Zum Inhalt springen

ADB:Gruber, Gabriel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Gruber, Gabriel“ von Heinrich Ritter von Zeißberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 792–794, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gruber,_Gabriel&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 04:11 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Gruber, Franz Xaver
Band 9 (1879), S. 792–794 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Gabriel Gruber in der Wikipedia
Gabriel Gruber in Wikidata
GND-Nummer 132380862
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|9|792|794|Gruber, Gabriel|Heinrich Ritter von Zeißberg|ADB:Gruber, Gabriel}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=132380862}}    

Gruber: Gabriel G. (auch Grueber), geboren zu Wien am 6. Mai 1740, gestorben zu Petersburg am 7./8. April 1805, trat 1755 in den Orden der Gesellschaft Jesu, beendete zu Gratz die philosophischen und theologischen Studien, lehrte dann selbst die lateinische Sprache an der orientalischen Akademie und indem er vor Aufhebung der Gesellschaft Jesu noch der letzte war, welcher in der österreichischen Ordensprovinz die Ordensgelübde abgelegt hatte, lehrte er 18 Jahre zu Laibach Mechanik und Hydraulik und leitete ebenda die Regulirung des Flusses und die Austrocknung der Sümpfe. Als aber dann der Jesuitenorden in Rußland sich des Schutzes der Regierung erfreute, verließ G. Oesterreich und ging 1784 nach Rußland, wo er zunächst im Jesuitencollegium zu Polock Architectur und Mechanik vortrug und das physikalische Cabinet daselbst mit vielen sinnigen Instrumenten seiner Erfindung bereicherte. Später in den letzten Lebenstagen Kaiser Pauls kam er nach Petersburg, um der Akademie der Wissenschaften einen neuerfundenen Webstuhl vorzuzeigen, eigentlich aber, um sich selbst im Interesse seines Ordens in den höheren Gesellschaftskreisen einzuführen. Dies gelang ihm und bald fand sich die erwünschte Gelegenheit, die Aufmerksamkeit des Kaisers zu erregen. Die Kaiserin litt an heftigen Zahnschmerzen, die alle Kunst der Aerzte nicht zu lindern vermochte. Da bot G. brieflich der Kaiserin seine Dienste als Zahnarzt an. Der Kaiser ließ ihn rufen und willfahrte sogar der Bitte, ihm ein Gemach in der Nähe des Cabinets der Kaiserin anweisen zu lassen, um den Gang der Krankheit und die Wirkung seiner Mittel einige Tage zu beobachten. So wurde G. auf mehrere Tage der beständige Gesellschafter der kaiserlichen Familie. Durch dies und ähnliche kleine Mittel – so verstand er z. B. das Lieblingsgetränk des Kaisers, die Chocolade, vortrefflich zu bereiten – wußte G. den Czar so für sich zu gewinnen, daß ihm fortan dessen Cabinet zu jeder Zeit offen stand. Uebrigens war G. ganz der Mann, die gewonnene Gunst behutsam und ausgiebig auszunützen. Daher blieb er unberührt, als bald darauf der Sturm des kaiserlichen Zornes gegen den Nuntius losbrach. Er behauptete sich in der Gunst Pauls auch während der bösen Zeit, als Siestrzencewicz mit der Machtfülle eines Patriarchen ausgestattet, sich alle geistlichen Orden der lateinischen Kirche unterwerfen durfte. Inzwischen suchte er, gleich seinen Gefährten, in den gesellschaftlichen Kreisen der Hauptstadt die Ansicht zur Geltung zu bringen, daß die griechische und lateinische Kirche im Dogma eigentlich übereinstimmten, daß die trennende Verschiedenheit lediglich eine hierarchische sei, besonders aber, daß der Orden die beste Polizeianstalt, der beste Schutz gegen die Revolution sei. Die Jesuiten machten mit dieser Andeutung Glück, auch bei dem Kaiser. Bald stand G. so fest in Pauls Gunst, daß selbst Napoleon es nicht verschmähte, sich brieflich an ihn zu wenden, indem er ihn aufforderte, dahin zu wirken, daß [793] Rußland das Bündniß mit dem ketzerischen England aufgebe und sich Frankreich anschließe. G. soll denn auch das Seinige dazu beigetragen haben, den Kaiser Paul in diese neue Bahn zu leiten. Auch sonst errang G. bedeutende Erfolge, Der Erzbischof Siestrzencewicz, ein Feind des Ordens, wurde vornehmlich auf Gruber’s Veranstaltung zuerst vom Hofe entfernt, dann als Verbannter auf seinen Gütern strenge bewacht. G. brachte es dahin, daß die katholische Hauptkirche in St. Petersburg dem Jesuitenorden nicht blos eingeräumt, sondern zu vollem Eigenthum übertragen wurde. Das katholische Departement ging fast ganz in die Hände der Jesuiten über. Die Krone aber wurde allen diesen Triumphen dadurch aufgesetzt, daß sich Pius VII. durch Kaiser Paul bewegen ließ, den Jesuitenorden wenigstens in Rußland durch eine förmliche Bulle wiederherzustellen. Rüstig schritten nun die Jesuiten vorwärts in ihrem weitaussehenden Plane, die Herrschaft über den slavischen Osten durch Rußland zu gewinnen. Jesuitenresidenzen und Missionen wurden zahlreich auch im Innern des Reiches eingerichtet, in St. Petersburg selbst ein großartiges Jesuiten-Collegium angelegt, eine Erziehungsanstalt, angeblich der heranwachsenden Jugend lateinischen Glaubens bestimmt, vor allem für den jungen polnischen Adel, in Wahrheit zugleich mit der Absicht, auch die Söhne vornehmer russischer Häuser an sich zu locken. Mit dem Regierungsantritte Kaiser Alexanders I. trat allerdings ein Rückschlag ein. Siestrzencewicz erlangte die Freiheit wieder und trat trotz aller Gegenbemühungen Gruber’s, des damaligen Hauptes des Petersburger Jesuiten-Collegiums, wieder an die Spitze der lateinischen Kirche in Rußland. Auch wurde dem Jesuitenorden jede weitere Ausbreitung in Rußland, sowie jede Wirksamkeit an der Universität Wilna untersagt. Dagegen errang der Orden einen anderen großen Erfolg. Bis dahin hatte es in Rußland nur einen „Generalvicar“ desselben gegeben. Der letzte war Franz Kareu. Als nun dieser starb, erstattete zwar der im Range nächste Würdenträger des Ordens P. Hochbichler dem Metropolitan Siestrzencewicz die durch die Kirchenordnung vorgeschriebene Anzeige, die dann regelmäßiger Weise auf diesem Wege an den Kaiser gelangen mußte. G. jedoch kam dem zuvor. Er wendete sich unmittelbar an den letzteren, bezeichnete in seinem Schreiben den Pater Kareu, dessen Tod er meldete, als „General“ der Gesellschaft Jesu und bat im Namen des Ordens um die Erlaubniß, einen neuen „General“ wählen zu dürfen. Der Versuch gelang, G. wurde nicht auf den gesetzlichen Weg verwiesen, sondern bedeutet, auf die erhaltene Anzeige von dem Tode des Pater Kareu „général des Jésuites“ genehmige der Kaiser, daß den Statuten und dem Herkommen des Ordens gemäß ein neues Oberhaupt gewählt werde. So wurde G. selbst am 10./22. October 1802 zum General des Jesuitenordens ernannt. Ebenso glückte es G., den Plan des Metropoliten Siestrzencewicz, das katholische Departement in einer Weise umzugestalten, die den Einfluß des Ordens in Rußland dauernd gebrochen haben würde, zu vereiteln. Es gelang nämlich G. durch einen bestochenen armen Kanzelisten sich eine Abschrift von dem Entwurfe der Reorganisation zu verschaffen, den Siestrzencewicz dem Kaiser vorzulegen beabsichtigte. Durch den Fürsten Galitzyn wurde dieser Entwurf zugleich mit einer Widerlegung, in welcher der Nachweis geliefert wurde, daß alle Vorschläge des Metropoliten aus Gründen des canonischen Rechtes unzulässig seien, dem Kaiser überreicht. Als sodann der Metropolit seinen Entwurf vorlegen wollte, wurde ihm bedeutet, daß der Kaiser denselben bereits kenne und bestimmt habe, ihn abzuweisen. Schon unter Kaiser Paul hatte G. einen Plan eingereicht, dem zufolge die russische Regierung die Jesuitenmissionen unter den Ungläubigen fördern und zu diesem Ende vor allem die Gründung eines Jesuiten-Collegiums in Odessa gestatten sollte. Dieser erste Versuch scheiterte an Dershawin’s Widerspruch. Unter [794] Alexander erneuerte G. seinen Vorschlag und dies Mal war er damit glücklicher. Den Jesuiten wurde ihr Wunsch gewährt. Der Herzog von Richelieu berief sie nach Odessa. Inmitten einer so erfolgreichen Thätigkeit wurde G. von einem schrecklichen Schicksale ereilt. In der Nacht vom 25. auf den 26. März (7. zum 8. April) 1805 brach in dem Hause der Jesuiten zu Petersburg, das G. bewohnte, ein Feuer aus, das den Bau in wenigen Stunden vernichtete. Es war, wie es scheint, oben in den Zimmern des Generals entstanden. G. wurde einen Augenblick am Fenster gesehen. Bald verschwand er aber in den Flammen und nur unter den Trümmern des Gebäudes wurden seine kaum erkennbaren Reste aufgefunden. Ob G. auch als Schriftsteller gewirkt, ist nicht mit Bestimmtheit zu ermitteln. Denn ein Werk über die Saveregulirung, das er verfaßt haben soll, wird von Anderen seinem Bruder Tobias G. (geboren zu Wien am 12. September 1744, † zu Prag am 31. März 1806), der gleichfalls Jesuit, dann Weltpriester, 1774–77 Bau- und Negotiationsdirector im Temeser Banat, seit 1780 Baudirector der böhmischen Cameralherrschaften und Mitglied der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften war, zugeschrieben.

Th. v. Bernhardi, Geschichte Rußlands und der europäischen Politik in den J. 1814–31, 2. Thl., 2. Abtheilung, 3. Buch, 10. Capitel.