BLKÖ:Habsburg, Johanna von Castilien

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 6 (1860), ab Seite: 288. (Quelle)
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120. Johanna von Castilien, Gemalin Philipp’s, Erzherzogs von Oesterreich (geb. 6. Nov. 1479, gest. 12. April 1555). Drittes Kind Ferdinand’s des Katholischen von Aragonien und Isabella’s von Castilien, vermält an Philipp, Erzherzog von Oesterreich, am 21. October 1496. Nach dem Tode ihres Neffen Michael, einzigen Sohnes ihrer ältesten Schwester, Königin Isabella von Portugal, welcher 1500 erfolgte, fand man es für gerathen, zur feierlichen Anerkennung ihrer Rechte auf Spanien, welche Michael ihr überlassen hatte, sie mit ihrem Gemale nach Spanien zu berufen. Sie kamen nun am 22. September 1502 in Saragossa an, aber das steife spanische Hofleben sagte Philipp nicht zu, und schon am 19. December 1502 verließ er wider Willen Ferdinand’s und Isabellens Spanien, seine Gemalin Johanna in gesegneten Umständen zurücklassend. Johanna, wie die Geschichtschreiber berichten, überspannten Geistes, wurde nach ihrer Entbindung völlig geisteskrank, und in ihrer ungestümen Sehnsucht nach dem fernen Gatten gewann die Krankheit einen heftigen Charakter. Sie wurde nun, um sich zu erholen, zuerst nach Segovia, dann nach Medina dal Campo und unter Aufsicht des Bischofs von Cordova gebracht. Alle Mittel zu ihrer Heilung fruchteten wenig; um ihrer Sehnsucht nach Philipp nachzugeben, brachte man sie zu ihm zurück und am 1. März 1504 reiste sie von Medina dal Campo nach Laredo und von da nach Flandern. Ihre Mutter Isabella starb noch im nämlichen Jahre, am 26. November 1504, und bestellte, da Johanna ihres Seelenzustandes wegen die Regierung nicht führen konnte und deren ältester Sohn Karl noch unmündig war, ihren Gemal Ferdinand den Katholischen, als des Letzteren Vormund und Regenten Castiliens; Philipp, Johannens Gemal, war also durch diese Anordnung von der Regierung ausgeschlossen. Philipp jedoch kehrte sich nicht an diese Verfügung, sondern verlangte als natürlicher Vormund seiner Gemalin und seines Sohnes zum Reichsverweser Castiliens bestellt zu werden. Die von beiden Seiten, von Ferdinand dem Katholischen und Philipp von Oesterreich erhobenen Ansprüche führten zu ernsten Verwickelungen, welche Philipp einfach dadurch zu lösen vermeinte, wenn er sich mit seiner Gemalin an Ort und Stelle begab. Am 10. Jänner 1506 reiste demnach Philipp mit Johannen ab, aber ein Sturm verschlug das Schiff an die englische Küste und der Erzherzog mit seiner Gattin wurde von dem englischen Könige Heinrich VII. gastlich empfangen und zu Windsor festlich gehalten. Erst nach dreimonatlichem Aufenthalte verließen Philipp und Johanna England und erreichten am 28. April 1506 den Hafen Corunna. Am 9. Juli huldigten zu Valadolid die Stände den beiden Gatten und ihrem Sohne Karl. War früher in einem zu Salamanca, 25. November 1501, [289] geschlossenen Vertrage Isabellen mit ihrem Gemale von Ferdinand die Mitregentschaft zugestanden worden, so wurde nun in einem neuen Vertrage vom 27. Juni 1506 Ferdinand von der Regentschaft ausgeschlossen; und als Philipp plötzlich zu Burgos an den Folgen einer Erkältung starb (25. September 1506), wurde die Verwickelung nicht geringer, da man Ferdinand als Vormund nicht wieder zur Regentschaft zulassen wollte. Anträge, sich einen neuen Gatten zu wählen, schlug Johanna entschieden aus. Als Philipp starb, war Johanna im fünften Monate der Schwangerschaft. Ihr Seelenleiden nahm in bedauerlicher Weise zu. Die Sehnsucht nach ihrem Gatten wuchs in solchem Maße, daß sie seinen Leichnam in ihr Gemach bringen, auf ein Prunklager legen und sich denselben überall nachschaffen ließ, wohin sie sich begab. Angesichts des Leichnams soll sie ihre Niederkunft abgehalten haben. Ende August 1507 überließ sie ihrem Vater die Regentschaft, welche französischerseits erst am 12. December 1509 anerkannt wurde. In diesem Zustande trauriger Geisteszerrüttung erreichte sie das hohe Alter von 76 Jahren. Als im Jahre 1516 ihr Vater Ferdinand starb, erbte sie ungeachtet ihrer Geistesschwäche die vereinte spanische Monarchie. Ihre Unfähigkeit zu den Staatsgeschäften wurde von den spanischen Cortes nie ausdrücklich ausgesprochen und im Februar und Mai 1518 empfing sie von allen Theilen der pyrenäischen Erbländer die Huldigung. In allen Urkunden, welche die vereinte spanische Monarchie betreffen, steht ihr Name. Im Jahre 1520 benützte der Parteihäuptling Padilla die hie und da ausgebrochenen Unruhen, bemächtigte sich der Königin und regierte in ihrem Namen; aber die Partei der gesetzlichen Regentschaft gewann alsbald wieder die Oberhand, befreite am 5. December 1520, unter Leitung des Grafen Haro, die Königin von der Umgebung der Rebellen und stellte die Regierung der Cortes wieder her, während über die Rebellen strenges Gericht gehalten und Padilla enthauptet wurde. Als sie am 12. April 1555 zu Tordesillas starb, wurde sie daselbst im Kloster Santa Clara bestattet. Von ihren sechs Kindern überlebten sie fünf: Eleonore (geb. den 14. November 1498, gest. als Witwe in Spanien 1. Februar 1558) [s. Nr. 52], Gemalin Emanuel’s von Portugal und des Königs Franz von Frankreich; Erzherzog Karl, als König von Spanien der I., als deutscher Kaiser der V.; Isabella, Gemalin des Königs Christiern von Dänemark [s. Nr. 68]; Erzherzog Ferdinand, als Kaiser Ferdinand I. [siehe Nr. 81]; Maria (geb. 13. September 1505, gest. 18. Sept. 1558), vermält mit Ludwig, König von Ungarn, als Witwe Statthalterin der Niederlande; und Katharina (geb. 14. Jänner 1507, gest. 1577), Gemalin Johann’s III., Königs von Portugal).

Fugger, Spiegel der Ehren des Erzhauses Oesterreich (Nürnberg 1668, kl. Fol.) S. 1095, 1102, 1132, 1137, 1143, 1168, 1227, 1242. – Pichot (Amédée), Charles-Quint, chronique de sa vie intérieure et de sa vie politique, de son abdication et de sa retraite dans le cloître de Saint-Yuste (Paris, Furne) [enthält eine ausführliche Charakteristik Johanna’s]. – Porträt. P. de Jode exc. (kl. 4°.) [ein schönes Blatt]. – Johanna’s wehmütiger Irrsinn, der nach ihres Gatten Tode einen noch grauenhafteren Charakter annahm, gab zwei belgischen Künstlern Stoff zu zwei herrlichen Bildern. Die Maler Slingeneyer und Gallait haben beide dasselbe Motiv künstlerisch behandelt, nämlich Johanna in ihrer eifersüchtigen Liebe hält mit wahnsinniger Hartnäckigkeit den Leichnam ihres Gatten Philipp fest. In einer Beurtheilung [290] des Bildes von Slingeneyer macht der Kritiker folgende Bemerkung: „Die tolle Johanna ist meisterhaft gemalt, ihr Blick und eine Pfauenfeder im Haare sagen die ganze unaussprechliche Verwirrung ihrer Geisteskräfte“. Der Kritiker bringt hier ganz unrichtig die Pfauenfeder in eine Beziehung mit dem Irrsinne der Fürstin. Die Pfauenfeder ist aber nichts als ein charakteristisches Zeichen der Habsburger Fürsten, welches sie und eben nur sie am Helme, Hut oder Barett zu tragen pflegten. Slingeneyer wählte also die Pfauenfeder durchaus nicht als symbolische Bezeichnung des Irrsinnes der Fürstin, sondern um die Gestalt für das Auge des geschichtskundigen Beschauers sogleich als Habsburgerin kenntlich zu machen. – Poetisch behandelt hat diesen Stoff L. Koßarski im „Berliner Figaro“. Redigirt von L. W. Krause 1839, Nr. 50.