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ADB:Ferdinand (Erzherzog von Österreich)

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Artikel „Ferdinand II., Erzherzog von Oesterreich“ von Franz von Krones in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 697–700, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ferdinand_(Erzherzog_von_%C3%96sterreich)&oldid=- (Version vom 30. Dezember 2024, 18:11 Uhr UTC)
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Ferdinand II., Erzherzog von Oesterreich, Regent Tirols und der Vorlande, geboren am 14. Juni 1529, † am 24. Januar 1595. Als zweiter Sohn Kaiser Ferdinands I. zu Linz geboren, entwickelte sich dieser Habsburger zu einem stattlichen, körperlich ungemein kräftigen Manne, dem eine gut geleitete Erziehung auch bleibenden Sinn für Kunst und Wissen, neben der Freude an der Waffe und dem Jagdgeräthe und dem scharfen Verständniß für die Aufgaben einer rasch wachsenden Lebensstellung, einzupflanzen verstand. Im Gegensatze zu seinem älteren Bruder, Max II., strenggläubiger Katholik, stand er schon deshalb zum Vater in einem besseren Verhältnisse als der Erstgeborene. Den Ernst des Krieges lernte er zum ersten Male im Kampfe mit den Schmalkaldenern (1547) kennen. Dann übertrug ihm der Vater die böhmische Statthalterschaft durch volle 19 Jahre. Bereits um 1547–48 bei Gelegenheit des Augsburger Reichstages machte F. die Bekanntschaft der schönen Patricierin Philippine Welser, geb. 1527, Tochter des Handelsherrn Franz Welser und der Anna Adler, aus einem Großbürgerhause, das bereits 1532 Kaiser Karl V. in den Stand rittermäßiger Adelschaft erhoben hatte. Ihre Wohlgestalt und feine Bildung fesselten ihn dauernd. Philippine Welser begab sich dann nach Böhmen, auf Breznic, zu ihrer Muhme Katharina, Gattin des Ritters und Staatsbeamten Georg v. Loxan, und so konnte sich das Liebesverhältniß weiter spinnen. 1557, nachdem es durch Jahre die Probe bestanden, entschloß sich F. zur geheimen Ehe mit Philippine. Alles mußte dem Vater gegenüber strenges Geheimniß bleiben. Daher wurden auch die vier Kinder, welche 1558–62 Philippine dem [698] Gatten gebar – den ersten Sohn auf Breznic, den zweiten und die Zwillinge vom J. 1562 zu Bürglitz – als „Findlinge gelegt“ und nur in vertraulichen Urkunden als Sprößlinge des Ehepaares beglaubigt. Daß Drückende dieses geheimen Ehe- und Familienlebens dem Schwiegervater gegenüber hatte schon 1561 Philippine zu einem entscheidenden Schritte vermocht. Sie enthüllte fußfällig unter Bitten und Thränen dem Kaiser Ferdinand I. den ganzen Sachverhalt und der Liebenswürdigkeit des flehenden Weibes, der Unabänderlichkeit der Thatsachen und der väterlichen Neigung hielt der schwere Verdruß des Regenten nicht lange Stand, obschon der Sohn den väterlichen Plan einer französischen und überhaupt einer standesmäßigen Heirath nun für immer gekreuzt hatte. Die ganze Angelegenheit war den 6. September dahin geordnet worden, daß die Ehe auch weiterhin vor der Welt geheim bleiben, die Kinder nicht thronfähig sein, den Titel „d’Austria“ und nur die Wappen der erworbenen Privatbesitzungen führen sollten. Ferner wurde die Apanagirungsfrage geordnet. Das officielle Geheimniß der Ehe wurde in der That erst 1576, 12 Jahre nach dem Tode Kaiser Ferdinands I., durch ein päpstliches Breve beseitigt, das den Erzherzog des Eides der Geheimhaltung entband.

Es wurde oben der böhmischen Statthalterschaft Erzherzog Ferdinands gedacht; sie fiel (1547–66) in eine bewegte Zeit, als es sich besonders um die leidige Glaubensfrage im Lande handelte und seiner Gattin bot sich Gelegenheit, mit frauenhafter Milde auf den Erzherzog Statthalter zu Gunsten der gefangen gehaltenen Häupter der „Brüder“, insbesondere Augusta’s, einzuwirken. Auch am Türkenkriege betheiligte sich F. zwei Mal (1556 und 66). Als ihm das väterliche Testament die Erbtheilung Tirol und die Vorlande zuwies, schenkte er seiner Gattin das schöne Schloß Ambras bei Innsbruck als ständigen Wohnsitz und bald nach dem persönlichen Regierungsantritte erhob er sie und ihre Familie zu Freien v. Zinnenburg.

Die Regierung Ferdinands in Tirol und in den Vorlanden zeigt bedeutsame Momente. Zunächst bieten die Landtage das Bild lebhafter Erörterungen der Finanzfrage, da der kostspielige Hofhalt, die Höhe der Kammerschulden, die Bedürfnisse des gemeinösterreichischen Türkenkrieges und die Anforderungen der Landesverwaltung wachsende Opfer des ständischen Seckels erheischten. Trotz des 1573 errungenen Selbstbesteuerungsrechtes mußte doch die Landschaft die Forderungen des Fürsten im wesentlichen bewilligen. Aeußert sich darin eine bedeutsame Festigung landesfürstlicher Gewalt, so gewahren wir sie auch in der Stellung des Erzherzogs zu den Bisthümern Trient und Brixen festgehalten, wie entschieden auch der Cardinalbischof von Trient, Ludwig v. Madruzzo, im Bunde mit der Curie dagegen anzukämpfen versuchte und wie ungeberdig sich auch Cardinalbischof Andrea d’Austria, der eigene, erstgeborene Sohn Ferdinands, als Inhaber des Bisthums Brixen in dem bezüglichen Streite anließ.

Ebenso ließ sich F. als Landesfürst das Werk der katholischen Restauration angelegen sein. Dürfen wir dabei auch den Einfluß der Curie, der Innsbrucker Jesuiten, des Hochclerus, die Rathschläge seines Vertrauten, Johannes Nas, Weihbischofs von Brixen († 1590), nicht unterschätzen, – und ist auch die religiöse Ueberzeugung des protestantenfeindlichen Erzherzogs in allem und jedem maßgebend geworden, – so ist doch ebenso sicher, daß er die Arbeit der Gegenreformation in einem noch unter Ferdinand I. stark akatholischen Lande als Ausfluß der Regentenmacht ansah, als ausschließliche Befugniß der obersten Staatsgewalt, und daß er auch in seinem Verhältniß zur herrschenden Kirche die Rechte des Landesfürsten in geistlichen Sachen, das placetum in ecclesiasticis, hochhielt und keineswegs den Schleppträger des Clerus abgab.

Diesen Standpunkt, man dürfe nichts der Landeshoheit vergeben, hielt er [699] auch in den Rathschlägen fest, welche er 1580–90 seinem jüngern Bruder, Erzherzog Karl von Innerösterreich, aus Anlaß der gegenreformatorischen Entschließungen des Genannten, zu ertheilen pflegte und sie beseelten ihn auch, als er nach Karls Tode (1590) zum Mitvormünder des minderjährigen Erstgebornen, Ferdinands II., bestellt wurde. Seine erste, um 2 Jahre ältere Gattin, die geliebte Welserin, deren Andenken in Tirol noch fortlebt, verlor er durch den Tod bereits im J. 1580. Er entschloß sich nun (am 14. Mai 1582) zu einer zweiten, standesmäßigen Ehe mit Eleonore[WS 1], Tochter des Herzogs Wilhelm von Mantua; aber diese Ehe gab nur drei Töchtern das Leben und die Hoffnung auf einen Landeserben blieb vereitelt.

Dies und die wachsende Kränklichkeit verdüsterte den lebensfrohen Sinn des Erzherzogs in den letzten Jahren und ließ manchen Zug der Willkür und Härte schärfer hervortreten. F. machte Tirol katholisch, er sorgte für strenge Rechtspflege, für die Sicherheit des Landes, die nicht selten, namentlich im Süden, durch Banditenschaaren, durch Strolchbanden („Mausköpfe“) und Zigeunerhorden gestört wurde; er ließ es an sittenpolizeilichen Maßregeln nicht fehlen, aber von einer wahren Blüthe des Landes kann nicht leicht gesprochen werden; denn ihr Lebensnerv, der allgemeine Wohlstand, war schwach. Vor allem zeigt sich das Bergwesen, der Handelsgewinn in starker Abnahme; die landesfürstlichen Einnahmen decken die Auslagen nicht.

Der Hofstaat war und blieb kostspielig genug, obschon etwas minder als in den Tagen Ferdinands I.: das spanische Wesen bildete den Grundton. Den größten Aufwand nahm das Lieblingsschloß des Erzherzoges Ambras oder Amras in Anspruch. Hier war alles aufgeboten, um im Geschmacke der damaligen Zeit einen herrlichen Sommersitz zu schaffen. Die Kunst- und Waffensammlungen daselbst gehören zu den bedeutendsten aller Zeiten und bieten noch heutzutage, als „Ambraser Sammlung“ nach Wien übersiedelt, dem Kenner hohen Genuß durch Reichthum und Vielseitigkeit, insbesondere die Waffen-, Gemälde- und Gemmen-Sammlung. Aehnlich wie sein Urgroßvater, Max I., war der Erzherzog ein Freund mittelalterlicher Heldendichtung; so bewahrt denn auch die Ambraser Sammlung bezügliche Handschriften kostbarer Art. Auch fanden Gelehrte an seinem Hofe gastliche Aufnahme und Verwendung, so der Niederländer Gerard van Roo, der als Rath und Bibliothekar des Erzherzogs im Auftrag die Annales Austriae (–1519) schrieb, der tüchtige Secretär und Archivar Jacob Schrenk von Notzing, der Landeshistoriograph Putsch und mehrere Andere. Abel und Collin, die berühmten Plastiker, vollendeten das wundervolle Grabmal Maximilians I. in der Innsbrucker Schloßkirche, ein Werk, das schon vor Decennien begonnen ward.

Körperlich kräftig und rührig, ein vortrefflicher Reiter und unermüdlicher Waidmann, der leider nicht selten, wie sein Urgroßvater, zu schrankenlos diesem Genusse fröhnte, liebte F. auch die Pracht der Hoffeste. Die beiden aus den Jahren 1580 und 82 zählten zu den kostspieligsten, die Tirol je gesehen. F. starb den 24. Januar 1595, nachdem er wiederholt durch Testamente und Codicille für die Ordnung des letzten Willens gesorgt hatte. Die beiden Söhne erster Ehe – Andreas und Karl – waren bereits zu bedeutenden Lebensstellungen gelangt, – der erstere Bischof von Brixen, Administrator der fürstlichen Stifter Murbach und Lüders, überdies Statthalter Vorderösterreichs, – der andere Kriegsmann unter Farnese, endlich (1594) oberster Feldmarschall des Kaisers in Ungarn geworden. Mit F. starb die tirolisch-vorderösterreichische Linie aus und die Länder fielen nun als Gesammterbe an die habsburgischen Seitenverwandten.

Buchholtz, Gesch. Ferdinands I., 8. Bd.; Wiener Jahrb. d. Litt., 80. Bd. Anzeigebl. Hormayr’s Arch. I. II. Weißegger, Hist. Gem. oder biogr. Schild. [700] aller Herrscher u. Prinzen des dchl. E. Habsburgs … 4. Bd. Sinnacher, Beitr. z. Gesch. d. Kirche Säben-Brixen, 7. u. 8. Bd. Zoller, Gesch. d. Stadt Innsbruck I. A. Wolf, Lucas Geizkofler u. seine Selbstbiogr. Ph. J. Mich. Welser, Nachr. über Phil. Welser, Nürnb. 1864. Primisser, Die k. k. Ambraser Sammlung, 1819. Egger, Gesch. Tirols, 2. Bd. 1876.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Laut BLKÖ hieß die Gattin Anna Katherina Gonzaga, Tochter seiner Schwester Eleonore