ADB:Gewold, Christoph
[132] die in letzterer Stadt, ein anderes Wappen als das seinige, das einen gezinnten Richtbalken, von je drei Sternen beseitet, zeigt. Auch über seine Studienzeit liegt Widersprechendes vor. Nach einem Glückwunschgedichte seines Schwagers, des Ingolstädter Professors Philipp Menzel, das jedoch erst in die zweite, 1615 erschienene Ausgabe der Poesien desselben aufgenommen ward, hätte G. am 3. Oct. 1581 zu Ingolstadt in beiden Rechten die höchsten Ehren erlangt; dem steht entgegen, daß er im J. 1583 an dieser Universität als studiosus iuris immatriculirt, und actenmäßig von 1580–1616 in der dortigen Juristenfacultät überhaupt kein Doctor kreirt wurde. G. selbst aber unterrichtet uns davon, daß sein Uebertritt zum Katholicismus im J. 1581 durch Bemühung der Gesellschaft Jesu erfolgte. Wol derselbe Orden lenkte im J. 1584 auf den hoffnungerweckenden Konvertiten das Auge Herzog Wilhelms von Baiern. Jedoch erst vier[1] Jahre später (11. Mai 1587) ernannte dieser den „Doctor Goboldt“ zu seinem „Secretari in Hofgericht- und Rechtsachen“, d. h. zum Hofrathssecretär. Gegen Ende des J. 1590 erhielt derselbe statt einer Beförderung in die Provinz den charakterisirenden Rathstitel, 1594 wurde er wirklicher Hofrath. Nun erfüllte G. (25. Mai 1595) einen schon im J. 1593 ausgesprochenen Wunsch des Herzogs, übernahm das Secretariat beim geheimen Rathe und ließ sich auch dazu herbei, die „Registratur des Archives“ zu versehen. Dieses dem geheimen Rathe unterstellte Archiv war damals das einzige landesherrliche in München, später jedoch würdigte man der Bezeichnung „Archiv“ auch die Registratur des Hofrathes, welcher seit 1605 Johann Lieb als Registrator vorstand, und unterschied sodann ein „inneres“ und ein „äußeres“. Gewold’s Beamtenlaufbahn schloß sich mit Obigem ab. Im Frühjahre 1617 ward er vom regelmäßigen Dienste als Hofrath und Geheimsecretär entbunden und ihm erlaubt, Ingolstadt zum Aufenthaltsorte zu wählen. Sogar für das Haus in der Prannersgasse zu München, zu dessen Erwerb (1600) der Herzog die Mittel gespendet, verschaffte ihm dieser jetzt einen Käufer. Doch wurde er oft zur Berathung nach München gerufen, so noch im nämlichen Jahre wegen „Veränderung“ des Archives. In Ingolstadt scheint er frühe eine Bürgerstochter, Anna Prisser[2], geehelicht zu haben, deren Schwestern an die dortigen Universitätsprofessoren Philipp Menzel und Lorenz Landau verheirathet waren. Ein Gut in Oberbachern bei Dachau, das im J. 1605 zum landtafelmäßigen Sitze erhoben ward, fiel ihm von dieser Seite an. Aber Gattin und Tochter hatte er schon 1612 zu Ingolstadt in der Franciscanerkirche begraben und kein Nachkomme beerbte ihn, als er daselbst am 17. Juni 1621 der Gicht erlag.
Gewold: Christoph G. (Gewald, Gewalt, Geewold, Geewald, Geboldt, Goboldt), wurde zwischen 1560–65 zu Amberg im kurpfälzischen Theile der Oberpfalz, somit in einer damals ganz protestantischen Stadt geboren; wann und welchen Eltern, darüber herrscht tiefes Dunkel. Er glaubte, einer Familie gleichen Namens zu Bamberg und Forchheim anzugehören und nannte sich deshalb auch einen „Ostfranken“; doch führten jene G., wenigstensG. hat sich, indem er das Referat über Kreisgegenstände führte, längere Zeit fast die ganze politische Correspondenz nebst vielen aus dem Kabinete erfließenden Befehlen entwarf und wichtige Archivaliengruppen, wie über die reichsrechtlichen Verhältnisse Baierns repertorisirte, das vollgültige Zeugniß eines geschickten und fleißigen Beamten selbst geschrieben: doch nicht so sehr dieses ja immerhin untergeordnete daher wenig bekannte Wirken macht ihn zur öffentlichen Person, vielmehr seine nun zu betrachtende litterarische Thätigkeit. Allerdings aus freieigenem innerem Drange die Wissenschaft durch neue Ergebnisse zu bereichern, ging nur etwa seine „Delineatio Norici veteris“ (1619) hervor, welche indessen einen auch für damals nicht entschuldbaren Mangel philologischer Kritik erkennen läßt. Zu den übrigen Schriften und Publicationen empfing er äußeren Antrieb: die Mehrzahl jener entstand im Auftrage seines Herrn oder doch ihm zu Gefallen. Gleich mit seiner Erstlingsarbeit, der „Genealogia Boiariae ducum“ (1605, mit Porträten von W. Kilian; vermehrte Ausgabe 1620), hatte er um so mehr Glück, je dreister er ein neues Mittelglied erfand, das Scheirer und Karolinger verbinden sollte. Als nun der alte Streit zwischen Baiern und [133] Pfalz wegen der Kur durch Freher in Heidelberg (1611) wiedererregt, und Herzog Maximilian, dessen heißester Wunsch der Besitz jener Würde, hierdurch empfindlich verletzt war, schien ein Jurist, Archivar und Geschichtskenner der geeignetste Widerpart. Um also nachzuweisen, daß der Herzog von Baiern als solcher Kurfürst, Verweser und Truchseß des Reiches sei, wechselte G. vier Mal Streitschriften mit den Pfälzern (1612–14); dann erörterte er den Gegenstand noch genauer in seinem Commentar „De imperii septemviratu“ (1616), der fünf Jahre später, als die Früchte der Pragerschlacht immer nicht reifen wollten, eine vermehrte Neuausgabe erfuhr. Daß er den zunächst doch publicistischen Streit glücklich bestanden, steigerte in den Augen des Hofes Gewold’s Ruf als Historiker mehr als verhältnißmäßig. So ward ihm, als eben Welser gestorben, neben dem Jesuiten Rader der Auftrag zu Theil, Baierns Geschichte fertig zu schreiben. Mitwirken mochte hierbei der Umstand, daß er im J. 1605 unter dem Pseudonym „Crato Sylvius Nariscus“ Welser vertheidigt hatte, der mit dem Touler Historiker Rosières über lothringisch-baierische Dinge Streit bekommen. G. empfing vom 1. Oct. 1614 an für die Dauer dieses „Historiwerks“, thatsächlich bis zum Tode, die Mittel, einen Kopisten zu halten, doch von einer Leistung, die mehr als etliche Bogen umfaßte, hören wir nicht: seine Kraft war offenbar überschätzt worden. Immerhin ein Verdienst erwarben ihm hier seine Studien: er gewahrte zuerst die Entstellungen, welche sich Abraham Bzow[3], der polnische Dominicaner, im Verfolge der Kirchenannalen Baroni’s mit der Geschichte der Wittelsbacher, später auch Kaiser Ludwigs erlaubte. Die Ehrenrettung des letzteren, welche zu schreiben G. seinem Herzoge sich erbot, war in wenigen Monaten (1617–18) fertig; wohlvertraut mit dem Gange derartiger Dinge, schlug er selbst einen jesuitischen Censor, P. Keller zu München, vor, der, wie er wisse, in den Quellen der Zeit bewandert sei. Dennoch wurde sein Autorgefühl hart auf die Probe gestellt. Das Buch sollte umsonst gedruckt sein, da Maximilian für den nämlichen Zweck der Vertheidigung seines Ahnen noch eine Feder gefunden, deren Arbeit allein ihn befriedigte. Freilich gelangten dann Gewold’s „Vindiciae Ludovici IV. … contra A. Bzovii … calumnias“ – so lautet nach ungedrucktem Entwurfe der Titel – doch in die Oeffentlichkeit: aber mit dem Verfasser war schmählicher Mißbrauch getrieben. Wie einen Handlanger hat ihn Keller benützt zur Beischaffung von historischem und archivalischem Material, um selbst den „Ludovicus defensus“ (1618–19) liefern zu können, welchem Werke sodann der Kanzler Herwart, unter dessen Respicienz die Schreibung der Landesgeschichte stand, seinen Namen zu leihen hatte. Gleichwol kann der Unwille über ein solches Verfahren nichts an dem Urtheile abbrechen, daß das Keller’sche Buch von weitaus größerem Werthe für die Wissenschaft ist denn jenes von G. Nützlicher als das Hauptresultat seiner Mühen war auch hier eine Nebenfrucht. G. hatte erkannt, wie unzuverlässig Heinrich v. Rebdorf’s Annalen, die Bzow[3] häufig benützte, durch Freher edirt waren, und er besorgte nun selbst einen Abdruck der besten Handschrift (1618). Nach wie vor ist G. der wärmste Freund, ja ein Affiliirter der Jesuiten gewesen. War er doch seit 1616 aller im Orden zu erwerbenden Gnaden theilhaftig erklärt und dadurch, wie sich Keller ironisch ausdrückt, „mehr als ein halber Jesuiter“ geworden. Augenfällig im Interesse dieser Gesellschaft gab er 1611 das „Chronicon monasterii Reichersbergensis“, das Werk des eben nicht kaiserfreundlichen Priesters Magnus, heraus; denn nach dem Vorworte Gretser’s, des Jesuiten, sollten dieser Publication viele andere kirchliche Schriftsteller folgen, die zur Verfechtung der angegriffenen Dogmen geeignet. Sicherlich nur als Vertreter des Ordens ließ er zum Säcularfest der Reformation die feindselig gehaltene Localschrift eines Isnyer Klosterbeamten früherer Zeit (Bittlschieß) [134] neuerdings drucken: „Kurtze und klare Weiß und Form wie der Geist deß newen Evangelii die catholische Gotteshäuser, Stifft und Clöster reformire“ (1617). – Schließlich bestimmte G. fast sein ganzes Vermögen zu frommen Zwecken, so eine Rente dem „Georgianum“ für Ausbildung von Theologen. Trotz allem Voraufgeführten wäre jedoch der Name Gewold’s längst in weiterem Kreise vergessen, hätte er nicht noch am Abende seines Lebens die Geschichte vorwiegend baierischer Bischofskirchen, Klöster und Stifter, die Wiguleus Hund als „Metropolis Salisburgensis“ zwar nach trefflichem Plane, doch allzu compendiös verfaßt, mittelst Urkundenbeigabe dreimal größer wiedererscheinen lassen (1620). Auch hierzu hatten Leute von Ansehen ihn ermuntert, dann aber scheint das Werk seine Lieblingssorge geworden zu sein: nahezu 20 Jahre trug er von allen Seiten ein willkommenes Material zusammen.
- Kobolt, Baierisches Gelehrten-Lexikon, S. 256–59, und Gandershofer’s Nachträge hierzu S. 334; Söltl im Morgenblatte zur baierischen Zeitung 1872[4], S. 625; Ruland im 34. Berichte über das Wirken und den Stand des historischen Vereins für Oberfranken zu Bamberg (1872), S. 164 ff.: Friedrich, Ueber die Geschichtschreibung unter dem Kurfürsten Maximilian I., 1872, S. 6 ff.; Derselbe in den Sitzungsberichten der philos.-philolog. und historischen Classe der k. baier. Akademie der Wissenschaften, Jahrgang 1874, Bd. I, Heft 1, S. 51 ff.; Stieve in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1876, S. 1346; Ostermair im Sammel-Blatt des historischen Vereines in u. für Ingolstadt, II. Heft, 1877, S. 19. 46; Handschriften der k. Hof- und Staatsbibliothek zu München, besonders cod. germ. 2210 u. cod. lat. 1613; Acten und Rechnungen im k. Kreisarchive zu München.
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 132. Z. 13 v. o. l.: drei (st. vier). [Bd. 9, S. 796]
- ↑ S. 132. Z. 22 v. u. l.:. Peißer (st. Prißer). [Bd. 9, S. 796]
- ↑ a b S. 133. Z. 21 v. o. und 12 v. u. l.: Bzowski (st. Bzow). [Bd. 9, S. 796]
- ↑ S. 134. Z. 15 v. o. l.: 1862 (st. 1872). [Bd. 9, S. 796]