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ADB:Geyr von Schweppenburg, Rudolf Constantin Freiherr von

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Artikel „Geyr von Schweppenburg, Freiherr Rudolf Constanz von“ von Friedrich Haagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 134–138, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Geyr_von_Schweppenburg,_Rudolf_Constantin_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 08:22 Uhr UTC)
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Geyr: Freiherr Rudolf Constanz v. G. zu Schweppenburg, geb. am 25. Juli 1735, Sohn Ferdinand Balthasar Josephs v. G. und der Adele Constantia du Fays, Erbin zu Adrimont, Tochter des Cornelius du Fays, Ritters und Bürgermeisters von Aachen, war seit 1756 Statthalter oder Stellvertreter des Aachener Vogtmeiers, des Freiherrn zu Hauzeur, und seit des letztern Tode, 4. Mai 1763, selbst Vogtmeier der ehemaligen Krönungsstadt und blieb in dieser Stellung bis zur Occupation Aachens 1792 durch die Franzosen. Seine Vogtmeierei fiel in eine für Aachen sehr unruhige Zeit, zunächst in eine Periode erneuerten Streites zwischen Jülich oder dessen Erbe, der Pfalz, und der Reichsstadt Aachen über die von Jülich als Reichslehen seit 1297 besessene Vogtei über Aachen, dann eines sechsjährigen Parteihaders über den Besitz der Regierung [135] in Aachen. In Folge der ersteren schickte Karl Theodor, Kurfürst von der Pfalz, im Anfange des J. 1769 unter dem General Horst 2000 Mann Truppen gegen Aachen und hielt die Stadt vom 10. Februar bis zum 17. Juni besetzt. Auf den 21. Febr. berief der Vogtmeier Freiherr Rudolf v. G. die Zunftmeister zu sich und hielt ihnen vor, der Kurfürst als Inhaber der Aachener Reichsvogtei und als Schutz- und Schirmherr der Stadt habe das Truppencommando entsendet, um seine Rechte zu wahren und die Rathsglieder in ihre Schranken zu weisen, die von den Zünften gewählt nur Verwalter des Gemeindewesens und Besorger der gemeinsamen Wohlfahrt seien, keineswegs aber eine Oberherrschaft über ihre Mitbürger führen, am wenigsten für ihre Person die Eigenschaft eines Reichsstandes beanspruchen könnten. Diese hätten seit einiger Zeit die Bürger als ihre Unterthanen behandelt und durch militärische Execution die Bürgerschaft in ihren Privilegien verletzt; Warnungen von Seiten des Kurfürsten seien ohne Erfolg gewesen; daher habe dieser sich entschließen müssen, dem Unwesen ein Ende zu machen. Da sein Schritt dem allgemeinen Wohl der Bürgerschaft gelte, so erwarte er, daß diese dazu beitrage, den Beschwerden gegen den Magistrat abzuhelfen. Der Vogtmeier erhob 29 Beschwerdepunkte gegen die Stadt in Bezug auf das Theater, die Hazardspiele, die Bälle, den Lombard und das Verhältniß zu Jülich, tadelte, daß der Magistrat ihn, den Vogtmeier, zum Leichenbegängniß des Kaisers durch einen Stadtsecretär eingeladen und daß derselbe für sich das Begnadigungsrecht in Anspruch genommen habe. Außerdem rügte er Vorkommnisse bei Processionen und Beamtenwahlen, endlich ermahnte er die Vorsteher der Zünfte, die Gräven, Sorge zu tragen, daß Ruhe und Eintracht in der Stadt wiederhergestellt werde und versprach den Bürgern, die Kosten des gegenwärtigen Militärcommandos der diesjährigen und der vorjährigen Stadtobrigkeit zur Last zu legen. Der am 15. Februar zusammengetretene Große Rath wählte einen Ausschuß, aus drei angesehenen Männern bestehend, und sandte diesen zur Unterhandlung über die Beschwerden nach Düsseldorf an den Geheimrath. Unterdessen waren die besten Wohnräume der Bürgermeister und der angesehensten Rathsmitglieder mit soviel Mannschaft belegt worden, daß sie nicht ausreichten und die Soldaten auf den Landgütern und anderwärts untergebracht werden mußten. Dem Bürgermeister Franz Xavier von Kahr, welcher im J. 1763 zuerst zu dieser Würde erhoben worden war und von da an in eigenem oder fremdem Namen das Stadtregiment führte, gab man 200 Mann Einquartierung; andere weniger mit Glücksgütern ausgestattete Bürger erlagen fast der Last. Der Rath hatte sich zeitig nach Wien an den Kaiser und den 2. März an den Reichstag in Regensburg gewandt, auch nicht versäumt, den Kurfürsten versöhnlich zu stimmen. Aber weder in Düsseldorf beim Geheimrath, noch in Mannheim beim Kurfürsten selber hatte er Erfolg. Zu dieser Zeit ließ der Vogtmeier die meisten Rathsglieder vor sich kommen und insinuirte ihnen, es sei zur Beseitigung der verschiedenen Factionen in der Stadt angemessen, den alten Erbrath wieder einzuführen – nach harten, oft blutigen Kämpfen war es den Zünften am Anfange des 16. Jahrhunderts gelungen, den Erbrath zu entfernen – und bei der bevorstehenden Bürgermeisterwahl einen andern fähigen Mann zu wählen. (Ueber die Bürgermeisterwahl in Aachen vergleiche man den Artikel Dom. Dauven.) Da die Zunftmeister die Vorstellungen des Vogtmeiers vom 21. Februar unberücksichtigt gelassen hatten, erhielten auch sie Einquartierung. Den 16. März zeigte der Vogtmeier den einzelnen Rathsmitgliedern an, der Kurfürst erwarte, daß die Bürgermeisterwahl nicht ausgesetzt werde, daß statt der bisherigen Bürgermeister und Syndike andere gewählt würden, die dem Kurfürsten nicht mißfielen. Zwei Tage später lief die für die Bürgerschaft frohe Botschaft ein, der Kaiser habe ein in den gegenwärtigen [136] Streitigkeiten für Aachen günstiges Gutachten des Reichshofrathes genehmigt, welches den Kurfürsten unter Androhung einer Strafe von 2000 Mark Goldes, auf das gerichtliche Verfahren hingewiesen habe. Die beiden ausschreibenden Fürsten des niederrheinisch-westfälischen Kreises, der Kurfürst von Köln als Bischof von Münster, der König in Preußen und Kurfürst von Brandenburg, als Herzog von Cleve, würden aus dem kaiserlichen Mandat ersehen, wie der Kurfürst von der Pfalz unter dem Vorwande, einige Vogteirechte zu wahren, diese Stadt mit 2000 Mann überzogen und deren Bürger mit Einquartierung belegt habe. Diese unerlaubte That sei mitten im Frieden verübt worden, während der Kaiser bemüht gewesen, die Ehre der Gesetze und der Reichsgerichte zu heben. Der Magistrat gab dem Vogtmeier Abschrift des kaiserlichen Befehles, welche dieser anzunehmen verweigerte. Am 18. März schickte er sogar noch einigen Zunftvorstehern Einquartierung. Drei Tage darauf decretirte der Rath, es solle keine Beamtenwahl stattfinden, so lange die fremden Truppen in der Stadt seien, und theilte diesen Beschluß noch an demselben Tage dem Vogtmeier mit. Tags darauf sandte der General von der Horst dem Magistrat ein kurfürstliches Rescript zu, welches 14 Beschwerdepunkte enthielt, deren Erledigung verlangt wurde. Als am 25. März die Deputation von Düsseldorf unverrichteter Sache zurückkam, antwortete der Rath auf das erwähnte Rescript, er lebe der Hoffnung, der Kurfürst werde ihm nicht dasjenige zum Vorwurfe machen, was er nicht gethan habe; er sei schließlich gewillt, in Zukunft nach dem Inhalte der Verträge zu verfahren, und erwarte, daß die Truppen zurückgezogen würden. Als am 9. April der General auf kurfürstliches Geheiß vom Magistrat Abbitte und Anerkennung der 14 Beschwerdepunkte verlangte, ging der Rath darauf nicht ein und wandte sich wieder an den Kaiser, und als der Rath die Wahl des Vorstandes der Nähnadelzunft der Anwesenheit der Truppen wegen aufschob, legte der Vogtmeier Verwahrung gegen diesen Aufschub ein. Der Magistrat war überhaupt bemüht, dem Kurfürsten Einfluß auf die Regierung der Stadt zu erschweren, wenn derselbe auch erklärte, es sei keineswegs seine Absicht, die Bürgerschaft in ihrer Wahlfreiheit zu stören. Diese vertraute der Einsicht des Raths und die Wahlen blieben ausgesetzt. Der Rath beruhigte sich bei der Nachricht, daß münsterische und clevische Kreistruppen zum Schutze Aachens aufgeboten worden seien. Dennoch fand das auf den 25. Mai fallende Frohnleichnamsfest ohne die gewohnte Feier statt, keine Versammlung der Zünfte, keine Bürgermeisterwahl wurde abgehalten, nur die regierenden, von Wylre und Chorus, wurden auf solange, als fremde Truppen in Aachen standen, bestätigt. Das Capitel des Krönungsstiftes indessen hielt auf seiner Immunität eine Frohnleichnamsprocession ab, welcher der Vogtmeier beiwohnte. Endlich am 15. Juni empfing der General von seinem Hof den Befehl, mit den Truppen von Aachen abzuziehen. Er theilte diesen dem Magistrat mit. Am 17. Juni erfolgte der Abmarsch. Die Stadt hatte über die Haltung der Truppen nicht zu klagen gehabt. Gleich am 19. Juni schritt man zur Bürgermeisterwahl, aus welcher die Herren von Richterich und von Kahr hervorgingen. Der Vogtmeier war mit der Wahl nicht einverstanden. Das Verhältniß zwischen Jülich und Aachen blieb so schroff, daß G. zu dem Vogtgeding vom 26. Juni weder den Bürgermeister von Richterich als Schöffen, noch den Bürgermeister von Kahr einlud. Dadurch entstand neuer Hader und das Vogtgeding erlitt bis 1774 mannigfaltige Hinderungen, da das Schöffencollegium erklärte, die Sitzungen dürften ohne Betheiligung der Bürgermeister nicht stattfinden. Der Streit zwischen der Pfalz und Aachen war mit der Entfernung der Truppen nicht beendigt worden. Die beiden wiederholt genannten Fürsten des niederrheinisch-westfälischen Kreises ernannten zwei Commissarien zu den Verhandlungen zwischen der Pfalz und Aachen, [137] die erst im Herbste 1771 begannen. G. fungirte als Vogtmeier nach diesen Streitigkeiten Aachens mit der Pfalz bis zur Ausgleichung derselben durch Stephan Dominicus Dauven im J. 1777 und über diese Zeit hinaus bis zum gewaltsamen Losreißen Aachens vom deutschen Reiche durch die Franzosen im J. 1792. Die letzte Periode seines Vogtmeieramtes, die von 1786–92, politisch die unglücklichste Aachens, war voll des zügellosesten Parteikampfes zwischen den Anhängern des Stephan Dominicus Dauven, welcher seit 1777, wo es ihm nach dreijährigen Bemühungen gelungen war, den Streit mit der Pfalz zu schlichten, im Besitz des Stadtregiments war, und denjenigen des Schöffen de Lonneux, eines Schwagers des Vogtmeiers, welcher jenem die Herrschaft streitig machte. Als es de Lonneux am 24. Juni 1786, dem Tage der Beamtenwahl, gelungen war, Dauven und seine Anhänger, die sogenannte alte Partei, gewaltsam zu entfernen, und am 26. Juni eine gemischte bürgerliche Commission als Regierung einzusetzen, ließ der Vogtmeier, welcher während einer zweijährigen heftigen Agitation gegen das Regiment Dauven’s nicht hervorgetreten war, am 5. Juli den Rathsgliedern und der Bürgerschaft durch Anschlag an den Stadtthoren und an dem Rathhaus mittheilen, daß die Parteien ruhig den Bescheid des kaiserlichen Gerichtes abwarten und die abwesenden Rathsmitglieder und Bürger ohne Gefahr zurückkehren könnten, daß auch, wenn es verlangt würde, der Kurfürst von der Pfalz die zur Aufrechthaltung der Ordnung nöthigen Truppen senden würde. Anders lautet die Erklärung des Bürgermeisters Johann Jakob v. Wylre, College des am 24. Juni gewaltsam aus seiner Stellung verdrängten Dauven. Von Wylre war nach den stürmischen Auftritten vom 24. Juni mit vielen Gleichgesinnten zunächst nach Burtscheid, von da nach Cornelimünster ausgewichen und hatte sich hier mit anderen Beamten als die rechtmäßige Regierung Aachens constituirt. Er bemerkt, am 1. Juli habe er sich den anhaltenden Zudringlichkeiten eines in Aachen tumultuirenden Pöbels durch Hinübergehen auf ein fremdes Gebiet entzogen. „Auf die wahre Mordgeschichte, die am 24. Juni mitten im Rathssaale von dem unbändigen Pöbel verübt worden, kann man sich leicht vorstellen, daß ein großer Theil der mißhandelten Rathspersonen krank darnieder läge, und daß der übrige Theil vor Furcht und Todesschrecken das Rathhaus als eine gewordene Mördergrube verabscheuen würde“. Die gefaßten Beschlüsse der gemischten Commission anullirt er als verfassungswidrig, wie auch die des Kleinen Raths vom 30. Juni, dem nur 4–5 Mitglieder anwohnten, während 35–36 sich entzogen hatten. Dieser Erklärung traten 63 Personen vom Magistrat oder vom Rath in und um Aachen bei. Von Wien langte ein Erlaß vom 3. August, gezeichnet Colloredo, an, durch welchen die Wahl vom 26. Juni annullirt, der alte Magistrat eingeladen wurde, die Verwaltung fortzuführen, der Kaiser seinen Unwillen über die Unordnungen kundgab und mit Leibes- – ja nach Befund – mit Todesstrafen drohte. Man sieht, daß der Kaiser und das Reichskammergericht die Angelegenheiten der Reichsstadt ernster auffaßten als der Kurfürst von der Pfalz und sein Vogtmeier in Aachen. Es würde zu weit führen, wenn man hier die Aachener Wirren noch weiter verfolgen wollte, da sie unter dem Artikel Martin de Lonneux ausführlicher besprochen werden müssen. Pfalz und Vogtmeier blieben bis zum Schlusse der Unruhen, d. h. bis zum Erscheinen der Franzosen, ihrer Auffassung der Verhältnisse treu. Gegen eine von v. Dohm ausgearbeitete verbesserte Aachener Constitution blieb ein Theil der Bürger – der Zünfte – fortwährend renitent und wurde von der jülich-bergischen Regierung und dem Aachener Vogtmeier unterstützt. Dieser verschwindet mit dem Erscheinen der Franzosen aus der Geschichte.

[138] Man vgl. K. F. Meyer, Aachensche Geschichte und F. Haagen, Gesch. Achens seit seinen Anfängen bis zum J. 1865, 2. Thl.