ADB:Keller, Jakob (2. Artikel)
A. D. B. XV, 581). Die Studien sind ihm nicht leicht geworden. Darauf beruht es wol, daß einer seiner jesuitischen Beurtheiler ihm nur eine mittelmäßige Begabung zuspricht. Zutreffender aber ist das Urtheil eines andern: daß K., nachdem einmal das Eis gebrochen war, als Schüler wie Lehrer die glücklichsten Fähigkeiten bewiesen habe. Im 20. Lebensjahre wurde er bereits Doctor (nach anderer [103] Angabe: Licentiat) der Theologie, am 8. Januar 1589 in Luzern in den Orden aufgenommen. Die Gelübde legte er am 13. Januar 1591 zu Augsburg ab. Im Orden erkannte man, daß er sich besonders durch Weltklugheit auszeichne, und rief ihn daher an die Spitze des Collegs in Regensburg, bald aber (1607) des noch wichtigeren in München. Dieses leitete er dann 16 Jahre und nach einer Unterbrechung nochmals in seinen letzten drei Lebensjahren. Bei Maximilian von Baiern stand er in hohem Ansehen; bei seinem Bruder Albrecht und dessen Gemahlin war er Beichtvater. Er litt an häufigen und sehr lästigen Wallungen des Blutes gegen das Gehirn – er selbst sagt: in seinem Kopfe arbeiteten Cyklopen – und starb plötzlich, wohl vom Schlage gerührt.
Keller: Jakob K., Jesuit (Ergänzung zuUnter einem Maximilian, der die Jesuiten so hoch verehrte, in den Vorjahren und dann in den Stürmen des großen Religionskrieges war dem Rector des Münchener Jesuitencollegs unter allen Umständen eine bedeutende, über die inneren Kloster- und Ordensangelegenheiten hinausgreifende Rolle gesichert. Bei K. kam seine Gelehrsamkeit und Klugheit, besonders aber die Gewandtheit und Schärfe seiner Feder dazu und so konnte es nicht fehlen, daß er diese, theils aus eigenem Antrieb, theils wol auf Ermunterung des Herzogs im Dienste der katholischen Sache verwerthete. Unter den Polemikern, die der Jesuitenorden damals gegen die Protestanten auf dogmatischem wie politischem Gebiete ins Feld stellte, zählt K. zu den rührigsten und geschicktesten. Zweifellos hat er nach damaliger Jesuitensitte häufig den Kampfplatz mit geschlossenem Visier betreten und so ist es nicht immer möglich, seine Autorschaft mit Sicherheit festzustellen. Unter dem Namen: Jakob Silvanus (Keller’s Heimath Säckingen liegt an den südlichen Ausläufern des Schwarzwaldes) erschien 1607 die „Philippica“, eine lebendige und witzige, aber von Schmähungen nicht freie Streitschrift gegen des Protestanten Löfenius „Wohlmeinende Warnung wider des Papstes und seiner Jesuiten Lehre und Praktiken“. Als Verfasser wurde allgemein K. betrachtet; daß dieser in seinem „Tyrannicidium“ die Urheberschaft ablehnte, kann die Annahme nicht entkräften. In diesem Tyrannicidium (München 1611, auch in deutscher Uebersetzung) wies K. die Verdächtigung zurück, als seien die Jesuiten in die Mordthat Ravaillac’s verwickelt, und suchte den Vorwurf zu widerlegen, daß sie den Tyrannenmord lehrten. Unter den von jesuitischer Seite in diesem heftigen Federkriege veröffentlichten Schriften ist das Tyrannicidium das bedeutendste. 1617 und 1618 hatte der Archivar Gewold eine Ehrenrettung Kaiser Ludwig’s des Baiern gegen den Dominicaner Bzovius verfaßt und auf Maximilian’s Weisung K. als dem von ihm selbst vorgeschlagenen Censor seine Schrift Bogen für Bogen vorgelegt. K. erkannte, daß er die Sache noch besser machen könne, und da er sich und seinem Orden die günstige Gelegenheit nicht entgehen lassen wollte, Maximilian’s Dank zu verdienen, schrieb er flugs selbst einen „Ludovicus imp. defensus“, ein Werk, das auf Gewold’s Schultern steht, aber, wie man anerkennen muß, die Arbeit des Archivars an kritischem Scharfsinn und wissenschaftlichem Werth übertrifft. Gewold war nach seinem bisher behaupteten curialistischen Standpunkte und bei dem starken Einflusse, den der Jesuit Gretser auf ihn übte, gerade für diese Aufgabe wenig geeignet. Es ist überaus merkwürdig, daß der eifrige Jesuit in diesem Buche, seinem für Kaiser Ludwig begeisterten Landesherrn zuliebe, die Partei der Staatsgewalt gegen die Curie ergreift und die Politik der avignonesischen Päpste entschieden verurtheilt. Offen aber konnte ein Mitglied der Gesellschaft Jesu nicht als Autor einer Schrift auftreten, in der solche Töne angeschlagen und die curialistische Auffassung vom Kaiserthum bekämpft wurde. Die Welt mußte daher über [104] den Verfasser getäuscht werden: K. blieb im Dunkel und der Landschaftskanzler, der gelehrte Hans Georg Herwart, lieh dem Werke seinen Namen.
Die Calvinisten betrachtete K. gleich Herzog Maximilian als nicht in den Religionsfrieden eingeschlossen. An den für die calvinistische Partei compromittirenden Büchern „Fürstl. Anhaltisch geheime Kanzlei“ und „Der unirten Protestirenden Archif“, Enthüllungen, die aus den erbeuteten Acten Christian’s von Anhalt und des Heidelberger Archivs nach Maximilian’s Auftrag zusammengestellt und 1621 veröffentlicht wurden, scheint neben den Räthen Jocher und Leucker K. mitgewirkt zu haben, wenn er nicht geradezu der Hauptverfasser war. Auch in den Federkrieg, der sich nach der Schlacht am Weißen Berge zwischen Bucquoy und Tilly entspann, hat K., wie es scheint, eingegriffen. Man vermuthet ihn unter dem Pseudonym Berchtold v. Rauchenstein, der Bucquoy’s irischem Beichtvater Fitzsimon und seiner Geringschätzung der Verdienste Tilly’s und Maximilian’s die Schrift „Constantius Peregrinus castigatus“ (Bruggae 1621) entgegenstellte. Alegambe (Bibl. Script. Soc. Jesu 448) nennt K. auch als Verfasser des Panegyricus (deutsch: Lobred) auf die glückliche Rückkehr Maximilian’s nach München nach dem siegreichen Feldzuge von 1620. Es ist aber fraglich, ob dafür nicht Keller’s Ordensgenosse Drechsel in Betracht kommt, von dem jedenfalls das Material zu der Schrift hauptsächlich geliefert wurde.
1624 erschienen in Neapel die „Mysteria politica, h. e. Epistolae arcanae virorum illustrium“. Die Schrift, die in Paris durch den Henker verbrannt wurde, enthält erfundene Briefe von Männern aus dem Lager der protestantischen Partei, deren Ränke und Pläne dadurch aufgedeckt werden sollen. Ihr Hauptzweck ist, auf die französische Politik einzuwirken, die französischen Staatsmänner vor der Verbindung mit den Feinden der katholischen Sache zu warnen, sie vielmehr zum Kampf gegen die Hugenotten anzufeuern. K. wird als der Verfasser vermuthet, und ist dies zutreffend, so hat er hier sicher nicht ohne die Zustimmung, wahrscheinlich sogar auf die Anregung seines Fürsten in die actuelle Politik einzugreifen versucht. Auch für die „Admonitio ad Ludovicum XIII. regem“ ist an K. als Verfasser gedacht worden. Gegen Camerarius richtete er 1625 den „Tubus Galileanus“ und eine andere Streitschrift, die unter dem deutschen Titel: „Purgiertränklein“ erschien. Eine Lebensbeschreibung des P. Canisius aus seiner Feder vom Jahre 1612 liegt handschriftlich (Nr. 320 in Folio) in der Münchener Universitätsbibliothek.
- Münchener Reichsarchiv, Jesuitica, bes. Fasc. 82: Literae annuae (diese für Keller die Hauptquelle der Elogia in Nr. 196 ½, p. 81); ferner Fasc. 190. 199. – Friedrich, Der Jesuit Keller als der wahre Verfasser der unter dem Namen Herwarts 1618 erschienenen Schrift: Lud. IV. imp. defensus (Sitz.-Ber. d. Münchener Akad., hist. Cl. 1874). – Stieve, Briefe u. Acten V, 919 und A. D. B. XIV, 102. – Janssen, Gesch. d. deutschen Volkes V, 549 flgd. – Koser, Der Kanzleienstreit. – Duhr in Wetzer u. Welte, Kirchenlexikon VII, 361. – Jul. Krebs, Die Schlacht am Weißen Berge, S. 136 f. – Rich. Krebs, Die politische Publizistik der Jesuiten und ihrer Gegner in den letzten Jahrzehnten vor Ausbruch des 30jähr. Kriegs, s. Register. – Riezler, Gesch. Baierns VI, 381 f., 438 f. und Kriegstagebücher aus dem ligistischen Hauptquartier 1620 (Abhdlgn. der Münchener Akad., hist. Cl. XXIII, 85). – Dürrwächter, Christoph Gewold, S. 85 f. – Verzeichniß der Schriften bei Backer-Sommervogel, Bibl. de la Comp. de Jésus IV, 981–997 und IX, 544.