ADB:Gruson, Hermann
A. Borsig in Berlin ein. Nebenher ließ er sich, am 8. October 1840, auf der Berliner Universität in der philosophischen Facultät immatriculiren. Im 1. W.-S. hörte er Experimentalchemie bei Mitscherlich, Physik bei Magnus, im S.-S. 1841 Statik und Dynamik bei seinem Onkel, Geh. Hofrath Prof. Dr. Gruson, Dampfmaschinenkunde und Technologie bei Magnus. Am 11. Juli 1845 trat G. bei Borsig aus. 1845 kam er als Maschinenmeister in den Dienst der Berlin-Hamburger Eisenbahn und blieb bis 1. Februar 1851. In dieser Zeit verheirathete er sich (am 3. Mai 1847) mit Emma Lemelson. 1851 wurde er Oberingenieur der F. Wöhlert’schen Maschinenfabrik in Berlin. Hier blieb er drei Jahre, nahm am 1. Juni 1854 die Stellung eines technischen Directors bei der Hamburg-Magdeburger Dampfschifffahrtscompagnie zu Magdeburg-Buckau ein, trat aber schon nach einem Jahre aus und legte den Grund zu seinem Werke, das seinen Namen über alle Länder trug.
Gruson: Hermann August Jacques G. (1821–1895), Begründer des Grusonwerkes zu Magdeburg-Buckau. G. wurde als Sohn des preußischen Ingenieurmajors Louis Abraham Gruson und dessen Gattin Louise Karoline Bodenstein am 13. März 1821 zu Magdeburg geboren. Er besuchte zunächst die Elementarschule, dann die Sexta auf dem Magdeburger Domgymnasium und von Herbst 1834 bis Ostern 1839 die damalige Handelsschule, das jetzige Realgymnasium seiner Heimath. Nach abgelegtem Abiturientenexamen diente er vom 1. April 1839 bis 31. März 1840 in Magdeburg bei der 3. Pionierabtheilung als Einjähriger. Am 1. Mai 1840 trat er als Eleve in die Maschinenbauanstalt vonMit geringen Betriebsmitteln pachtete er an der Elbe bei Buckau ein Grundstück und eröffnete darauf am 1. Juni 1855 eine kleine Schiffswerft, verbunden mit Eisengießerei unter der Firma H. Gruson.
Für die Werft trat schon nach zwei Jahren eine bedenkliche allgemeine Krise auf, aber durch die Gießerei konnte sich G. noch halten. Und seine rastlosen Versuche in der Gießerei waren es, die ihm und der Technik so reichen Segen brachten. Damals war die Eisenindustrie noch Kleinbetrieb. Die Hüttenchemie, die heute den Werdeproceß des Eisens Schritt um Schritt überwacht, stand noch in ihren Anfängen, von den Legierungen des Eisens wußte man so gut wie nichts. G. machte in dieser Richtung unermüdlich Versuche. Es gelang ihm durch Mischung der besten Holzkohleneisensorten ein Gußeisen von weit höherer Festigkeit zu erzielen, als die einzelnen Componenten hatten. Die Erkenntniß dieser Thatsache, auf der heute die Kunst der Eisenlegirung beruht, gelang G. erst nach endlosen, mühseligen Versuchen.
Zwei Namen hat Deutschland aufzuweisen, die in der Eisenindustrie, dieser größten Großindustrie der Welt, einzig dastehn. Es sind der Krupp’sche Gußstahl und der Gruson’sche Hartguß. Jener feierte durch seine Kanonen, dieser durch seine Panzerplatten und Geschosse die größten Triumphe über die starre Materie. G. hatte den Schalenguß, d. h. das Gießen von [607] Metall in Metallformen, studirt und dabei gefunden, wie die innige Verbindung der äußeren harten Schicht mit dem inneren weichen Kern durch die richtige Wahl der Verhältnisse, zumal bei deutschen Eisensorten, zu erreichen sei. Bei seinen Gießereiexperimenten entfernte er sich aber immer weiter von seinem eigentlichen Geschäftsberuf, dem Schiffbau. Seine Werkstätten wurden immer leerer. Da kam ihm, wie er später selbst erzählte, beim Anblick eines ausgefahrenen Schienenherzstückes der Gedanke, seinen Hartguß für Eisenbahnmaterial zu verwenden. Er goß sogleich ein solches Weichenstück in Hartguß, es fiel tadellos aus; dann aber mißlangen ihm seine Versuche wieder wochenlang. „Wäre mir“, fügte er hinzu, „das erste Herzstück nicht gelungen, dann hätte ich die kostspieligen Versuche wahrscheinlich aufgegeben, so aber ruhte ich nicht, bis ich die richtige Mischung wiederfand“.
Als der geniale Mann einmal seiner Erfindung sicher war, sann er auf Absatzgegenstände und Absatzgebiete. Was G. alles aus Hartguß herstellte, kann man nicht aufzählen. Am meisten vertheidigte und erstrebte er die Anwendung von Hartgußgeschossen gegen Panzerplatten. 1863 begann er seine Versuche in dieser Richtung, im folgenden Jahre machte er den ersten Versuch, durch ein gußeisernes Spitzgeschoß eine 111/2 cm dicke Panzerplatte aus Schmiedeeisen zu durchschießen! Das Resultat dieses Wagnisses war – ein Mißerfolg. Dennoch gelang es seiner machtvollen Persönlichkeit, den preußischen Staat zu neuen kostspieligen Versuchen zu bewegen. Im folgenden Jahre construirte er eine neue Form der Geschoßspitze und mit diesen Geschossen trat er zu Mainz im Mai 1866 in einen Schießversuch gegen einen von Hauptmann Max Schumann (A. D. B. XXXIII, 41) construirten Geschützstand für Landbefestigungen ein. Dieser Versuch endigte für ihn mit einem Erfolge, da seine Geschosse von allen versuchten die größte Eindringungstiefe erzielten. Der Krieg vom Jahre 1866 brachte eine Unterbrechung der Versuche, die erst im J. 1868 wieder aufgenommen wurden; der nun folgende Zeitraum aber ist von höchster nationaler Bedeutung, indem er einen regelrechten Zweikampf der deutschen Industrie mit der englischen brachte, welcher auf dem Schießplatz in Tegel ausgefochten wurde. Man hatte nämlich in England ebenfalls begonnen, Hartgußgeschosse herzustellen und diese Geschosse wurden in den Jahren 1868 bis 1870 mit den Gruson’schen Hartguß- und mit Gußstahlgeschossen in Vergleich gestellt; gleichzeitig aber wurden Parallelversuche zwischen einem in Woolwich hergestellten 230 mm Vorderlader und einem Krupp’schen Hinterlader vorgenommen. Als Ziele dienten englische Panzerplatten. Der Zweikampf endete mit einem vollständigen Sieg des deutschen Materials: der Krupp’sche Hinterlader schlug am 7. Juli 1868 den englischen Vorderlader, und das Gruson’sche Geschoß besiegte das englische. Durch sein Eisenbahnmaterial war Gruson’s Name auf dem Weltmarkt bekannt geworden, durch seine Hartgußgeschosse wurde er der ausländischen Concurrenz gefährlich.
Als nun Ende der 60er Jahre große Aufträge auf Hartgußgranaten für Preußen hinzukamen, da wurde die kleine Fabrik an der Elbe zu eng, und es wurde der Grundstein zu den heutigen Werken gelegt.
Wie die Hartgußräder für die Normaleisenbahnen, so hat auch heute die Hartgußgranate ihre Rolle ausgespielt; sie mußte der Stahlgranate weichen, als es der Krupp’schen Fabrik gelang, diese zu härten und in einer früher für unmöglich gehaltenen Beschaffenheit herzustellen. Aber wie das Hartgußeisenbahnmaterial, so hat auch die Hartgußgranate ihre Aufgabe erfüllt, denn wie jenes, so hatte auch sie dazu beigetragen, eine Bresche in die Mauer zu legen, hinter welcher England den Weltmarkt für seine nationale Industrie vertheidigte. Diese Bresche zu Gunsten der deutschen Industrie zu erweitern, [608] war seit jener Zeit Grusons’s unablässiges Bemühen. Mit seinen Hartgußgranaten hatte er den Kampf begonnen, mit seinem Hartgußpanzer setzte er ihn fort. Es muß erwähnt werden, daß England zu jener Zeit das einzige Land war, welches schmiedeeiserne Panzerplatten anfertigte. Auch der Schumann’sche Geschützstand, welcher im J. 1866 in Mainz beschossen wurde, war aus englischem Material hergestellt.
Die Wirkungen der damaligen Geschütze waren ja mit den heutigen noch nicht zu vergleichen; immerhin aber begann schon damals in Militärkreisen die Ueberzeugung sich Bahn zu brechen, daß man, um wirksame Befestigungen für die Binnenland- und namentlich für die Küstenvertheidigung herzustellen, das Eisen zu Hülfe nehmen müsse. Hierfür hatte besonders der damalige Hauptmann Schumann gekämpft, und sein Geschützstand ist der erste Panzerbau, welcher in Deutschland zum Versuch gelangte. Die Eindrücke, welche G. von diesem Schießversuch mit nach Hause nahm, befestigten in ihm die Ueberzeugung, daß sein Hartguß sich nicht nur für Granaten, sondern auch für Panzerungen eignen müsse. Er sagte sich: die glasharte Oberfläche läßt die Geschosse zerschellen, die weiche Unterlage aber schützt die harte Oberfläche gegen Zertrümmerung. Während der folgenden Jahre entwickelte er eine unausgesetzte Agitation für seine Idee; daß er aber in der That so schnell damit durchdrang, das dankte er wol hauptsächlich dem nationalen Gesichtspunkt, welchen er geltend machen konnte; denn bewährte sich der Hartguß, so konnte man die Panzerplatten in Deutschland herstellen, während man sonst zunächst auf England angewiesen war. Der erste Gruson’sche Panzerstand aus Hartguß gelangte im J. 1869 zu Tegel zum Versuch und ward beim 22. Schuß breschirt; doch hätte er seine Bestimmung als Küstenbefestigung, die so zahlreiche Treffer unmöglich macht, gegenüber den damaligen Angriffswaffen erfüllt. Inzwischen hatte aber auch der Hauptmann Schumann weitergearbeitet und im Auftrag der preußischen Regierung einen Drehpanzerthurm für ein 15 cm Geschütz hergestellt. Thurm wie Geschütz waren genial erdacht, doch sie waren nicht vom Berufstechniker durchconstruirt und das machte sich fühlbar bei den Versuchen. Der Panzer widerstand zwar, aber G. erklärte auch sofort, daß er einen solchen Panzerthurm ebensogut aus Hartguß herstellen könne und setzte es durch, daß ihm eine Versuchskuppel in Auftrag gegeben wurde; dies war einer der Gründe, welche Schumann im J. 1872 veranlaßten, seinen Abschied zu nehmen. Diese erste Hartgußkuppel, welche G. herstellte, ist, trotzdem ihre Stirnplatte im J. 1873 mit 55 15 cm-Granaten breschirt wurde, ein bleibendes Denkmal für seinen großartigen technischen Scharfblick, denn diese Kuppel trägt bereits alle Kennzeichen der Hartgußthürme, welche seither gebaut worden sind.
Daß der Versuch ungünstig ausfiel, war nicht Gruson’s Schuld; es war ihm vorgeschrieben worden, die größte Dicke seiner Platten derjenigen des schmiedeeisernen Schumann-Thurmes entsprechend zu wählen, und dies war für Hartguß ein Unding; G. fügte sich damals der Forderung nur aus geschäftlichen Gründen und erklärte schon während des Versuches, daß er auf eigene Kosten, aber auch nach eigenem Ermessen eine neue Kuppel herstellen werde.
G. war damals noch kein reicher Mann, und daß er ein solches Wagniß unternahm, das kennzeichnet einmal das absolute Vertrauen in seinen eigenen technischen Scharfblick, sodann aber auch die rücksichtslose Energie, mit welcher er ein einmal ins Auge gefaßtes Ziel verfolgte.
Die von G. construirte neue Kuppel wurde im J. 1874 in Tegel beschossen; ihre Schartenplatte erhielt 288 Treffer, ohne breschirt zu werden; – [609] das deutsche Material hatte gesiegt, und dieser Sieg wurde ein endgültiger, als im August desselben Jahres ein Hartgußpanzerstand für Küstenbefestigung dem 28 cm-Geschütz gegenüber eine Widerstandsfähigkeit zeigte, die alle Anforderungen übertraf. Die nun folgende Zeit brachte G. Gelegenheit, seine Befähigung als Constructeur im glänzendsten Lichte zu zeigen. Er construirte seine Panzerthürme, seine Panzerbatterien und seine Minimalschartenlaffeten gleich auf den ersten Schlag mit einer Genialität und Gründlichkeit durch, daß die Panzerthürme noch heute die Musterform für alle ähnlichen Constructionen bilden, obwol er weder Erfahrung noch Theorien für die Form und Stärke der Platten zur Hand hatte. Aber auch die zur Herstellung der Thürme dienenden Hülfsmaschinen, die hydraulischen Hebezeuge etc. sind so sinnreich, daß man sie als Muster betrachtet.
Dadurch, daß G. sich der militärischen Idee der Panzerungen bemächtigt und diese Idee in einer geradezu genialen Weise technisch zur Durchführung gebracht hatte, trat er an die Spitze der ganzen internationalen Bewegung und legte den Grund zu einem neuen Zweige der Technik, der heute fast eine selbständige Wissenschaft geworden ist. Gruson’s Material und Gruson’s Constructionen wurden schnell in der ganzen Welt bekannt, und der Begriff Panzerthürme war überhaupt unzertrennlich von dem Namen Gruson. Deutschland, Belgien, Holland, Oesterreich, Italien betrauten G. mit ihren Aufträgen auf Panzerthürme, und so sehen wir ihn Jahre lang concurrenzlos den Weltmarkt beherrschen mit einem Artikel, den er selbst erschaffen. Was England Jahrzehnte lang auf dem Gebiete der gewalzten Panzerplatten gewesen war, das wurde nunmehr Deutschland auf dem Gebiete der Panzerthürme, und dies fiel für die deutsche Industrie um so mehr ins Gewicht, als ja die Krupp’sche Gußstahlfabrik mit ihren Kanonen längst den Weltmarkt beherrschte. So war denn die Führerschaft in der gesammten Kriegstechnik gänzlich auf Deutschland übergegangen, und daß dies nicht nur dem einen Zweige, sondern der gesammten deutschen Industrie zu gute kam, liegt auf der Hand.
Die Kanonen, die Ladungen, die Güte der Stahlgeschosse, welche inzwischen die Hartgußgeschosse verdrängt hatten, wuchsen unablässig, und es kam nun für G. darauf an, mit seinen Panzern gleichen Schritt zu halten. Dies war nur möglich durch stetige Schießversuche, welche die Gruson’sche Fabrik auf der erstiegenen Höhe erhielten. Der bedeutendste dieser Schießversuche war in Spezzia im J. 1886. Damals wurde eine Gruson’sche Hartgußpanzerplatte von 88 000 kg Gewicht mit der Armstrong’schen 43 cm-Kanone beschossen. Die gehärteten Stahlgeschosse hatten ein Gewicht von 1000 kg, die Ladung betrug 375 kg prismatisches Pulver, die Entfernung nur 50 m. Die Gruson’sche Hartgußplatte hielt auch diese fast unglaubliche Gewaltprobe aus und lieferte damit den Beweis, daß der Hartguß für Küstenpanzerungen selbst den übertriebensten Anforderungen gewachsen ist und für solche wol noch auf lange Zeit das Feld behaupten wird. Anders gestaltete sich die Sache für Binnenlandbefestigungen. Für Küstenpanzerungen kommt es neben der Widerstandsfähigkeit auf eine schwere Masse an, da diese allein im Stande ist, die mächtigen Stöße der schweren Angriffsgeschosse derart aufzunehmen, daß die Drehconstruction des Thurmes nicht durch die Erschütterung leidet. Bei Panzerungen für Binnenlandbefestigungen kommen dagegen nur leichtere Angriffsgeschütze und daher auch nur schwächere Stöße in Frage. Gelang es, aus einem andern Material Panzerungen von gleicher Widerstandsfähigkeit aber geringerem Gewicht herzustellen als aus Hartguß, dann gebührte jenem Material für diesen Zweck der Vorzug.
[610] Gegen Ende der 70er Jahre richteten sich nun einige deutsche Werke darauf ein, nicht nur wie bisher Bleche, sondern auch schwere Panzerplatten zu walzen, und diese Fabrikation vervollkommnete sich sehr bald soweit, daß es gelang, die Platten zu Kugelkalotten zu kümpeln. Hiermit aber hatten die walzeisernen Platten den Vorzug erreicht, welchen bisher ausschließlich die Hartgußkuppeln besessen hatten, nämlich, die Geschosse auf schräger Fläche abgleiten zu lassen, und da ihre Widerstandsfähigkeit in ungeahnter Weise gesteigert wurde, so traten sie für Binnenlandbefestigungen mit vollem Recht an die Stelle des Hartgusses.
Nun kam aber noch eines hinzu. Der Major Schumann, welcher sich nach den Tegeler Versuchen ins Privatleben zurückgezogen hatte, hatte unablässig weitergearbeitet; hierbei war es ihm geglückt, eine sogenannte Panzerlaffete zu construiren, d. h. einen Panzerthurm, bei welchem die gewölbte walzeiserne Decke starr mit den Wänden der Laffete verbunden ist, derart, daß ihr Gewicht zur Aufhebung des Rücklaufes der Kanone ausgenutzt wird. Es ergab sich aus dieser Construction eine Reihe von Vereinfachungen, die ihr für Binnenlandbefestigungen unbedingt den Vorzug vor den Gruson’schen Panzerthürmen verliehen.
Die technische Durchführung und Ausnutzung dieser Erfindung bot Schumann 1882 seinem alten Gegner Gruson an, und dieser erkannte mit sicherem Blick ihre Bedeutung.
Die Annahme der Erfindung bedeutete für G. die Umgestaltung eines großen Theiles seiner Einrichtungen, sie bedeutete den Bruch mit vielen der selbst erfundenen, liebgewordenen und bewährten Constructionen; aber der Techniker siegte in ihm über alle geschäftlichen und persönlichen Bedenken, er erkannte den guten Kern der neuen Erfindung und nahm sie an. Die beiden alten Gegner reichten sich die Hand zu gemeinsamer Arbeit, aus welcher sich bald die innigste Freundschaft entwickelte, und die Folge dieses Bündnisses wurde ein gewaltiger Aufschwung der deutschen Panzerfabrikation. Mit Schumann trat in die Gruson’sche Fabrik das militärische Element, welches ihr bisher gefehlt, und es ist staunenswerth, was der Ingenieurofficier und der Techniker in kurzer Zeit zusammen leisteten, als sie erst Hand in Hand arbeiteten. 1883 kaufte G. die Schumann’schen Patente an. Dies war aber um so wichtiger, als die inzwischen auf dem Gebiete der Kriegstechnik erwachte französische Concurrenz die äußerste Anstrengung der deutschen Industrie nothwendig machte. 1885 traten bei Schießversuchen zu Bukarest französische Panzerfabrikate zum ersten Mal mit deutschen in Wettbewerb. Der Gruson-Schumann’sche Thurm war ein Erstlingswerk und hatte Mängel, aber dem französischen war er glücklicherweise überlegen, und die Folge jener Schießversuche waren bedeutende Bestellungen von Panzerthürmen für Rumänien.
Seit jener Zeit ist im Grusonwerk energisch weiter gearbeitet worden. Die Panzerfrage, für die G. früher selbst Propaganda machen mußte, war in allen Ländern brennend geworden. Die Panzertechnik darf sich heute als einen selbständigen Zweig der Technik bezeichnen, deren Litteratur in ungeahnter Weise angewachsen ist. Und wenn wir diese Litteratur durchblättern, da stoßen wir auf jeder Seite auf die Namen Gruson und Schumann. Daneben finden wir freilich auch die Namen ausländischer Firmen, aber ein Blick auf deren Constructionen belehrt uns darüber, daß diese fast sämmtlich nichts weiter als Nachahmungen der Gruson’schen oder Gruson-Schumann’schen Constructionen sind.
Gruson’s Laufbahn als Techniker ist, wie wir sahen, im wahrsten Sinne [611] des Wortes eine fortgesetzte Reihe von Kämpfen gewesen, und die Folgen dieser Kämpfe gingen nicht spurlos an ihm vorüber. Seinen Geist freilich berührten sie nicht, der blieb frisch und kräftig bis zu seinem Todestage, wol aber seine Nerven. Ingenieur Jul. v. Schütz, sein langjähriger Mitarbeiter, sagt in der am Schluß citirten Gedächtnißrede: „Ich erinnere mich, daß er während der Schießversuche von Bukarest, zu welchen ich ihn begleitete, einmal mitten in der Nacht in mein Zimmer kam, weil ihm das Alleinsein unerträglich wurde. Tags darauf allerdings wohnte er den Versuchen mit eherner Ruhe bei. Diese innere Aufregung habe ich in noch höherem Grade bei den Schießversuchen in Spezzia bemerkt, und mich hat es daher nicht überrascht, wenn er kurz darauf den Entschluß faßte, sein Werk in eine Actiengesellschaft zu verwandeln (20. Novbr. 1886), in der bewußten Absicht, die auf ihm ruhende Last allmählich auf jüngere Schultern zu laden. Lieber wäre ihm vielleicht schon damals ein unmittelbarer Anschluß seiner Fabrik an die Krupp’sche gewesen, wenigstens erinnere ich mich, daß er, als wir in Bukarest 1885 mit dem Krupp’schen Werk Seite an Seite gegen die französische Concurrenz kämpften, die Aeußerung that: das einzig Richtige wäre es, wir vereinigten uns mit Krupp, um gemeinsam gegen die Franzosen Front zu machen. Und als dann am 22. December 1892 dieser Gedanke zur That wurde, nachdem sich das Grusonwerk den Bahnen des Krupp’schen durch die Fabrikation von Schnellfeuerkanonen noch mehr genähert, da hat G. im nationalen Interesse diesen Gedanken mit voller Freude begrüßt. Der Verstorbene ist sich bis zuletzt treu geblieben, national gesinnt und selbstlos. Den meisten Männern, die Aehnliches geschaffen, würde es widerstrebt haben, ihr Werk in einem größeren Ganzen aufgehen zu sehen, wo es selbst bisher ein Ganzes gebildet hatte.
„Gruson aber blieb sich getreu; nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft richtete er seinen Blick, und da er erkannte, daß sein Werk den Kampf für die deutsche Panzerindustrie nachdrücklicher im Anschluß an das Krupp’sche als alleinstehend führen werde, ertheilte er freudig seine Zustimmung zu der geplanten Vereinigung.
„Wir sehen vor uns einen Mann, der, in heiliger Begeisterung für seinen Beruf entflammt, ohne Rücksicht auf eigenen Vortheil stets nur bemüht war, selbst das Beste darin zu leisten und fremde Leistungen zu fördern; wir sehen ihn vor uns, wie er in glühendem Patriotismus und kühner Unternehmungslust sich mit seinen schwachen Mitteln in die Reihe der Männer stellte, welche den Kampf für die deutsche Industrie kämpften, und wir sehen ihn endlich, wie er mit gewaltigem Geiste einen neuen Zweig der Technik, eine neue Wissenschaft aus dem Nichts erschuf und damit abermals in diesem Zweige der deutschen Technik die Führung in der ganzen Welt verlieh“.
Am 30. Januar 1895 ging dieser deutsche Großindustrielle nach einem Leben voll Arbeit, aber auch voll Erfolgen, dahin. Liegt sein Ruhm auf dem Gebiete des Kriegsmaterials, so darf doch seine Thätigkeit für den allgemeinen Maschinenbau nicht unterschätzt werden. Er selbst hatte am 15. September 1842 sein Officierspatent erhalten und später als Premierlieutenant der Reserve seinen Abschied genommen.
- Mittheilungen des Sohnes Dr. jur. Herm. Gruson an den Unterzeichneten. – Drucksachen der Firma Fried. Krupp-Grusonwerk. – Beck, Geschichte d. Eisens, Bd. 4 u. 5. – J. v. Schütz, Der Hartguß. Magdeburg 1890. – Eckstein’s Biogr.-histor. Blätter. Berlin 1895. – M. Geitel in Westermann’s Monatsheften 1891. – Nachruf in d. Zeitschr. d. Ver. Deutscher Ingenieure 1895. – Sehr werthvolle Angaben wurden einer von [612] J. v. Schütz am 13. März 1895 im Magdeburger Bezirksverein Deutscher Ingenieure gehaltenen, als Privatdruck erschienenen, Rede entnommen.