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ADB:Graser, Johann Baptist

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Artikel „Graser, Johann Baptist“ von Lorenz Kellner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 584–585, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Graser,_Johann_Baptist&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 06:15 Uhr UTC)
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Graser: Johann Baptist G., Dr. philos., wurde am 11. Juli 1766 zu Eltmann in Unterfranken geboren, studirte in Bamberg und Würzburg und erhielt schon im 20. Lebensjahre die philosophische Doctorwürde. Er wurde hierauf nach absolvirtem Seminarcursus in Würzburg zum katholischen Priester geweiht und bald darauf Lehrer und Mitdirigent der adlichen Pagenanstalt zu Salzburg. Im J. 1804 wurde er als Professor der Theologie nach Landshut versetzt, aber schon in demselben Jahre als Schulrath nach Bamberg berufen, wo er bis zum J. 1810 mit großem Eifer wirkte. Hiernach ging G. auf den Wunsch seiner Behörde in gleicher Eigenschaft nach Baireuth, wo er sich um die Vorbildung junger Lehramtscandidaten Verdienste erwarb. Als 1825 die Stellen der Kreis-Schulräthe aufgehoben wurden, erhielt er seine Pension und lebte von da ab ganz den Wissenschaften, insbesondere aber pädagogischen Studien und dem Verkehr mit geistreichen Männern, zu denen besonders Jean Paul gehörte. Er starb 1841 am 28. Februar in Baireuth. G. ist einer der ersten deutschen Pädagogen, welche die Lehre von der Erziehung und dem Unterrichte wissenschaftlich geordnet und dargestellt haben. Seine Hauptschrift ist die „Divinität oder das Princip der einzig wahren Menschenerziehung“, 1811. Der Grundgedanke ist, daß der Mensch durch sich selbst, durch freie Gesinnung und That, das Ebenbild der Gottheit in seinem Leben darstelle oder das Divine (Göttliche), das ihm, entgegen dem Animalischen (Thierischen), eingeboren ist, in seinem Leben nachweise. Wir bedürfen hierzu einerseits eines Musters, des Gottmenschen, Sohnes Gottes, – andererseits aber auch der Unterstützung der bereits gereiften Menschen. Graser’s praktisches Streben knüpfte sich mit Pestalozzi an die Anschauung, und aus dieser leitete er die Kenntniß der gewöhnlichen Lebensverhältnisse und die damit verknüpften moralischen Pflichten ab. Als Anschauungsmittel, als an das Vorleben des Kindes, an die Familie sich anschließende Geistesgymnastik erkannte er das Wohnhaus und zwar zunächst das Modell [585] eines solchen. Er theilt nun den an das Wohnhaus geknüpften Unterricht in der Moral und den Realien in vier Curse, nämlich 1) Betrachtung des Hauses als Wohnplatzes der Zusammenlebenden, 2) Betrachtung der Bewohner desselben, 3) Betrachtung der häuslichen Bedürfnisse der Bewohner, und 4) des wechselseitigen Umganges durch die Sprache. G. bekämpfte außerdem die damals auftauchende Lesemethode Stephani’s und setzte an deren Stelle die jetzt allgemein verbreitete Schreiblesemethode, wobei er in die Absonderlichkeit verfiel, die Buchstaben als Bilder der Mundformen und Mundstellung beim Sprechen anzusehen. Auch für den Unterricht der Taubstummen interessirte sich G. lebhaft, wollte aber diese Unglücklichen nicht isolirt, sondern in Gemeinschaft mit den Vollsinnigen unterwiesen wissen, weil er von diesem gemeinsamen Verkehre Gutes für die Gesammtbildung hoffte. – G. hatte keinen Beruf zum geistlichen Stande und löste sich auch gänzlich von diesem durch seine spätere Verheirathung los. Diesem Verhältnisse entsprachen auch seine Ansichten über den Religionsunterricht, welchen er möglichst von strengem Confessionalismus zu befreien strebte. Er wollte mit Sailer Toleranz und Versöhnung der Gegensätze, aber er suchte sie nicht, wie dieser, in der glaubenstreuen Liebe, sondern mehr in der Verschwommenheit und Verflachung dessen, was den Kern und die Basis des Christenthums bildet. – Außer der erwähnten Divinität schrieb G. noch: „Die Elementarschule fürs Leben in ihrer Grundlage“, 1817. – „Die Elementarschule fürs Leben in der Steigerung“, 1828. – „Der durch Gefühl und Tonsprache der Menschheit wiedergegebene Taubstumme“, 1829. – „Das Verhältniß des Elementarunterrichtes zur Politik der Zeit“, 1835. Alle diese Schriften fanden ungeachtet ihrer praktischen Richtung unter den Elementarlehrern verhältnißmäßig wenig Verbreitung, einerseits wegen der wissenschaftlichen, nicht leicht zugänglichen Form, andererseits wegen ihres hohen Preises. Der Lehrer Ludwig in Bindlach, einer der tüchtigsten Schüler Graser’s, suchte dessen Ideen populärer zu machen.