ADB:Maximilian I. (Herzog von Bayern)
Herzog Wilhelm V. von Baiern und Herzogin Renata von Lothringen. 1580 erhielt M. als ersten Lehrer den aus Salzburg berufenen Wenzel Petrsik (Petraeus) aus Budweis. Zum Hofmeister wurde Ulrich v. Preysing ernannt, an dessen Stelle jedoch schon 1581 Wilhelm Schliederer v. Lachen, ein Rheinländer, trat. Am 13. October 1587 bezog M. die Universität Ingolstadt, begleitet von dem in Theologie und Philologie bewanderten Juristen Johann B. Fickler, einem zunftmäßig gelehrten und die jesuitisch-katholische Richtung sehr schroff vertretenden Manne, der ihn in den Alten, in der Geschichte und im Recht unterwies. Von Vorlesungen hörte er, soviel bekannt, nur die Ethik bei dem Jesuiten Christof Marianus. Sein Stallmeister Astor Leoncelli lehrte ihn Italienisch und Französisch, der Ingenieur Carlo Detti Mathematik und die Hülfswissenschaften der Kriegskunst. Als Hofmeister wurde ihm bald statt Schliederers der Freiherr Philipp v. Laubenberg, ein Schwabe, beigeordnet. Am 3. April 1591 verließ er Ingolstadt, doch setzte er in München unter Fickler’s Leitung die Beschäftigung mit dem Recht und mit der Geschichte fort. Zugleich aber wurde er nun in die Regierungsgeschäfte eingeführt und wenn sich sein Vater außer Landes begab, zu dessen „Statthalter“ verordnet. Ende Februar 1593 stellte er sich in Prag dem Kaiser Rudolf II. vor und reiste dann nach Rom, um dem Papste die Abberufung seiner im Herbst 1592 dorthin gesandten, dem geistlichen Stande bestimmten Brüder weniger empfindlich zu machen. In der Absicht, längeres Verweilen jener zu erwirken, schickte Clemens VIII. Schwert und Hut, die er in der letzten Christnacht geweiht hatte, an M., doch ließ sich Wilhelm V. nicht umstimmen. Am 11. Mai reiste M. mit seinen Brüdern von Rom ab. Wie vorher den Kaiser, so hatte er auch den Papst durch sein Wesen sehr für sich eingenommen. Gemeinsam besuchten die Brüder Loretto. Dann reiste M. allein über Mailand nach Einsiedeln und von dort nach Nancy zu seinem Oheim, Herzog Karl von Lothringen. Für dessen Tochter Elisabeth faßte er damals warme Neigung, welche am 6. Februar 1595 zur Vermählung führte.
Maximilian I., Herzog, dann Kurfürst von Baiern, geb. am 17. April 1573 zu München, † am 27. September 1651 zu Ingolstadt. Eltern:Nach seiner am 3. Juli 1593 erfolgten Heimkehr wurde M. in wachsendem Maße zu den Regierungsgeschäften herangezogen. Verfügungen über innere Angelegenheiten erfolgten nun immer häufiger in seinem Namen und seit dem October wurde dies die Regel. Im December beschloß dann Wilhelm V. auf einem Landtage zu Landshut, die Regierungsarbeit ganz auf seinen Sohn zu übertragen und sich nur die Aufsicht zu bewahren. Die Einleitung zu einer derartigen Anordnung bildete es, daß Wilhelm die Landstände am 11. Januar 1594 dem Erbprinzen huldigen ließ. Die Ausführung verzögerte sich bis zum [2] 1. Januar 1595, da man die Verheirathung Maximilians abwarten zu müssen meinte und dieser vom 9. Mai bis zum 29. Juli 1594, ohne jedoch eine hervorragende Rolle zu spielen, dem Regensburger Reichstage beiwohnte. Nach seiner Verheirathung wurden ihm auch die Angelegenheiten der auswärtigen Politik überwiesen. Wilhelm enthielt sich jedoch nicht, fort und fort in die Verwaltung einzugreifen und dadurch erwuchsen bald so arge Mißstände, daß M. im Sommer 1596 seinem Vater nahe legen ließ, er möge vollständig abdanken. Nach längerem Zögern fertigte Wilhelm am 15. October 1597 die gewünschte Urkunde aus und nachdem daraufhin der Kaiser M. belehnt hatte, trat dieser am 4. Februar 1598 die Regierung an.
Der junge Fürst sah sich einer äußerst schwierigen Aufgabe gegenüber. Ungeheure Schulden lasteten auf der Landschaft und auf der Hofkammer. Die Ausgaben überstiegen die Einnahmen um die Hälfte. Die Steuerkraft des Landes war schon in sehr hohem Maße angespannt und Wilhelm hatte den Ständen für sich und seine Erben versprechen müssen, daß ihnen keine neuen Leistungen zugemuthet werden sollten. In der gesammten Verwaltung herrschten heillose Verwirrung, Unordnung und Nachlässigkeit, welche durch die Umbildung des mittelalterlichen Lehnstaates in einen absolutistischen Beamtenstaat erzeugt und durch die schlaffe Gutmüthigkeit Wilhelms V. gesteigert worden waren. Die höchsten Behörden waren unzureichend besetzt, die übrigen mit unfähigen und trägen Leuten überfüllt. Das öffentliche und wirthschaftliche Leben des Landes erforderte eine durchgreifende Neugestaltung seiner Formen und Gesetze. Der Wohlstand war im Sinken, Ueppigkeit und Bettel, Unbotmäßigkeit und Laster nahmen überhand. M. wußte jedoch dieser Mißstände, soweit es nur die Zeitverhältnisse gestatteten, Herr zu werden. Er schlug nicht neue Bahnen ein, sondern verharrte ganz im Gedankenkreise seiner Zeit. Aber was vor ihm schon geplant oder versucht worden, was nothwendig oder nützlich schien, führte er mit fester Hand durch, er schuf und erhielt Ordnung, er bildete sich einen tüchtigen Beamtenstand und hielt denselben in straffer Zucht, er beutete die alten Einnahmequellen sorgfältiger aus und eröffnete neue und er beobachtete die strengste Sparsamkeit, welche von den an sinnlose Verschwendung gewöhnten Zeitgenossen mit Unrecht als Geiz verschrieen wurde, denn für Zwecke, die ihm würdig schienen, war seine Hand allezeit offen, sein Hofstaat war, bis der 30jährige Krieg seine verderbliche Wendung nahm, noch zahlreicher als der seines Vaters und bei besonderen Anlässen entfaltete er in vollstem Maße die Pracht, welche seine Würde zu fordern schien. Zahllos sind die Anordnungen, Verfügungen und Gesetze, welche der neugestaltenden Thätigkeit Maximilians entsprangen. 1616 erschien nach langen Vorarbeiten der Codex Maximilianeus, ein alle Gebiete der Rechtspflege und des öffentlichen Lebens behandelndes Gesetzbuch, welches bis 1751 in Geltung blieb. Die bedeutendsten Erfolge erzielte er im Geldwesen. Schon in den ersten Jahren seiner Regierung wußte er die Ausgaben und Einnahmen ins Gleichgewicht zu setzen und nachdem dann die Landschaft 1605 die von Wilhelm V. herrührenden Schulden großentheils übernommen und seine Einkünfte gebessert hatte, vermochte er jährlich bedeutende Summen zurückzulegen. Noch 1630 enthielt sein Schatz 2 270 000 Gulden, ja sogar 1640 hatte er noch eine „ansehnliche Baarschaft“ in Vorrath, obwol der 30jährige Krieg so außerordentliche Anforderungen an ihn gestellt und er stets mit der Säumigkeit der Ligamitglieder in Entrichtung der Bundessteuern zu kämpfen gehabt hatte. Seit 1612 hatte er daneben auch die Landschaft zur Abtragung der von ihr übernommenen Schulden angehalten, indem er ihre Geldverwaltung seiner Aufsicht unterwarf. Die Einkünfte der Landschaft betrachtete er als Staatsgut und alle staatlichen Rechte derselben erschienen ihm als Uebertragungen der fürstlichen Gewalt, welche wegen [3] Mißbrauchs widerrufen werden könnten. Daraus folgerte er, daß die Stände unbedingt verpflichtet seien die für den Staat nothwendigen Steuern zu bewilligen und daß sie sich ihrer Rechte nur zum Besten des Staates bedienen dürften. Dieses Beste aber zu bestimmen, stand seiner Auffassung nach dem Landesherrn zu. Den Ständen Antheil an der Regierung zu gewähren, war er nicht geneigt. Nur um die Grundlagen für die von ihm beabsichtigten neuen Gestaltungen zu schaffen, berief er sie 1605 und 1612; später ließ er sich die erforderlichen Steuern durch den ständigen Ausschuß der Landschaft bewilligen. Thatsächlich wurde mithin Baiern unter ihm eine unbeschränkte Monarchie. Von dem Gesichtspunkte einer solchen faßte er überhaupt sein Verhältniß zu den gesammten Unterthanen auf. Das öffentliche und besondere Leben derselben erachtete er in allen Beziehungen der Gewalt des Herrschers unterworfen und er war der Ansicht, daß jedes Mitglied des Staates diesem mit äußerster Anspannung seiner Kräfte dienen und dessen Zwecken seinen eigenen Nutzen unbedingt unterordnen und opfern müsse. Seine Herrschaft war daher streng und vielfach hart und er wurde mehr gefürchtet als geliebt, aber sein Walten war im großen Ganzen heilsam und minder drückend als die schlaffere und weniger geordnete Regierung der meisten anderen Fürsten seiner Zeit. Zugleich gab es ihm die Möglichkeit, eine weit über das Verhältniß des Umfanges und der natürlichen Hülfsmittel Baierns hinausgehende politische Machtstellung zu gewinnen.
Die Aufgaben der inneren Neugestaltung mit ihrer ungeheueren Arbeitslast nahmen während der ersten zehn Jahre seiner Regierung, in welchen sie der Hauptsache nach gelöst wurden, Maximilian’s Thätigkeit und Aufmerksamkeit beinahe ausschließlich in Anspruch und sein politisches Wirken wurde vorzugsweise durch territoriale Interessen bestimmt. Den ausgedehnten politischen Briefwechsel, welchen sein Vater gepflogen hatte, stellte er ein und der Einmischung in auswärtige Angelegenheiten ging er geflissentlich aus dem Wege. Nur dann befaßte er sich mit solchen, wenn er von anderer Seite dazu genöthigt wurde. Sogar den großen Parteistreitigkeiten des Reiches schenkte er wenig Beachtung, obwol sie seit 1598 eine so schroffe und verhängnißvolle Entwickelung nahmen. Er begnügte sich, den jeweiligen Angriffen der evangelischen Bewegungspartei gegenüber die Reichsverfassung und die katholische Auffassung des Religionsfriedens zu vertreten, und weit entfernt, unter den katholischen Ständen eine leitende Stellung einzunehmen oder auch nur anzustreben und die Bemühungen seines Vaters um eine festere Einigung jener fortzusetzen, löste er am 4. März 1599 den Landsberger Bund auf und bewies er noch in den Jahren 1605 und 1606 gegenüber den an ihn gerichteten Aufforderungen, ein Bündniß der deutschen Katholiken zu betreiben, geringe Geneigtheit. Die einzigen auswärtigen Angelegenheiten, welchen er aus eigenem Antriebe lebhaften Antheil widmete, waren der Türkenkrieg, der von 1593 bis 1606 durch Kaiser Rudolf II. geführt wurde, und der 1605 ausbrechende ungarische Aufstand. Auch da aber bestimmte ihn vorzugsweise der Umstand, daß Baiern nächst den kaiserlichen Landen zumeist gefährdet erschien. Um jenes mit diesen zu sichern, bemühte er sich fort und fort eifrigst, daß das Reich mit dem Kaiser seine ganze Kraft gegen den Erbfeind wende, und zu diesem Zwecke suchte er sogar mit den hervorragenden protestantischen Fürsten nähere Beziehungen anzuknüpfen. Zugleich ließ ihn die Furcht vor den Türken und Ungarn die schon unter Wilhelm V. vorbereitete Bildung einer tüchtigen Landwehr anstreben. Aehnliche Bemühungen wurden, wenngleich meist aus anderen Gründen theils schon früher, theils zur selben Zeit in fast allen deutschen Gebieten unternommen. M. widmete ihnen jene rege und nachdrücklichr Thätigkeit, welche er bei Allem, was er begann, entwickelte, und jede Niederlage der Kaiserlichen ließ ihn seine Anstrengungen steigern. [4] Der Gedanke an einen künftigen Krieg mit der protestantischen Bewegungspartei aber lag ihm in jenen Jahren so fern, daß er sämmtliche Reichsstände zu veranlassen wünschte, die gleichen Einrichtungen wie er zu treffen. Auch beabsichtigte er nicht, durch jene geworbenes Kriegsvolk überflüssig zu machen und etwa ein stehendes Volksheer zu bilden. Sie sollten vielmehr, wie schon ihr Name „Landesdefensionswerk“ andeutet, nur die Möglichkeit gewähren, Baiern gegen streifende Schaaren zu schützen und einem Angriffe zu widerstehen, bis durch geworbene Truppen und Hülfe der Reichskreise Rettung gebracht werde. Die geringe Kriegstüchtigkeit, welche, wie es in der Natur der ganzen Einrichtung lag, bei der Landwehr erzielt wurde, verbot von selbst ihr größere Aufgaben zu stellen, und M. stellte ihr solche auch dann nicht, als seine Politik die engen Schranken der Territorialinteressen verließ.
Die Umwandlung seiner Politik veranlaßte der Kampf um Donauwörth. In dieser kleinen schwäbischen Reichsstadt wurde am 25. April 1606 eine katholische Bittfahrt trotz einem Schutzbefehle des Kaisers von Bürgern, Handwerksgesellen und Buben unter Gewaltthaten und Beschimpfungen gesprengt. Der Rath suchte sich gegenüber einem neuen Befehle des Kaisers damit auszureden, daß „die Obrigkeit dem gemeinen Gesindlein nicht allzeit steuern könne“. Darauf bevollmächtigte der Kaiser unseren Herzog als Nachbar darüber zu wachen, daß die Katholiken in der Ausübung ihres Gottesdienstes nicht gestört würden. Das geschah ohne Vorwissen Maximilian’s und dieser übernahm den Auftrag, ohne eigennützige Hintergedanken und weitsichtige Pläne daran zu knüpfen, lediglich deshalb, weil es ihm als Pflicht erschien, seinen Glaubensgenossen beizuspringen. Wie er einem Auftrage des Kaisers zufolge in den Jahren 1602 und 1604 sich bemüht hatte, den „Beschwerden“ der Katholiken zu Kaufbeuren abzuhelfen, so hatte er in Donauwörth ausschließlich dieses Ziel im Auge, als er zu einer Kreuzfahrt, welche im April 1607 stattfinden sollte, seine Subdelegirten abordnete. Diese wurden jedoch durch die sich gegen den nachgiebigen Rath auflehnenden Bürger beschimpft und verjagt. Dadurch erhielt die Angelegenheit, welcher M. bis dahin kein Gewicht beigemessen hatte, in seinen Augen eine ganz außerordentliche Bedeutung. Ihm, der ein sehr starkes und empfindliches Gefühl seiner fürstlichen Hoheit besaß, war in seinen Subdelegirten Schmach angethan und schwere Einbuße drohte dem Ansehen des Kaisers, auf welchem dessen Einfluß im Reiche und der Bestand der Reichsverfassung gutentheils beruhten und in welchem die Katholiken bis dahin vielfach mächtigen Rückhalt gefunden hatten. M. beantragte, daß der Kaiser die bereits früher angedrohte Achtserklärung gegen die Stadt sofort erlasse. Dann pflog er jedoch auf Wunsch des Kaisers mit dem Rath noch dreimal Verhandlungen. Er suchte durch dieselben aufrichtig und ernstlich einen Ausgleich, wenn er auch seine Forderungen zu Gunsten der Katholiken immer mehr steigerte, je mehr er über die denselben auferlegten Beschränkungen unterrichtet wurde. Seine Bemühungen scheiterten jedoch jedesmal durch die Unbotmäßigkeit der Bürgerschaft und durch die kurzsichtigen Rathschläge protestantischer Nachbarstände. Da ließ er endlich am 12. November 1607 die ihm durch den Kaiser zugestellte Achtserklärung veröffentlichen und am 17. December zwang er durch ein rasch gebildetes Heer die Stadt zur Ergebung. Als er sie in Händen hatte, kam ihm der Gedanke, sie zu behalten, und er wußte es dahin zu bringen, daß sie ihm vom Kaiser am 3. Juni 1609 als Unterpfand für seine Executionskosten, welche die Stadt nicht bezahlen konnte, überwiesen wurde. Darauf wurde die reichsstädtische Selbstverwaltung thatsächlich abgeschafft und die evangelische Bürgerschaft durch harte Bedrückung allmählich zur Annahme des Katholicismus genöthigt.
[5] Die Besetzung Donauwörths richtete die Augen von ganz Deutschland auf den Herzog, welcher eine Thatkraft entwickelt hatte, die seit Menschengedenken im Reiche unerhört war. Ihm selbst aber eröffnete der Donauwörther Handel das Verständniß für die Verhältnisse im Reich, indem mehr und mehr evangelische Stände sich einmischten, die Bürger zum Trotze verleiteten und ihre die katholische Auffassung des Religionsfriedens und die kaiserliche Gerichtsbarkeit bekämpfenden Grundsätze immer schroffer kundgaben. Nun begann M. einzusehen, daß die Parteistreitigkeiten im Reiche aus principiellen und unausgleichbaren Gegensätzen entsprangen, daß die Bestrebungen der protestantischen Bewegungspartei zum Untergang des Kaiserthums, der bestehenden Reichsverfassung und des deutschen Katholicismus führen mußten und daß die Entwickelung der Dinge im Reiche zu einem großen inneren Kriege hintrieb. Diese Erkenntniß wurde ihm befestigt und vertieft durch den Reichstag des Jahres 1608, wo die Protestanten ihre Ansichten und Forderungen schroffer als je zuvor kundgaben und die Versammlung durch ihren Abzug sprengten, als die Katholiken sich die Ansprüche, die sie kraft des Religionsfriedens zu besitzen meinten, auch für die Zukunft wahren wollten. In Folge davon nahm M. den Gedanken an die Errichtung eines katholischen Bündnisses auf. Er beabsichtigte anfangs, dasselbe unter die Leitung des Kaisers zu stellen. Da jedoch der österreichische Hausstreit ausbrach und vorauszusehen war, daß dieser die Macht des Kaisers auf lange Zeit lähmen werde, während er die Gefahr im Reiche steigerte, änderte M. seinen Plan. Um indes nach Möglichkeit im Rahmen der Reichsverfassung zu beharren, wollte er die Anregung zu dem Bündnisse durch den Reichserzkanzler, den Kurfürsten von Mainz, als den berufenen Vertreter der Stände gegeben sehen. Erst als dieser zögerte, nahm er die Sache in die Hand und betrieb sie nun mit gewohntem Eifer. Furchtsamkeit, Opferscheu und kurzsichtige Rücksichtnahme auf den Kaiser bereiteten ihm bei den geistlichen Ständen große Schwierigkeiten. Seine Beharrlichkeit und kurpfälzische Gewaltthaten brachten es jedoch schließlich dahin, daß nach vorbereitenden Abschlüssen im J. 1609 am 10. Februar 1610 die drei geistlichen Kurfürsten, mehrere Bischöfe und einige Prälaten zu Würzburg mit ihm eine katholische Defension oder Union schlossen, für welche – zuerst wol im Munde der Gegner – der Name Liga in Gebrauch kam. Zu Directoren wurden für Niederdeutschland Kurmainz, für Oberdeutschland M. erwählt; im Kriege sollte Letzterer allein den Oberbefehl führen. Alle katholischen Mitglieder des Reiches sollten zum Beitritt, Spanien und der Papst zu Beisteuern, Frankreich zur Neutralität bewogen werden. Der Zuziehung reichstreuer Protestanten widerstrebte M. dagegen, weil zwischen diesen und den Katholiken doch in wichtigen Fragen Meinungsverschiedenheit bestehe; er wollte mit ihnen nur ein weniger enges Verhältniß eingehen. Der Zweck der Liga war ein rein vertheidigender, die Abwehr nämlich von Verletzungen des Land- und Religionsfriedens von Seite der protestantischen Bewegungspartei.
Bald wurde die Leistungsfähigkeit des Bundes auf die Probe gestellt, indem die protestantischen Unirten sich mit ausländischen Mächten verbündeten, um den Erzherzog Leopold aus Jülich zu vertreiben, und das Unternehmen durch Einfälle in verschiedene Bisthümer einleiteten. Rudolf II. forderte auf Anrathen eines eben in Prag versammelten Fürstentages M. auf, mit dem Kurfürsten von Sachsen die Execution gegen die Friedensstörer zu übernehmen. Der Herzog war sehr geneigt, den Frieden des Reiches durch Niederwerfung der Bewegungspartei für die Zukunft zu sichern; da er jedoch nirgends ausreichende Unterstützung bereit fand, lehnte er den Auftrag ab. Indes zwang er die Mitglieder der Liga durch die Drohung, das Bundesoberstenamt niederzulegen, zu umfassenden Vorkehrungen für ihre Vertheidigung und trug dadurch wesentlich dazu bei, [6] daß die Unirten nach der Einnahme Jülichs auf weitere Unternehmungen verzichteten und durch eine nach München abgeordnete Gesandtschaft Frieden suchten. Am 24. October 1610 wurde derselbe geschlossen, denn auch M. wünschte ihn dringend, da die Liga keineswegs in der Verfassung war, den Kampf mit den Gegnern aufzunehmen. Durch sein Geschick und seine Festigkeit wußte er jedoch zu bewirken, daß die Liga und insbesondere er mit vermehrtem Ansehen aus den Verhandlungen hervorgingen.
Eine neue Probe seiner entschlossenen Thatkraft gab M. im folgenden Jahre gegenüber dem Erzbischofe Wolf Dietrich von Salzburg. Nach vielfachen früheren Reibungen kam es zwischen den beiden Nachbarn zum Bruch, als M. den Erzbischof zur Kündigung eines 1594 errichteten, für Baiern ungünstigen Salzvertrages drängte und Wolf Dietrich im Verfolg des Streites, statt sich auf die Vertheidigung seines guten Rechts zu beschränken, die Probstei Berchtesgaden, deren Inhaber des Herzogs Bruder Ferdinand war, mit Kriegsvolk besetzte. Rasch bildete darauf jener ein Heer, rückte Ende October 1611 in das Erzstift ein und ließ den Erzbischof, der in kopfloser Angst flüchtete, gefangen nehmen und durch sein Domcapitel, welchem der tyrannische, wunderliche Herr ebenso verhaßt war wie seinen Unterthanen, zur Abdankung zwingen. Dann hielt er denselben bis zum Tode in harter Haft, damit er nicht die Wiedererlangung des Stiftes versuchen oder andere Ungelegenheiten bereiten könne. Mit dem Capitel schloß M. alsbald einen neuen Salzvertrag, der seinen Wünschen entsprach, den erhofften Nutzen jedoch nicht völlig brachte, da manche frühere Abnehmer des Salzburgischen Salzes während der vorausgegangenen Streitigkeiten, die dessen Ausfuhr hinderten, sich an andere Bezugsquellen gewandt hatten. Der Kaiser und der Papst wagten gegen des Herzogs Vorgehen nicht ernstliche Einsprache zu erheben, zumal Wolf Dietrich längst durch sein kirchliches, sittliches und politisches Verhalten das Mißtrauen und den Unwillen der jesuitisch-katholischen Partei erweckt hatte. Dagegen scheiterte Maximilians Bemühen, das reiche Erzstift an ein Mitglied seines Hauses zu bringen, an dem Gegenwirken des österreichischen Hauses und er mußte sich begnügen die Wahl eines ihm genehmen Domherrn zum Erzbischof zu erwirken, der dann freilich in der Folge gleichwol an Oesterreich Rückhalt gegen den unbequemen Nachbarn suchte.
Die Eifersucht, welche die Habsburger von jeher gegen Baiern hegten, wuchs mit dem steigenden Ansehen und mit jedem Erfolge Maximilians. Vor Allem stellten sie sich seinen Bundesbestrebungen hemmend in den Weg. Gleich anfangs verlangten die Spanier für den Erzherzog Ferdinand Antheil am Directorium und Rudolf II. zeigte sich der Liga überhaupt abgeneigt, weil er von ihr Beeinträchtigung der kaiserlichen Gewalt besorgte. Aus demselben Grunde und vor Allem, um einen Rückhalt gegen die aufsätzigen, protestantischen Stände der Hauslande zu gewinnen, suchte dann Khlesl, seit Matthias Kaiser geworden, die Liga dessen Einfluß zu unterwerfen, während Erzherzog Albrecht, der Statthalter der spanischen Niederlande, welcher ihr beitrat, sie in der Jülicher Frage und gegen die Holländer auszubeuten trachtete. M. wollte jedoch den Bund nicht im Dienste der habsburgischen Hausinteressen seine Kräfte verbrauchen lassen; beim Kaiser glaubte er auf eine entschiedene und kräftige Vertretung der Zwecke des Bundes nicht rechnen zu dürfen und die Theilung der Oberleitung an drei Directoren hielt er um so mehr für verderblich, als er voraussah, daß der ängstliche und in unklaren Vermittelungswünschen befangene Kurfürst von Mainz in allen Fragen ihn mit Oesterreich niederstimmen werde. Die Entwickelung der deutschen Verhältnisse bestärkte ihn immer mehr in der Ueberzeugung, daß man früher oder später den Fortbestand des deutschen Katholicismus und der Reichsverfassung mit den Waffen gegen die Union werde vertheidigen müssen, [7] und für diesen Kampf wollte er die Kräfte der katholischen Stände zusammenfassen. Die deutschen Habsburger sollten dem Bunde nur als einfache Mitglieder unter Ausschluß ihrer Hausinteressen beitreten. Wie er selbst jede Einmischung in den österreichischen Hausstreit und in die Kämpfe, welche Rudolf und Matthias mit ihren Ständen zu bestehen hatten, abgelehnt, so sollte nach des Herzogs Meinung auch die Liga sich auf die Abwehr der im Reiche drohenden Gefahr beschränken. Mit Hülfe des Kurfürsten von Mainz setzten es jedoch die Habsburger 1613 durch, daß die Bildung eines dritten Directoriums für den Erzherzog Maximilian beschlossen und der Liga eine Verfassung gegeben wurde, welche sie in ein confessionsloses, vom Kaiser abhängiges Bündniß verwandeln sollte. Das schwächte des Herzogs Hoffnung auf eine kräftige Wirksamkeit derselben. Vollends aber schwand ihm diese durch das Verhalten der meisten geistlichen Stände, welche sich trotz seinen Bemühungen nicht zu den Leistungen verstehen wollten, die er für unerläßlich erachtete. Er schloß daher im März 1614 mit einigen eifrigen oberdeutschen Stiftsherren ein Sonderbündniß, um wenigstens deren Macht mit der seinen zur nachdrücklichen Vertheidigung bereit zu halten. Als dann in der Folge die Lässigkeit der meisten geistlichen Stände andauerte, Erzherzog Maximilian aber sein Directorium zu beschränken und demselben einen seiner treuesten Bundesgenossen zu entziehen suchte, da legte er am 14. Januar 1616 das Bundesoberstenamt nieder, denn er wollte nicht eine Aufgabe übernehmen, deren Lösung er unter den gegebenen Verhältnissen für unmöglich hielt. Gegen einen im selben Jahre gestellten Antrag des Erzherzogs Maximilian, ein großes katholisches Heer im Reiche zu bilden, sprach er sich mit aller Entschiedenheit aus, theils weil dadurch die katholischen Stände erst recht den habsburgischen Sonderabsichten dienstbar werden müßten, theils und vor Allem, weil man so den Angriff auf die Protestanten beginnen werde. Sein Zweck war nach wie vor lediglich, eine ausreichende Vertheidigung vorzubereiten. Für diesen aber zu wirken, wurde er nicht müde. Als Kaiser Matthias die Auflösung der Liga befahl und diese nun völlig verfiel, schloß M. alsbald am 12. Mai 1617 an Stelle des durch Erzherzog Maximilians Umtriebe gesprengten Sonderbündnisses von 1614 mit vier oberdeutschen Prälaten insgeheim einen nachbarlichen Schirmverein und trotz allen Kränkungen war er stets entschlossen, auch den übrigen Glaubensgenossen im Falle der Noth nach Kräften beizuspringen.
Seine ganze auswärtige Politik wurde in erster Reihe durch die Besorgniß vor den Umsturzplänen der Union bestimmt und es gelang ihm, dieser einen Verlust von großer Bedeutung zu bereiten. Schon 1599 scheint M. die Hoffnung gehegt zu haben, den Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von Neuburg durch die Heirath mit seiner Schwester Magdalena dem Katholicismus zu gewinnen. Ein zwei Jahre später zu Regensburg veranstaltetes Religionsgespräch zwischen bairischen und neuburger Theologen endete freilich mit der Niederlage jener und der donauwörther Streit entfremdete die beiden Höfe einander. Als indeß Wolfgang Wilhelm später mit dem Markgrafen von Brandenburg, welcher neben ihm von der jülicher Erbschaft Besitz ergriffen hatte, zerfiel und sein Gegner von der Union und den Holländern unterstützt wurde, suchte er seinerseits Rückhalt bei katholischen Mächten und warb um die Hand Magdalenens. M. machte den Uebertritt des Pfalzgrafen zur Bedingung und bemühte sich persönlich, denselben zu belehren. Am 19. Juli 1613 trat Wolfgang heimlich, und am 25. Mai 1614, nachdem er sich mit Magdalena vermählt hatte, öffentlich zum Katholicismus über. Dadurch brach er mit der Union und die große Gefahr, welche der Uebergang der jülicher Lande in protestantische Hände für die westdeutschen Katholiken geschaffen hatte, wurde paralysirt.
[8] Die Unirten verkannten nicht, daß M. ihnen ein gefährlicher Gegner sei. Im Februar 1618 kam Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz selbst nach München, um ihm die Kaiserkrone anzubieten und ihn dadurch den Habsburgern zu verfeinden. Eine schwere Versuchung trat damit an den Herzog heran. In früheren Jahren hatte er nach der höchsten Würde der Christenheit, die schon einer seiner Vorfahren besessen hatte, Verlangen getragen. Jetzt konnte das Unternehmen, sie zu erwerben, gelingen. Er selbst hielt es für wünschenswerth, die ständischen Rechte vor den zunehmenden Uebergriffen der Habsburger zu sichern. Für Ferdinand II., der nach den Plänen jener auf Matthias folgen sollte, hegte er keineswegs eine innige Freundschaft. Derselbe hatte ihn bei ihrem Zusammensein in Ingolstadt beleidigt und M. war nicht danach angethan, dergleichen zu vergessen. Vor Allem aber hielt er sich mit bitterem Groll stets alle jene Kränkungen und Beeinträchtigungen gegenwärtig, welche seine Vorfahren und er von den Habsburgern erlitten hatten; frisch stand die Bekämpfung seiner Stellung in der Liga vor seiner Erinnerung und er zweifelte nicht, daß das Haus Oesterreich auch in Zukunft ihm ebenso mit Undank lohnen und sein Emporkommen ebenso zu hindern suchen werde, wie es dies seinen Vorgängern gegenüber gethan habe. Aber er erwog, daß, falls er die Kaiserkrone annehme, Ungarn und die österreichischen Lande, die Vormauer der Christenheit, dem Türken zur Beute fallen könnten, daß er seine Wahl von den Unirten auf Kosten des Katholicismus und der Reichsverfassung werde erkaufen müssen und daß er in schweren Krieg mit den Habsburgern gerathen werde. So lehnte er denn mit aller Bestimmtheit unbedingt ab und die erneuten Versuche der Kurpfälzcr, welche nicht aufhören wollten zu glauben, was sie wünschten, erfuhren immer wieder nur die gleichen, entschiedenen Zurückweisungen, obwohl der böhmische Aufstand die Aussicht auf Erfolg vermehrte.
Dieser Aufstand bot dem Herzoge zugleich die Möglichkeit, aus dem Zusammenbruch der habsburgischen Herrschaft die einst von Oesterreich Baiern entrissenen Gebiete wiederzugewinnen und sich darüber hinaus zu vergrößern, während ein Eintreten für Matthias und Ferdinand ihn zugleich mit diesen ins Verderben stürzen konnte. Seine Familie, seine Räthe und seine Landschaft empfahlen ihm, neutral zu bleiben. Er selbst schwankte. Aber schließlich entschied die Erwägung, daß mit Oesterreich der Katholicismus und das Reich fallen würden. Seine eigene Macht erschien ihm indeß nicht ausreichend, um den Kampf aufzunehmen, da er nicht zweifelte, daß der böhmische Aufstand sich in die anderen Hausländer fortpflanzen und die Union ihre Waffen mit Unterstützung auswärtiger Mächte zur Durchführung ihrer alten Pläne erheben werde. Seit Ende 1618 mahnte er daher immer dringender Spanien, den Papst und die katholischen Reichsstände zur Mitwirkung, während er einstweilen den Kaiser mit Geld und Kriegsbedarf unterstützte. Es gelang ihm, zu bewirken, daß die Liga erneuert und ihm für den Kriegsfall der unbeschränkte Oberbefehl über das Bundesheer übertragen wurde. Die Rüstungen der Liga, welche er darauf veranlaßte, sollten das Schwert der Union in der Scheide halten. Seinerseits aber versprach er Ferdinand II. gleich nach des unentschiedenen Matthias Tode bewaffnete Hülfe gegen dessen aufständische Unterthanen. Nachdem dann jener zum Kaiser und Friedrich V. zum König von Böhmen erwählt worden war und damit der Entscheidungskampf unvermeidlich wurde, schloß M. zu München am 8. October 1619 in seinem und der Liga Namen ein Bündniß mit Ferdinand, welcher hingegen für sich und sein Haus auf jede Beschränkung oder Behinderung der dem Herzoge durch die Liga übertragenen Vollgewalt verzichtete und alle Kosten, welche jener über seine Bundessteuern hinaus aufwenden werde, sowie etwaigen Verlust an Land zu ersetzen versprach, überdies aber mündlich [9] dem Herzoge den Besitz der Reichsgebiete, die er etwa erobern werde, und die Uebertragung der pfälzischen Kur an Baiern zusicherte. Mit dem letzten Zugeständnisse hatte Ferdinand die der Lage der Dinge nach selbstverständlichen und mäßigen Forderungen Maximilians aus eigenem Antriebe ergänzt und der Herzog nahm das Anerbieten, ohne die verhängnißvollen Folgen, welche dessen Erfüllung nach sich ziehen mußte, zu würdigen, an, weil es dem Katholicismus großen Vortheil in Aussicht stellte und weil er, wie er schon in früheren Jahren kundgegeben hatte, der Ueberzeugung war, daß die Kur von Rechts wegen Baiern gebühre. Auch jetzt erhob er jedoch noch nicht die Waffen. Er wollte des Erfolges soweit wie möglich sicher sein, ehe er Alles aufs Spiel setzte. Während er seine und der Liga Rüstungen mit größtem Eifer betrieb, verdoppelte er seine Bemühungen, ausgiebige Unterstützung zu gewinnen, und ihnen vor Allem war es zu danken, daß sich der Papst zu einer beträchtlichen Geldhülfe verstand und Spanien und der Kurfürst von Sachsen sich zur Theilnahme am Kriege entschlossen. Wie jedoch M. Friedrich durch die dringendsten Warnungen von der Annahme der böhmischen Krone zurückzuhalten gesucht hatte, so versuchte er auch die Ausdehnung des Krieges auf das Reich zu verhüten und durch seine Festigkeit und Entschiedenheit brachte er es, von einer französischen Gesandtschaft unterstützt, wirklich dahin, daß die Union am 3. Juli 1620 einen Neutralitätsvertrag mit der Liga abschloß. So im Rücken gesichert, zog er dann an der Spitze eines auserlesenen Heeres nach Oberösterreich und Böhmen. Obwohl er nicht verkannte, daß ihm Feldherrngaben fehlten, und er daher die Leitung der Kriegsunternehmungen ganz den Officieren überließ, glaubte er doch durch seine Anwesenheit nützen zu können, und in der That war gutentheils sie es, welche trotz der sich entgegenstellenden Schwierigkeiten und trotz der allzu bedenklichen Vorsicht des kaiserlichen Oberbefehlshabers die Schlacht am Weißen Berge ermöglichte, durch welche die Macht der Pfälzer zertrümmert und die Herrschaft des Kaisers über seine Hauslande hergestellt wurde.
Die Politik Maximilians in den folgenden dreißig Jahren ist noch nicht genügend erforscht. Es kann daher hier nur ein Versuch, ihren Gang darzulegen, unternommen werden.
Nach dem Prager Siege wünschte M. die Herstellung des Friedens und er war unter der Voraussetzung, daß ihm die Kur zu Theil werde, zur Verständigung mit Friedrich V. geneigt. Wenn er Ansprüche auf dessen Lande geltend machte, so geschah das nur, um die Forderung der Kur zu unterstützen. Die Haltung des Pfälzers und seiner Anhänger gab ihm jedoch die Ueberzeugung, daß diese den Frieden nicht wollten und lediglich danach trachteten, den Krieg fortzuspinnen und auszudehnen. Deßhalb hielt er jede Verhandlung für unzulässig, wenn nicht Friedrich sich vorher unterwerfe und vollständig abrüste, und insbesondere verwarf er einen Waffenstillstand, weil ein solcher die Kräfte des Kaisers und der Liga, die gerüstet bleiben müßten, erschöpfen, den Gegnern aber die Gelegenheit geben werde, in katholischen Gebieten lagernd, ihre Rüstungen zu vervollständigen und nach allen Richtungen hin feindselige Umtriebe anzustellen. Völlige Niederwerfung jener schien ihm der einzige Weg zum Frieden und um so dringender geboten, als die Haltung mancher evangelischen Reichsstände und der auswärtigen Mächte wie insbesondere Dänemarks zu ernstlichen Besorgnissen Anlaß boten. Diese Ansicht vertrat er gleich anfangs in Bezug auf Mansfeld, der zuerst in Böhmen und dann in der Oberpfalz den Krieg im Namen Friedrichs V. fortsetzte. Irrungen zwischen ihm und dem Kaiser und die Nothwendigkeit, sein Heer zu verstärken, ließen ihn indeß erst im September 1621 zum Angriff schreiten. Rasch besetzte das Heer, welches er wiederum selbst begleitete, die Oberpfalz. Mansfeld zog jedoch, einen mit M. geschlossenen Vertrag [10] brechend, an den Rhein, um dort den Krieg fortzusetzen. Dadurch sah sich M. gezwungen, ihm Tilly nachzusenden, denn es galt nun, die rheinischen Mitglieder der Liga zu schützen, zumal auch der Administrator Christian von Halberstadt zum Angriff rüstete. Das Erscheinen des Ligaheeres am Rhein bestimmte den Markgrafen von Baden-Durlach, die Waffen zu ergreifen. Tilly schlug 1622 ihn und den Halberstädter, nöthigte diesen und Mansfeld den Reichsboden zu verlassen und eroberte die rechtsrheinische Pfalz. Damit war jedoch die Gefahr noch nicht beseitigt. Mansfeld setzte sich in Ostfriesland, der Halberstädter in Niedersachsen fest; ein Theil der Stände dieses Kreises beobachtete eine zweideutige Haltung; Landgraf Moriz von Hessen-Kassel und einige thüringische Fürsten rüsteten. M. hielt es daher für nothwendig, durch rasches Vorgehen den feindselig Gesinnten zuvorzukommen, die Schwankenden zum Anschluß an den Kaiser zu nöthigen und die ruhelosen Bandenführer vom Reichsboden zu vertreiben. Erst im Mai 1623 erhielt jedoch Tilly vom Kaiser die gewünschte Vollmacht. Darauf besetzte er Hessen, trieb Christian von Halberstadt durch den Sieg bei Stadtlohn nach Holland und bestimmte die niedersächsischen Stände zur Entwaffnung. Mansfeld anzugreifen hinderten ihn verschiedene Rücksichten, doch sah sich dieser gleichwohl gezwungen, sein Heer aufzulösen und aus Deutschland zu weichen. Kein Feind stand nun mehr dem Kaiser und der Liga im Reiche gegenüber.
Inzwischen hatte Ferdinand II. auf Andringen des Papstes am September 1621 die Kur durch ein geheimes Schreiben auf M. und dessen Erben übertragen. Die öffentliche Belehnung erfolgte auf einem Reichsdeputationstage zu Regensburg am 25. Februar 1623. Dort wurde jedoch die endgültige Entscheidung über die Kurfrage einem künftigen Kurfürstentage vorbehalten, dessen Spruch sich zu unterwerfen, M. geloben mußte. Daß der Kaiser ihm insgeheim den Besitz der Kur für alle Fälle auf Lebenszeit zusicherte, konnte ihm nicht als ausreichender Ersatz für diese Niederlage erscheinen, die durch den Widerstand der evangelischen Kurfürsten, durch die Nebenbuhlerschaft des nächsten Agnaten der Kurpfälzer, Wolfgang Wilhelms von Neuburg, durch die vermittelnde Haltung des Kurfürsten von Mainz und gutentheils durch das Entgegenwirken Spaniens herbeigeführt worden war. Spanien wurde durch die alte Furcht, daß in M. den Habsburgern ein gefährlicher Nebenbuhler im Reiche erwachsen könne und durch sein Streben nach einer engen Verbindung mit England bestimmt. Es hatte sich aber auch bereits ein unmittelbarer Gegensatz zwischen seiner Politik und der des neuen Kurfürsten herausgebildet. Spanien wünschte, wie man wenigstens glaubte, die seit 1620 von ihm eroberte linksrheinische Pfalz, welche für die Verbindung seiner niederländischen und italienischen Besitzungen so hohen Werth hatte, zu behalten; gemeinsam mit Erzherzog Leopold, dem Bruder des Kaisers, hatte es ferner die Pässe aus Italien nach Tirol, das Veltlin und das Engadin besetzt; endlich verlangte es vom Kaiser und von der Liga bewaffnete Hülfe gegen die Holländer. M. dagegen hegte allerdings den Wunsch, daß Spanien, wie es seiner Meinung nach dessen eignes Interesse erheischte, mit ganzer Macht für das Kaiserthum und den deutschen Katholicismus eintrete, aber er wollte darum doch nicht das Reich den habsburgischen Hausinteresson dienstbar machen und es in auswärtige Kriege verwickeln lassen. Ebensowenig war er geneigt, Spanien Einfluß auf die inneren Angelegenheiten Deutschlands zu gestatten. Schon aus diesem Grunde widerstrebte er der Ueberweisung der Pfalz an jenes. Zudem fürchtete er, daß dieselbe die deutschen Protestanten, welche vom tiefsten Mißtrauen gegen Spanien erfüllt waren, zur Erhebung der Waffen antreiben könne. Endlich verkannte er von vornherein nicht, daß die Behauptung der Pfalz und der Graubündner [11] Pässe durch die Habsburger Frankreich zum Kampfe herausfordern werde. Von diesem aber besorgte er die größte Gefahr für die Sache, die er vertrat. Deshalb suchte er einerseits die Räumung der bezeichneten Gebiete zu bewirken, andrerseits knüpfte er mit Frankreich Beziehungen an, welche hauptsächlich bezweckten, dasselbe von der Unterstützung der deutschen Protestanten abzuhalten, nebenbei aber auch ihm und der Liga einen Rückhalt gegenüber den Habsburgern verschaffen sollten. Daß Spanien sich der Uebertragung der Kur an Baiern widersetzte, steigerte Maximilians Verstimmung gegen die Macht, welche er einst als den Hort des Katholicismus verehrt hatte, doch widerstand er den Lockungen Frankreichs, sich von Spanien und dem Kaiser zu trennen, denn er wollte nicht die Interessen, welche ihm die höchsten waren, preisgeben. In Folge davon mißglückte sein Versuch, Frankreich für ein Bündniß mit der Liga zu gewinnen; indes trug seine Annäherung wesentlich dazu bei, daß sich jenes einer entschiedenen Unterstützung der Anhänger des Pfälzers enthielt.
Immer bedrohlicher gestalteten sich jedoch seit Ende des Jahres 1623 die Verhältnisse durch die Politik Spaniens und durch die Besorgnisse, welche die Erfolge der kaiserlichen Waffen bei den deutschen Protestanten und bei den auswärtigen Mächten hervorriefen. Unter jenen griff mehr und mehr die Geneigtheit Platz, sich der wachsenden katholisch-kaiserlichen Uebermacht zu erwehren. Unter diesen bereitete sich ein großes Bündniß gegen die Habsburger vor. Schon im Frühjahr 1624 besorgte man einen Angriff von Dänemark und Schweden und um dieselbe Zeit trat Richelieu an die Spitze der Regierung Frankreichs, dessen Haltung sofort entschlossener und feindseliger wurde. M. erkannte rasch die Gefahr der Lage, über welche man sich in Wien noch lange täuschte. Während er daher einerseits die Liga und den Kaiser zu Rüstungen drängte und rasches Vorgehen wider die verdächtigen Stände befürwortete, bemühte er sich anderseits, eine Verständigung mit Friedrich V., für welchen eine achte Kur geschaffen werden sollte, herbeizuführen. Dadurch hoffte er nicht nur England von der Einmischung in die deutschen Angelegenheiten abzuhalten, sondern namentlich auch Feindseligkeiten Frankreichs zu verhindern, denn er sah immer deutlicher, daß es diesem vor allem darum zu thun war, die Spanier nicht in den dauernden Besitz der Pfalz gelangen zu lassen. Als die Verhandlungen mit Friedrich V. nicht zum Ziele führten, suchte er deshalb wenigstens die Pfalz den Händen der Spanier zu entwinden. Zugleich setzte er ununterbrochen die Verhandlungen mit Frankreich fort und nahm dessen Dienste für die Herstellung des Friedens in Anspruch. Ein Schiedsrichteramt in den deutschen Streitigkeiten, wie es Richelieu wünschte, wollte er jedoch demselben nicht zugestehen: sein Ziel blieb dasselbe, welches er schon vordem in den Beziehungen zu Frankreich verfolgt hatte. Der Einfluß, den Spanien auf den Wiener Hof ausübte, erregte je länger desto mehr sein Mißfallen. Schon Ende 1624 machte er den Vorschlag, ein Reichsheer zu schaffen, damit man nicht länger von Spaniens Hülfe abhängig sei und gegenüber den vom Kaiser unterstützten Aufforderungen Spaniens, dem europäischen Bündnisse wider Habsburg einen großen katholischen Bund entgegenzustellen, beobachtete er unerschütterlich eine entschieden ablehnende Haltung, weil er nicht verkannte, daß jener Bund die Liga der Leitung des Kaisers unterwerfen, ihre und des Reiches Kräfte der spanischen Politik dienstbar machen und Deutschland in den drohenden Weltkrieg verwickeln solle. Seine Absicht war, daß das Reich seine Angelegenheiten sobald wie möglich friedlich und zwar unabhängig von fremden Mächten ordnen solle und zu diesem Ende wünschte er die Abhaltung eines Reichs- oder Deputationstages herbeizuführen. Das gelang ihm nicht. Dagegen trug seine Politik wahrscheinlich nicht wenig dazu bei, daß Richelieu, welcher die Liga nicht zum [12] rückhaltlosen Anschlusse an die Habsburger treiben wollte, von einem Angriff auf Deutschland Abstand nahm. Indes konnte sie freilich nicht verhindern, daß jener andere Feinde gegen den Kaiser ins Feld zu hetzen suchte und den König von Dänemark bestimmte, die Waffen zu erheben. Diesem Angriffe gegenüber ließen die Interessen des Katholicismus und des Reiches sowie seine eigenen dem Kurfürsten keine Wahl. Obwol die Kräfte der Liga zu erlahmen begannen und obwohl die Lage anfangs eine überaus gefährliche war, nahm er den Kampf auf. Und wieder war das Glück ihm günstig. Nach einer Reihe von Siegen drangen das Heer der Liga und das ihm zur Seite getretene Wallensteins bis nach Jütland hinein vor und der ganze niedersächsische Kreis wurde unterworfen.
Unter diesen Erfolgen reifte in der katholischen Partei der Plan, die Streitfragen über den Sinn des Religionsfriedens, welche seit dessen Abschluß die Ruhe des Reiches am meisten gestört hatten, durch kaiserlichen Machtspruch im Sinne der Katholiken entscheiden zu lassen und eine umfassende Rückgabe der Kirchengüter, welche seit 1552 von Protestanten in Besitz genommen worden waren, durchzuführen. M. hatte diesen Gedanken noch 1625 abgewiesen, wie er denn auch die rücksichtslose Restauration in den kaiserlichen Hauslanden bis zur Schlacht bei Lutter widerrieth und mißbilligte. Die Lage der Verhältnisse schien ihm damals zu gefährlich, als daß man die reichstreuen Lutheraner mißtrauisch machen und mit feindseliger Gesinnung erfüllen dürfe. Seit Ende 1627 aber betrieb er selbst die gewaltsame Unterdrückung des Protestantismus in der Ober- und Rheinpfalz und gleichzeitig begann er mit dem ganzen Gewichte seines Ansehens und Einflusses an dem widerstrebenden Wiener Hofe für jene allgemeine Restitutionsforderung einzutreten. Er glaubte, daß die Katholiken nunmehr die Macht besäßen, dieselbe zu verwirklichen und deshalb erschien es ihm als Pflicht, der Kirche das ihr nach seiner Auffassung widerrechtlich Entrissene zurückzugewinnen, Hunderttausende von Seelen vom ewigen Verderben zu erretten und dem Katholicismus für die Zukunft das Uebergewicht im Reiche zu sichern. Mit nicht minderem Eifer drang er daneben darauf, daß die Reformirten dem Wortlaute des Religionsfriedens gemäß im Reiche nicht länger geduldet werden sollten, denn die seit dem Ende des 16. Jahrhunderts bei Katholiken und Lutheranern immer allgemeiner herrschend gewordene Ansicht, daß jene „blutdürstige und aufrührerische Sekte“ die Ursache aller Unruhen in Deutschland sei, hatte sich in M. durch das Verhalten der Kurpfälzer seit dem Ausbruche des böhmischen Aufruhrs und durch die Einsicht in ihr 1620 zu Prag erbeutetes Archiv zum unumstößlichen Grundsatz befestigt. Seine Vorstellungen trugen wesentlich dazu bei, daß der Kaiser am 6. März 1629 das Restitutionsedikt erließ und der Erfolg gab Anfangs seinem Urteil über die Möglichkeit Recht. Ueber die reiche Beute aber, welche das Edikt eintrug, entstand bald unter den Siegern selbst Zwiespalt. Sowol der Kaiser wie die Liga wollten die nicht reichsunmittelbaren Stifte bis zur Wiedererstattung ihrer Kriegskosten in Händen behalten oder besteuern und während Ferdinand II. aus den niedersächsischen Stiften eine reiche Secundogenitur für seinen dem geistlichen Stande bestimmten Sohn schaffen und damit zugleich eine feste Stütze für die Kaisergewalt in Norddeutschland gewinnen wollte, trachtete M. danach, einen Theil derselben dem Sohne seines jüngeren Bruders zuzuwenden und so die Machtstellung, welche sein Haus bereits durch seine geistlichen Mitglieder in Niederdeutschland gewonnen hatte, zu erweitern und zu befestigen.
Dieser Zwist verschärfte den weit ernsteren und bedeutenderen, den Wallenstein veranlaßt hatte. M., der dem Kaiser dringend zur Aufstellung eines Heeres gerathen hatte, war anfangs ernstlich bemüht, gutes Einvernehmen mit dem „wunderlichen“ Friedländer zu erhalten. Schon Anfang 1626 schöpfte er [13] jedoch Mißtrauen und immer mehr erfüllte er sich in der Folge mit der Ueberzeugung, daß Wallenstein darauf aus sei, die sämmtlichen Reichsstände durch Kriegssteuern und Einquartierungen zu Grunde zu richten, das Ligaheer zur Auflösung zu bringen und ein „absolutes Dominat“ im Reiche herzustellen, und daß, wenn auch nicht der Kaiser, so doch ein Theil seiner Räthe diese Pläne theile. Die althergebrachten ständischen Rechte und sein und seines Hauses ganzes Dasein dem Kaiser oder dessen Feldherrn zu opfern, war jedoch M. nicht gesonnen und hatte er die bestehende Reichsverfassung gegen Kurpfalz und andere „Rebellen“ vertheidigt, so wollte er sie ebenso gegen den Habsburger und den böhmischen Edelmann schützen. Längere Zeit hielt er sich indes zurück, um den Fortgang des Krieges nicht zu hemmen und um vom Kaiser die erbliche Uebertragung der Kur zu erlangen. Als er aber diese im Februar 1628 erkauft hatte, indem er Oberösterreich dem Kaiser zurückgab und sich mit dem erblichen Besitze der rechtsrheinischen und der Oberpfalz für seine Kriegskostenforderung abfinden ließ; als der Sieg im Felde entschieden schien und als der Kaiser die Herzogthümer Mecklenburg dem Friedländer verpfändete und gegen den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel einen Proceß, der dessen Absetzung bezweckte, einleitete, wodurch der Anfang zur Beseitigung des alten Reichsfürstenstandes gemacht schien: da trat M. an die Spitze der sich gegen die Bedrückungen Wallensteins und gegen den kaiserlichen Absolutismus auflehnenden Stände und als seine Vorstellungen in Wien nicht den gewünschten Erfolg erzielten, faßte er bald mit den Ligagenossen den Beschluß, sich nöthigenfalls mit den Waffen Wallensteins zu erwehren. Zu dem tiefen Zwiespalte, welcher so zwischen dem Kaiser und seinen Verbündeten erwuchs, gesellte sich dann aber auch ein nicht minder schroffer Gegensatz in Bezug auf die auswärtige Politik, da Ferdinand theils durch Wallenstein, theils durch die Spanier auf Bahnen geführt wurde, welche M. und die anderen Ligisten für verderblich erachteten. Mit Dänemark wurde unter Beiseiteschiebung der Liga ein Frieden geschlossen, der dieselbe um die Vortheile betrog, welche sie dem Gegner abzunöthigen gehofft hatte. Nach Holland wurde ein kaiserliches Heer gesandt, welches den Niederländern zu einem siegreichen Einfall in das Reich Anlaß gab. Ein anderes Heer unterstützte den König von Polen gegen Gustav Adolf von Schweden, welcher darauf mit jenem Frieden schloß und zu einem Zuge nach Deutschland rüstete. Wegen der mantuanischen Frage gerieth Ferdinand in Italien mit Frankreich in Krieg und er rüstete, um jenes vom Rhein her anzugreifen. So trat die Gefahr, daß das Reich in einen Weltkrieg verwickelt werde, unmittelbar nahe. Sie abzuwenden, war stets Maximilians eifrigstes Bestreben gewesen und am wenigsten wollte er sie ledglich um spanischer Interessen und österreichischer Herrschaftsgelüste willen zur Verwirklichung gelangen lassen. Er und seine Bundesgenossen wünschten den Frieden und hielten ihn wegen der Erschöpfung Deutschlands und zur Durchführung des Restitutionsedictes für geboten. Wie gegen Wallenstein und gegen den kaiserlichen Absolutismus, glaubten sie sich auch gegen die auswärtige Politik Ferdinands mit den äußersten Mitteln widersetzen zu müssen. Und gerade die Wirkungen jener ermuthigten M. dazu. Der Kaiser konnte nicht wagen, mit der Liga zu brechen und gleichzeitig den Kampf gegen Frankreich, Schweden und Holland zu führen. Schon hatte Frankreich der Liga einen Vertrag über wechselseitige Hülfeleistung angeboten. M. hatte ihn nicht unterzeichnet, denn in erster Reihe war es ihm nach wie vor nur darum zu thun, einen Angriff auf das Reich zu verhüten, aber er wußte, daß er auf Unterstützung zählen durfte, wenn der Kaiser oder dessen Feldherr die Waffen gegen die Liga kehrte. Ueberdies drohte ein allgemeiner Aufstand der durch das Restitutionsedikt aufs Aeußerste getriebenen [14] deutschen Protestanten und derselbe mußte unfehlbar zum Ausbruch kommen, falls die Sieger selbst einander bekämpften. Diese Lage der Verhältnisse war es, welche die Liga unter der Führung Maximilians auf dem Kurfürstentage zu Regensburg i. J. 1630 einen beinahe vollständigen Sieg erringen ließ. Ferdinand mußte Wallenstein verabschieden, sein Heer außerordentlich vermindern, Tilly mit dem Oberbefehl über dasselbe betrauen, die bestehende Reichsverfassung und insbesondere die Vorrechte des Kurfürstencollegs zu beobachten versprechen, mit Frankreich Frieden schließen und dem Kriege gegen Holland entsagen. Nur der einen Forderung vermochte er sich zu erwehren, daß sein Heer in ein ständisches verwandelt und der unbeschränkten Leitung des bairischen Kurfürsten untergeben werde.
Maximilian’s Ansehen und Einfluß standen in ihrem Zenith. „Er ist so mächtig und gefürchtet“, schrieb damals der pfälzische Agent Rusdorf, „daß der Kaiser, dessen Räthe und die Kurfürsten zu ihm aufblicken und sich von seiner Autorität und Entscheidung abhängig fühlen. Ich hätte nie geglaubt, daß dieser Fürst so angesehen, so geehrt und so geachtet sein könnte.“ Schon war jedoch inzwischen in Pommern der Krieg von Gustav Adolf begonnen worden, vor welchem der Stern seines Glückes sich neigen sollte. M. und die Ligisten zögerten nicht, sich mit dem Kaiser zum Kampfe wider den König zu verbinden, denn sie begriffen, daß bei der Stimmung der deutschen Protestanten alle Errungenschaften des zwölfjährigen Krieges auf dem Spiele standen, wenn jener Erfolge von Belang davontrug. Der erbärmliche Zustand des kaiserlichen Heeres und die ungenügenden Leistungen Ferdinand’s und der meisten Ligisten für den Unterhalt und die Ausrüstung der Truppen hinderten jedoch Tilly lange Zeit an entschiedenem Vorgehen, und indem dann Magdeburg in dem Augenblicke, wo es in seine Hände fiel, durch den schwedischen Befehlshaber und einen Theil der Bürger vernichtet wurde, verlor er nicht nur die Vorrathskammer für sein nothleidendes Heer, sondern auch den festen Stützpunkt für seine Stellung in Norddeutschland. Dadurch wurde in der Folge der Anschluß des Kurfürsten von Sachsen an Schweden ermöglicht, dem am 17. September 1631 jene furchtbare Schlacht bei Breitenfeld folgte, in welcher Tilly und seine Truppen der genialen Taktik des großen Gegners erlagen und das sieggewohnte Ligaheer nahezu vernichtet wurde. M. hatte keinen Augenblick verkannt, wieviel von der Haltung Kursachsens abhing. Von vornherein hatte er dieses, um es nicht zum Bruch mit der katholischen Partei zu treiben, gegen das Restitutionsedict sicher stellen wollen und er hatte sogar widerrathen, ihm das Erzstift Magdeburg zu entziehen. Nachdem dann Gustav Adolf den Krieg eröffnet hatte, war er rasch zu der Einsicht gelangt, daß es geboten sei, durch Milderung oder Suspension des Edicts eine Verständigung mit den Protestanten und insbesondere mit Kursachsen und Kurbrandenburg herbeizuführen. Schon während des Regensburger Kurfürstentages soll er diese Meinung gehegt haben. Der Eigennutz und der blinde Glaubenseifer Ferdinand’s und der übermüthige Fanatismus der meisten geistlichen Stände hatten jedoch seiner Besonnenheit keinen Raum gelassen, wie denn auch seine vor der Breitenfelder Schlacht an Tilly erlassenen Weisungen, unbedingt jede Feindseligkeit gegen Sachsen zu vermeiden, durch gegentheilige Befehle des Kaisers aufgehoben worden waren. Nach jener Niederlage drang er alsbald auf einen Vergleich mit den Protestanten und suchte Verhandlungen in dieser Richtung anzubahnen. Der rasche Siegeszug Gustav Adolf’s an den Rhein überholte jedoch dieselben. Des Kurfürsten Lage war nun eine überaus gefährliche. Das Ligaheer zählte nur mehr 5000 Mann, befand sich im elendesten Zustande und war wie Tilly selbst tief entmuthigt. Die Gebiete der meisten Ligisten waren in der Hand des Feindes. Böhmen besetzten die Sachsen. In [15] Oberösterreich drohte ein Aufstand der Bauern. Am kaiserlichen Hofe war man ohne Mittel und wußte keinen anderen Ausweg zu finden, als daß man zur Bildung eines Heeres Wallenstein aufforderte, von welchem M. eher Feindseliges als Unterstützung für sich erwartete. Im Mai 1631 hatte der Kurfürst, um das Bündniß Frankreichs mit Schweden zu lockern und um für alle Fälle Rückhalt gegen die über sein Auftreten am Regensburger Tage erbitterten Spanier zu gewinnen, mit Frankreich einen Vertrag über wechselseitige Hilfeleistung gegen Angriffe geschlossen: jetzt lehnte jedoch Richelieu dessen Erfüllung ab und verweigerte ebenso die Vermittelung eines allgemeinen Friedens, um welche M. bat; nur zur Erwirkung eines Neutralitätsvertrages zwischen Schweden und der Liga erklärte er sich bereit. Unter diesen Umständen glaubte M. auf einen solchen unbeschadet seiner Pflichten gegen Kaiser und Reich eingehen zu dürfen und zwar um so mehr, als er dadurch dem Schweden die Hilfsmittel der sonst nicht zu rettenden ligistischen Gebiete zu entziehen und den Frieden zu beschleunigen hoffte. Sogar der Kaiser, den er von seinem Entschlusse unterrichtete, fand denselben berechtigt. Aber Gustav Adolf war nicht gesonnen, seine Beute fahren zu lassen und seinen gefährlichsten Gegner zu schonen. Er stellte Bedingungen, welche M. mit seiner Ehre und seinen Pflichten unvereinbar fand. Da entschloß sich dieser, auf alle Gefahr hin den Kampf fortzusetzen. Eine gegen seine Ansicht ausgeführte Unternehmung Tilly’s beschleunigte den Angriff des Feindes, das mit äußerster Anstrengung wieder verstärkte bairische Heer, welches M. persönlich begleitete, wurde am 15. April 1632 bei Rain geworfen und unter fürchterlichen Verwüstungen, die des Landes Kraft brechen sollten, drang Gustav Adolf in Baiern ein. München selbst wurde besetzt. M. führte nach der Niederlage bei Rain sein Heer nach Regensburg, um sich die Verbindung mit Wallenstein zu sichern, der inzwischen ein großes Heer gebildet hatte. Umsonst flehte er jedoch denselben um Hilfe an. Erst Mitte Juni wandte sich Wallenstein gegen Gustav Adolf und vereinigte sich in der Oberpfalz mit dem ihm entgegengezogenen M. In einer Weise, die Bewunderung erregte, wußte der stolze Fürst dem Emporkömmling gegenüber, welchen er als seinen erbitterten Feind betrachtete, Selbstbeherrschung zu üben. Er ordnete sich dessen Oberbefehl unter, streckte ihm eine bedeutende Summe zur Bezahlung der Truppen vor, fügte sich Anordnungen, die seiner Ansicht widersprachen, und ertrug gelassen die Launen und feindseligen Aeußerungen des Friedländers. Erst als Gustav Adolf sich nach den Kämpfen bei Nürnberg wieder nach Baiern wandte und Wallenstein dessen Verfolgung verweigerte, trennte sich M. von diesem, der ihn, wie er sagte, wohl abgetödtet hatte, und eilte, sein Land zu schützen. Der Abzug des Feindes nach Sachsen überhob ihn eines neuen Kampfes. Nachdem dann Gustav Adolf gefallen und auch Friedrich V. von der Pfalz gestorben war, hoffte M. auf Frieden, hielt indes, um denselben zu fördern, zunächst ein entschiedenes Vorgehen für nothwendig. Neutralitätsanträge Frankreichs wies er mit Entschiedenheit zurück, obgleich er nicht mehr den Rückhalt der Liga, die inzwischen zergangen war, besaß. Aber Wallenstein blieb unthätig in Böhmen liegen und wieder ließ er es geschehen, daß die Schweden unter grauenhaften Verwüstungen in Baiern eindrangen. Ja, während er einen beträchtlichen Theil der bairischen Truppen bei sich zurückbehielt, schickte er dem Kriegsvolke unter Aldringen, welches er dem Kurfürsten überlassen hatte, erst spät schwache Verstärkungen und gebot denselben obendrein, sich unbedingt auf die Abwehr von Angriffen zu beschränken. Es war natürlich, daß M. sich unter solchen Umständen mehr und mehr mit Groll und Mißtrauen gegen Wallenstein erfüllte. Schon im Juli 1633 trug er sich mit dem Gedanken, dessen Absetzung zu beantragen. Nichtsdestoweniger blieb er aber bemüht, gutes Einvernehmen mit dem Friedländer zu erzielen, [16] und unterstützte mit dem größten Theil seiner Truppen ein die Sicherung Vorderösterreiches bezweckendes Unternehmen. Auch dieses mißglückte indes durch die von Wallenstein befohlene Haltung Aldringen’s und in Folge davon konnte Bernhard von Weimar im November das so überaus wichtige Regensburg und eine Reihe bedeutender bairischer Plätze nehmen. Wieder hatte M. Wallenstein vergebens um Hilfe beschworen und als jener sich endlich in Bewegung setzte, rückte er nur bis an die Grenze der Oberpfalz und führte dann sein Heer in die Winterquartiere nach Böhmen und Mähren zurück; zugleich wies er den aus dem Elsaß zurückziehenden Truppen und verschiedenen Regimentern, deren Beistand gegen die Schweden er früher dem Kurfürsten versagt hatte, ihre Winterquartiete in Baiern an, wo ohnehin die Bauern durch das Hausen der kaiserlichen Truppen während des ablaufenden Jahres schon wiederholt zu Aufständen veranlaßt worden waren. Da glaubte M. nicht länger Geduld tragen zu dürfen. Er meinte durch den Friedländer sich und sein Land, das Reich und den Katholicismus dem Verderben entgegengeführt zu sehen. So schickte er denn einen Gesandten nach Wien, um Wallenstein’s Absetzung zu verlangen, und dessen Vorstellungen trugen wesentlich dazu bei, daß der Kaiser sich zu jener entschloß.
Als dann nach Wallenstein’s Ermordung der Krieg vom Kaiser mit Nachdruck aufgenommen wurde und bald auch Frankreich als Bundesgenosse der Schweden und der im Widerstande verharrenden deutschen Protestanten offen in denselben eintrat, betheiligte sich M. an ihm mit all seiner Macht. Seine Truppen hatten wesentlichen Antheil an den Erfolgen, die errungen wurden, und in den Jahren 1637/38 war vorzugsweise er es, der durch die äußersten Anstrengungen den Krieg am Oberrhein trug. Ferdinand III. verlieh ihm dafür 1638 die württembergische Herrschaft Heidenheim, die Donauwörther Reichspflege und die Anwartschaft auf einige italienische Lehen. Ueber die Politik des Kurfürsten in dieser Zeit sind wir nicht unterrichtet. Der kaiserliche Hof scheint ihn seit der Nördlinger Schlacht und namentlich seit dem Prager Frieden beiseite geschoben zu haben. Nichtsdestoweniger und obwol der Wiener Hof ihm auch sonst Anlaß zu Klagen gab, wirkte M. 1636 zur Wahl Ferdinands III. bereitwillig mit und stimmte den Beschlüssen des damaligen Kurfürstentages zu, welche in Hinsicht auf Krieg und Frieden ganz den Wünschen des Kaisers entsprachen. Seit 1639 aber finden wir ihn im Gegensatz zum kaiserlichen Hofe. Die Niederlagen der beiden letzten Jahre und die Wahrnehmung, daß Ferdinand III. im kaiserlichen Geld- und Heerwesen so wenig wie sein Vater Besserung zu schaffen wußte, ließen ihm den Frieden mit Frankreich und Schweden geboten erscheinen. Dieses wollte er durch Verpfändung oder lehensweise Uebertragung eines Theiles von Pommern abfinden; jenes, meinte er, werde sich zufrieden geben, wenn man auf die Unterstützung Spaniens gegen Frankreich und Holland verzichte. Mindestens wünschte er mit einer der beiden Mächte zur Verständigung zu gelangen, damit man der anderen desto eher widerstehen könne, und zwar dachte er zunächst an Schweden; erst als dieses keine Geneigtheit verrieth, wandte er seine Wünsche auf Frankreich. Vor Allem aber erschien es ihm unerläßlich, einerseits durch Zugeständnisse an die protestantischen Stände, in welchen er sehr weit zu gehen bereit war, die Einigkeit im Reiche herzustellen und so dessen Kräfte, die sich bisher gegenseitig gelähmt hatten, zusammenzufassen, andererseits die Unordnung im kaiserlichen Kriegswesen, die entsetzlichen, Fürsten und Unterthanen zu Grunde richtenden Ausschreitungen der Truppen und die das Interesse von Kaiser und Reich beiseite setzende Habgier der Generale abzustellen. In Bezug auf Schweden und die inneren Verhältnisse Deutschlands wurden des Kurfürsten Absichten am kaiserlichen Hofe getheilt. Dagegen fehlte dort Kraft und Ernst, um die Mängel des Heerwesens abzustellen, und namentlich wollte man sich nicht [17] von Spanien lossagen, denn dieses galt als die festeste Stütze der österreichischen Macht, sein Einfluß war bei den kaiserlichen Räthen außerordentlich groß, die Gefahr der Lage unterschätzte man in Wien und man war überzeugt, daß Frankreich Elsaß, Lothringen, die Freigrafschaft und Burgund, ja wol gar die Kaiserkrone an sich zu bringen beabsichtige. Das Festhalten Ferdinands III. am spanischen Bündnisse und seine Lässigkeit in Bezug auf das Heer erregten dem Kurfürsten heftigen Unwillen. Ueberdies fand er, daß die kaiserliche Regierung auch in anderen Beziehungen die Interessen des Reichs denen der Hauslande unterordne und daß sie sich Beeinträchtigungen der Reichsverfassung und der ständischen Rechte erlaube. Schon 1639 faßte er daher den Gedanken, daß die Stände nöthigenfalls den Kaiser, soweit es nur ihre Pflichten gegen denselben gestatteten, zwingen müßten, die unerläßlichen Reformen im Heerwesen vorzunehmen, sein Reichsregiment zu bessern und vor Allem das spanische Bündniß aufzugeben, denn, schrieb er, „wo es am Haupte mangelt, da müssen die Glieder selbst sich erhalten, wenn sie nicht den ganzen Leib wollen in die Grube kommen lassen“. Auf dem Kurfürstentage von 1640 und auf dem ihm folgenden Reichstage wollte er diesen Plan verwirklichen und er brachte es dahin, daß den protestantischen Ständen eine „Generalamnestie“ angeboten und beschlossen wurde, mit Frankreich und Schweden zugleich über den Frieden zu verhandeln und die Spanier zur Räumung des Reichsbodens aufzufordern. In den nächsten Jahren bemühte er sich, die Vertheidigung Westdeutschlands, damit man nicht von den kaiserlichen Truppen und der kaiserlichen Politik abhängig sei, in die Hände der Stände zu legen, und es gelang ihm wenigstens, daß der bairische, schwäbische und fränkische Kreis sich zur Unterhaltung seines Heeres verbanden. Zugleich gewann er die geistlichen Kurfürsten für selbständige Anbahnung der Friedensverhandlungen mit Frankreich. Seine Erfolge und seine Vorstellungen bestimmten endlich auch den Kaiser, sich mehr und mehr für den Frieden mit jenem zu entscheiden. Sofort unterstützte ihn darauf M. wiederum mit seiner ganzen Macht im Felde und mit seinem ganzen Einflusse im Reiche. Mit Genehmigung des Kaisers suchte er zunächst durch Sonderverhandlungen am Pariser Hofe eine versöhnliche und nachgiebige Stimmung zu erwecken. Als das mißlang, drängte er Frankreich zur Kundgabe seiner Bedingungen und dann den Kaiser zur Gewährung derselben. Wie schwere Verluste auch dem Reiche durch sie zugemuthet wurden, es schien dem Kurfürsten, wie er schon 1640 gesagt hatte, besser, das nicht zu Behauptende aufzugeben, als Alles zu verlieren. Der reißende Verfall der spanischen Macht, welcher durch den Abfall Portugals und durch die Aufstände in Katalonien und Neapel herbeigeführt wurde, die kopf- und kraftlose Kriegsführung des Kaisers, welche Niederlage auf Niederlage folgen ließ, die Neutralitätsverträge Kurbrandenburgs und Kursachsens mit Schweden, die steigende Unlust zum Kriege, welche sich bei den anderen reichstreuen Ständen geltend machte, und die zunehmende Erschöpfung des eigenen Landes bestärkten ihn in der Ueberzeugung, daß die Fortsetzung des Krieges nur noch schwerere Verluste für das Reich und vielleicht dessen Untergang herbeiführen werde. Im Hintergrunde standen bei den Verhandlungen mit Frankreich freilich auch die Sorge, daß Spanien und der Kaiser ihn in der Kurfrage im Stich lassen könnten, und die Hoffnung, daß Frankreich die Erledigung jener zu seinen Gunsten befördern werde, aber wenn er sein Interesse über das des Reiches und des Katholicismus hätte setzen wollen, so hätte er es wirksamer durch einen Sonderfrieden mit Frankreich und Schweden fördern können. Einen solchen lehnte er jedoch trotz allen Lockungen Frankreichs und trotz dem Drängen seiner Landstände, Unterthanen, Offiziere und Räthe, ja sogar seiner Gemahlin immer ab. Erst als sein Land [18] von einem französischen und schwedischen Heere zum Theil erobert und grauenhaft verwüstet wurde, als er es flüchtend verlassen mußte und als der Kaiser sich nicht geneigt zeigte ihm beizustehen, trat er in Verhandlungen über einen Waffenstillstand ein. Dieser sollte seiner Absicht nach das ganze Reich umfassen und den Friedensschluß einleiten. Da indeß der Wiener Hof, an welchem wieder der spanische Einfluß das Uebergewicht erlangt hatte, den Beitritt verweigerte, schloß M. am 14. März 1647 für sich allein ab, weil er keinen anderen Weg sah, von seinem Lande das äußerste Verderben abzuwenden und weil er so den Kaiser zur Rückkehr auf den verlassenen Weg zu nöthigen hoffte. Kaum aber nahm er wahr, daß in Folge seiner Haltung die Schweden und Protestanten ihre Forderungen bei den Friedensverhandlungen steigerten und auch Frankreich diese störte, als er trotz den schweren Kränkungen, welche ihm der Kaiser inzwischen zugefügt hatte, wieder die Waffen erhob. Ungeachtet der entsetzlichen Leiden, die dadurch über sein Land aufs neue hereinbrachen, und ungeachtet der mangelhaften Unterstützung, die ihm von Seite des Kaisers wurde, setzte er den Kampf fort. Mit erhöhtem Eifer betrieb er zugleich aber auch den Friedensschluß und als der Kaiser diesen um der spanischen Interessen willen zu verzögern suchte, nöthigte er denselben durch jene von ihm schon 1639 geplante Vereinigung der Stände zur Unterzeichnung der Verträge.
M. hatte die großen Ziele seiner Politik nicht erreicht, aber wie es gutentheils ihm zuzuschreiben ist, daß der Katholicismus aus dem furchtbaren Kriege mit mannigfach erweitertem und nur an wenigen Stellen geschmälerten Besitzstande hervorging, so hat seine opferwillige Reichstreue wesentlichen Antheil daran, daß das Reich nicht völlig zertrümmert wurde und wenigstens die Form seines Bestandes rettete, wodurch unserem Volke die Möglichkeit der Wiedererhebung bewahrt blieb. Ihm selbst sicherte der Friede den Besitz der zweiten weltlichen Kur, der Oberpfalz und der Grafschaft Cham. In diesen Gebieten hätte er den Bestimmungen des westphälischen Friedens zufolge die protestantische Glaubensübung dulden sollen; da er jedoch erklärte, daß er lieber Land, Leib und Leben daransetzen und den Krieg erneuern wolle, wurde ihm von gegnerischer Seite freie Hand gelassen. Die letzten schwedischen Besatzungen zogen 1650 ab. Von seinen eigenen Truppen übernahm den größeren Theil Spanien, einen anderen Venedig, das mit den Türken in Krieg lag. Den Rest seines Lebens verwandte M., um den Wohlstand seines Landes, welches namentlich durch die letzten Kriegsjahre großentheils in eine menschenleere Wüste verwandelt worden war, wieder zu heben. Er befahl, die von den Einwohnern erlittenen Kriegsschäden zu verzeichnen, und war Willens, sie nach Kräften zu vergüten. Wie weit er dazu noch den Anfang machen konnte, ist nicht bekannt. Mitten im Schaffen raffte ihn eine kurze Krankheit hinweg.
Nachdem seine erste Gemahlin am 4. Januar 1635 kinderlos gestorben war, hatte M. sich am 15. Juli desselben Jahres mit der Erzherzogin Maria Anna verheirathet. Von dieser hinterließ er zwei Söhne, Ferdinand Maria und Maximilian Philipp.
M. war von mittlerer Größe, schlank, nicht kräftig, aber zähe. Sein scharfgeschnittenes, geistreiches, nicht unschönes Antlitz mit lichtbraunen Augen umrahmten im männlichen Alter lang herabfallende dunkelblonde Haare; Schnurr- und Knebelbart waren von hellerer Farbe. Seine Stimme glich der eines Weibes. Er sprach langsam, als überlege er noch im Reden. In seinem Benehmen mischten sich fürstliche Würde und Herablassung; er war gütig und freundlich gegen Jedermann, aber mit schneidender Schärfe konnte er tadeln und der Eindruck der Strenge überwog immer, zumal er ungemein zurückhaltend, schweigsam und verschlossen war. Weder zu seiner Familie noch zu Männern seiner Umgebung [19] scheint er in einem innigen und vertraulichen Verhältnisse gestanden zu haben, wenn er sich auch gern bei der Tafel „melancholische“ Stimmungen durch seine heitere Gemahlin Elisabeth verscheuchen ließ. Mit durchdringendem Verstande, rascher Auffassung, staatsmännischem Blick, Urtheil und Geschick, umsichtiger Besonnenheit und zäher Thatkraft war er in ungewöhnlichem Maße ausgestattet. Ein vortreffliches Gedächtniß befähigte ihn, alle Regierungsangelegenheiten bis in die kleinsten Einzelheiten hinein zu beherrschen. Er sprach fließend lateinisch, italienisch und französisch und lernte noch in höherem Alter das Spanische. Auf allen Gebieten des Wissens seiner Zeit war er bewandert, doch findet sich nicht, daß er irgend einem Fache der Gelehrsamkeit näheren Antheil widmete. Wenn er sich eifrigst bemühte, daß eine tüchtige Geschichte seines Landes und Hauses geschrieben werde, so leitete ihn dabei vor Allem der Gedanke, daß der Ruhm der Vorfahren das Ansehen der Nachkommen erhöhe, und wenn er die von seinem Großvater begründete Bibliothek emsig vermehrte, so entsprang das der damals herrschenden Neigung, Seltenheiten und Kostbarkeiten zu sammeln. Es kann daher weder befremden noch ihm den Zeitanschauungen nach zum Vorwurf gemacht werden, daß er dem Papste Gregor XV., welchem er Dank schuldete und dessen Unterstützung ihm zur Erlangung der Kurwürde höchst wünschenswerth war, auf sein dringendes Ansuchen die Heidelberger Bibliothek schenkte. Tiefes Verständniß und warmen Sinn besaß M. dagegen für alle Künste und diesen wandte er die regste Pflege zu. Insbesondere war er ein feiner Kenner und eifriger Sammler von Gemmen und Gemälden und ein begeisterter Verehrer Dürer’s, wie er denn überhaupt den älteren Meistern vor denen seiner Zeit den Vorzug gab. Er selbst beschäftigte sich, namentlich in seinen jüngeren Jahren, mit Malen, Elfenbeindrechseln und Orgelspiel. Wenn München als die schönste aller deutschen Städte galt, wenn es an Reichthum und Werth der Kunstschätze keiner nachstand, und wenn es im Kunstgewerbe erfolgreich mit Augsburg und Nürnberg wetteiferte, so hatte daran M. mehr noch als sein Vater und Großvater Antheil. Außer der Beschäftigung mit den Künsten kannte er keine andere Erholung als kurze Spazierfahrten und die Jagd, welche er leidenschaftlich liebte, indeß nur mäßig ausübte. Seine ganze Kraft widmete er den Aufgaben der Regierung.
Sein Wirken in dieser wie überhaupt die Eigenart seiner Persönlichkeit sind nur von seiner kirchlichen Gesinnung aus zu verstehen. Von frühester Kindheit an hatte er nicht allein in seinen Eltern das Beispiel bigottester Frömmigkeit vor Augen, sondern es wurde auch mit größter Sorgfalt und mit allen Mitteln darauf hingearbeitet, ihn ganz mit dem Geiste der „jesuitisch-katholischen“ Richtung zu durchdringen. So wurde in ihm eine Frömmigkeit gepflanzt und entwickelt, welche sich in Gebeten, kirchlichen Uebungen und „guten Werken“ nicht ersättigen konnte, welche sich – namentlich in seiner Marienverehrung – zu schwärmerischer Ueberschwänglichkeit steigerte, welche ihn nicht nur jede Ausschweifung, sondern auch alle die damals an den Höfen herrschenden üppigen Vergnügungen meiden, die härteste Askese pflegen und sein Privatleben wie sein Hofwesen klösterlich einfach und streng gestalten ließ und welche ihn mit wärmster Ergebenheit an die Kirche und mit andächtiger Verehrung für deren Vertreter bis zum geringsten Priester herab erfüllte. Diese Frömmigkeit hinderte ihn indes nicht, die Hoheitsrechte des Staates der Hierarchie gegenüber zu behaupten und sich ein freies, nicht selten sehr scharfes Urtheil über dieselbe bis zur Curie und den Päpsten hinauf zu bewahren. Auch hatte die Erziehung, die er empfing, nicht vermocht, die Kraft seines Wesens zu beeinträchtigen. Er besaß eine Festigkeit des Charakters, eine Unabhängigkeit des Willens und eine Selbständigkeit des Urtheils, wie sie selten [20] einem Menschen gegeben sind. Für die Jesuiten, welche er in der Jugend als die vollendeten Vertreter kirchlicher Vollkommenheit verehren gelernt hatte und in welchen er die bewährtesten Vorkämpfer der Restauration sah, hegte er bewundernde Vorliebe; er begünstigte sie in jeder Weise, er wählte aus ihnen seine Beichtväter, er bediente sich ihrer als Rathgeber und Gehülfen in kirchlichen Dingen und er forderte auch in staatlichen Angelegenheiten, mit welchen kirchliche oder Gewissensfragen verknüpft waren, ihr Gutachten, um festzustellen, ob eine von ihm beabsichtigte Entscheidung nicht gegen die Gesetze Gottes oder der Kirche verstoße: beherrschen oder leiten ließ er sich jedoch nicht von ihnen. Er hörte sie, wie er in weltlichen Dingen seine Räthe hörte, deren Freimuth er liebte und deren Gründen er bereitwillig seine Meinung unterordnete, während keiner von ihnen maßgebenden Einfluß besaß. Sein eigenes, nach reiflicher Prüfung gewonnenes Urtheil allein gab überall den Ausschlag. Aber sein ganzes Denken wurde durch jene religiösen Anschauungen beherrscht, welche im Jesuitenorden ihre ausgeprägteste Vertretung fanden. Sie waren ihm zu freiem Eigenthum, zu Grundsätzen geworden und wie sie ihm den leitenden Gedanken seines gesammten Lebens und Wirkens gaben, so bestimmten sie auch dessen weitere Gestaltung. Dieser Gedanke war der, in jeder Beziehung nach äußerstem Vermögen seine Pflicht zu thun und sich dadurch die ewige Seligkeit zu verdienen. Ihm entsprang die rastlose Thätigkeit, welche er – wiederholt bis zur Ueberarbeitung – den Staatsgeschäften widmete. Auch das Geringfügigste beachtete er dabei, stets von sich und anderen fordernd, daß nur das Zweckdienliche, dieses aber in vollendeter Weise geschehe. Die Fürstenwürde betrachtete er als ein ihm von Gott verliehenes Amt, von dessen Verwaltung er im Jenseits strenge Rechenschaft abzulegen haben werde. Die erste ihrer Pflichten sah er darin, die Ehre Gottes, die katholische Religion und das Seelenheil der Unterthanen, für welches er verantwortlich sei, zu fördern. Demgemäß nöthigte er seine protestantischen Unterthanen durch die härtesten Maßregeln zum Uebertritt oder zur Auswanderung und schuf ein Zwangskirchenthum, welches durch die drückendste, das kirchliche und sittliche Leben des Volkes nach allen Richtungen hin bis ins Einzelnste umklammernde Polizeigewalt und durch ein nach dem Vorbilde der Jesuiten ausgebildetes, ungeheuerliches Spioniersystem das Volk zur Heiligkeit zwingen sollte, ein Bestreben, welches freilich sein Ziel nicht erreichte und das geistige Leben des Volkes ersterben ließ, den Anschauungen der Zeit aber entsprach. Als zweite Pflicht betrachtete er die Sorge für das zeitliche Wohl seines Landes. Wie er derselben Genüge zu thun bemüht war, ist bereits angedeutet worden. Von seinen Beamten und von seinen Unterthanen forderte er dabei die gleich ernste und angestrengte Pflichterfüllung wie von sich selbst. Sein Absolutismus aber wurde durch sein aufrichtiges und warmes Wohlwollen für die Unterthanen und insbesondere für den „gemeinen Mann“, durch seine Gewissenhaftigkeit und durch das Bewußtsein der Verantwortlichkeit vor Gott, gemildert und in Schranken gehalten. Als dritte Pflicht eines Fürsten endlich erschien ihm die Handhabung unparteiischer und unbestechlicher Rechtspflege und auch hier bewährte sich sein Eifer zugleich mit seinem Wohlwollen. Er war stets geneigt, Reuigen Gnade zu gewähren, mißbilligte die damals so häufigen und grausamen Hinrichtungen und verbot die ärgsten Scheußlichkeiten der Hexenprocesse, in deren Steigerung die gleichzeitigen Obrigkeiten fast ohne Ausnahme wetteiferten. In gleicher Weise wie für sein eigenes Leben und die Landesverwaltung war ihm die Pflicht auch für seine Politik maßgebend. Sie wurde ihm hier einerseits durch die Interessen des Katholicismus, andererseits durch die bestehende Reichsverfassung bestimmt, durch welche er sich berechtigt fühlte, die hergebrachten ständischen „Freiheiten“ zu wahren und zu vertheidigen, zugleich aber verpflichtet [21] fand, treu zu Kaiser und Reich zu halten. Er war ehrgeizig und begierig nach Macht und Besitz, Kränkungen seiner Würde und Beeinträchtigungen seiner Interessen empfand er ungemein lebhaft, mit bitterem Groll trug er sie, nie vergessend, nach und leicht loderte sein Zorn auf. Nur einer seiner Eigenschaften vermochte er jedoch nicht immer Herr zu werden. Er besaß ein schroffes und beinahe leidenschaftliches Rechtsgefühl. Wol benutzte er mitunter, durch die juristische Bildung, die er empfangen hatte, und durch die Casuistik der Jesuiten, die ihn beriethen, verleitet, den Buchstaben des Gesetzes oder allgemeine Theorien, um das Recht zu umgehen. Wo er jedoch dasselbe erkannte, konnte kein Vortheil und keine Rücksicht ihn bestimmen, es zu verletzen oder zu beugen. Ebenso aber empörte ihn Unrecht, welches ihm widerfuhr, und wo er sich im Recht glaubte, konnte er sich jeder Erwägung bis zur Halsstarrigkeit verschließen. Im Uebrigen dagegen wußte er stets sein Empfinden und Begehren unter das Joch der Pflicht zu beugen. Allerdings war er sorgsam darauf bedacht, sich keinen mit jener vereinbaren Gewinn entgehen zu lassen, aber auch ohne Aussicht auf solchen, ja mit Beiseitesetzung seines Vortheils und mit den schwersten Opfern that er, was „die Ehre Gottes“ und die Reichsverfassung von ihm zu fordern schienen. Dazu bestimmte ihn, obwol seine Frömmigkeit überschwänglich war und er lebendiges Nationalgefühl besaß, nicht ideale Schwärmerei, sondern neben dem ihn nun einmal ganz und gar durchdringenden strengen Pflichtgefühl die realistische Berechnung, daß die Einbuße an vergänglichen Erdengütern ihm vielfältigen ewigen Lohn im Himmel sichern werde. Von blindem Fanatismus hielt er sich, obschon sein kirchlicher Eifer der Richtung seiner Zeit entsprechend unduldsam und schroff war, in jeder Hinsicht frei, und ebenso war ihm das bei seinen deutschen Glaubensgenossen häufig vorhandene, vermessene Vertrauen, daß Gott „seiner“ Kirche schließlich den Sieg verleihen müsse, vollkommen fremd. Nur dann entschloß er sich zu kühnem, Alles aufs Spiel setzenden Wagen, wenn dies der einzige Weg schien, Kirche und Reich zu retten. In allen anderen Fällen wog er sorgsam die Möglichkeit des Gelingens ab und wo ihm diese nicht vorhanden zu sein dünkte, fühlte er sich nicht zum Handeln verbunden. Ebenso trug er kein Bedenken, Ansprüche seiner Kirche, die er für berechtigt hielt, preiszugeben, wenn ihm die hartnäckige Vertretung derselben den Bestand jener und des Reichs zu gefährden schien. Seine strenge, eifrige und doch nüchterne Pflichttreue, seine Selbstbeschränkung und Selbstbeherrschung machen ihn zu einer ganz eigenartigen Erscheinung. Er besaß nicht die freie, schöpferische, kühne Genialität, wie sie Männern eigen ist, welchen die Geschichte den Beinamen des Großen verleiht. Aber unzweifelhaft war er der gewissenhafteste, beste und bedeutendste deutsche Fürst seiner Zeit.
- J. P. Lotichius, Super … Maximiliani … Excessu … Panegyricus. 1651. C. Piscator, Christliche Lob- und Leichpredigt u. s. w. 1653. Andreas v. S. Theresia, Christlicher Lebens- und Tugendspiegel u. s. w. 1663. Joh. Adlzreiter (Joh. Vervaux), Boicae gentis Annales p. III, 1662 (1664). P. Ph. Wolf, Geschichte Maximilian’s I. und seiner Zeit, 4 Bände, 1804 ff. C. M. v. Aretin, Bayerns auswärtige Verhältnisse, Bd. I, 1839. Derselbe, Geschichte des bairischen Herzogs und Kurfürsten Maximilian I., Bd. I, 1842. Söltl, Der Religionskrieg in Deutschland, 3 Bände, 1842. Fr. A. W. Schreiber, Maximilian I., der Katholische, u. s. w. 1869 (völlig unbrauchbar)- Söltl, Fürsten-Ideal der Jesuiten, 1870. Otto v. Schaching, Maximilian I. der Große u. s. w. 1876. F. Stieve, Der Ursprung des dreißigjährigen Krieges, Bd. I, 1875. Derselbe, Das kirchliche Polizeiregiment in Baiern unter Maximilian I., 1876. Derselbe, Die Politik Baierns 1591 bis 1607, Bd. IV und V der Briefe und Acten z. Gesch. d. dreißigj. Krieges [22] 1878 und 1883. Derselbe, Kurfürst Maximilian I. von Bayern. Akad. Festrede 1882. Daneben zahlreiche Einzel-Abhandlungen und Beiträge, die allgemeine Litteratur über den Zeitraum bei Waitz, Quellenkunde, und Archivalien. Die besten Bildnisse des Kurfürsten sind der Stich bei Custos, Atrium heroicum, Bd. I, (Jugend), die Stiche in den verschiedenen Ausgaben von Gewold, Genealogia Boiariae Ducum (Mannesalter), der Stich bei Khevenhiller, Conterfet, Bd. I, (höheres Alter), das Gemälde von Niklas Prugger in der Alten Pinakothek (desgl.) und eine Broncebüste in der Michaelskirche zu München (Mannesalter).