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ADB:Halkett, Hugh Freiherr von

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Artikel „Halkett, Hugh Freiherr von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 412–415, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Halkett,_Hugh_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 02:09 Uhr UTC)
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Halkett: Hugh Freiherr von H., hannoverscher General der Infanterie, wurde aus altem schottischen Geschlechte am 30. August 1783 im Badeorte Musselburgh bei Edinburg geboren. Der Einfluß seines Vaters, welcher englischer General war, verschaffte dem zehnjährigen Knaben ein Fähnrichspatent in der schottischen Brigade, einem Bestandtheile der englischen Armee, und legte so den Grund zu seinem späteren raschen Fortkommen. Mit 15 Jahren trat er als Lieutenant wirklich in den Dienst und gleich darauf, im December 1798, führte er ein Kommando von 240 Mann nach Ostindien. Nach Tippo Sahib’s Unterwerfung herrschte hier Ruhe, H. gelangte daher nicht zu kriegerischer Thätigkeit und wurde 1801 aus Gesundheitsrücksichten nach Europa zurückgeschickt. – Nicht lange nachher trat ein Ereigniß ein, welches für sein ganzes künftiges Leben bestimmend werden sollte. Durch die Elbconvention vom 5. Juli 1803 war die kurhannoversche Armee aufgelöst; der thatkräftige Theil derselben richtete seine Blicke nach England mit der Hoffnung im Dienste des, durch Personalunion mit dem Heimathlande verbundenen Staates, der seit langer Zeit schon die Hülfe deutscher Truppen in Anspruch genommen hatte um seine Interessen zu Lande zu verfechten, Gelegenheit zum Verbleiben in der militärischen Laufbahn und zum Kampfe gegen die Ueberwinder zu finden, welchen die schwächliche [413] Politik des Vaterlandes eine brave Truppe mit gebundenen Händen überliefert hatte. England war gern bereit die gewünschte Gelegenheit zu bieten; auch Halkett’s älterer Bruder, der Major Colin H., erhielt einen Werbebrief für ein Bataillon Infanterie und zugleich für unseren Hugh eine der ältesten Hauptmannsstellen in demselben. Das Bataillon wurde das 2. leichte Bataillon der „Kings German Legion“, der sogenannten Englisch-Deutschen Legion (vgl. Beamish, Geschichte der Königlich Deutschen Legion, Hannover 1832) und H. war mit nicht ganz 22 Jahren Major in demselben. – England versuchte baldmöglichst von den Diensten dieser Truppe Nutzen zu ziehen, aber weder die Expedition nach dem nördlichen Hannover im Spätherbst 1805 noch die nach der Insel Rügen im Sommer 1807, an welchen beiden H. Theil nahm, verschaffte ihr ernstere Thätigkeit; erst das Unternehmen gegen Dänemark, welches die berüchtigte Fortführung der dänischen Flotte durch das mit diesem Staate in Frieden lebende Albion bezweckte, hatte kriegerische Ereignisse im Gefolge, welche Halkett’s militärischen Blick und seine Entschlossenheit von vorn herein in ein helles Licht stellten. Als dieser nämlich bemerkte, daß die Dänen im Begriff waren in eine vor Kopenhagen neuerbaute Redoute Geschütze zu bringen, setzte er sich ohne Weiteres in Besitz der Schanze und hatte, nachdem er sie trotz seiner Vorstellungen auf höhere Anordnung hatte räumen müssen, die Genugthuung, daß er am anderen Tage befehligt wurde, sie wieder zu nehmen; er behauptete sie dann gegen die Versuche der Dänen sie zurückzuerobern. Trotz seiner großen Bescheidenheit sagte er später von dieser seiner ersten Waffenthat mit Befriedigung: „It was the best thing i ever did.“ – Das J. 1808 brachte zunächst wieder eine folgenlose Expedition nach Gotenburg, von da aber wurde die Fahrt nach der pyrenäischen Halbinsel fortgesetzt, welche von nun an der Hauptschauplatz für die Kämpfe der Legion werden sollte. Der erste Feldzug lief freilich unglücklich aus: Sir John Moore mußte sich, nachdem die Spanier geschlagen waren, vor Napoleons Ueberlegenheit wieder einschiffen und auch H., welcher sich bei einer auf Vigo zurückgegangenen Seitenkolonne befunden und daher an dem Kampfe bei Coruña, in welchem Moore fiel (16. Januar 1809), nicht Theil genommen hatte, kehrte nach England zurück. Doch nur für kurze Zeit. Schon im Sommer desselben Jahres war er bei der Expedition nach der Insel Walcheren, welche vornehmlich durch das Ungeschick des commandirenden Generals, des Lord Chatham, scheiterte und im Frühjahr 1811 segelte er zum zweiten Male nach der Peninsula. Der hartbestrittene Sieg Beresford’s über Soult bei Albuera am 16. Mai 1811, die Schlacht bei Salamanca am 22. Juli 1812, in welcher Marmont von Wellington überwunden wurde, das Nachtgefecht bei der Venta del Pozo am 22. October desselben Jahres, in welchem die Angriffe der französischen Reiterei, nachdem diese die englische geworfen hatte, an der festen Haltung der beiden leichten Bataillone der Legion scheiterten, denen sie nach englischer Sitte das Motto: „Venta dei Pozo“ eintrug, waren die Hauptkämpfe, an welchen H. an der Spitze des 2. leichten Bataillons, dessen Commandeur, sein Bruder, die Brigade führte, Theil nahm. Zum Commandeur des 7. Linien-Bataillons der Legion ernannt und im Begriff zu diesem nach Sicilien abzugehen, befand sich H. in England, als im Frühjahr 1813 in Norddeutschland der Kampf gegen die Franzosen entbrannte. Um den neuzuformirenden Truppen einen Halt zu geben, sandte man einige Mannschaften, und namentlich Officiere und Unterofficiere, dahin, darunter H. Bald nach Beginn des Waffenstillstandes traf er im Hauptquartiere des General Graf Wallmoden im Mecklenburgischen ein und erhielt das Commando der neuaufgestellten 1. hannoverschen Brigade, deren Ausbildung zu vervollkommnen er nun vor allen Dingen sich angelegen sein ließ. Das Treffen bei der Göhrde am [414] 16. September lieferte bald den Beweis, wie ihm das gelungen. An der Spitze seiner Bataillone, welche mit dem Bajonnet in die Carrés der Franzosen einbrachen, trug er wesentlich zu dem glücklichen Ausgange des Kampfes bei, und eben so mannhaft schlug er sich in dem unglücklichen Gefechte bei Sehestedt am 10. December gegen die Dänen. Wie gewöhnlich, unterließ er auch hier nicht, sich persönlich am Kampfe zu betheiligen. Als ein dänisches Reiterregiment eines der Bataillone seiner Brigade in Unordnung brachte, ritt er dem Standartenträger einer Schwadron entgegen, hieb ihm das Haupt vom Rumpfe und entriß ihm die Standarte; den nachsetzenden Feinden, welche auf ihn Jagd machten, entzog er sich schließlich durch einen gewaltigen Sprung über einen Knick mit doppeltem Graben, eine Leistung, welche seine Verfolger ihm nicht nachmachen konnten. Den Schluß des Feldzuges bildete für H. und seine Brigade ein angestrengter zweimonatlicher Vorpostendienst vor Harburg, aus welcher Stadt der in Hamburg eingeschlossene Davout einen Brückenkopf gemacht hatte. – Im Feldzuge von 1815 commandirte er eine hannoversche Landwehrbrigade und focht mit derselben bei Waterloo in der Division des General Clinton auf dem äußersten rechten Flügel bei Hougoumont. Mehr noch als die tapfere Vertheidigung dieses Schlosses sollte ein Vorfall Halkett’s Namen in den weitesten Kreisen bekannt machen, welcher sich zutrug als gegen Abend die englische Schlachtlinie aus ihrer Stellung gegen die Franzosen vorbrach. Bei diesem Vorgehen traf er, nachdem er eine Anzahl feindlicher Geschütze genommen hatte, auf Abtheilungen der alten Garde, welche bereits in den allgemeinen Rückzug verwickelt waren. Im Laufe des Gefechtes bemerkte er einen General, der, hoch zu Roß, seine Truppen zum Widerstande aufmunterte. Mit hochgeschwungenem Säbel sprengte H. aus der eigenen Linie auf denselben ein – nach der sehr überzeugenden Schilderung eines Augenzeugen in dem Augenblicke, als diesem das Pferd erschossen war – und forderte ihn auf, sich zu ergeben. Der General erwiderte: „Je me rends“ und H. schickte sich an, ihn fortzuführen; gleichzeitig aber erhielt sein eigenes Pferd einen Schuß und brach zusammen. Der Gefangene benutzte diesen Zufall sich auf den Weg zu seiner Truppe zu machen; H. aber brachte sein Pferd wieder auf die Beine, holte den General ein, faßte ihn bei den Achselschnüren und kam glücklich mit ihm bei den Seinigen an (vgl. Dehnel, Erinnerungen deutscher Officiere in britischen Diensten aus den Kriegsjahren 1805–16, Hannover 1864). Der Gefangene war Cambronne, dem die französische Legende das erhabene Wort in den Mund gelegt hat: „La garde meurt, mais elle ne se rend pas!“ Da die Masse der Franzosen mit Zähigkeit an der Sage festhält, Cambronne’s Denkmal in Nantes dieselbe voraussichtlich bis auf die spätesten Geschlechter bringen wird und leider auch deutsche Geschichtsschreiber dieselbe noch erzählen, so mag erwähnt werden, daß schon Wellington’s Bericht vom 19. Juni Cambronne unter den gefangenen Generalen nennt. Von anderer Seite wird die ablehnende Erwiderung der französischen Garde auf die an sie gerichtete Aufforderung sich zu ergeben für den bald darauf gefallenen General Michel in Anspruch genommen, der allerdings in weniger tönender Phrase „Merde!“ geantwortet haben soll (Militair-Wochenblatt, Berlin 1876, Nr. 47). – Als nach dem zweiten Pariser Frieden die Legion aufgelöst wurde und ihre Cadres den Kern der neuformirten hannoverschen Armee bildeten, trat auch Oberst H. in die letztere über und commandirte zunächst eine Brigade der in Frankreich zurückbleibenden Occupationsarmee. Die lange Friedensperiode bis zum J. 1848 führte ihn dann in verschiedene Stellungen, so 1839 nach Osnabrück, wo in Veranlassung der im Lande stattgehabten Verfassungskämpfe Unruhen befürchtet wurden, und 1843 an die Spitze des X. deutschen Bundes-Armeecorps, welches in der Nähe von Lüneburg zu gemeinsamen [415] Herbstübungen zusammengezogen wurde. In Osnabrück war es besonders dem herzgewinnenden Zauber der Persönlichkeit des ritterlichen Generals zu danken, daß er keiner Gewaltmaßregeln bedurfte, um seine Aufgabe zu erfüllen, und bei Lüneburg verstand er nicht nur die Harmonie zwischen den Truppen von neun verschiedenen Kontingenten zu wahren und zu mehren, sondern auch deren militärische Ausbildung zweckentsprechend zu fördern. – Es war daher eine glückliche Wahl, daß man H. wieder an die Spitze dieses Corps stellte, als es im J. 1848 galt, Schleswig vor dänischer Vergewaltigung zu schützen (vgl. Sichart, Tagebuch des X. deutschen Bundes-Armeecorps etc. im J. 1848, Hann. 1851). Den Oberbefehl über die gesammten Bundestruppen mußte er freilich dem preußischen General von Wrangel überlassen und die ganze, von einer ohnmächtigen Politik beeinflußte Kriegführung war wenig nach seinem Geschmack, aber pflichttreu wie immer trat er seinen alten Gegnern von 1812 und von 1813 entgegen. Im Gefechte bei Oeversee, am Tage nach der Schleswiger Schlacht, in welchem er die Nachhut der Dänen faßte, schützte ihn dasselbe Glück, welches ihn zeitlebens vor ernsteren Verwundungen bewahrt hatte, vor der Kugel eines jütischen Dragoners, in dessen Schußbereich ihn seine waghalsige Tapferkeit geführt hatte; dann rückte er nach dem Sundewitt, durch den seebeherrschenden Feind zu einer seinen Neigungen wenig zusagenden passiven Haltung genöthigt, in welche nur der für seine Truppen unglückliche Ueberfall seitens der Dänen am 28. Mai und das eigene angriffsweise Vorgehen am 5. Juni Abwechselung brachten. Auch die Hoffnung, dem Feinde zu Ende des letzteren Monats bei Hadersleben auf dem festen Lande zu begegnen, schlug fehl, und, ohne entscheidende Schläge geführt zu haben, kehrte H., nachdem der Malmöer Waffenstillstand geschlossen war, heim. – Zehn Jahre später bewog ein Augenleiden den General seine Versetzung in den Ruhestand zu erbitten. Sie sollte ein glänzendes Zeugniß für die Verehrung ablegen, welche er im ganzen Lande genoß und für die Anerkennung, deren sich seine Dienste zu erfreuen hatten. Am Jahrestage der Schlacht von Waterloo, am 18. Juni 1858, bewilligten ihm beide Kammern einstimmig eine Pensionszulage, welche sein Ruhegehalt auf gleiche Höhe mit seinem bisherigen Diensteinkommen brachte; ein an das Gedächtniß dieses Tages anknüpfendes Schreiben der Versammlung der allgemeinen Stände des Königreichs setzte ihn davon in Kenntniß. Aber nicht lange sollte er sich der zeitlichen Ruhe erfreuen; nachdem ihm sein König noch den erblichen Adel mit dem Freiherrntitel verliehen, ging er in Hannover am 26. Juli 1863 zur ewigen Ruhe ein. – Die Schilderung seines Lebenslaufes wird ein Streiflicht auf seine Geistes und Charaktereigenschaften geworfen haben; an äußeren Merkmalen mag noch hinzugefügt werden, daß H. ein sehr hübscher Mann von kleiner Statur, gewandt in allen körperlichen Uebungen war und daß er das Deutsche zwar fließend aber nie correct und stets mit englischen Redewendungen durchsetzt sprach.

E. von dem Knesebeck, Leben des Freiherrn Hugh von H. etc., Stuttgart 1865 (auf Quellen und persönlicher Bekanntschaft beruhend).