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ADB:Friedrich V. (Kurfürst von der Pfalz)

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Artikel „Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz“ von Moriz Ritter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 621–627, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_V._(Kurf%C3%BCrst_von_der_Pfalz)&oldid=- (Version vom 6. Dezember 2024, 19:52 Uhr UTC)
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Band 7 (1878), S. 621–627 (Quelle).
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Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz, wurde geboren am 26. August 1596, als der dritte von acht Nachkommen Friedrichs IV. Gleich seinem Vater ward er in einer Zeit zur Regierung berufen, als die politischen Verhältnisse verwirrt, und er selber noch in minderjährigem Alter stand (19. September 1610), gleich jenem war auch die erste Schwierigkeit, die ihn empfing, ein Streit über seine Vormundschaft. Als nächster Agnat war der Herzog Philipp Ludwig von Neuburg Friedrichs gesetzlicher Vormund. Indeß da man bei Lebzeiten Friedrichs IV. von diesem starrsinnigen Herrn die verlangten Bürgschaften gegen eine lutherische Reaction nicht hatte erhalten können, so war damals die rechtliche Auffassung Johann Casimirs, welche dessen vormundschaftliche Regierung und die Herstellung des Calvinismus gerechtfertigt hatte, ins Gegentheil verkehrt, und durch Testament Friedrichs IV. der calvinistische Herzog Johann von Zweibrücken zum Hauptvormund ernannt. Alles war dann so gut vorbereitet worden, daß unmittelbar nach dem Tode Friedrichs IV. die pfälzische Regierung geräuschlos an den Zweibrückener Herzog überging, und daß dem Kaiser, dem kurfürstlichen Collegium, der Union nichts übrig blieb, als den Regenten, wenigstens vorläufig, anzuerkennen. Jedoch der übergangene Herzog Philipp Ludwig protestirte gegen die Acte der vormundschaftlichen Regierung, und so wurde, wenn nicht die Pfalz, so doch die Union neben ihren vielen Spaltungen von dem neuen Zweibrückisch-neuburgischen Zwiste betroffen. Die Union war es dann auch ferner, aus deren Verhältnissen für die neue Regierung eine zweite Reihe von Schwierigkeiten hervorging. Nach Abschluß des J. 1610 waren diesem Bündnisse von den großen Unternehmungen jenes Jahres übrig geblieben: eine Masse von unbefriedigten Forderungen, welche die Unionsbeiträge bis zum J. 1613 in Anspruch nahmen, eine Last von Mehrausgaben, welche einzelnen Unirten, besonders dem Kurfürsten von der Pfalz zufielen, dazu das tiefgreifende Mißtrauen zwischen Fürsten und Städten, das Gefühl, daß man keiner großen Aufgabe mehr gewachsen sei, und das Bewußtsein, daß mit der Wendung der französischen Politik der starke Rückhalt der protestantischen Fürsten verloren war. Da nun das Geschick der Kurpfalz aufs innigste mit dem Glück oder Unglück der Union verbunden war, so mußte bei solcher Lage der Dinge den Heidelberger Staatsmännern die Zukunft sehr bedrohlich erscheinen. Ein Gegengewicht gegen all’ diese Verlegenheiten lag indeß in dem Umstand, daß [622] auch die Feinde der Union aus den letzten Verwicklungen geschwächt hervorgingen. Der Herzog von Baiern hatte seine Liga nicht stark genug zum Kampfe mit der Union befunden. Kaiser Rudolf, indem er gleichzeitig die possidirenden Fürsten in Jülich und den König Matthias in den österreichischen Landen zu unterwerfen versuchte, war an beiden Orten unterlegen. Im J. 1611 begünstigte er den Versuch einer Verständigung zwischen Sachsen und Brandenburg über den Besitz der Jülicher Lande; in demselben Jahre mußte er die ihm noch übrigen Lande an Matthias abtreten, und als er im Januar des folgenden Jahres starb, berief die Wahl der Kurfürsten jenen selben Matthias zu seinem Nachfolger. Bei dieser Schwäche der Gegner blieb die Union nicht nur unangefochten, sondern sie vermochte sogar noch einige Vortheile aus der Erhebung von 1610 zu gewinnen. Nachdem im Zusammenhang mit den damaligen Unternehmungen die unirten Fürsten mit dem König Jakob I. von Großbrittannien und den Generalstaaten Verhandlungen über ein Defensivbündniß begonnen hatten, gelang es nunmehr – mit England im April 1612, mit den Staaten im Mai 1613 (ratificirt Ende 1614) – diese Bündnisse wirklich zu vereinbaren. Ihre Bestimmungen waren bescheiden (England z. B. verpflichtete sich zu einer Bundeshülfe von 4000, die unirten Fürsten zu einer Gegenhülfe von 2000 Mann, die ein Jahr lang zu unterhalten waren), aber immerhin lag darin ein Ersatz für die verlorene französische Unterstützung. Um dieselbe Zeit sodann, im J. 1613, bewährte die Union ihre Bedeutung auch im Innern des deutschen Reichs. Kaiser Matthias, den seine ganze Vergangenheit, besonders auch die Vorgänge bei seiner Wahl, auf eine Verständigung mit den protestantischen Reichsfürsten wies, machte am Regensburger Reichstag den Versuch, die getrennten Stände wieder zu einhelligem Zusammenwirken im Interesse der Reichsjustiz und der Türkenhülfe zu bestimmen. Allein wenngleich Sachsen sich von den Unirten ferne hielt, wenn überhaupt von den außer dem Bunde stehenden protestantischen Ständen nur Mecklenburg, Pommern, die Wetterauer Grafen sich den Unirten anschlossen, so wagten letztere doch ein wo möglich noch schrofferes Vorgehen als im J. 1608. Indem sie ihre Beschwerden in zwei Theile schieden, solche nämlich, denen der Kaiser aus eigener Macht abhelfen könne, und solche, über die sich die Stände zu vergleichen hätten, verlangten sie hinsichtlich der ersteren sofortige Restitution Donauwörths, Suspension der schwebenden Processe des Reichshofraths und Regelung dieser Behörde durch den gegenwärtigen Reichstag, während sie zur gütlichen Vereinigung der Stände über die zweite Classe die Niedersetzung einer paritätischen Commission forderten. Da weder der Kaiser noch die katholische Majorität sich diesen Bedingungen unterwarfen, so wurde der Reichstag zum zweiten Mal durch die pfälzische Partei gesprengt. Diese sämmtlichen Erfolge der Union wurden noch erzielt unter der Regentschaft des Herzogs Johann. Aber es scheint, daß gleichzeitig dessen Verhältniß zu den alten pfälzischen Räthen sich wenig günstig gestaltete. Nicht ohne bittre Stimmungen legte er schon im April 1614 die meisten Befugnisse der Regierung nieder, und vollständig trat er im Juli, also einen Monat vor Friedrichs Volljährigkeit, von den Geschäften zurück. Es begann jetzt die Regierung Friedrichs V. Wenn dieser junge Fürst äußerlich eine vornehme Stellung unter seinen Standesgenossen einnahm, so verdankte er das den umfassenden Beziehungen der pfälzischen Regierung. Schon als neunjähriger Knabe wurde er nach Sedan geschickt, um unter der Leitung eines Hofmannes wie des Herzogs von Bouillon, und in einem der Mittelpunkte französisch-calvinistischer Bildungsanstalten seine Erziehung zu empfangen. Als man an seine Verheirathung dachte, zeigte sich der Werth der pfälzischen Beziehungen zu England. Bis ins J. 1610 reichen die Verhandlungen über die Vermählung Friedrichs V. mit Elisabeth, der schönen, kraftvollen [623] und hochgebildeten Tochter Jacobs I., zurück, im J. 1612 kamen sie zum Abschluß, und im Februar 1613 vollzog der sechzehnjährige Fürst seine eheliche Verbindung. Als er damals in England erschien, gefiel seine schlanke Gestalt und sein intelligentes Gesicht. Und in der That, seine Erziehung hatte besseren Erfolg gehabt, als die seines Vaters. Nicht nur, daß aus einem ziemlich verkümmerten Knaben ein junger Mann geworden, der am Hof und an der Spitze eines Regimentes sich ganz stattlich ausnahm, er wußte sich auch im Französischen so gut auszudrücken, wie im Deutschen, war der lateinischen Sprache mächtig und hatte neben gründlicher dogmatischer Ausbildung einige geschichtliche Kenntnisse gewonnen. Eine der Früchte der theologischen Erziehung, die sich bei F., wie bei anderen Fürsten seiner Zeit bewährte, war ein lebhaftes Gefühl seiner Regentenpflichten. Gleich bei dem ersten Unionstag, der nach seiner Uebernahme der Regierung in Heilbronn gehalten ward, schrieb er sich fleißig die Vota der Unirten auf, und ebenso suchte er in den Sitzungen seines Rathes in das Verständniß der Geschäfte einzudringen. Was ihm fehlte, war nur die Gabe der Beharrlichkeit in der Arbeit und die Selbständigkeit in Urtheil und Willen. In dieser Hinsicht hatte Bouillon schon von dem zehnjährigen Knaben vorausgesagt: das höchste, was wir mit dem Prinzen erreichen können, ist, daß er gutem Rath folge; aus sich selbst wird er nie eine Entscheidung treffen, noch etwas bedeutendes unternehmen. Folgsamkeit gegen die Rathschläge seiner hohen Beamten wurde denn auch wirklich bei dem jungen Fürsten erzielt. Er war gutmüthig wie sein Vater, und unterschied sich vortheilhaft von ihm durch das innige Verhältniß zu seiner Gemahlin. Nur fehlte ihm wieder die treuherzige Art, mit der Friedrich IV. die Menschen zu gewinnen verstand. Bouillon[WS 1] fand in ihm einen Mangel an Offenheit und Muth bei hochfahrendem Wesen. „Er wird“, so notirte Christian von Dohna[WS 2] gegen Ende des J. 1614, „niemals dulden, daß ihm etwas abgehe, im übrigen wird er sparsam, selbst geizig sein.“ So kam es, daß unter F. das glänzende und verschwenderische Treiben am Heidelberger Hofe fortging, daß aber die eigentliche Regierung nach wie vor nicht von dem Kurfürsten, sondern von seinen Räthen geführt wurde. Der einflußreichste Mann war auch jetzt der Fürst Christian von Anhalt, unter den Räthen trat mehr und mehr Dr. Ludwig Camerarius hervor; im ganzen blieben die Geschäfte in den Händen derselben Männer, welche sie unter Friedrich IV. geführt hatten. Aber diese Staatsmänner, wie sie im J. 1608 den Triumph der pfälzischen Unionsbestrebungen und im J. 1610 die üble Bewährung der neugeschaffenen Macht erlebt hatten, mußten jetzt, sobald der junge Kurfürst die Regierung übernommen, jene schweren Schläge nach einander kommen sehen, welche seit dem Mißlingen von 1610 zu befürchten waren. Nachdem der Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm, dem der brandenburgische Mitbesitz der Jülicher Lande unerträglich war, im J. 1613 durch seine bairische Heirath und seinen Uebertritt zur katholischen Kirche einen Rückhalt bei Baiern und Spanien gesucht, und Brandenburg hierauf mit Truppenwerbungen und feindlichen Verhandlungen mit den Staaten geantwortet hatte, brach im J. 1614 ein kleiner Krieg zwischen den besitzenden Fürsten aus, in welchem die Bundesgenossen derselben, Erzherzog Albert und die Staaten, Truppen ins Land schickten, und jeder eine Anzahl von Städten besetzte. Für die Union hatte dies Zerwürfniß zunächst die Bedeutung, daß sie, da Wolfgang Wilhelm noch im J. 1614 seinem Vater in Neuburg nachfolgte, eins ihrer fürstlichen Mitglieder verlor. Aber bald darauf kam auch der Kurfürst von Brandenburg und verlangte die Aufnahme der Jülicher Lande in die Union, d. h. die Verpflichtung des Bundes zum Schutz der brandenburgischen Herrschaft in jenen Landen. Ging die Union hierauf ein, so konnte sie in Unternehmungen gezogen werden, die großartiger [624] waren, als diejenigen, welche im J. 1610 ihre Kräfte ermattet hatten, und das zu Gunsten eines Fürsten, der weder seine Unionsbeiträge erlegte, noch die ihm vorher geleistete Hülfe zurückgezahlt hatte. Bei dem Heilbronner Bundestag von 1617, wo man über Verlängerung der im folgenden Jahr ablaufenden Union berieth, kam diese Frage zum Austrag, und die Union entschied sich gegen die Aufnahme der Jülicher Lande. Aber hierauf erklärte Brandenburg, daß es nun auch die Verlängerung der Union nicht annehmen könne, und die übrigen hatten so wenig Vertrauen zu ihrem Bündnisse, daß sie dasselbe nur noch auf drei Jahre verlängerten. Während so die Union beinahe ihren ganzen Rest von Kraft und Ansehen verlor, vollzog sich eine drohende Erhebung katholischer Mächte. In der ersten Zeit nach dem Regensburger Reichstag hatte der kaiserliche Hof noch den Gedanken einer Verständigung zwischen den kirchlichen Parteien verfolgt. Aber als auch dieser Versuch in bitteren Aussprachen endete, ging aus Verhandlungen des Erzherzogs Maximilian mit den geistlichen Kurfürsten und mit Erzherzog Albert folgender Plan hervor (1615–16): um die Macht Oesterreichs und der Katholiken zu sichern, ist die Wahl des Erzherzogs Ferdinand zum Nachfolger des Kaisers zu betreiben, und um gegen die Protestanten und ihre niederländischen Bundesgenossen die Reichsgesetze im Sinn der katholischen Partei zu handhaben, ist mit Hülfe Spaniens eine Kriegsmacht im Innern des Reich aufzubringen und unter Ferdinands Befehl zu stellen. Dieser Plan wurde durch Veröffentlichung eines von Erzherzog Maximilian dem Kaiser übergebenen Gutachtens den Unirten bekannt. Natürlich erregte er die schlimmsten Besorgnisse. Allein im Juni des J. 1617 und im Mai des J. 1618 erlangte Erzherzog Ferdinand die Anwartschaft auf die Lande der böhmischen und ungarischen Krone, in beiden Fällen mit Zustimmung der Stände. Daß nun dem Erben der deutsch-österreichischen Macht auch der Gewinn der römischen Königskrone nicht fehlen werde, war bei Sachsens österreichischer Gesinnung wol zu vermuthen. Als deutscher Kaiser aber war Ferdinand der geeignete Mann, um die in der österreichischen Monarchie planmäßig begonnene Unterdrückung ständischer und protestantischer Freiheiten, um die unter den katholischen Reichsständen sich regende Tendenz eines gewaltsamen Austrags der kirchlich-politischen Streitigkeiten mit blinder Entschlossenheit weiter zu führen. In Heidelberg sah man denn auch die Verbindung zwischen Oesterreich, Spanien und den katholischen Reichsständen unter der Autorität des deutschen Kaiserthums als die große Gefahr der Zukunft an. Gewohnt, die kirchlich-politischen Gegensätze als unvereinbar, die Feindschaft gegen die Protestanten als die verbindende Kraft in der Politik katholischer Mächte zu betrachten, erwartete man die Rettung nur von einem kühnen Offensivstoß, sei es, daß der Angriff gegen das Haus Spanien-Oesterreich gehe, sei es, daß der Zusammenhalt katholischer Mächte zerstört werde. Allein wo sollte man die Mittel zum Angriffe finden? Die Union – das erkannten die Pfälzer wol – war zu „kaltsinnig“ für große Unternehmungen. Camerarius brachte nun den gescheidten Gedanken auf, man solle den Herzog von Baiern zur römischen Königswahl befördern und somit das Haus Oesterreich und den Führer der katholischen Stände entzweien. Indeß der Herzog Maximilian folgte dem Grundsatze, weder österreichischen, noch pfälzischen Zwecken zu dienen. Und so, von ihm zurückgewiesen, von der Union sich isolirend, geriethen die Pfälzer am Ende auf die Bahn der Abenteuer. Im Mai des J. 1618 begann die verhängnißvolle Erhebung der protestantischen Stände Böhmens gegen die österreichische Regierung. Wie dieser Aufstand der letzte Ausbruch in einer Reihe von Erschütterungen der österreichischen Monarchie war, so gingen ihm mannichfache Verbindungen zwischen den protestantischen Ständen der österreichischen Lande und der pfälzischen Regierung [625] voraus. Schon neun Jahre vorher hatte der Fürst von Anhalt den Plan einer doppelten Vereinigung verfolgt: der protestantischen Stände jener Lande unter sich und dann mit der Union; jene sollten ihrer Regierung in ebenso freier Stellung entgegentreten, wie die Reichsstände ihrem Kaiser, und die Union sollte jederzeit das Recht der Einmischung in die österreichischen Dinge haben. Jetzt, nach dem Prager Fenstersturz, begann die pfälzische Regierung abermals, und zwar ohne wirkliche Betheiligung der Union, mit den böhmischen Ständen über deren Unterstützung zu verhandeln. Während sie aber so die erste Anknüpfung mit einer Macht der Revolution wagte, wurde ihr eine zweite nicht weniger bedenkliche Verbindung von Italien her angetragen. Der räuberische und treulose Herzog Karl Emanuel war in seinem Bestreben nach Ausdehnung seines Fürstenthums und Beseitigung der spanischen Vormundschaft über die italienischen Mächte in einen Krieg mit Spanien gerathen, den er im J. 1617 ohne Gewinn, aber doch mit Ehren beendete. Seit jener Verwicklung suchte er Verbindungen mit den Gegnern des Hauses Oesterreich in Italien, in der Schweiz und in Deutschland. Von der Union zurückgewiesen, aber von Kurpfalz, sowie von den Markgrafen von Anspach und Baden mit guter Hoffnung hingehalten, überraschte er im J. 1618 den Kurfürsten F. V., indem er ihm aus seinem aufgelösten Heere 2000 Mann zur Verfügung stellte und dann weiter seine Mitwirkung zur Aufstellung einer größeren Streitmacht – nach Art jener Kriegsrüstung, wie sie vor zwei Jahren Erzherzog Maximilian vorgeschlagen hatte – in Aussicht stellte. Diese scheinbare Gunst der Lage war es, welche den Fürsten von Anhalt noch einmal zur Entwerfung großer Umsturzpläne anfeuerte. Die Umwälzungen in der österreichischen Monarchie, die Aussicht auf baldige Neubesetzung des Kaiserthrons boten ihm den Ausgang für seine politischen Combinationen, – er dachte zunächst an die Erhebung Friedrichs V. zum böhmischen König und Savoyens zum deutschen Kaiser –, das Heer, welches Savoyen, die Pfälzer und all’ die Bundesgenossen, die man in und außer Deutschland noch anzuwerben hatte, aufstellen sollte, erschien ihm als die Zaubermacht, mit welcher er die Macht Spaniens, Oesterreichs, der katholischen Reichsstände brechen wollte. Und so wurden vom Sommer 1618 bis zum Sommer 1619, theils unter des Fürsten Einfluß, theils von ihm persönlich, in dieser Richtung Verhandlungen gepflogen. Aber die Verhandlungen, ohne festen Boden und festes Ziel wie sie waren, arteten bald in ein wildes Würfelspiel um Kronen und Fürstenthümer aus, über die man nicht verfügte; nur soviel konnten die empörten Böhmen, wie das Haus Oesterreich aus der Haltung der Pfälzer entnehmen, daß die Neigung zur Förderung des begonnenen Aufstandes bei ihnen vorhanden war. Da kamen denn die Ereignisse, welche von der Neigung zum Entschluß trieben. Im März des J. 1619 starb der Kaiser Matthias, im August wählten die Kurfürsten den König Ferdinand zum deutschen Kaiser, und in demselben Monat erhoben die vereinigten protestantischen Stände der böhmischen Kronlande den Kurfürsten F. V. zu ihrem Könige. Savoyen aber trat vom Schauplatze zurück. Die Wahl Friedrichs V. zum böhmischen König war die Belohnung dafür, daß die Pfälzer von Anfang an die Sache der Böhmen unter der Hand unterstützt und für eine offene Unterstützung derselben durch vereinte protestantische Mächte sich verwandt hatten. Sie war aber zugleich die Aufforderung an den Kurfürsten, einen Krieg zu eröffnen, in dem nicht nur über seine alten und neuen Lande entschieden werden mußte, sondern auch über die aufs äußerste gespannten Gegensätze der kirchlichen Parteien in Oesterreich und in Deutschland. Nichts war nun kläglicher als die Haltung des jungen Kurfürsten unter diesen großen Verwicklungen. Nicht frivol genug, um die Dinge leicht zu nehmen, und nicht [626] fähig, die Verhältnisse zu beherrschen, empfand er über den wilden Plänen Anhalts und den pedantischen Erörterungen seiner Räthe unbequeme Erregungen und düstere Stimmungen; dann aber ließ er sich durch das Drängen der Böhmen, denen Anhalt sich wahrscheinlich anschloß, plötzlich zur Annahme der böhmischen Krone bestimmen, und das zu einer Zeit, als er mit dem König von England noch unterhandeln ließ, ob er annehmen solle oder nicht, als er voraussehen konnte, daß die Union die böhmische Sache nicht zur ihrigen machen werde, als der Herzog von Bouillon gerade in einem Bedenken ausführte, es sei besser für F. als Bundeshaupt und General, dann als Gegenkönig die protestantischen Streitkräfte zu vereinigen. War es ein Wunder, wenn unter diesen Verhältnissen der Aufbruch Friedrichs von Heidelberg nach Prag (October 1619) wie ein Trauerzug aussah? Die energische Kurfürstin, deren Auge beim Abschied von England ebenso trocken geblieben war, wie später bei der Flucht aus der böhmischen Hauptstadt, brach diesmal in Thränen aus. – In demselben Monat, in dem F. die Pfalz verließ, schloß Ferdinand II. mit dem Herzog von Baiern den Münchener Vertrag, der ihm die Unterstützung der Streitkräfte der Liga gewährte; der Beistand Spaniens von den Niederlanden her war ihm damals so gut wie sicher, desgleichen die Hülfe des Königs von Polen, mit dem Oesterreich seit Jahren im Bündnisse stand. Ein halbes Jahr später sicherte der Mühlhauser Vertrag ihm die Hülfe des Kurfürsten von Sachsen und die Union ließ in dem Ulmer Vertrag (Juli 1620) den katholischen Streitkräften freie Hand gegen Böhmen. Die einzigen Verbündeten, die inzwischen F. V. fand, waren die protestantischen österreichischen Stände und jener Betlen Gabor, der in Ungarn eine ähnliche Rolle zu spielen begann, wie vor fünfzehn Jahren Stephan Bočskay. In Böhmen selber hatte F. zweierlei Armeen, eine, die ihm, und eine, die den Ständen gehörte, ebenso gab es zwei Kassen, die beide ungenügend waren zur Bezahlung der Truppen. Die Stände waren niedergeschlagen, weil sie die eigentlichen Mittel zum Kampfe nicht von sich, sondern von den Unirten, von England und den Generalstaaten, deren Bundesgenossenschaft F. V. ihnen zuführen sollte, erwartet hatten. Christian von Anhalt, dem man die Leitung des Kriegswesens übergeben hatte, rang mit der dreifachen Schwierigkeit des Geldmangels, der eigenen Unfähigkeit und der Zwietracht sowol der Offiziere als der Truppen. So war der Verfall der kaum gegründeten Regierung schon vorhanden, als am 8. November 1620 die kaiserlich-liguistischen Truppen unter Führung Tilly’s dem Heere Anhalt’s im Angesichte der Stadt Prag die Entscheidungsschlacht lieferten. Der eine Sieg, den Tilly damals erfocht, trieb den Hof Friedrichs aus Böhmen hinaus und bereitete eine furchtbare Reaction in den böhmischen Landen vor. Auch das Geschick Friedrichs V. wurde in Folge jener Schlacht entschieden. Der Kaiser verhängte die Acht über ihn, die spanischen und bairischen Truppen entrissen ihm die Pfalz. Bei dem Regensburger Fürstentag (1622–23) wurde seine Kurwürde an den Herzog von Baiern übertragen, demselben wurde die Oberpfalz zunächst als Pfand, dann (1628) dauernd eingeräumt. Fern vom Bereiche des Kaisers mußte F. seine Zuflucht im Haag suchen, wo er seit 1622 die Gastfreundschaft der Staaten und die Geldunterstützungen des Königs von England genoß. Indeß die unglückliche Erhebung der Böhmen und des pfälzischen Kurfürsten hatte doch die Folge, daß in Deutschland und Europa die feindlichen kirchlichen und politischen Mächte nacheinander in den Kampf gezogen wurden. Wenn F. als böhmischer König keine Bundesgenossen gefunden hatte, so wurde seine Restitution eine der Aufgaben, welche jede protestantische Macht, sobald sie in den Kampf eintrat, in ihr Programm aufnehmen mußte. Und so konnte F., in den politischen Verhandlungen als Mahner und Vermittler noch immer eine Rolle spielen. Bedeutend waren in [627] dieser Hinsicht die Dienste, welche ihm zwei treu gebliebene Räthe leisteten, Johann v. Rusdorf, als Gesandter in England (1622–27), und Ludwig Camerarius, als regelmäßiger Correspondent des schwedischen Reichskanzlers. Bezeichnend aber war es auch, daß letzterer schon im J. 1623, ersterer spätestens seit 1626 ein schwedisches Jahrgeld bezog. Zu Anfang des J. 1632, als Gustav Adolf die Schlacht bei Breitenfeld geschlagen hatte und die Rheinpfalz von Spaniern und Liguisten befreite, schien das Ziel der Restitution gekommen zu sein. Damals brach F. nach Deutschland auf und folgte dem Siegeszug Gustav Adolfs von Frankfurt bis München. Aber schon mußte er erfahren, daß bei den großen Verhältnissen, welche der Krieg angenommen, ein Unterschied zwischen der Vorwendung seiner Restitution und der wirklichen Erfüllung derselben war. Als vollends der schwedische König in der Schlacht von Lützen fiel, wurden seine Hoffnungen vereitelt. Dreizehn Tage darauf (29. November) brachte ihm ein heftiges Fieber den Tod, nachdem er gleich seinem Vater nur ein Alter von 36 Jahren erreicht hatte.

Vgl. die zum Art. Friedrich IV. angeführten Werke. In der Litteratur des dreißigjährigen Kriegs ist für F. V. besonders ausgiebig: Gindely, Geschichte des 30jährigen Krieges, Prag 1869; Söltl, Der Religionskrieg in Deutschland, Hamburg 1840; Krüner, Johann v. Rusdorf, Halle 1876. – Ich habe bei meiner Arbeit vielfach ungedruckte Acten zugezogen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Henri de La Tour d’Auvergne (* 28. September 1555 auf Schloss Joze, Auvergne; † 25. März 1623 im Schloss Sedan), Herzog von Bouillon, ab dem 9. März 1592 Marschall von Frankreich.
  2. gemeint ist wohl Burggraf Christoph von Dohna (* 27. Juni 1583 in Mohrungen; † 1. Juli 1637 in Orange), Politiker und Gelehrter zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, seit 1606 mit Christian von Anhalt am kurpfälzischen Hof.