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ADB:Handsch, Georg

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Artikel „Handsch, Georg“ von Rudolf Wolkan in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 749–751, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Handsch,_Georg&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 06:10 Uhr UTC)
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Handsch: Georg H., Humanist und Arzt des 16. Jahrhunderts, ist am 20. März 1529 in dem nordböhmischen Städtchen Leipa geboren, wo er auch den ersten Unterricht erhielt. Sein Vater Wenzel scheint ein ziemlich wohlhabender Mann gewesen zu sein, wie wir aus dem Umstande schließen, daß er ein von einem italienischen Baumeister aufgeführtes Haus am Marktplatze besaß; seine Mutter starb, als der Sohn zehn Jahre alt war, bei der Geburt des siebenten Kindes. H. nennt sich mit sichtlichem Stolze einen Deutschen, auch zu seiner Zeit, als er in Prag fast ausschließlich unter tschechischen Humanisten verkehrte; aber die nationalen Gegensätze, die ein Jahrhundert früher zu so heftigen Kämpfen in Böhmen geführt hatten, waren im Zeitalter der Reformation einer friedlicheren Strömung gewichen; lateinische Gelehrsamkeit stand über dem nationalen Glaubensbekenntniß und in der Sprache seines Volkes zu schreiben, galt fast als ein Zeichen der Unbildung. Im Jahre 1544 sandte der Vater unseren Georg auf die Lateinschule von Goldberg, die damals unter Trotzendorf’s Leitung eines ausgezeichneten Rufs sich erfreute. Hier, wo er neben den beiden classischen Sprachen auch das Hebräische lernte, begann sich sein poetisches Talent zu entwickeln; er übte sich in Uebertragungen aus dem Griechischen in lateinische Verse und in der Erzählung von theilweise selbst erfundenen Fabeln in gebundener Rede. Nach einem Aufenthalte von zwei Jahren bezog er die Universität in Prag, wo er zunächst, unschlüssig, welchem Berufe er sich dauernd zuwenden solle, Vorlesungen an der Artistenfacultät hörte; als seinen Lehrer nennt er Johann Schentygar von Choterin, besonders aber Matthäus Collinus, in dessen Dienste er als Famulus eintrat; rasch erwarb er sich dessen Freundschaft; in seinem Testamente vermachte ihm Collinus als Zeichen seines Dankes des Erasmus Epistolae familiares. Durch ihn kam H. in Beziehungen zu dem Prager Humanistenkreise, der sich um die Person des böhmischen Vicerichters Johann Hodiejowsky von Hodiejowa sammelte, eines braven, für die Dichtkunst begeisterten, reichen und freigebigen Mannes, dessen Hauptfehler nur eine ungemessene Eitelkeit war, die ihn nach dem Ruhme [750] eines von aller Welt gefeierten Mäcens streben ließ. Für seine Freigebigkeit verlangte er unausgesetzt in Gedichten gepriesen zu werden; seine Person, sein Haus in Prag, seine Landgüter, alle die nichtigen und kleinlichen Ereignisse des Tages, die ihn betrafen, stellte er als Themata für die ihn umgebenden Dichter auf. Und sie, die immer bedürftig waren, thaten ihr möglichstes, ihn zu befriedigen, um selbst befriedigt zu werden. Auch H. trat in diesen Kreis ein; es scheint, daß schon in dieser Zeit sein Vater mit dem Zuschuß für seinen Sohn etwas kargte, so daß H. zu der Dichtkunst, die ihm baare Bezahlung versprach, greifen mußte, um sich in Prag erhalten zu können; wenigstens hören wir ihn in dieser Zeit oft über finanzielle Bedrängniß klagen. Vielleicht lag darin auch der Grund, daß er sich von dem wenig aussichtsvollen Studium der schönen Künste dem der Medicin zuwandte; war er doch, wie er selbst in seinem Tagebuche reimt, davon überzeugt: „Recht Arzney künst erlanget günst, lob, ehr vnd gelt in aller welt.“ Es war ein Glück für ihn, daß er im J. 1550 Gelegenheit hatte, eine Reise nach Italien, wohl als Begleiter Karl’s von Dietrichstein, anzutreten, die ihn fast volle 3 Jahre der Heimath fern hielt; auf weitem Wege ging es langsam dem Süden zu, über Trient nach Verona, Piacenza, Padua und Venedig. Sein eigentliches Reiseziel war Padua; dort stand die medicinische Schule in hohem Ansehen; namentlich Bassianus Landus zog ihn durch seine Vorlesungen über die Aphorismen des Hippokrates und die ars parva des Galenus an; daneben hörte er Victor Trincavella und Musa Brasavolus und betheiligte sich eifrig an anatomischen Uebungen. Im Jahre 1553 wurde er zum Doctor promovirt, dann kehrte er nach Böhmen zurück. Hier begann eine neue Leidenszeit für ihn. Die Zahl der Aerzte in Prag war groß, gering ihr Verdienst; obendrein verweigerte sein Vater ihm jede Unterstützung, so daß H. sich abermals auf die Hülfe guter Freunde und Gönner angewiesen sah. Er nahm die alten, freundschaftlichen Beziehungen zu Hodiejowsky wieder auf, ordnete dessen Bibliothek, sichtete die zahllosen Gedichte von jenem unterstützter Dichter und bereitete sie im Auftrage seines Gönners zur Herausgabe vor (sie erschienen 1561–72 in Prag unter dem Titel „Farragines poematum“ in 4 Bänden). Aber für die Dauer konnte ihn eine solche Beschäftigung nicht befriedigen; so nahm er gern die Gelegenheit wahr, als im J. 1561 die Stelle eines Famulus bei dem berühmten Arzte Andrea Mattioli aus Siena, der seit 1554 Leibarzt des Erzherzogs Ferdinand von Tirol war, frei wurde und trat in seinen Dienst; er machte damit sein Glück. Vorerst ordnete er Mattioli’s großes Herbar, übersetzte sein Kräuterbuch ins Deutsche und überwachte die Drucklegung des Werkes, das, reich illustrirt, 1563 bei Melantrich in Prag erschien. Als sein Herr 1568 sich vom Dienste zurückzog, wurde H. sein Nachfolger als Leibarzt des Erzherzogs und seiner Gemahlin Philippine Welser. Schon 1566 war er, vermuthlich auf Betreiben Hodiejowsky’s, zugleich mit anderen Freunden seines Gönners in den Adelstand erhoben worden und nahm das Prädicat von Lymuso nach einer Besitzung Hodiejowsky’s an. In seiner neuen Stellung blieb er bis zu seinem Tode, der wohl bald nach 1578 eintrat; in seinem Testamente, das aus diesem Jahre stammt, hatte er den Wunsch ausgesprochen, an der Seite seines Vaters beerdigt zu werden; so dürfte er in Leipa begraben sein.

Seine Dichtungen, von denen nur ein Theil in die Farragines aufgenommen, der größere noch ungedruckt ist, sind ziemlich zahlreich; ihr Werth erhebt sie aber wenig über das Mittelgut der damaligen Zeit, was namentlich von jenen gilt, die er an Hodiejowsky richtet; sie zeigen deutlich den Zwang, unter dem sie niedergeschrieben wurden und nicht selten verleiht er dem Unmuthe darüber deutliche Worte, daß sein Gönner unausgesetzte Verherrlichung [751] von ihm fordere. Auch die anderen Gedichte bewegen sich im Geleise des Gewöhnlichen; sie besingen Christus und die Heiligen, seine Freunde namentlich in der Heimath, seltener geschichtliche Ereignisse. Zwar werden seine Dichtungen von seinen Freunden gerühmt, aber man weiß, welchen Werth solch Humanistenlob besitzt. Spielereien mit Akrostich und Chronogramm, Gedichte, in denen alle Wörter mit p oder c beginnen, zeigen das Tändelnde und Unwahre dieser Dichtung. Bedeutender ist er wohl als Arzt. Sein Aufenthalt in Italien, seine hervorragende Stellung am Hofe des Erzherzogs Ferdinand, der sich selbst für die Naturwissenschaften interessirte, boten ihm mannichfache Gelegenheit, sein Wissen zu bereichern. Aber es fehlt ihm die Schulung, das Vermögen, sein Wissen systematisch zu ordnen und zu gliedern; er ist vor allem ein Sammler von allerlei wissenswerthem Detail, aber kein Forscher. Wie er alles in Rubriken unterzubringen und unter bestimmte Schlagwörter zu ordnen sucht, zeigt sich z. B. in seiner handschriftlichen Sammlung von deutschen Sprichwörtern, die manches interessante Material bietet, das ausgebeutet zu werden verdiente; wie er hier alles sorgfältig in Abtheilungen und Unterabtheilungen einschachtelt, so auch seine medicinischen Notizen; er legt sich sogar Sammlungen von medicinischen Redensarten für bestimmte Krankheiten an, um dem Kranken auf seine Frage eine möglichst gelehrt klingende und doch inhaltsleere Antwort zu geben. Er hat eine große Menge von Krankheitsgeschichten adeliger Personen aus Oesterreich und Deutschland niedergeschrieben, aber auch das zumeist nur flüchtig; mehr interessiren ihn die Anekdoten und Witzworte seiner Umgebung, und es sind köstliche darunter, die er aufzeichnete, freilich auch viele von unnachahmlicher Derbheit. Auch seine groß angelegte, in 5 Foliobänden uns erhaltene Naturgeschichte des Thierreichs, deren Abfassung er auf Wunsch des Erzherzogs Ferdinand unternahm, hat ihren Wert nur in ihrem culturgeschichtlichen Theil, nicht in dem wissenschaftlichen. Zwar benützt er antike Autoren wie Aelianus, Plinius, Varro, Strabo, Caelius, Athenaeus, Columella, Gellius und Palladius, um seinem Werk einen gelehrten Anstrich zu geben, aber seine Arbeit ermangelt jeder Systematik. In bunter Reihe ziehen die verschiedensten Gestalten des Thierreichs an uns vorüber; vielleicht, daß er gerade in dieser Abwechslung einen besonderen Reiz seines Werkes sah; vielleicht, daß er damit gerade dem Geschmacke des Erzherzogs entgegenkam; denn es ist auffallend, daß er mit Vorliebe bei jenen Thieren verweilt, die für einen Jagdliebhaber von Interesse sind, oder denen der Erzherzog in seinen Sammlungen in Innsbruck und auf Schloß Ambras öfter begegnete. Wo H. aus eigener Erfahrung spricht und eigene Beobachtungen mittheilt, ist er interessant; das Capitel über die Fischzucht in Böhmen bildet einen Glanzpunkt seines Werkes, und was er hier mittheilt, ist auch heute noch lesenswerth.

Die ungedruckten Werke von Handsch in den Codd. 9550, 9607, 9666, 9671, 9821, 11 130, 11 141–3, 11 153, 11 158, 11 183, 11 200, 11 204 bis 11 208, 11 210, 11 226, 11 231, 11 238–40, 11 251 der Wiener Hofbibliothek. – Wolkan, Geschichte d. deutschen Litteratur in Böhmen, S. 124 bis 133. – Leop. Senfelder in der Wiener klinischen Rundschau 1901, Nr. 28–30.