Baltischen Studien XVI, 2. S. 174–225; XVII, 1. S. 141–160; 2. S. 155–166. Kosegarten, Geschichte der Universität Greifswald I. 248 und in den Baltischen Studien XVII, 2. S. 167. Vgl. auch Dähnert, Cat. bibl. Gr. S. 756. Lehmann, Geschichte des Gymnasiums zu Greifswald, 1861, S. 55.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Johannes Trygophorus (1580–1626), deutscher Historiker
  2. Andrew Downes (1550–1627), englischer Philolog, Professor der griechischen Literatur.
  3. Isaac Casaubon (1559–1614), Altphilologe aus Genf.
  4. Jacques-Auguste de Thou (1553–1617), französischer Staatsmann und Historiker.
  5. Lorenz Luden (1592–1654), Professor der Rechte, Geschichte, Poesie und Rhetorik.
  6. Safi I. († 1642), von 1629 bis 1642 Schah im Iran.
  7. Gemeint ist der oben erwähnte Friedrich III.
  8. Johann X. von Schleswig-Holstein-Gottorf (1606–1655)
  9. Georg Heinrich Götze (1667–1728), deutscher Theologe.