ADB:Maximilian I. (römisch-deutscher König)
Friedrich III. und seiner Gemahlin Leonore von Portugall. Seine Kindheit verfloß unter Ereignissen, welche nicht voraussehen ließen, daß die deutsche Geschichte dereinst Veranlassung haben würde, in hervorragender Weise von seinem Dasein Notiz zu nehmen. Nur der Umstand, daß sein Vater Friedrich III. (s. Band VII) alle seine Widersacher, im eigenen Haus wie überhaupt, vor sich ins Grab sinken sah, hat die Zukunft des nicht allzu früh sich entwickelnden, aber an Körper und Geist reich begabten Kaisersohnes erfreulicher gestaltet. Eine strenge, nach dem vorzeitigen Tod der Mutter, vom Vater allein geregelte Erziehung entwickelte sorgsam die natürlichen Keime. Dieselbe hat trotz mancher pedantischer Fehlgriffe eine ausreichende Grundlage des Wissens geschaffen und es verstanden, jenes Interesse für alles Hohe und Schöne in der Seele des Knaben zu wecken, von dem sein Lebtag der Mann erfüllt war. Daneben wurden in bevorzugter Weise die ritterlichen Tugenden gepflegt und jenes praktische Sehvermögen, jene Findigkeit im Können ausgebildet, die wol der hervorstechendste Charakterzug sind. Im übermüthigen, [726] zum Theil verbotenen Spiel, dann auf der Jagd und in mannhafter Waffenübung tobte sich in der Jugend der ungestüme Thatendrang des kraftvoll und anmuthig erblühten Fürstensohnes aus, dessen Herz übrigens frühzeitig die Geheimnisse der Liebe zu erkunden strebte. Eben war er 18 Jahre geworden, als ein Plan reif wurde, der seit Langem einen Hauptgesichtspunkt habsburgischer Familienpolitik ausgemacht hatte. Seit Jahresfrist stand es fest unter den Vätern, daß M. und Marie, die Erbtochter des Herzogs Karl des Kühnen von Burgund ein Paar werden sollten, als der Letztere bei Nancy einen unerwarteten Tod fand. König Ludwig XI. von Frankreich, obwohl Pathe der verwaisten Fürstin, entriß derselben das Herzogthum Burgund, die Franchecomté und einzelne niederburgundische (belgisch-holländische) Gebiete und legte es darauf ab, den Rest durch eine erzwungene Heirath Maria’s mit seinem Dauphin zu erwerben. Auch andere innere und äußere Feinde waren auf dem Plan. Aber Maria blieb ihrem Wort treu, wenn sie auch nicht verhehlte, daß langes Ausbleiben des ersehnten Verlobten auf ihr Verhalten von Einfluß sein müßte. Obwohl schon im Februar 1477 der Tod Karls den Habsburgern bekannt war, konnte doch erst Ende Mai der junge Herzog, mittelst mühsam zusammengeliehenen Geldes ausgerüstet, seinen Brautritt antreten. Am 19. August fand, nachdem schon Ende April durch Procuration die Vermählung stattgehabt, die Hochzeit des Paares statt. M. war damit an die Spitze eines der blühendsten, freilich auch schwer leitbarsten Länder getreten. Innere und äußere Bedrängnisse wechselten in den nächsten Jahren: mit Frankreich führten weder verschiedene Waffenstillstände, noch die derbe Lection, die M. 1479 den Franzosen bei Guinegate ertheilte, zu einem gesicherten Verhältniß. Die Unbotmäßigkeit der privilegienstolzen Niederländer fand stets an Ludwig XI. eine Stütze. M. war nicht beliebt unter diesem Volk. Um so glücklicher war er in seiner Ehe. Mit Recht durfte er schreiben: „Hätten wir hier Frieden, wir säßen im Rosengarten.“ Maria hatte ihrem Gemahl zwei überlebende Kinder: Philipp (geb. 1478) und Margarethe (geb. 1480) geschenkt, als im J. 1482 ein Sturz vom Pferde auf der Jagd sie dem Gatten entriß. Sofort zeigte sich der unversöhnliche Gegensatz der Anschauungen und Interessen der Niederländer, insbesondere der Flandrer, und des trauernden Wittwers. Der Letztere sah sich gezwungen, seine Zustimmung zu ertheilen zum Vertrage von Arras, mittelst welchem zur Befestigung der Freundschaft mit Frankreich die Prinzessin Margarethe als Braut des Dauphins Karl an Ludwig XI. ausgeliefert wurde, während zugleich die Franchecomté und andere Landschaften als künftiger Brautschatz in den Händen der Franzosen blieben. Zugleich entrissen die Stände dem Vater die Vormundschaft über ihren kleinen Landesherrn. Erst nach drei Jahren, nachdem M., ganz auf sich gestellt, alle Gegner, auch das stolze Gent, gedemüthigt hatte, ward 1485 der Sohn dem Vater zurückgegeben. Dieser Erfolg hat nicht zum Wenigsten dazu beigetragen, daß im folgenden Jahre ein längst angezettelter Plan gelang, nach Ueberwindung aller Hindernisse, deren stärkstes die Abneigung des Kaisers gegen jede Machtschmälerung war. Am 16. Februar 1486 wählten zu Frankfurt die deutschen Kurfürsten den jungen Erzherzog zum römischen König, am 9. April wurde er zu Aachen gekrönt. Es war kein glücklicher Umstand für seine künftige Regierung, daß ihm bis zum Antritt derselben, die erst mit dem Tod des Vaters erfolgen konnte, noch eine so lange Probezeit bestimmt war, welche, wie er einmal war, alle Schattenseiten seines Wesens den Großen offenbarte, ehe er die Zügel in die Hände genommen hatte. Die nächsten drei Jahre lang ist er ganz in der niederländisch-französischen Politik aufgegangen. Seine Unvorsichtigkeit brachte ihn am 1. Februar 1488 zu Brügge in die Gewalt der empörten Flandrer. Es bedurfte eines Reichsheerzugs, um ihn unter drückendsten [727] Bedingungen dieser gefahrvollen Gefangenschaft zu entreißen. Die Nichteinhaltung des Versprochenen erhöhte gewaltig die Gährung der Niederlande, zu deren Erstickung ein vierjähriger, hauptsächlich durch Albrecht von Sachsen, als Generalstatthalter, geführter Krieg kaum genügte. M. war, dieser niederländischen Kämpfe überdrüssig, schon 1489 nach Deutschland zurückgekehrt, wohin schon längst sein der Uebermacht Ungarns erliegender Vater ihn hatte ziehen wollen. Zunächst versuchte auch M. vergeblich einen Ausgleich zwischen dem landberaubten Vater und dem glücklichen Sieger Matthias von Ungarn. Als der Letztere jedoch am 6. April 1490 starb, gelang es M. rasch mit der sympathisirenden Unterstützung der Bevölkerung die an Ungarn verlorenen Erblande zurückzuerobern. Dagegen vermochte er die vertragsmäßigen Ansprüche der Habsburger auf die ungarische Krone weder durch Unterhandlung noch durch Waffen zur Anerkennung zu bringen. Zwar drang er im Spätherbst 1490 mit Heeresmacht ins Land, es fehlte ihm nicht an offenen und heimlichen Anhängern, mit kühner Waffenthat ward am 17. November Stuhlweißenburg, die ungarische Krönungsstadt, erobert: aber Geldmangel und Meuterei der Landsknechte zwangen zur Umkehr auf der Siegesbahn. Der Preßburger Friede vom 7. November 1491 sicherte M. oder seinen Söhnen nur die Nachfolge, falls der von den Magyaren erkorene Wladislav ohne eheliche Manneserben stürbe. – Inzwischen war M. mit Genehmigung seines Vaters durch Resignation seines Vetters Sigmund Herr von Tirol und den österreichischen Vorlanden geworden. Damit war für die Zukunft die endliche Wiedervereinigung aller habsburgischen Lande angebahnt. Sein Verhältniß zu dem argwöhnischen Kaiser, in dessen unbestreitbare landesherrlichen Rechte er sich bei der Wiedereinnahme der Erblande unvorsichtige Eingriffe erlaubt hatte, war nicht das beste. Das mußte er alsbald zu seinem Schaden erfahren, als ein ganz persönlicher Conflict mit seinem präsumptiven Schwiegersohn Karl VIII. von Frankreich ihn in die übelste Lage brachte. Wenige Wochen vor dem Tode des Königs Matthias von Ungarn, der den Habsburgern ganz neue unabweisbare Aufgaben stellte, hatte M. Bevollmächtigte entsendet, um einen Heirathscontract abzuschließen mit Anna, Herzogin von Bretagne, Tochter weiland Franz II. von Bretagne, eines alten Verbündeten von den Niederlanden her. Nur politische Länderspeculation trieb ihn an zu dieser Verbindung, mit welcher er in die Rechte des französischen Oberlehnsherrn und die Interessen Frankreichs gleich verhängnißvoll Einbruch übte. Der jugendlichen Fürstin schmeichelte der Gedanke eine künftige Kaiserin zu sein: noch vor Ende 1490 schloß sie mit dem fernen M. mittelst der in fürstlichen Häusern üblichen Form der Procuration den Ehebund. Schon im Januar 1491 hatten sich in Folge dieser Vorgänge die Franzosen nahezu zu Herren des Landes gemacht, so daß im October Anna sich auf ihre Stadt Rennes beschränkt sah. M. aber fand, in Anspruch genommen durch den damals noch ungeschlichteten ungarischen Conflict, gehemmt durch Mangel an Geld und den Widerspruch seines Vaters, in sich selbst nicht die Kraft, Alles zu setzen an die Einlösung seines so feierlich verpfändeten Wortes. Somit mußte die Herzogin von Bretagne thun, was ein halbes Menschenalter früher Maximilian’s erste Verlobte als wahrscheinliche Folge zu langer Säumniß ihres Bräutigams hingestellt hatte. Nicht ein Brautraub seitens Karls VIII. hat, wie man sich in Deutschland erzählte, stattgefunden! Durch die Gunst des Papstes hatte sich Karl von Frankreich im Voraus mit den nöthigen Dispensen versehen können, um (ungehindert durch den Verspruch mit der noch im Kindesalter stehenden Margarethe von Oesterreich und andererseits die Procura-Verbindung Annas mit M.) am 6. December 1491 Anna seine Hand zu reichen. M. war durch diesen Schachzug als Gatte wie als Vater, durch eigene Schuld, gleich [728] hart getroffen. Mit England und Spanien verbunden, suchte er seinen Gegner, der anfangs nicht einmal die verstoßene Margarethe herausgeben wollte, zu züchtigen: aber der Separatfriede beider Bundesgenossen, die kaltsinnige Nüchternheit seines Vaters und der übrigen Reichsfürsten hinderte umfassendere Erfolge. M. mußte froh sein, durch den Sieg bei Dournon (in der Nähe von Salins) die bestrittene Franchecomté zu behaupten. Das statuirte auch der Friede zwischen ihm und Frankreich, der unter schweizerischer Vermittlung endlich im Mai 1493 zu Senlis zu Stande kam und Margarethens Rückkehr nach Burgund zur weiteren Folge hatte. Die Einschiebung der Freigrafschaft zwischen das in sich zerrissene Deutschland und das machtvoll erstarkende Frankreich war unzweifelhaft auch für das Reich ein Gewinn. Ohne dieses Stoßkissen hätte das letztere leicht ein Jahrhundert früher die Tage Ludwigs XIV. erleben mögen!
Maximilian I., römischer König und erwählter Kaiser, geb. am 22. März 1459 zu Wiener-Neustadt, Sohn des Habsburgers KaiserMit solcher Morgengabe gleichsam betrat M. die Stufen des Thrones, welcher durch den Tod des Kaisers Friedrich am 19. August 1493 erledigt war. Die ersten Regierungsjahre des Königs erhalten meines Erachtens ihre Signatur durch den Plan die Türken wieder aus Constantinopel zu drängen, einen Gedanken, dem er von der Jugend bis zum Grabe mit aller Gluth nachgehangen hat. Wahrscheinlich hängen mit dieser Absicht die Emancipation seines Sohnes Philipp in den Niederlanden, des Königs eigene Vermählung mit Blanca Maria Sforza, deren Ohm Lodovico er mit Mailand belehnte, u. a. m. zusammen. Dieser Gesichtspunkt bedingt mit seine Stellung zu der epochemachenden neapolitanischen Heerfahrt seines früheren Gegners Karls VIII. im J. 1494, dem er jetzt bereitwillig in Italien Raum ließ, geködert noch durch die ihm erweckte Hoffnung erwünschter Vergrößerung auf Kosten Venedigs. Freilich hat er wohl noch vor Schluß desselben Jahres seinen Irrthum begriffen und gehörte darum zu der Liga von Venedig, die sich zur Herstellung der Verhältnisse Italiens am 31. März 1495 bildete. An den Operationen war er insbesondere vor Novara durch eine Truppensendung betheiligt. Selbst dahin zu eilen, hinderte ihn der Stand der Reichsangelegenheiten. Dafür ließ er sich aber 1496 durch den einmüthigen Widerspruch von Deutschland und Burgund nicht abhalten, bei dem Gerücht von dem Wiederauftreten Karls in Italien als Condottiere Venedigs und Mailands, auf deren Wunsch und doch bei jedem Schritt von ihnen gehemmt, jenseits der Alpen zu erscheinen. Ohne Erfolg und mit starker Einbuße an der Würde des Königthums verlief diese Heerfahrt. Die Eifersucht der Verbündeten hinderte einen Angriff auf die französische Alpenstellung, der Kriegszug gegen das florentinische Livorno mißlang, ein Angriff auf das französirende Florenz erwies sich als ebenso unthunlich als der (zur rechten Zeit unterlassene) Marsch nach Rom zur Erlangung der kaiserlichen Krone. Auch aus dem Project, mit Spanien verbunden Frankreich selbst anzugreifen, ward nichts. Doch hatte die seit Jahren gemeinsame Gegnerschaft wider letzteren Staat wohl mit dazu gedient, den Gedanken einer Familienverbindung zwischen beiden Häusern zu befördern. Zwar gewann die erst 1497 geschlossene Ehe zwischen Maximilians Tochter Margarethe und dem spanischen Thronfolger Don Juan wegen des noch im gleichen Jahre eintretenden Todes des Letzteren nicht die erwartete Bedeutung. Dafür sicherte seltene Gunst des Geschicks der ehelichen Nachkommenschaft Philipps von Burgund mit Donna Juana, Tochter des spanischen Königspaares dadurch die Erbschaft Spaniens und aller Nebenländer, daß wie jener einzige Bruder so auch eine zweimal nach Portugall verheirathete ältere Schwester und ihr Sohn Don Miguel zeitig dahinstarben. -
Längst hat man sich mit Recht entwöhnt, M. als den Urheber jener Reform der Reichsverfassung anzusehen, welche jenes Zeitalter so berühmt gemacht hat. Er hat nur mit Rücksicht auf die vom Reich erwartete Unterstützung seiner [729] Pläne, die im Grunde alle die Machterhöhung, ja die Weltstellung seines Hauses bezweckten, zeitweise Nachgiebigkeit gegen die Ansprüche der ständischen Reformpartei geübt, übrigens durch sein Thun und Lassen das Möglichste geleistet, um das schwierige Werk im Keim zu ersticken. Auf seinem ersten Reichstag zu Worms 1495 gelang die Proclamirung des ewigen Landfriedens und seine Handhabung durch eine jährlich zusammentretende Reichsversammlung, die Errichtung des ständigen Kammergerichts, die Auflegung des gemeinen Pfennigs, d. i. die allgemeine Reichssteuer auf vier Jahre, deren Einsammlung und Verwendung gleichfalls zur Competenz jenes periodischen Reichstags gehören sollte. Kein Reichsstand, auch der König nicht, sollte fernerhin ohne Zustimmung jenes Organs Krieg führen oder Bündnisse schließen. Ungern hatte der König sich die in jenen Einrichtungen liegende Beschränkung seiner „Obrigkeit“ gefallen lassen, und nur in der Hoffnung alsbald auf Grund jener Reichssteuer Geld flüssig gemacht zu sehen für seine auswärtige Politik. Als das Anstand fand, störte er nicht nur durch willkürliche Maßnahmen den geregelten Gang jener Institution, er ließ sie absichtlich verfallen. Auf dem Reichstag zu Lindau seit Ende 1496 kam es daher zum Conflict zwischen seinen Gesichtspunkten und denen der Reichsstände, deren Führer, Erzbischof Berthold von Mainz, wenn ich mich nicht täusche, darauf bestand, die „Wormser Ordnung“ durchzuführen, wesentlich auch nach der Richtung, daß auch die durch privilegirte Stellung befreiten habsburgischen Erblande ihre Schultern mit unterstemmen sollten, um die Last des Reichs zu tragen. So verfiel aufs Neue Recht und Frieden und damit der Rest der Neigung für die Gesammtheit Opfer zu bringen. Vergebens verhandelte man jahrein jahraus: auf dem Reichstag zu Freiburg 1498 schien es einen Augenblick zur Annäherung zu kommen, doch stand man sich bald wieder ferner wie je. M. suchte damals dem neuen König Ludwig XII. von Frankreich das Herzogthum Burgund zu entreißen, doch verliefen zwei kurze Feldzüge ohne Resultat und führten, da Friedensversuche von verschiedenen Seiten keinen Ausgleich bewirkten, nur dazu, daß das in sich gefestigte Frankreich überall mit den Gegnern Maximilians gemeinsame Sache machte. Seine geheime Unterstützung machte es dem König unmöglich mit Hülfe seines Sohnes und einiger deutscher Fürsten endlich Geldern, das sich um Karl von Egmont als angestammten Herrn schaarte, dauernd zu unterwerfen. In dieser Lage kam im J. 1499 der Schweizerkrieg zum Ausbruch. M. hat denselben nicht gewünscht, aber doch durch sein Verhalten, theils als König, theils als habsburgischer Erbfürst, bald versprechend, bald drohend, neben anderen dazu beigetragen, daß das längst vorausgesehene Ungewitter nicht sich verziehen konnte. Nur zögernd hat er sich herbeigelassen, in den unglücklich genug verlaufenden Kampf einzugreifen, jetzt freilich entschlossen, nunmehr gründlich alle die reichsrechtlichen oder dynastischen Fragen zu lösen, die in der Schwebe waren. Doch ist weder den von ihm bestellten Generalen das Kriegsglück hold gewesen, noch hat sich ihm selbst die Möglichkeit geboten durch eine siegreiche Entscheidung seine ganze Stellung mit frischem Glanz zu umgeben, wenn es auch unrichtig ist, in seinem Auftreten am Schwaderloch eine Demüthigung des Königthums erkennen zu wollen. Die unzweifelhafte Ueberlegenheit der Schweizer und die Lage der europäischen Verhältnisse überhaupt nöthigten im September zum Abschlusse des Friedens zu Basel, durch den faktisch die Lösung der Schweiz vom Reichsverband eintrat. Dieser Krieg hatte dem König von Frankreich Gelegenheit gegeben, im Bund mit Venedig seine alten Ansprüche auf das Reichslehen Mailand gegen Lodovico Moro mit Glück geltend zu machen. Den vertriebenen Herzog, seinen Verwandten und Bundesgenossen, wieder einzusetzen, betrachtete M. als seine nächste Aufgabe. [730] Um für dieselbe die Unterstützung des Reichs zu gewinnen, berief er für das Jahr 1500 einen Reichstag nach Augsburg. Aber zu derselben Zeit, als dieser im April zusammenkam, war der voreilig ins Mailändische eingefallene Lodovico der Gefangene des Königs von Frankreich geworden. Die Frage, wie man sich zu der gewaltsamen Occupation Mailands durch Frankreich stellen müsse, sollte nach Maximilians Meinung in Augsburg eine rasche Entscheidung im kriegerischen Sinn erfahren. Doch die Stände, längst der schlecht vorbereiteten und ohne nachhaltige Kraft geführten Unternehmungen müde, zu welchen des Königs Ungestüm sich immer wieder hingerissen fühlte, banden die Gewährung einer ausgiebigen und für die Dauer berechneten Kriegsverfassung an Bedingungen, welchen der hülfsbedürftige und in seinem Renommé als Politiker und Feldherr stark mitgenommene M. sich diesmal nicht wieder, wie dereinst zu Worms 1495 gelungen war, zu entziehen vermochte. So erhielt denn Deutschland ein ständisches Reichsregiment, dessen Besetzung vorzugsweise dem Einfluß der Kurfürsten zu Gute kam. Die gesammte innere und äußere Politik sollte von demselben geleitet werden. Dem König war das Präsidium vorbehalten: nur als „König im Rath“ sollte er fortan regieren. Das Regiment sollte nicht dem Hof, wie Max gewünscht zu haben scheint, folgen, sondern er an jenes Sitz, zu Nürnberg, sich einstellen. Dem König, dessen Leitstern lediglich die von ihm begründete zukünftige Größe Oesterreichs war, vor dessen Augen das ungarisch-österreichisch-burgundisch-spanische Weltreich fertig stand, behagte es wenig, dem ihm gesetzten Regiment – so faßte er es auf – gehorsam zu sein. Das war der entscheidende Grund, daneben das Nichtaufstellen der versprochenen Reichshülfe. Daß das Regiment bemüht war, im Frieden mit Frankreich auszukommen, trieb den König, der nur ganz flüchtig in Nürnberg zweimal erschienen war, vollends auf andere Bahnen. Wenn das Regiment das Reichsbedürfniß und seine Subsistenz begründen wollte auf die vertragsmäßig ihm zustehende Quote des im Reich damals gepredigten Jubelablasses, so wußte M. mittelst directer Verhandlung mit der Curie diese Gelder in seine Kasse zu leiten; wenn das Regiment sich Frankreichs Wünschen nicht abgeneigt gezeigt hatte, so war M. aus Opposition dagegen unter Vermittlung seines Sohnes dahin gekommen, durch Abreden zu Trient und Blois (1501) seinerseits Ludwig XII. die Belehnung mit Mailand zuzusagen. Im J. 1502 war somit nicht nur das Reichsregiment in Auflösung, auch das Kammergericht feierte, die Kurfürsten standen in erklärter, feindseligster Opposition zum König, dem wol sogar die Absetzung gedroht hat. Dazu ist es nicht gekommen: M. war stark genug nicht nur sich zu behaupten, sondern auch die Errichtung einer ständischen Mitregierung unmöglich zu machen: ein mehreres: die Aufrichtung einer wirklich königlichen Regierung in Deutschland vermochte er nicht. Eine solche war im heiligen Reich fortan überhaupt nur denkbar getragen durch außerdeutsche Kräfte. Den Hauptgewinn aus der vereitelten Reform zog nicht das Königthum, sondern der Territorialismus. – M. dachte wol demnächst daran, den hadernden Elementen durch einen Türkenkrieg, zu dem auch Frankreichs Mitwirkung gesichert schien, einen Einigungspunkt zu geben. Auch ein Auftreten in Italien ward theils durch den Wechsel auf dem päpstlichen Stuhl und dadurch erleichterte Erlangung der kaiserlichen Krone, theils durch sein Verlangen in der neapolitanischen Sache die Partei Spaniens gegen Frankreich zu ergreifen, wieder in seinen Gesichtskreis gerückt. Doch kam es zu nichts, weil von burgundischer Seite Alles daran gesetzt wurde, im Gegentheil seine Verbindung mit Frankreich enger zu knüpfen. Diese Bestrebungen sicherten wenigstens seinen Rücken, als im J. 1504 der Krieg über das Erbe des verstorbenen Herzogs Georg von Baiern-Landshut ausbrach.
[731] M. wollte von Vornherein nichts davon wissen, daß eine der streitenden Linien des wittelsbachischen Hauses, die münchener oder die pfälzische, einen unbestreitbaren Rechtstitel aufzuweisen hätte. Er unterwarf die Entscheidung seiner oberherrlichen Vermittelung, wobei er zugleich für sich (d. h. für Habsburg und nicht etwa fürs Reich) bestimmte Forderungen an die Verlassenschaft als sein sog. „Interesse“ nachdrücklich geltend machte. Da Albrecht von München sich zu solchem Opfer willig finden ließ, während Ruprecht, der pfälzische Prätendent und Schwiegersohn des verstorbenen Georg, jede Schmälerung des Erbes seiner Gemahlin zurückwies und schließlich trotzig dem Vermittelungstag den Rücken kehrte, schickte sich M. an zur rechtlichen Entscheidung zu schreiten. Da überhob ihn friedbrüchige Gewaltthat des heißspornigen Pfälzers dieser Nothwendigkeit. Gegen letzteren und seinen gleichfalls geächteten kurfürstlichen Vater entbrannte nun der Krieg, an dem als König und Mitglied des schwäbischen Bundes auch M. auf Albrechts Seite, dem er von Anfang an im Herzen in dieser Sache gewogen gewesen, sich betheiligte. Außer seinem siegreichen Auftreten in der (Pfalz gehörigen) Landvogtei Hagenau und in dem bis dahin baierischen Nordtirol – Beides gehörte zu seinem „Interesse“ – ist hier vor Allem seine Theilnahme an dem entscheidenden Sieg über die von Pfalz gedungenen Böhmen bei Menzesbach in der Nähe Regensburgs hervorzuheben. Der Verlauf des Kriegs, während dessen Berthold von Mainz gestorben, während der mächtigste Laiengegner Maximilians auf den Knieen während des Reichstages zu Köln 1505 die Gnade des Kaisers anflehen mußte, hob die Bedeutung des Königthums, abgesehen selbst von dem eingeheimsten Landgewinn. Freilich war der Umschwung doch nicht so stark, daß Maximilians Plan, seinen Sohn Philipp mit Tirol als Kurfürstenthum auszustatten, sich hätte durchführen lassen; auch nicht so angewachsen die Centripetalkraft, daß die Stände sich jetzt statt des aristokratischen ein monarchisch construirtes Regiment hätten auflegen lassen müssen. Höflich lehnten sie 1505 zu Köln einen dahin zielenden Vorschlag ab.
M. hatte gleichzeitig mit dem Erbfolgekriege seine Blicke nach Geldern richten müssen, wo der alte Störenfried Karl von Egmont wieder einmal losgelassen war. Hier wie dort konnte er nur durch sein gebessertes Verhältniß zu Frankreich zum Ziel gelangen. Ein solches war durch das unablässige Bemühen seines Sohnes Philipp herbeigeführt worden, welchem zum Antritt der durch Isabella’s Tod offenen, aber von Ferdinand dem Katholischen gleichfalls für sich erstrebten, Erbschaft in Castilien ein leidliches Verhältniß mit Frankreich Bedürfniß war. M. ward geködert durch den für sein Denken berauschenden Wunsch, mit Frankreichs Hülfe auf Venedigs Kosten sich zu vergrößern. Die Verlobung zwischen seinem Enkel Karl und Claudia, Tochter des französischen Königspaares, sollte der vorgegebenen Anschauung zu Folge auf alle Zeiten Freundschaft zwischen den verschwägerten Häusern stiften, indem in der Zukunft jenes Paar als Besitzer der wichtigsten Territorial-Streitobjecte gedacht wurde. (Verträge zu Blois September 1504.) Wie ernst jede der Parteien es mit ihrem Wort in dieser Beziehung nahm, kann hier nicht erörtert werden. Genug, daß M. im April 1505 zu Hagenau die Zusage ausführte, den französischen König mit Mailand zu belehnen. Letzterer hat bekanntlich bald die vertragsmäßige Verlobung unmöglich gemacht, indem er die mit dem künftigen Thronerben Frankreichs vorzog, und dann in enge, den Habsburgern feindliche, Verbindung trat mit Ferdinand von Aragon. Es kann hier nicht darauf eingegangen werden, wie sehr durch diese treulose Politik die Lage Philipp’s des Schönen, der 1506 sich mit seiner schon durch Geistesnacht bedrohten Gemahlin nach Castilien verfügt hatte, erschwert wurde. Bekanntlich erlag dieser einzige Sohn Maximilian’s im September 1506 einer tückischen Krankheit. Seinem sechsjährigen Sohn Karl [732] galt fortan das Machtstreben Maximilians, dessen wichtigste Sorge es fortan blieb, alle durch glückliche Heirathspolitik erworbenen Ansprüche der Habsburger diesem einen (mit Ausschluß der Anrechte des jüngeren Ferdinand) zuzuwenden. Die von M. selbst abgelehnte Vormundschaft über Karl, ward von ihm seiner Tochter Margarethe (bereits auch in zweiter Ehe mit dem Herzog von Savoyen verwittwet und hartnäckig, wie M. meinte, durch Einfluß ihrer von Frankreich bestochenen Umgebung, einer neuen Ehe mit Heinrich VII. von England widerstrebend) übertragen. Auch auf Ungarn und Böhmen bezog sich obige Politik, wo er im J. 1506 mittelst eines Feldzugs zu verhindern strebte, daß nicht die von einer mächtigen Partei betriebene Vermählung der bis dahin einzigen Tochter des Königs mit einem einheimischen Magnaten, die seit 1491 aufs Neue anerkannten Anrechte Habsburgs verdunkeln oder vernichten möchte. Sein Unstern wollte nun, daß gerade während des übrigens nicht zu ernsten Waffenlärms ein Sohn und Erbe dem ungarischen Königspaar geboren wurde. Doch wußte er auch daraus mit Hülfe seiner so virtuos geübten Heirathspolitik Gewinn zu ziehen. Eine Reihe von Unterhandlungen und Verabredungen ziehen sich durch die folgenden Jahre mit dem immer deutlicher hervortretenden Ziel durch eine habsburgisch-jagellonische Doppelheirath den Anfall Ungarns und Böhmens an die habsburgische Ländermasse entscheidend einzuleiten. Diplomatisch gelang das auf dem gefeierten Congreß in Wien im J. 1515, wo durch M., Wladislaus von Ungarn-Böhmen und dessen Bruder Sigismund von Polen der junge Ludwig von Ungarn als Gatte der habsburgischen Maria anverlobt wurde, während der alternde M. feierlich gelobte, der einzigen Schwester Ludwig’s Anna seine Hand zu reichen, falls nicht in gemessener Frist einer seiner Enkel Karl oder Ferdinand die Prinzessin ehelichen würde. Bekanntlich ist dem letzteren dies Loos und damit (in Folge später eintretender Umstände) als erstem Habsburger die Krone Böhmen-Ungarns zugefallen.
M. hatte 1506 die Absicht gehabt, unmittelbar von Ungarn aus mit der zu Köln ihm bewilligten Reichshülfe und gestützt auf den von seinem Sohn von Granada aus zu gewährenden Beistand nach Rom zur Erlangung der Kaiserkrone zu ziehen. Der Tod des Sohnes lähmte ihn in doppelter Beziehung, insofern auch der Wiederlosbruch des von Frankreich angestachelten Karl von Geldern seine Aufmerksamkeit und Kräfte in Anspruch nahm. Die Mächte und auch der Papst wollten nichts wissen von seinem kriegerischen Auftreten in Italien: dem guten Willen derselben und besonders Frankreichs und Venedigs, die einer Romfahrt in der Art Sigismund’s und Friedrich’s nichts in den Weg legen zu wollen betheuerten, wagte er sich und seine Krone nicht anzuvertrauen. Ein Reichstag, der deshalb hauptsächlich 1507 nach Constanz berufen wurde, sollte da Rath schaffen. Auf demselben sah sich der König in der That einmal von beeiferter Huldigung der Stände umdrängt: alte Gegner hatten gelernt sich zu beugen und systematisch war von M. bei jeder Gelegenheit dafür gesorgt worden, ergebene Männer insbesondere auf die Bischofsstühle zu bringen. Eine verhältnißmäßig bedeutende Kriegshülfe ward bewilligt, selbst die Schweizer (gegen Anerkennung ihrer Unabhängigkeit von der Reichsjurisdiction) versprachen Söldner zu stellen, freilich nicht wider Frankreich. Aber die lässige Entrichtung des verheißenen Reichsanschlags, die fortgesetzte Weigerung der Mächte, die in Italien Fuß hatten, M. anders denn als eine Art vornehmen Wanderers durch die geschlossenen Pässe zu lassen, führten ihn schon Ende 1507 zu einem veränderten Plan. Er trat in Unterhandlung mit dem Papst, der die Krönung durch Legaten an den Confinien Deutschlands und Welschlands vollziehen lassen sollte. Auch dazu ist es nicht gekommen. Vielmehr hat M. – der erste deutsche König, der das unternahm – aus eigener Bewegniß am 4. Februar 1508 zu [733] Trient den Titel eines erwählten römischen Kaisers angenommen. Dem Papst Julius gegenüber ward das Unternehmen gerechtfertigt durch den Hinweis, daß es zweckmäßig erschienen, um das deutsche Kriegsvolk freudiger zu machen zur Romfahrt. Diese also blieb vorbehalten. Der Papst, der aufs Bereitwilligste schon am 12. Februar zu dem Geschehenen seinen Segen gab, unterließ doch nicht, wiederholt dringend von dieser Kaiserfahrt im alten Sinne abzumahnen. – M. hat den Gedanken, wenn er ihn ernstlich festgehalten, auch nicht durchführen können, da der umgehend gegen die Venetianer begonnene Krieg – an dem er selbst übrigens kaum einen Tag lang sich betheiligte, den unerfreulichsten Verlauf nahm. Man mußte froh sein, im Juni 1508 von Venedig einen dreijährigen Waffenstillstand zu erlangen. Derselbe schloß zwar Frankreich, nicht jedoch das demselben verbündete Geldern mit ein, so daß M. dem Prätendenten gegenüber freie Hand zu haben vermeinte. Als er jedoch merkte, wie sehr die Erfolge Venedigs seinem Ansehen im Reich aufs Neue schadeten, warf er sich mit der äußerlich überraschendsten, innerlich aber wohl erklärbaren Wendung seines Lebens plötzlich in die Arme Frankreichs. Er zeigte sich jetzt geneigt, auf die Verabredung von Blois und Hagenau auch ohne die dynastische Verbindung zurückzugreifen. Aus längeren Verhandlungen ging im December 1508 die Liga von Cambray zwischen dem Kaiser, Frankreich, Spanien und dem Papste hervor, die speciell die Beraubung der Republik Venedig zum Ziel hatte. M. griff damit blos auf eine Politik zurück, welche ihn schon 1494 und erneut 1501 und 1504 verblendet hatte. Diese Tendenz auf Vernichtung Venedigs ist der feste Punkt in dem Wandel der nächsten Jahre, und in dem Wechsel der Allianzen. 1509 begann der Krieg. M., dem der Reichstag zu Worms (beflissen nicht mitzuthaten, wo er nicht mitgerathen) Unterstützung verweigert hatte, kam mit seiner Rüstung wieder erst zurecht, als seine Bundesgenossen durch Erwerb der ihnen zugesprochenen Raubantheile bereits stark abgekühlt waren und die vom Papste gebannten Venetianer, die im ersten Schrecken auch von deutscher Seite erlittenen Schäden großentheils wett gemacht hatten. Dagegen vermochte im Herbst 1509 M. das von Venedig wieder eingenommene Padua nicht zu bezwingen. Nur Verona blieb in deutschen Händen, freilich nur durch französische (und dann seit 1512 spanische) Unterstützung. 1510 sah sich nach der Aussöhnung des Papstes und Spaniens mit Venedig M. allein mit Frankreich, mit dem er zu Blois die Bündnisse bekräftigte und erweiterte. In dieser Phase ist der Papst Hauptgegner, gegen den M. 1510 den Gedanken deutscher Kirchenreform mit einem nationalen Primas ebenso rasch erfaßt wie fallen läßt und gegen den er dann 1511 gemeinsam mit Frankreich das Concil von Pisa zur Reform der Kirche und des Papstthums berief. Damals – er war inzwischen verwittwet – hörte man in diplomatischen Kreisen von seinem Plan, für sich selbst an Stelle des bekämpften und schwer erkrankten Julius II. das „Papstthum“ zu erwerben. Wenn ich nicht irre, handelte es sich dabei um nichts anderes als die Besitznahme des Kirchenstaates durch den Kaiser, der, nachdem Mailand dahingegeben, auf andere Weise in Italien festen Fuß zu behaupten wünschte. Bekanntlich hat M., der 1511 noch vom Pusterthal aus in Person, doch ohne Erfolg, das venetianische Gebiet hatte überziehen wollen, obige Richtung nicht mehr lange innegehalten. Nachdem sich 1511 die heilige Liga aus dem Papste, Spanien und Venedig gebildet, hat sich im folgenden Jahre M. an dieselbe (mit Ausschuß des wieder mit Frankreich liirten Venedig, welches nicht gewillt war, dem Kaiser die auch vom Papste geforderten Opfer zu bringen) seinerseits angeschlossen. M. erkannte das von Julius berufene lateranische Concil an, ebenso die Einsetzung Maximilians Sforza in Mailand an Stelle des französischen Königs. Der Kampf gegen Venedig ward von seinen [734] Feldhauptleuten vorwiegend durch Beihülfe der Erblande, aber jetzt auch mit Unterstützung spanischer Truppen ohne ausschlaggebende Erfolge fortgeführt. Das Reich stand trotz aller Mühe, welche sich M. gab, es für diesen dynastischen Krieg zu interessiren, fast ganz bei Seite. Weder auf dem Reichstage in Augsburg (1510), noch auf dem zu Trier und Köln (1512), berühmt durch Grundlegung der zehntheiligen Kreisverfassung, kam es zu genehmen Beschlüssen. Der Kaiser ging dann ohne Rücksicht aufs Reich seines Weges. 1513 kämpfte er als Truppenführer Englands, das inzwischen der heiligen Liga beigetreten war, bei Terouenne in Belgien siegreich gegen die Franzosen. Das hinderte aber nicht, daß König Heinrich VII. von England es für vortheilhaft fand, die zwischen seiner Schwester Maria und des Kaisers Enkel Karl getroffene Eheberedung fallen zu lassen und mit Ludwig XII. von Frankreich ein dynastisches Band zu schlingen. Aber die so geschaffene Perspective schwand rasch durch den Tod des französischen Königs. Ein ganz neues Bild entrollte sich durch die Wiedereroberung Mailands durch den neuen König Franz I. von Frankreich. Diesen Erfolg zu vernichten, stieg der alternde Kaiser noch einmal im Frühjahr 1516 an der Spitze eines vorzugsweise mit englischem Gelde bezahlten Heeres in die lombardische Ebene hinab. Am 25. März stand er vor Mailand. Doch er konnte angesichts der Unzuverlässigkeit seiner Truppen seine bisherigen Erfolge nicht ausbeuten. Fast flüchtig sein sich dann auflösendes Heer verlassend, kam er nach Tirol. Dennoch wollte er sich noch nicht zum Frieden bequemen. Erst nach langem Zaudern entschloß er sich im Brüsseler Frieden (4. December 1516) dem von seinem Enkel Karl (inzwischen bereits König von Spanien, dank der Politik seines habsburgischen Großvaters geschlossenen Vertrag mit Frankreich sich zuzugesellen. Mit Venedig kam es 1517 formell nur zum Waffenstillstand, der indessen immer wieder verlängert worden ist. M. erhielt für die Uebergabe des bis zuletzt tapfer behaupteten Verona eine Summe Geldes. Er bewahrte Roveredo und einige Bezirke am Gardasee, dazu die nicht bedeutenden Eroberungen in Friaul. Also mit einigen unerheblichen Grenzberichtigungen für die Erblande schloß der achtjährige Krieg, der Maximilian’s Ruf als Politiker und Feldherr so schwere Wunden geschlagen, der die Verpfändung fast des gesammten Kammerguts und eine ansehnliche Schuldenlast nach sich gezogen hatte. Vom Reich und der Beibringung der dereinst ihm zugehörigen Gebiete war nicht mehr die Rede. Trauriger war es, daß diese Eroberungspolitik nach Welschland hin dem Herrscher Kraft und Möglichkeit benahm für ein wesentlich deutsches Interesse einzustehen, den Schutz des von Polen bedrängten deutschen Ritterordens in Preußen. Trotz eines anscheinend gewaltigen Anlaufs, Polen durch eine Coalition östlicher deutscher und außerdeutscher Fürsten zur Nachgiebigkeit zu drängen, erlahmte M. doch bald und hat dann gar unter dem Einfluß dynastisch habsburgischer Gesichtspunkte vertragsmäßig darauf verzichtet, dem Orden gegen seinen Bedränger ferner Hülfe zu leisten. Den unruhigen Karl von Geldern hat M. nicht vermocht, trotz mehrfach günstiger Chancen zu bändigen: die Verleihung der Potestatenwürde in dem freien Westfriesland an den um Habsburg verdienten Herzog Albrecht von Sachsen, hat sich nur als ein Uebergangsstadium zum Erwerb dieser Landschaft durch Maximilian’s Enkel ausgewiesen. In diesem habsburgischen Hausinteresse und dem was er für die Schöpfung des werdenden Großstaates Oesterreich mehr durch Verträge und Heirathen als durch die Waffen geleistet, liegt überhaupt seine weltgeschichtliche wie nationale Bedeutung. Unausgesetzt, immer neue Fäden in das Gewebe an Stelle abgerissener einschlagend, weder seine Person noch seine Reputation schonend, jagt er jenem Ziele nach, insbesondere noch während seiner letzten Lebensjahre. Da flammt wohl noch einmal in ihm der alte Wunsch auf, an der Spitze der zur Harmonie gelangten Fürsten Europas [735] gegen die Türken zu kämpfen, deren bedrohliche Machtentfaltung ja gerade Oesterreichs Stellung als Ostmacht beeinträchtigte; zur Herbeiführung dieser politisch-religiösen Unternehmung wird noch 1518 ein Reichstag nach Augsburg berufen. Aber schon seit 1517 wie auf der genannten Reichsversammlung ist es die Triebfeder der kaiserlichen Politik, welche jetzt ältere Velleitäten, wie die Nachfolge Ludwig’s von Ungarn oder Heinrich’s VIII. von England weit von sich gestoßen hat, die Wahl des kaiserlichen Enkels Karl zum römischen König und künftigen Kaiser durchzusetzen. Wichtige Schritte auf dieser Bahn waren zurückgelegt, aber noch standen schwere Hindernisse im Wege, als der längst kränkelnde Monarch am 12. Januar 1519 zu Wels (in Oberösterreich) schmerzlos sein thatenreiches Dasein beschließen mußte.
Ist M. auch weder ein Staatsmann noch ein Feldherr ersten Ranges gewesen, so hat er doch die Grundlagen eines großen Reiches durch seine diplomatische Arbeit legen dürfen. Dazu verdanken ihm die Erblande die freilich noch unbefestigten Anfänge einer modernen Verwaltungsordnung und eine Reihe einzelner Fortschritte, den Aufschwung des Universitätsstudiums in Wien, die erste Einrichtung der Post u. a. m., die zum Theil auch dem Reiche zu Gute kamen. In militärischer Hinsicht ruht seine Bedeutung auf seinem unbestreitbar großen Organisationstalent. Die deutschen Landsknechte, deren weitere Ausbildung allerdings erst nach seiner Zeit erfolgte, verehren in ihm ihren Vater. Im Geschütz- und Befestigungswesen, in der Ausbildung der Cavallerie verdankt man ihm wichtige Erfindungen und Fortschritte. Ueberhaupt schied in ihm eine reichangelegte Persönlichkeit von dem Thron. Gottesfürchtig, aber von freiem Blick und Wort auch in religiösen Fragen, begabt mit gutem Gedächtniß, nützlichen Kenntnissen und dabei von lebhafter Empfänglichkeit des Geistes hat er nach vielen Richtungen hin anregend und befruchtend gewirkt. So liebte er neben der leidenschaftlich betriebenen Jagd und allen Formen ritterlichen Kampfes die edle Musika, der sein Hof zu allen Zeiten ein Asyl geboten hat. Im Stillen erbaute er seine hochstürmende Phantasie gern an alten Heldendichtungen deutscher Vorzeit, aber nicht minder liebte er die Geschichte. Letztere freilich nicht ganz uneigennützig: sie sollte ihm, wie er wiederholt ausgesprochen hat, die Gewähr verschaffen für seinen Nachruhm. Denn er wollte nicht mit dem Glockenton seines Leichenbegängnisses vergessen sein, er begriff die Wichtigkeit der Historie für Pflege eines Staatsbewußtseins, dessen Mangel zum Umsturz der Staaten führe. Es ist vielleicht noch nicht hinlänglich beachtet, wie sehr die rühmliche Anregung, die er den Wissenschaften und Künsten gegeben hat, ausgeht von ähnlichen Gesichtspunkten. Fast alle durch ihn veranlaßten mehr oder weniger gelungenen Productionen, man denke an Theuerdank, Weißkunig, Freydal, Ehrenpforte, Triumphzug, Grabmal u. s. w. – haben die Verherrlichung seiner Person und seiner Dynastie zum Gegenstand. Wie er ferner die Forschung über die Heiligen seines Geschlechts mit Beflissenheit förderte, so sind auch die von ihm ins Auge gefaßten und durch Stabius, Suntheim, Peutinger u. a. unternommenen historischen Arbeiten wesentlich ausgegangen von dem Gedanken „seine Chronik“, das ist eine habsburgische Hausgeschichte zu Stande zu bringen. Auch durch solche Schöpfungen glaubt er seinen Nachkommen, ein nutzbringendes Vermächtniß zu hinterlassen. Ueber seinen persönlichen Antheil an all diesen Arbeiten ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Durch Anregung, Entwerfung des Planes, eigenhändige Aufzeichnungen und Dictate über sein Leben qualificirt er sich ohne Zweifel als Mitarbeiter: andererseits aber erscheint er auch öfters in dem kleinen Drama der Entstehung eines jener Werke gewissermassen als inscenirender Regisseur. Unablässig ist er bemüht, die besten Kräfte zu gewinnen, unaufhörlich bessert er an den fast gleichzeitig gepflegten Entwürfen, [736] mahnt er, straft er und schafft trotz aller Finanznöthe schließlich doch die nöthigen Mittel. Wenn man den Herrscher lieb gewinnen will, muß man ihn bei diesem künstlerischen und litterarischen Treiben aufsuchen.
Bei seinen Lebzeiten hat es ihm an Liebe der Bevölkerung nicht gefehlt. Sein gleichzeitig von Kraft und Würde wie von Liebenswürdigkeit zeugendes Auftreten riß die Herzen selbst Widerstrebender zu ihm hin. Er war wirklich populär auch im Reiche, so ernsthaft politische Gegner und andere einsichtige Männer über sein Wesen und Treiben die Köpfe schüttelten. Seinen Dienern war er ein gnädiger, wohl nur zu nachsichtiger Herr. Aber seine wichtigsten Geheimnisse behielt er meistens für sich. Dagegen hörte er bei der Ausführung des im Stillen Beschlossenen gern nach Links und Rechts, und gerieth dadurch, nachdem er vorher zu wenig sich hatte berathen lassen, in ein oft für seine Pläne verhängnißvolles Schwanken. Diese seinem Thun anhaftende Unsicherheit und die daraus entspringende Planmacherei verbunden mit der dauernden Geldnoth, die theils durch seine Schuld, theils durch die der Umstände sein Leben begleitete, haben seinem Ruf und seinem Erfolg gleichmäßig geschadet. Alles in Allem eine vielseitig angelegte Natur von unverwüstlicher Frische, ein Fürst, der ohne überall den Ansprüchen seiner complicirten Stellung zu genügen, doch eine geschichtliche Bedeutung behauptet durch seine Lebensarbeit für die Weltmacht des Hauses Habsburg und durch die befruchtende Anregung, welche in Deutschland Kunst und Wissenschaft von ihm erfuhr.
Von Monographien über M. hat nur die von Hegewisch (erschienen 1782) einen dem wissenschaftlichen Standpunkt ihrer Zeit entsprechenden Charakter. Mächtig ist die Kenntniß seiner Zeit gefördert worden durch Ranke’s Geschichten der romanischen und germanischen Völker, sowie dessen deutsche Geschichte im Reformationszeitalter. Die allgemeine Politik ist dargestellt von Lanz: Einleitung zu den Monumenta Habsburgica, 2. Abtheil. Erster Band. In neuester Zeit hat durch Werke zeitgeschichtlicher Natur wie durch eine freilich nicht sehr umfassende Reihe specieller Untersuchungen über M. der Gegenstand Förderung erfahren. Zuletzt ist von dem Unterzeichneten der Versuch einer Darstellung gemacht worden: Kaiser Maximilian I. Erster Band. 1884.