Zum Inhalt springen

ADB:Gindely, Anton

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Gindely, Anton“ von Berthold Bretholz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 364–367, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gindely,_Anton&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 16:08 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Giseke, Robert
Band 49 (1904), S. 364–367 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Anton Gindely in der Wikipedia
Anton Gindely in Wikidata
GND-Nummer 116632607
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|49|364|367|Gindely, Anton|Berthold Bretholz|ADB:Gindely, Anton}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116632607}}    

Gindely: Anton G. wurde geboren am 3. September 1829 in Prag als Sohn eines deutschen Vaters, der daselbst das Tischlerhandwerk betrieb,[1][2] und einer slavischen Mutter, vollendete dort das Gymnasium und die sich daran anschließende „Philosophie“, bezog sodann die Universität, woselbst er theologische, juridische und philosophische Gegenstände hörte, darunter Geschichte [365] bei Constantin Höfler, der ihn für Arbeiten auf dem Gebiete der böhmischen Kirchengeschichte zu interessiren suchte. 1852 erwarb er den philosophischen Doctorgrad und legte gleichzeitig die Lehramtsprüfung für Geschichte, Geographie, deutsche Sprache, für den philosophischen Unterricht und auch für Mathematik und Physik ab, worauf er Lehrer an der böhmischen Realschule in Prag für deutsche Sprache wurde. Von 1853 bis 1855 wirkte er als Supplent für allgemeine und österreichische Geschichte an der Universität in Olmütz und veröffentlichte 1854 in den Schriften der Wiener Akademie seine erste Arbeit: „Ueber die dogmatischen Ansichten der böhmisch-mährischen Brüder nebst einigen Notizen zur Geschichte ihrer Entstehung“, worauf 1855 „Ueber die Verhandlungen am Landtage zu Prag im J. 1575 behufs rechtlicher Anerkennung der Lutheraner und böhmisch-mährischen Brüder in Böhmen“ und „Ueber des Johann Amos Comenius Leben und Wirksamkeit in der Fremde“, davon 1892 eine zweite, umgearbeitete Auflage bei Fournier und Haberler in Znaim erschien, folgten. Nach der Aufhebung der Olmützer Universität im J. 1855 wurde es ihm durch Unterstützung der Regierung möglich, größere archivalische Reisen in Böhmen, Polen und Deutschland zu unternehmen und vor allem das reiche Herrnhutsche Archiv kennen zu lernen. Das Ergebniß dieser Studien waren die beiden 1857–1858 in Prag erschienenen Bände „Böhmen und Mähren im Zeitalter der Reformation“. I. Abth.: Geschichte der böhmischen Brüder (1456–1609); der Schlußband, der die Fortsetzung enthalten sollte, ist nie erschienen. Aus diesem Werke erschien ein Abschnitt auch als selbständiges Buch „Geschichte der Ertheilung des böhmischen Majestätsbriefes von 1609“ (Prag 1858), doch vermehrt um einen zweiten Theil, der in dem beabsichtigten, aber nie erschienenen dritten Bande der „Geschichte der böhmischen Brüder“ hätte enthalten sein sollen. Dagegen veröffentlichte G. im J. 1859 als 19. Band der von der Wiener Akademie herausgegebenen „Fontes Rer. Bohemicarum“ als Ergänzung zu dem Hauptwerke: „Quellen zur Geschichte der böhmischen Brüder, vornehmlich ihren Zusammenhang mit Deutschland betreffend“. 1857 nach Prag zurückgekehrt wurde er Professor an der böhmischen Realschule daselbst für deutsche Sprache und Geschichte, nachdem er eine Ernennung zum Professor für Geschichte an der Rechtsakademie in Kaschau in Ungarn abgelehnt hatte. Doch erwirkte er sich alsbald längeren Urlaub für weitere archivalische Reisen nach Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande und Spanien (Simancas), über die er in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie 1862 u. d. T.: „Meine Forschungen in fremden und einheimischen Archiven“ eingehenden Bericht erstattete. Er unterbreitete darin der Akademie auch den Plan der Veröffentlichung des gesammten von ihm aufgefundenen historischen Materials für die Zeit von 1600 bis 1648; doch kam es zu dieser Publication nicht.

Im J. 1862 wurde G. außerordentlicher Professor an der Universität in Prag, gleichzeitig auf Palacky’s Verwendung Landesarchivar von Böhmen, 1867 ordentlicher Professor.

Anstatt den ursprünglich geplanten Publicationen wandte sich G. nunmehr ausschließlich darstellenden Arbeiten zu, die sich auf dem Gebiete des dreißigjährigen Krieges und der diesem vorangehenden Periode bewegten. Er begann mit dem zweibändigen Werke „Rudolf II. und seine Zeit. 1600 bis 1612“ (Prag 1863 u. 1868), darin er eine Vorgeschichte des dreißigjährigen Krieges liefern wollte und auf die Gründung der Union und die Persönlichkeit des Fürsten Christian von Anhalt das Hauptgewicht legte.

Fortan beschäftigten ihn zwei Aufgaben: einerseits die Weiterführung der böhmischen Geschichte von Palacky von 1526 an, andererseits eine umfängliche [366] Darstellung der Geschichte des 30jährigen Krieges in vier Abtheilungen: die erste von 1618–1620, sollte die Geschichte des böhmischen Aufstands, die zweite, 1621–1629, die Zeit des dänischen Krieges, die dritte die Geschichte Gustav Adolf’s und Waldstein’s, die vierte die Periode vom Prager bis zum Westfälischen Frieden umfassen.

Von diesem großen Plan konnte G. trotz größten Fleißes nur einen verhältnißmäßig kleinen Theil verwirklichen. Als Nebenstudie gleichsam zu der beabsichtigten Fortsetzung Palacky’s erschien 1869 die ungemein werthvolle „Geschichte der böhmischen Finanzen 1526–1618“ in den Denkschriften der kaiserl. Akademie Bd. XVIII. Im selben Jahre erschien dann auch der erste Band der 1. Abtheilung der „Geschichte des dreißigjährigen Krieges“ (Prag 1869), dem 1878 Band 2 und 3 der 1. Abtheilung und 1880 der vierte Band des ganzen Werkes als 2. Abtheilung mit dem Untertitel „Die Strafdekrete Ferdinand’s II. und der Pfälzische Krieg“ folgten. Neben diesem Hauptwerk erschienen noch Separatabhandlungen im „Archiv für österreichische Geschichte“, in den „Sitzungsberichten der Akademie“ und anderen Zeitschriften – u. a.: „Zur Geschichte der Einwirkung Spaniens auf die Papstwahlen, namentlich bei Gelegenheit der Wahl Leo’s XI. im J. 1605“ (Sitzungsber. 38. Bd.), „Der erste österreichische Reichstag im J. 1614“ (ebd. 40. Bd.), „Ueber die Erbrechte des Hauses Habsburg auf die Krone von Ungarn in der Zeit von den J. 1526–1687“ (Arch. f. ö. Gesch., Bd. 51), „Die Berichte über die Schlacht auf dem weißen Berge bei Prag“ (ebd. Bd. 65), „Ein Beitrag z. Biographie des Pater Dominicus a Jesu Maria, des Zeitgenossen der Schlacht auf dem weißen Berge“ (ebd. Bd. 65), „Die Gegenreformation und der Aufstand in Oberösterreich im J. 1626“ (Sitzungsber., Bd. 118), „Zur Geschichte Gabriel Bethlens“ (Ungar. Revue, 1890), „Das Zunftwesen in Böhmen vom 16. bis ins 18. Jahrhundert“ (Abh. d. kgl. böhm. Gesellsch. d. Wissensch. 1884), „Die maritimen Pläne der Habsburger und die Antheilnahme K. Ferdinand’s II. am polnisch-schwedischen Kriege während der Jahre 1627–1629. Ein Beitrag z. Geschichte d. 30jährigen Krieges“ (Denkschriften, Bd. 39), und verschiedene Aufsätze in böhmischer Sprache –, sowie mehrere große selbständige Werke. Unter diesen letzteren erregte „Waldstein während seines ersten Generalates im Lichte der gleichzeitigen Quellen 1625–1630“ (1885–86, 2 Bde.), in welchem Buche G. Wallenstein als Hochverräther schon in dieser Periode erklärte, Aufsehen und sehr erregte Polemiken, insbesondere mit Hallwich, auf die G. mit der Abhandlung: „Waldstein’s Vertrag mit dem Kaiser bei der Uebernahme des zweiten Generalates“ (Abhdlgn. der kgl. böhm. Gesellsch. d. Wiss., 7. Folge, 3. Bd., 1889) antwortete. – In ungarischer Sprache schrieb G. nach seiner Ernennung zum Mitgliede der ungarischen Akademie die „Geschichte Bethlen Gabors“ im J. 1890 in A. Szilaghyi’s „Magyar történeti életrajzok“ (Ungarische geschichtliche Denkwürdigkeiten), der sich noch im selben Jahre die Herausgabe der „Acta et documenta historiam Gabrielis Bethlen illustrantia“ in den Schriften der Ungarischen Akademie anschloß. Aus seinem Nachlasse veröffentlichte Th. Tupetz 1894 die „Geschichte der Gegenreformation in Böhmen“.

Als Landesarchivar von Böhmen leitete G. ferner die Herausgabe des Werkes „Die böhmischen Landtagsverhandlungen und Landtagsbeschlüsse vom Jahre 1526 an“, wovon bis zu seinem Tode sieben Bände erschienen waren. Allgemein bekannt wurde Gindely’s Namen durch seine „Lehrbücher der allgemeinen Geschichte für die Mittelschulen“, die in viele Sprachen übersetzt wurden und in zahlreichen Anstalten eingeführt waren; ebenso populär ist seine kurzgefaßte dreibändige „Geschichte des dreißigjährigen Krieges“, die 1882 [367] sowol in der „Sammlung Oesterreichischer Geschichte für das Volk“, als auch im „Wissen der Gegenwart“ erschien. In den Jahren 1873–1874 leitete G. den Unterricht des verstorbenen österreichischen Kronprinzen Rudolf in Geschichte. Ihm wurden reiche Auszeichnungen zu Theil, schon 1861 war er correspondirendes und seit 1870 wirkliches Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 364. Z. 4 v. u. ist hinzuzufügen: „† daselbst am 27. October 1892.“ [Bd. 55, S. 895]
  2. Gindely, Ant. XLIX 364 Z. 3 v. u. l.: † ebenda am 24. Okt. 1892. [Bd. 56, S. 396]