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ADB:Ferdinand (Erzbischof von Köln)

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Artikel „Ferdinand, Erzbischof und Kurfürst von Köln“ von Leonhard Ennen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 691–697, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ferdinand_(Erzbischof_von_K%C3%B6ln)&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 17:34 Uhr UTC)
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Ferdinand, Erzbischof und Kurfürst von Köln, 1612–1650, Bischof von Lüttich, Münster, Hildesheim und Paderborn. Er war ein Sohn. des Herzogs Wilhelm V. von Baiern und von früher Kindheit an zum geistlichen Stande bestimmt. Geboren wurde er am 7. October 1577. In einem Alter von 12 Jahren, 1589, ließ er sich mit seinem Bruder Philipp, welcher schon 1579 zum Bischof von Regensburg erwählt und 1584 durch päpstliche Provision zum Dompropst von Köln bestellt worden war, auf der Universität Ingolstadt immatriculiren. Das Rectorat bekleidete der ältere Bruder der beiden Prinzen, der spätere Kurfürst Maximilian, welcher seit 1587 daselbst unter Leitung des Jesuiten Gregorius de Valentia ernsten Studien oblag. F. sowol wie Philipp, der für das zweite Semester des Studienjahres 1589 zum Rector gewählt wurde, betheiligten sich durch gedruckte Quästionen an den Acten der philosophischen Facultät und bei ihrem Abgang ließ die Universität einen Scheidegruß drucken und sandte zugleich an Herzog Wilhelm eine Danksagung für den Besuch seiner Söhne. Nach Vollendung ihrer Studien in Ingolstadt begaben sich die beiden Prinzen nach Köln, um hier die statutenmäßige Residenz zu halten. „Nachdem sie den Winter hindurch in Köln gewesen und im Dom, wie der Brauch war, residirt hatten, begaben sie sich am 8. März 1591 nach Baiern zurück. Keiner von ihnen war viel über 18 Jahre alt, waren noch in der Zucht der Lehrmeister und in der Hand der Jesuiten. Der älteste hat in scholis artium in quaestionibus quodlibeticis declamirt und licentiatus tamquam cancellarius universitatis studii Coloniensis promovirt, haben beide im Dom zur Hochmesse etliche Male gedient, also daß sie jetzt für Residenten und Capitulare zu halten sind. Dießmal brachte das Domstift nicht viel ein, und gingen hier große Kosten auf die Hofhaltung, weßhalb sie es hier kurz gemacht haben.“ Von Köln zurückgekehrt, begaben sich F. und Philipp, begleitet von dem Hofmeister Grafen von Montfort und dem Lehrer Quirin Leoninus, nach Rom; der Fleiß und das gesittete Betragen der Prinzen veranlaßte den bekannten Philologen Justus Lipsius zu dem Ausruf: „Nur von Euch und Eures Gleichen ist Abhülfe der Verderbniß zu erwarten, woran Deutschland und ganz Europa leidet.“ Der Erzbischof Ernst, der großes Gewicht darauf legte, ein Glied seiner Familie zu seinem Nachfolger bestellt zu sehen, wußte es dahin zu bringen, daß das Domcapitel 1595 den Prinzen F., der bereits Propst von Berchtesgaden und Bonn war und neben seiner Kölner Pfründe Canonicate in Magdeburg und Straßburg besaß, zu seinem Coadjutor mit der Hoffnung auf die Nachfolge erwählte. Der Papst gab seine Zustimmung zu dieser Wahl. Nach dem Tode seines Oheims Ernst wurde F. am 12. März 1612 zum Erzbischof gewählt. In demselben Jahre erhielt er auch noch die Bischofssitze Lüttich, Münster und Hildesheim und 1618 den von Paderborn. F. war von seinem Vater und seinen Lehrern darauf hingewiesen worden, alles aufzubieten, um dem von den Jesuiten gepflegten kirchlichen System innerhalb der Grenzen seiner Macht Geltung und Anerkennung zu verschaffen. Das System des Jesuitenordens war ihm in Fleisch und Blut übergegangen, und wie in seinem Privatleben wollte er es in seiner Regierung mit aller Energie, Strenge und Consequenz verwirklichen. Schon als elfjähriger Knabe hatte er an seine Mutter Renata von Lothringen geschrieben, „er werde, wenn er einmal zu seinem Alter werde gekommen sein, alles aufbieten, um viele Lutherische und Ketzer zu bekehren und sie zu der ewigen Freude und Seligkeit [692] zu bringen“. Sein Oheim Ernst hatte mit dem völligen Sieg über Gebhard Truchseß die Gefahr vor Protestantisirung des ganzen Erzbisthums beseitigt und der vollständigen Gegenreformation die Bahn geebnet. F. richtete sein Augenmerk darauf, daß den wenigen noch unter verhüllender Decke fortglimmenden Funken protestantischer Elemente von keiner Seite zündende Nahrung komme, und er griff freudig nach jeder Gelegenheit, um auch in den benachbarten Gebieten der Festsetzung des protestantischen Bekenntnisses alle möglichen Hindernisse zu bereiten. Darum war es sein sehnlichster Wunsch, daß die katholischen Reichstheile gewaltige Heermassen an den Niederrhein, namentlich in die jülich’schen Herzogthümer, werfen, den brandenburgischen Prätendenten mit bewaffneter Hand aus dem jülich’schen Erbe vertreiben und dann das Glück der Waffen gegen die Hauptbeschützer des Protestantismus am Niederrhein, die Holländer, in deren eigenem Lande versuchen sollten. Nur durch energisches, kriegerisches Vorgehen glaubte er, daß das Interesse der katholischen Partei gewahrt, das jülich-bergische Gebiet seinem Schwager sicher gestellt und der Kölner Kurstaat von allen feindlichen Angriffen behütet werden könne. In der Ueberzeugung, daß sein Bruder Maximilian im Stande sei, bei ernstem Willen die Kräfte der katholischen Reichsstände zum glänzendsten Triumph über alle Gegner zu führen, bat ihn F., die Erneuerung der katholischen Liga ernstlich in die Hand zu nehmen und in einem neubelebten katholischen Bunde gegen die Holländer und Brandenburger einen ebenbürtigen Gegner in den Kampf zu führen. „Allen Sachen“, schrieb er am 11. October 1615, „ist wohl zu remediren, wenn man nur will aller Seiten, welches nicht besser geschehen kann, als wenn die katholischen Stände doch noch einmal zusammenkommen; aliud medium excogitare non possum, daß das Unionswesen endlich wieder in Ordnung gerichtet werde, als durch die Zusammenkunft.“ Doch Maximilian erkannte recht wohl, daß die Zeit für erfolgreiche Wirksamkeit eines katholischen Bundes noch nicht gekommen sei, daß die Liga sich nicht eher zu achtunggebietender Bedeutung erheben könne, als bis der Kaiser durch politische Umstände genöthigt würde, seinen Widerwillen gegen die katholische Verbrüderung aufzugeben und sich zum Hülfesuchen beim katholischen Bunde herbeizulassen. Darum konnten vorläufig noch Ferdinands bittere Klagen über die Drangsale der Kölner Gebiete und über die Gefahren der katholischen Reichstheile auf Maximilian keinen bestimmenden Eindruck machen. F. faßte neuen Muth, als er erfuhr, daß der Bund der süddeutschen katholischen Stände sich unter dem Herzog von Baiern zum Zweck der Handhabung eigener Rechte und Befugnisse bei dem Zustande allgemeiner Rechtlosigkeit im deutschen Reiche im Mai 1617 auf vier Jahre erneuert habe. Maximilian, der seine guten Gründe haben mochte, gerade damals die Erneuerung der Liga trotz des ausdrücklichen kaiserlichen Verbotes durchzusetzen, erhielt von seinem Bruder das Versprechen „den zwischen Seiner Liebden und den Herren Bischöfen geschlossenen Vergleich einer Union halber in gebührlicher Geheim zu halten“. F. konnte jedoch wenig von der Wirksamkeit des erneuten katholischen Bundes verspüren. „Doleo sortem meam“, klagt er, „daß ich also unverschuldeter Dinge von Jedermann verlassen werde und Niemand mir helfen will.“ Maximilian, der einem Andern den leeren Prunk, sich selbst aber die eigentliche Macht des Kaiserthums zuwenden wollte, aber für sein ehrgeiziges Streben einstweilen eine weitere Ausdehnung oder eine kriegerische Thätigkeit der neuen Verbindung noch nicht für zweckfördernd und angemessen hielt, ließ es sich angelegen sein, alle hierauf bezüglichen Gesuche seines Bruders durch Entschuldigungen abzulehnen oder durch Intriguen zu hintertreiben. Als F. bei einem persönlichen Besuch in München in bestimmterer Form den Wunsch aussprach, als Mitglied in die neue Liga aufgenommen zu werden, erhielt er vom Herzog den Bescheid, er möge sich nur an [693] die übrigen Bundesgenossen wenden, ohne deren Einwilligung sich nichts thun lasse. Der Kurfürst that dieses von Köln aus. Die Bischöfe machten auf geheimes Betreiben Maximilians Schwierigkeiten und gaben dem Kölner die Antwort, „es thue ihnen sehr leid, daß sie ihn nicht in ihren Bund aufnehmen könnten; allein theils die Entlegenheit seiner Staaten, theils die daraus nothwendig erfolgende, ihnen bei den Mitgliedern der ältern Liga großen Schaden bringende Bekanntwerdung ihres Bundes verhindere sie hieran“. F. hegte außer dem Wunsche, seinen Kurstaat kräftig zu schützen, auch noch das heiße Verlangen, dem baierischen Hause unter den katholischen Reichsmächten das unbedingte Uebergewicht in den deutschen Angelegenheiten zu verschaffen. Hierin stimmte er mit seinem Bruder völlig überein, nur über die Mittel zur Erreichung ihres Zweckes waren beide uneinig: F. wollte dieses erzielt wissen auf dem Wege eines baierischen Kaiserthums, Maximilian dagegen hatte wenig Sinn für den Glanz der deutschen Kaiserkrone; nach seinem Plane sollte dem österreichischen Hause der äußere Schein des Kaiserthums verbleiben, der Kaiser aber in Gefahren gestürzt werden, aus welchen ihn nur der Herzog von Baiern gegen die demüthigendsten Zugeständnisse retten könne. Maximilians entschiedener Wunsch, bei der Kaiserwahl außer Betracht gelassen zu werden, war für den Kurfürsten F. Grund genug, auf dem Wahltage zu Frankfurt aus Rücksicht für das allgemeine Interesse der katholischen Sache seine persönliche Abneigung gegen den römischen König Erzherzog Ferdinand niederzukämpfen; bei der Umfrage stimmte er für den Oesterreicher, indem er versicherte, daß Herzog Max von Baiern die kaiserliche Würde nicht suche. König Ferdinand wurde am 28. August 1618 einstimmig zum Kaiser gewählt und am 9. September feierlich gekrönt. Um dieselbe Zeit wurde er der böhmischen Krone für verlustig erklärt; an demselben Tage, an welchem er zur Kaiserwürde erhoben wurde, fiel die Neuwahl des böhmischen Königs von Seiten der Stände auf den calvinischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz. Durch die Annahme dieser Wahl schleuderte Friedrich die Brandfackel in den massenhaft aufgehäuften Zündstoff. Nach dem Beispiel der süddeutschen Fürsten traten bald die mittel- und oberrheinischen Stände zu einem neuen Bündnisse zusammen. Mainz erhielt das Directorium, Köln, Trier, Speier und Straßburg wurden Adjuncten. F. von Köln verpflichtete sich, monatlich 27492 Florin oder 10 Compagnien Soldaten zu den Bedürfnissen dieser Liga beizutragen. Sobald der Baierfürst vom Kaiser die Zusicherung erhalten hatte, daß ihm die pfälzische Kur werde übertragen werden, trat er mit seiner ganzen Bedeutung und seiner vollen Kraft auf den Schauplatz. Auf seinen Wink erhob sich die alte eingeschlafene Liga, geängstigt durch die drohende Stellung des Pfälzers wie der calvinischen Partei, zu neuem kräftigem Leben. Der Kurfürst F. äußerte den Wunsch, seine Theilnahme an der Liga noch einige Zeit verheimlichen zu dürfen, weil er hoffte, daß dann die Holländer sich vorläufig noch aller Feindseligkeiten gegen die völlig unbeschützten kölnischen Gebiete enthalten würden. Doch diese Hoffnung wurde nicht erfüllt; holländische Truppen fielen in das Erzstift ein und bemächtigten sich der zur Beherrschung des Rheins und der Sieg ungemein günstig gelegenen kleinen Insel Kraupenwerth bei Bonn. Sofort errichteten sie daselbst ein starkes Fort, welches wegen seiner viereckigen Form spottweise Pfaffenmütz genannt wurde, und versahen dasselbe unter dem Hauptmanne Ludwig Heinrich v. Hatzfeld mit einer zureichenden Besatzung. Der Kurfürst F. wetteiferte mit dem Kaiser und dem Herzog von Baiern in dem Streben, der pfälzischen Partei alle möglichen Hindernisse in den Weg zu legen. Vor allem war es dieser Herren angelegentliches Trachten, den Kurfürsten von Sachsen auf die Seite der Liga zu ziehen. Sachsen war zur Parteinahme gegen den Pfälzer bereit, wenn den niedersächsischen Ständen die Zusicherung ertheilt werde, daß sie in keiner Weise im Besitz der [694] gegen den Religionsfrieden eingezogenen kirchlichen Güter gestört werden sollten. In diesem Sinne sprach es sich auf dem Tage zu Mülhausen aus, auf welchem F. von Köln mit vier Räthen erschienen war. Nach einigem Widerstreben willigte Kurköln in diese Forderung, und es versprachen Köln, Mainz und Baiern den gewünschten Schutz zu gewähren, so lange die Inhaber der fraglichen Güter dem Kaiser in Treue beistehen würden. Während die Kaiserlichen und Baiern den Feind in Böhmen und Oesterreich beschäftigten und den Pfälzer in seinem neuen Königreich aufsuchten, sollte Spanien eine Armee von 30000 Mann aus Brabant heraufschicken, um in die pfälzischen Erblande einzufallen. Der Kurfürst F. schickte Anfangs April 1620 den Grafen Eitel Friedrich von Hohenzollern nach Brüssel, um die Statthalterin zu schleunigster Entsendung der gewünschten Hülfstruppen zu bestimmen. In Folge dieser Sendung brach im August der Marquis Spinola mit 25000 Mann nach dem Rheine auf. Während er von Engers nach der Pfalz zog, beobachtete am Unterrhein Ludwig de Velasca die Bewegungen der Holländer; mit etwa 6000 Mann lagerte er zwischen Wesel und Rheinberg. Er konnte aber nicht verhindern, daß Prinz Moritz von Oranien die Besatzung auf dem Fort Pfaffenmütz verstärkte und diesem Werke gegenüber ein neues auf der rechten Rheinseite zwischen Mondorf und Vilich, unter dem Namen Pfaffenbrille, errichtete, um die Verbindung der am Niederrhein und in der Pfalz stationirten spanischen Truppen möglichst zu erschweren. Der Kurfürst F. klagte bitter über die Gewaltthätigkeiten der holländischen Besatzung; es kam ihm aber erst Hülfe, als Spinola aus der Unterpfalz nach Flandern auf den Schauplatz des von neuem entbrannten spanisch-niederländischen Krieges zurückkehrte. Das Fort Pfaffenmütz capitulirte und spanische und neuburgische Truppen nahmen dasselbe in Besitz und gaben ihm den Namen „Fort Isabella“. Während sich nun der Kurstaat einer kurzen Ruhe erfreute, begab sich F. im Winter 1622 auf den Reichstag nach Regensburg, um nach Kräften für die von baierischer Seite eifrigst betriebene, aber von den meisten andern Reichsfürsten energisch bekämpfte Uebertragung der pfälzischen Kur an den Herzog von Baiern zu wirken. Es gelang, den Widerstand zu brechen, und am 25. Februar 1623 erhielt Maximilian die so sehnlichst gewünschte Belehnung mit der erledigten pfälzischen Kur. Das Kölner Erzstift blieb von den Schrecken des im größten Theile Deutschlands wüthenden Krieges verschont, bis Gustav Adolf seine hungrigen Schaaren auf die guten Quartiere der Pfaffengasse hinwies. So viel hatte F. doch von diesem Kriege vor der Ankunft Gustav Adolfs gekostet, daß er es für gerathen fand, seine Bitten mit dem Nothschrei der verzweifelnden Norddeutschen zu vereinen und die dringendsten Gesuche um Vermittlung des Friedens nach Wien und München zu richten. Nur kurze Zeit behielten die friedliebenden Elemente die Oberhand. Schweden, welches durch die immer stärker sich gestaltende Verbindung der katholischen Mächte in seinem Bestande sich ernstlich bedroht glaubte, zeigte geringe Lust sich vom deutschen Boden zurückzuziehen, ohne jede Gefahr für das protestantische Bekenntniß beseitigt zu haben. Im J. 1631 rückte die Kriegsgefahr für die westfälischen und rheinischen Gebiete immer näher. Der Kurfürst F. legte auf dem Landtage zu Bonn den Ständen die bedrohliche Lage des Erzstiftes dringend ans Herz und bat um ihren kräftigen Beistand zur Sicherstellung von Land und Leuten. Die Summe von 200000 Reichsthalern wurde zur Vertheidigung des Landes bewilligt und theilweise zur Anwerbung von einigen Regimentern verwendet. Die Lage der katholischen deutschen Fürsten wurde noch bedenklicher, als ein thätliches Eingreifen Frankreichs zu Gunsten der Schweden in naher Aussicht stand. Frankreich legte Gewicht darauf, möglichst viele katholische Stände zu einem neutralen Verhalten zu bestimmen. Es glückte ihm dies zuerst beim Kurfürsten von Trier. Pfalz-Neuburg [695] und die Stadt Köln erklärten auch strenge Neutralität beobachten zu wollen. Ebenso suchte F. von Köln um die Neutralität nach. Ob sie ihm zugestanden worden, ist zweifelhaft; wenn es der Fall wäre, würde er bei der Nachricht, daß der Kurfürst von Trier den Franzosen den Ehrenbreitstein eingeräumt und ein schwedisches Corps die Stadt Coblenz eingenommen habe, nicht in aller Hast mit seinen Schätzen und Kostbarkeiten von Bonn nach Köln geflüchtet sein, und würden sonst die schwedischen Generale nicht gerade zu jener Zeit so entsetzlich in dem kölnischen Gebiete gehaust haben. Pappenheim sandte dem hartbedrängten Kurfürsten sechs Regimenter zur Deckung des Erzstiftes, und zu demselben Zweck rückte auch ein starkes spanisches Corps an den Rhein. Doch der schwedische Heerführer Baudissen ließ sich in seinem Vormarsch nach dem Rhein nicht aufhalten. Bald bemächtigte er sich aller festen kölnischen Orte des Oberstiftes, sowie einzelner der stärksten Plätze im Herzogthum Berg. Darauf richtete er sein Auge auf Deutz, um von hier aus die mächtige Stadt Köln bezwingen zu können. Angesichts der drohenden Gefahr hatte der Kölner Rath sich mit dem Kurfürsten, dem Grundherrn der Freiheit Deutz, über die Befestigung dieses Platzes dahin geeinigt, daß der Kurfürst die Ausführung übernehmen, die Stadt aber einen Theil der Kosten tragen sollte. Doch das Werk ging ungemein langsam von Statten. Bei einer harmlosen Bürgerrevolte wurde F. gezwungen, seine Zustimmung dazu zu geben, daß die Kölner Bürgerschaft die Freiheit Deutz in einer Weise befestigen solle, wie die Gefahr und Umstände es erheischten. Doch die in der Hast aufgeführten Befestigungsbauten konnten dem Andrang der Schweden gegenüber nicht Stand halten. Baudissen erstürmte den Ort und vertrieb die kölnische Besatzung nach kurzer Gegenwehr aus ihren Verschanzungen. Jedoch von den Kölner Wällen wurde ein heftiges Feuer gegen die schwedischen Eindringlinge eröffnet, und diese sahen sich bald genöthigt, in ihr Lager an der Sieg zurückzukehren. Kurfürst F. bat die Statthalterin Isabella in Brüssel, seinem bedrohten Gebiete die Hülfe bewilligen zu wollen, welche er mit eigener Kraft zu bieten nicht im Stande war. Die Erzherzogin entsendete den Obersten v. Westphalen, um mit acht Fähnlein Füßer und zehn Cornet Reiter die Freiheit Deutz vor allen weiteren Angriffen sicher zu stellen. Diese Truppen wurden durch eine Compagnie stadtkölnischer Soldaten verstärkt. Einzelne spanische Corps suchten im Oberstift die Schweden aus den von ihnen besetzten Städten und Schlössern zu verdrängen. Nachhaltigere Wirkung als von solchen vereinzelten Streifzügen versprach man sich von einer ligistisch-kaiserlichen Armee, welche hauptsächlich auf Kosten der mit ihren Schätzen nach Köln geflüchteten Bischöfe von Köln, Mainz und Worms am Niederrhein geworben wurde. Ehe diese Truppen ins Feld rückten, versuchte Richelieu, ob es seinen diplomatischen Künsten nicht gelingen werde, einen Theil der katholischen deutschen Fürsten mit Frankreich zu verbinden und so von dieser herrschsüchtigen Macht gänzlich abhängig zu machen. Der Coblenzer Dominicaner v. Senheim erhielt den Auftrag, den französischen Intriguen die Wege zu ebnen. Am 15. August 1633 schrieb er, „der Kurfürst F., das Domcapitel und die Stadt Köln hätten einhellig beschlossen, die Assistenz des Königs von Frankreich anzurufen“. Doch bald wandte sich der Wind und Senheim mußte berichten, „daß er bei Kurköln weiter nichts ausrichten könne, weil er keine Credentiales habe; der Kurfürst von Köln erkläre, es sei unter den Fürsten nicht Stil, in so wichtigen Sachen etwas ohne Credentialen zu verhandeln, und er wolle auch nicht mehr zugeben, daß in dieser Sache mit den kölnischen Ministern weiter verhandelt werde.“ Nach Abschluß des Friedens von Prag, dem F. von Köln im Juni 1633 beitrat, griff derselbe die Unterhandlungen mit Frankreich wieder auf: er hoffte durch ein Neutralitätsbündniß mit der französischen Krone Schwedens Geltung erschüttern zu können. [696] Doch Richelien zeigte sich spröde und wies jedes desfallsige Ansuchen ab; der König Ludwig zog es vor, in den verhängnißvollen Wirren selbst die Waffen zu ergreifen und erst nach der Verwirklichung der Gewaltplane Richelieu’s Aussicht auf Frieden zu geben. Der Kölner Kurstaat wurde nun wieder der Tummelplatz für französische, spanische und kaiserliche Kriegshaufen. Im J. 1636 bat der Reitergeneral Johann von Wörth den Kurfürsten F., ihm zu gestatten, sich im Hochstift Lüttich zu einem Zug in das Innere von Frankreich zu rüsten. F. that dies um so lieber, als auf diese Weise das widerspenstige, franzosenfreundliche Lüttich zur Bezahlung seines Antheils an den Verpflegungsgeldern der kaiserlichen Truppen gezwungen und für seine Widersetzlichkeit gegen den Bischof und Kaiser gezüchtigt wurde. Es würde weit über den Rahmen einer biographischen Skizze des Kurfürsten F. hinausgehen, wenn ich auch nur in kurzen Umrissen die Kriegsdrangsale erzählen wollte, durch welche F. bis zum Ende des 30jährigen Krieges seine Fürstenthümer heimgesucht sah. Trotz aller Anstrengungen war er nicht im Stande, seinen hart gequälten Unterthanen Schutz gegen die Streif- und Raubzüge der Hessen, Franzosen und Spanier zu bieten. Endlich im J. 1647 schien dem gequälten Lande Ruhe kommen zu sollen. Im März wurde zu Ulm zwischen Frankreich, Schweden und Hessen einerseits, den Kurfürsten von Baiern und Köln andererseits ein Waffenstillstand bis zum Frieden vereinbart. F. von Köln ließ am 2. und sein Coadjutor Maximilian Heinrich am 8. Mai seinen Beitritt zu diesem Tractat erklären. Den Bestimmungen dieses Vertrages zuwider weigerte sich die Landgräfin von Hessen, die Feindseligkeiten im Kölner Gebiet einzustellen. F. entschloß sich darum, den Waffenstillstand zu kündigen und ersuchte den kaiserlichen General Lanskoy, das Kölner Gebiet von den hessischen Truppen zu säubern. Städte und Dörfer hatten nun wieder unter den entsetzlichsten Kriegsdrangsalen zu leiden, bis 1648 von Münster die frohe Botschaft des Friedens ertönte, eines Friedens, der beim Abschluß des schrecklichen Kriegsjammers einstweilen den Gedanken an die von ihm besiegelte Schmach des deutschen Vaterlandes nicht aufkommen ließ. Kaum war der Jubel über den zurückgekehrten Frieden verklungen, so wurde F. durch eine revolutionäre Bewegung im Bisthum Lüttich gezwungen, mit bewaffneter Macht gegen die Aufständischen zu ziehen. Bald ergab sich die Stadt Lüttich, und F. hielt wegen des glücklich bezwungenen Aufstandes in Kaiserswerth eine Dankmesse (1649). Im folgenden Jahr wollte er die Bisthümer Münster, Paderborn und Hildesheim besuchen. Auf der Reise erkrankte er in Arnsberg; nach kurzem Leiden starb er daselbst am 13. September. Die einbalsamirte Leiche wurde nach Köln gebracht und am 25. im Dom feierlich beigesetzt. Bei F. stand das äußere und sittliche Leben mit seinen religiösen und kirchlichen Anschauungen im schönsten Einklange. Er war ein ascetischer, frommer, strengkirchlicher Mann, dem es nicht genug war, die äußeren Formen zu erfüllen und den Schein zu wahren: er wollte in vollstem Maße auch sein, was er schien, und seinen Untergebenen durch ein tugendreiches Leben als nachahmenswerthes Muster vorleuchten. Er glaubte, daß den religiösen Orden von der Vorsehung die Aufgabe zugewiesen sei, durch Gebet, Beispiel und seelsorgliche Thätigkeit den Glauben des Volkes zu kräftigen, das religiöse Leben zu fördern und die allgemeine Sittlichkeit zu heben. Darum schützte er die alten Orden und begünstigte auf alle Weise die Niederlassung anderer religiöser Genossenschaften. In seinem frommen Sinne erkannte er nicht, wie weit die meisten Ordenspersonen von dem Geist der ursprünglichen Stifter abgewichen waren. Kein Orden stand bei ihm in so hohem Ansehen wie der der Jesuiten. Von den Jesuiten hauptsächlich erwartete er die allmähliche Zurückführung der in seinen verschiedenen Bisthümern zerstreuten Protestanten zu der katholischen Kirche. Mit seiner Unterstützung konnten die Jesuiten eine lange Reihe neuer [697] Collegien im Kölnischen, Münsterischen, Hildesheimischen und Paderbornischen gründen. Ganz besonders günstig war er für die Kölner Jesuiten gestimmt. Zum Neubau ihrer prächtigen Kirche steuerte er reichlich bei. Zum Dank dafür ließen die Jesuiten sein Wappen über dem Eingang der Kirche anbringen. Auf Matthiastag 1629 betheiligte er sich an dem feierlichen Umzug aus der alten Capelle in den neuen Prachtbau. Die Bekehrungsversuche der Jesuitenmissionen unterstützte er in kräftigster Weise durch polizeiliche Vorschriften und im Münsterischen durch gewaltsame Austreibung der Protestanten (1624). Auf die Uebertretung des Abstinenzgebotes setzte er eine Geldstrafe von sechs Goldgulden; einer gleichen Geldbuße verfiel derjenige, welcher eine protestantische Kirche besuchte. Kein nichtkatholischer Schulmeister durfte geduldet werden; niemand, der nicht katholisch war, durfte zum Schöffen, Bürgermeister, Rathsdiener u. s. w. gewählt werden. Das Abhalten heimlicher religiöser Zusammenkünfte sowie das Lesen unkatholischer Bücher verbot er bei einer Strafe von zehn Goldgulden; der Angeber sollte hiervon den dritten Theil erhalten. Den Pfarrern gebot er, die Schulen fleißig zu visitiren und dafür zu sorgen, daß die Schulbücher nichts gegen die katholische Religion und Kirche enthielten. Nicht vergeblich hatten die Jesuiten alles aufgeboten, F. ganz für das römische Kirchenwesen zu gewinnen. Auf ihr Betreiben befahl er, daß das kölnische Brevier und Missale dem römischen Ritus angepaßt werden solle. Auf der Diöcesansynode, welche 1627 gehalten wurde, ließ er beschließen, daß kein Geistlicher angestellt werden dürfe, der nicht den Eid auf das Tridentinum geschworen habe. Noch jetzt sichtbare Denkmale seines frommen Sinnes sind die 1627 erbaute Kirche auf dem Kreuzberg bei Bonn und der prächtige, 1633 angefertigte Schrein des heil. Engelbertus im Kölner Dom.

Crombach, Annal. eccl. et civ. metr. Ub. Col. Agripp. – Rathsprotokolle. – Wilmius, Rerum Agripp. pars. sec.Ennen, Frankreich und der Niederrhein, Bd. 1. – Theatrum Europaeum. – Gundling, Kurfürstenstaaten. – Wolf, Kurkölnische Correspondenz. – Scotti, Sammlung.