ADB:Sigmund (Erzherzog von Österreich)

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Artikel „Sigmund, Erzherzog von Oesterreich“ von Franz von Krones in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 286–294, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sigmund_(Erzherzog_von_%C3%96sterreich)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 14:03 Uhr UTC)
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Sigmund, Herzog, seit 1477 Erzherzog von Oesterreich, Graf von Tirol, aus dem Hause Habsburg, einziger Sohn Herzog Friedrich’s IV. von Oesterreich (s. Art.) aus der Ehe mit Anna, Tochter Herzog Friedrich’s von Braunschweig-Lüneburg, geboren am 26. October 1427 zu Innsbruck, † am 4. März 1496. Als sein Vater am 24. Juni 1439 starb und ein an Wechselfällen reiches Leben mit dem Bewußtsein schloß, ein angesehener Fürst geworden zu sein und die Wohlfahrt seiner Lande geschaffen und befestigt zu haben, war S. kaum zwölf Jahre alt und der Vormundschaft bedürftig, die nach dem Gewohnheitsrechte dem „obersten und ältesten Herrn von Oesterreich“ zustand. So übernahm denn sein Vetter, Herzog Friedrich V., der „steirische Friedrich“ (s. Art. Kaiser Friedrich III.), bald darauf deutscher Wahlkönig, dieses Amt, nachdem die Ständeschaft des Landes übereingekommen war, die mit einander im Streite liegenden Herzöge von Innerösterreich, Friedrich V. und seinen Bruder Albrecht VI. (s. Art.), in die Städte Innsbruck und Hall weder in Person noch deren Botschafter einzulassen, bevor sie nicht Eintracht gelobt, oder, falls keine Verständigung erzielt worden, eidlich erklärt hätten, das Land an einem festgesetzten Tage ohne jedwede Schädigung wieder zu verlassen. Dieses der erwähnten ständischen Vereinbarung innewohnende Mißtrauen hatte seinen guten Grund, denn auch Herzog Albrecht VI. gedachte sich der Vormundschaft „anzunehmen“. Da es den Tiroler Ständen nicht gelang, ihn von seinen Ansprüchen abzubringen, so gaben sie am 28. Juli die Erklärung zu Gunsten Herzog Friedrich’s V. ab, und dieser stellte ihnen eine Verschreibung aus, wonach er auf vier Jahre die Vormundschaft übernahm und gelobte, er wolle seinen Vetter als Mündel „in der Luft, in welcher er erzogen wurde und bisher gewohnt hat, nämlich hier im Innthale und zwar in jenem Schlosse oder in jener Stadt, die nach der Jahreszeit die geeignetste sein wird, bleiben lassen und ihn weder selbst noch durch andere aus dem Lande führen ohne merkliche Nothdurft und ohne Rath und Zustimmung der Anwälte, die er hier im Lande anstellen und nur aus den Landleuten der Grafschaft Tirol erwählen werde.“ Auch der Fall einer zwischenläufigen Ländertheilung der Brüder (Friedrich’s V. und Albrecht’s VI.) erscheint berücksichtigt. Der Vormund bezieht während der vier Vormundschaftsjahre alle landesfürstlichen Gefälle und Renten, ohne zur Rechnungslegung verpflichtet zu sein, um damit den herzoglichen Hofstaat und die Landesverwaltung zu bestreiten. Herzog Friedrich V. verletzte aber bald seine Zusagen, indem er sein Mündel nicht im Lande ließ, sondern an den eigenen Hof nahm und manche Eigenmächtigkeiten durchführte, was alles in Tirol übel empfunden wurde. Als daher mit dem 23. Juni 1448 die vier Vormundschaftsjahre zu Ende gingen, erwartete man ungeduldig die Auslieferung des nunmehr mündig gewordenen 16jährigen Landesfürsten und war begreiflicher Weise sehr überrascht und verstimmt, als der bisherige Vormund, Kaiser Friedrich III. (IV.) am 19. August von Neustadt aus der Tiroler Landschaft verkünden ließ, er sei mit Herzog S. übereingekommen, die Vormundschaft noch weitere sechs (!) Jahre zu führen, und sechs „Anwälte“ der Regierung bestellte. Denn man erfuhr bald, wie Kaiser Friedrich den „großjährig“ gesprochenen in diesen Vertrag einzufädeln verstand. Insbesondere [287] wurde einer der einflußreichsten Rathgeber des Habsburgers, sein Kammermeister Hanns von Ungnad, dieser Ränke beschuldigt. Hauptsächlich war es aber dem damaligen Höfling Enea Silvio Piccolomini (Aeneas Sylvius), dem geschmeidigen Humanisten und Lebemann, als Günstling des Königs Friedrich vorbehalten, durch salbungsvolle Belehrungen den fügsamen S. für die Wünsche des Vormundes zu gewinnen. Diesen erbaulichen Stilübungen stehen allerdings die von gleicher Feder stammenden Musterliebesbriefe, die für den 16jährigen Fürstensohn als Lieberhaber eines Mädchens abgefaßt wurden und mehr als zufällig an den erotischen Roman des Aeneas Sylvius: „Lucretia und Euryalus“ erinnern, etwas wunderlich zur Seite. S. war da nicht in der besten Schule; seine Sinnlichkeit entwickelte sich nur zu früh, wofür man allerdings den kaltsinnigen und sittenstrengen Vormund nicht verantwortlich machen kann. – Die Tiroler Stände waren jedoch durchaus nicht gewillt, sich den Ansichten König Friedrich’s zu fügen. Der Meraner Landtag vom Herbste 1443 beschloß, die von dem zähen Vormunde eingesetzten „Anwälte“ der Landesregierung an das Ende ihrer Amtsthätigkeit auf das entschiedenste zu mahnen, und die ständische Botschaft an König Friedrich erhielt den Auftrag, keine andere Antwort heimzubringen als nur „Ja oder Nein, ob man Herzog S. auf solche Forderung zu Lande lassen wolle oder nicht“. – Die Botschaft Tirols traf am königlichen Hoflager zu Graz am 10. December 1443 ein, wurde jedoch mit ablehnendem Bescheide und mit der Aufforderung entlassen, man solle Vollmachtträger zu weiteren Unterhandlungen erwählen, und Herzog S. gab die ihm vorgeschriebene Erklärung ab „er könne ihrer Aufforderung nicht nachkommen; er sei noch nicht so reifen Alters, daß er die Regierung des Landes zu übernehmen im Stande wäre“. – Da aber die Tiroler zu einer Waffenerhebung gegen Friedrich’s Landesregierung entschlossen schienen und am königlichen Hofe – nach den vertraulichen Briefen des Aeneas Sylvius – die Besorgniß herrschte, die Tiroler wollten sich ihren Herzog „erobern“ oder „freiwerden“, wozu ihnen die Schweizer behülflich sein möchten, so war nun am königlichen Hofe guter Rath theuer, und dies um so mehr, als die Landschaft den neuen Brixner Bischof zur engern Verbindung bewog und das gleiche dem Trienter Bisthum gegenüber geltend machte. König Friedrich entbot nun die Bevollmächtigten Tirols (Juni 1444) nach Nürnberg. Die Tiroler Stände, welche inzwischen in Erfahrung gebracht, ihr Herzog S. sehe sich „so überwacht und eingeengt, daß er in keiner Weise weder für den eigenen noch für den Nutzen der Seinigen sorgen oder auch nur sprechen dürfe“, – beharrten auf ihrem Standpunkte, wie es die Haltung ihrer Sendboten in Nürnberg bezeugt, und als diese von König Friedrich mit Gegenvorwürfen abgewiesen wurden, und letzterer Ende August seinem Bruder Herzog Albrecht VI. die Verwaltung der Lande jenseits des Arlberges und Ferns und auch die Regierung Tirols im Namen Friedrich’s und Sigmund’s bis 1448 übertrug, ja sogar, da Albrecht VI. mit den Schweizern zu thun hatte, den bairischen Herzog Ludwig den Jüngern, zur Hilfeleistung gegen Tirol auffordern ließ, – so bereiteten die Stände eine Waffenerhebung vor und bewogen den hierdurch eingeschüchterten Habsburger Friedrich zu neuen Unterhandlungen, andererseits zu einem neuen Auskunftsmittel, nämlich zu einem Vertrage mit Herzog S. (28. Februar 1445 W. Neustadt), wonach derselbe erklärte, „König Friedrich sei mit ihm zugleich ein ungetheilter Erbe der Grafschaft Tirol und dieses Land gehöre beiden in gleicher Weise an“. – Im December 1445 kam es nun zu einer neuen „Abrede“, d. i. zu einem von dem Markgrafen Jakob von Baden und Albrecht von Brandenburg als Schiedsmännern abgefaßten Ausgleichsentwurfe, der jedoch unfruchtbar blieb. Nun versuchten es die Tiroler mit einer bewaffneten Drohung und schlossen im Januar 1446 ein Bündniß mit dem Görzer Grafen Heinrich. Ende März 1446 [288] entließ nun vertragsmäßig König Friedrich den Herzog S. seiner Obhut, aber nicht ohne namhafte Geldforderungen. Später wurde auch diese Angelegenheit zur Noth erledigt und am 9. April 1446 S. thatsächlich frei.

Als der neunzehnjährige Landesfürst, ein wohlgestalteter, kräftiger, gutmüthiger und leutseliger Herr, mild und freigebig, aber, wie schon obige Vorgänge beweisen, wenig selbständig und ohne Energie, leicht zu beschwatzen und auszubeuten, beweglichen Sinnes und Gemüthes, in sein Land als dessen Fürst und Regierer zurückkam, glückte es ihm, in den Flitterwochen der willkommenen Herrschaft manche Verwicklungen, so in dem Verhältniß der Bisthümer Chur und Brixen vor der Hand zu lösen und, wie schwer es ihm auch fiel, auch den Geldforderungen seines gewesenen Vormundes gerecht zu werden. Verbesserung und Anlegung von Straßen, Hebung der verkümmerten Holzbezüge der Saline Hall, Erledigung von Lehnsfragen im Trienter Landgebiete schlossen sich an. 1449 bestellte er seinen häuslichen Heerd durch Vermählung mit der schönen und geistvollen 16jährigen Prinzessin Eleonore, Schwester Jakob’s II., Königs von Schottland, die später zu den seltenen Erscheinungen schriftstellernder Fürstinnen des Mittelalters zählte. (Die von seinem Vater schon 1430 geplante Verlobung mit einer Tochter König Karl’s VII. von Frankreich löste 1444 der frühe Tod der Braut.) 1448 erschloß sich der Silbersegen des Schwazer Bergwerkes, und auch andere Mineralschätze, abgesehen von vereinzelten Goldwäschereien, begann man zu heben. Vor allem aber kam es zur Anbahnung entwickelterer Satzungen des Bergrechtes, zur Regelung des Haller Salinenbetriebes, des Wälderschutzes und seit 1450 insbesondere zur Begründung eines neuen Münzwesens, wodurch S. zu dem Beinamen des „Münzreichen“ kam, der später allerdings zur Ironie werden sollte.

Die guten Jahre der Herrschaft Sigmund’s erlitten jedoch schon seit 1455 eine verhängnißvolle Verschlimmerung. Herzog S. ließ sich nämlich seit 1450 von zwei Günstlingen, den Gebrüdern Bernhard und Wiguleius Gradner, „Ritter und Herrn von Pfanstetten, Gonobitz und Windischgräz“ (in Steiermark) derart unverschämt ausbeuten, daß schon 1455 die heftigsten Klagen der Landschaft über diese habgierigen Eindringlinge laut wurden. Damit verquickte sich eine politische Angelegenheit ersten Ranges, die einen Rückblick auf Früheres erheischt. – 1450 (März) überließ der geldbedürftige Vetter, Herzog Albrecht VI. von Oesterreich, dem Landesfürsten Tirols für die Summe von 49000 Gulden die Markgrafschaft Burgau, Freiburg im Uechtlande, Thurgau, Hegau und alle schwäbischen Städte und Herrschaften. Diesem hinter dem Rücken König Friedrich’s abgeschlossenen Vertrage, der auch die gesammt-österreichische Erbfrage zwischen beiden Herzögen zu regeln bezweckte, folgte aber (Januar 1453) ein anderes Abkommen König Friedrich’s mit seinem Bruder, wonach die bereits an S. überlassenen Herrschaften Erzherzog Albrecht’s VI. (denn dieses Prädicat führte seither die steirische Linie der Habsburger) dem letzteren zu lebenslänglicher Regierung überlassen wurden und als Quellen des ihm zugesicherten Einkommens gelten sollten. Als nun Albrecht VI. zufolge dieser W. Neustädter Abmachung an Herzog S. mit Forderungen herantrat, welche jenem Vertrage vom März 1450 zuwiderliefen, weigerte sich der letztgenannte diesem Verlangen zu willfahren, was Albrecht VI. mit Beschwerden über die Günstlingswirthschaft am Tiroler Hofe wettmachte. Nun sollten (1455) die Tiroler Stände vermitteln, während wieder der König Friedrich, seinem Bruder mißtrauend, dem tirolischen Vetter jede Sonderabmachung mit Erzherzog Albrecht VI. verbot. S. und seine von Albrecht’s Anklagen geschreckten Günstlinge, die Gradner, wollten den unbequemen Mahner vom Lande fernhalten. Albrecht VI. beschwerte sich nun (1. Sept. 1455) von Füssen aus bei der Tiroler Landschaft, über dies Verhalten, und der Brixner [289] Landtag zeigte die Stände so gereizt, daß S. fürchtete „mitsammt den Gradnern aus dem Lande verdrängt zu werden“, und angesichts der drohenden Verständigung der Landschaft mit Erzherzog Albrecht VI. keinen anderen Ausweg fand als die Landesverweisung der unbotmäßigen Gradner (Januar 1456), die sich nun dem fürstlichen Gönner widersetzten, mit Gewalt vertrieben werden mußten und nachmals dem Landesfürsten Tirols sogar auswärtige Feinde auf den Hals hetzen wollten; es war dies zur Zeit, als ein viel schlimmerer Handel Sigmund’s Herrschertage verdüsterte.

Es ist dies der Streit mit dem neuen Brixner Bischofe Nicolaus Chreffz von Cues (Nicolaus Cusanus), aus der Moselgegend, der einst am Baseler Concil eine wichtige Rolle gespielt, als Reformfreund bedeutende Denkschriften abgefaßt hatte und – Papalist geworden – wichtige Aufträge als Legat ausführte (s. Art. Cusanus). Als dieser trotz vollzogener Capitelwahl vom römischen Stuhle (Nicolaus V.) der Brixner Kirche aufgedrängt wurde (1450) und mit rücksichtsloser Energie einerseits kirchliche Neuerungen betrieb, andererseits die Reichsunmittelbarkeit und volle Immunität des Brixner Bisthums geltend machte, fand sich S. als Landesfürst Tirols veranlaßt, gegen den Bischof aufzutreten, von dem es hieß, daß er mit dem Plane sich trage, sein Bisthum an einen bairischen Prinzen abzutreten. Dieser Streit gedieh zu einer solchen Verschärfung, daß auch die Vermittlung des neuen Papstes Pius II. (Aeneas Sylvius), vormals geistlichen Amtscollegen des Cusanus, auf dem Mantuaner Tage (1459) fehlschlug, da sich der Landesfürst Tirols den Anschauungen des Bischofs, „der Herzog sei als Graf von Tirol Lehnsmann des Bischofs, dieser dagegen geistlicher und weltlicher Herr im Bereiche des Bisthums, berechtigt, jenem die nicht pflichtgemäß gemutheten Hochstiftlehen zu entziehen und alle Salz- und Erzbergwerke als privilegirtes Eigenthum des Gotteshauses für sich in Anspruch zu nehmen“ – wohl nimmer bequemen konnte. Als nun der Bischof auf seinem Wege beharrte, ja sogar dem Herzog S. bedeuten ließ, er sei fest entschlossen, alle Lehen des Hochstiftes dem Kaiser zu übertragen, so beantwortete der Landesfürst diese Herausforderung mit der Belagerung des Bischofs in Bruneck (15. April 1458); Cusanus sah sich zu einem Vergleich gezwungen, demzufolge er alle Burgen und Schlösser des Hochstiftes dem Brixner Domcapitel einzuantworten sich bereit erklärte. Er begab sich jedoch sofort aus Tirol nach Italien, um in Rom über den Herzog als Gewaltmenschen Klage zu führen und die Brunecker Abmachung als Zwangsvertrag zu brandmarken. Nun forderte Papst Pius II. den Tiroler Landesfürsten auf, sich in Rom zu rechtfertigen, was der Herzog durch seinen Rath Dr. Lorenz von Blumenau erledigen ließ, der eine von 42 Geistlichen unterzeichnete Appellation „von dem schlecht unterrichteten an den besser zu unterrichtenden Papst“ nach Rom überbrachte. Papst Pius II. beantwortete sie jedoch am 8. August 1460 mit dem Bannfluche wider S. und seine Genossen und mit dem Interdict für alle Länder und Herrschaften des genannten Fürsten, worauf S. eine von dem bekannten Concilmann und eifrigen Anticurialisten Gregor von Heimburg (s. Art.) verfaßte Erklärung an alle Christgläubigen und vogteigewaltigen Fürsten (15. August) veröffentlichen ließ. Die römische Curie nahm nun den Kampf in der entschiedensten Weise auf, forderte am 23. Januar 1461 den Herzog und seine Räthe vor den Richterstuhl des Papstes, versuchte Tirol durch eine Handelssperre von der italienischen Seite aus und durch Aufhetzung der Eidgenossen ins Gedränge zu bringen, was auch die Absicht der rachsüchtigen Gradner war, und thatsächlich dem Herzoge einen vorübergehenden Krieg mit den Schweizern an den Hals hetzte, während S. mit der überscharfen Feder Gregor’s von Heimburg wider die Curie zu Felde zog. Die Vermittlungsversuche des Dogen von Venedig [290] blieben ebenso erfolglos wie die Einwirkung des Herzogs Ludwig von Baiern, wie dies am besten die neue Procedur des Papstes vom 12. Februar 1462 darthut. Da legte sich endlich 1464 Kaiser Friedrich III. ins Mittel, da er seit kurzem mit S. auf besseren Fuß gekommen war.

Die Entfremdung zwischen den beiden Habsburgern war nämlich seit Ende 1457 in Zunahme begriffen gewesen. Als König Ladislaus der Nachgeborene (23. Nov. 1457) unvermählt sein junges Leben schloß, entbrannte alsbald ein neuer Erbschaftsstreit um das Land Oesterreich ob und unter der Enns. Herzog S. hatte sich im März 1458 dahin begeben und stellte sich dem Erzherzog Albrecht VI. an die Seite. Beide zwangen den Kaiser zu einem auf drei Jahre abzuschließenden Vergleiche, wonach Albrecht VI. das Land ob der Enns, Friedrich Niederösterreich besitzen, S. mit Geld entschädigt werden sollte. Der Tirolerfürst war anfänglich für eine Dreitheilung des Landes eingetreten. Albrecht VI. bewog ihn nun, in einem Sondervertrage zu Gunsten des Genannten auf sein Dritttheil aber gegen Geldentschädigung und die ihm bereits früher überlassenen vorderösterreichischen Landschaften und Güter zu verzichten. Um sich nun gegen die bedrohlichen Eidgenossen als Nachbarn sicherzustellen und den Unterhalt seiner Gattin zu ordnen, verschrieb er (16. August 1458) Eleonoren die gesammten vorderösterreichischen Lande seines Besitzes. Dennoch konnte er infolge der sogenannten Plappartfehde zwischen Konstanz und Luzern und aus Anlaß des Abfalles der Rapperschwyler von der habsburgischen Herrschaft an die Eidgenossen, bedenklichen Verwicklungen mit den letzteren nicht entgehen. – Das Verhältniß Sigmund’s zu Kaiser Friedrich III. blieb, so lange Herzog Albrecht VI. lebte und den Tiroler Fürsten sich befreundet zu erhalten beflissen war, ein gespanntes. Als der unversöhnlichste Widersacher seines kaiserlichen Bruders am 2. December 1463 starb, entfiel der Hauptgrund für die Entzweiung Sigmund’s mit Kaiser Friedrich III., und der Erstgenannte, von dem cusanischen Streite in Athem gehalten, der Intervention seines Vetters bedürftig, säumte nun nicht, in dem Linzer Vertrage vom 2. Januar 1464 auf den österreichischen Erbtheilsanspruch zu Gunsten des Kaisers zu verzichten, wofür ihm dieser seine Verwendung beim Papste und die Regelung der vorderösterreichischen Angelegenheiten zusicherte. Da überdies bald darauf der streitbare Bischof Cusanus in seiner freiwilligen Verbannung (11. August 1464) und drei Tage später auch Papst Pius II. (14. August) starben, Papst Paul II. zum Friedenmachen bereit war, so ging S. aus dem bösen Brixner Handel ohne ernstlichen Schaden hervor und in geistlichen Kreisen bedauerte man den ganzen „scandalösen Proceß“.

Auch in dem Trienter Streite zwischen dem Bischof Georg (Hacke) und den unbotmäßigen Stadtbürgern (1463) gelang es, die Zusammengehörigkeit des Bisthumsgebietes und der Grafschaft Tirol zu festigen. Ja der Herzog machte beim Kaiser auch geltend, daß selbst Chur zur Grafschaft Tirol gehöre und gerieth deshalb mit den Bündtnern (Gotteshaus – grauer – Zehngerichten-Bund) und namentlich mit den Engadinern in langathmige Streitigkeiten, deren Ausgleich sich bis zum Jahre 1486 hinauszog. – Und abermals sollte, kaum daß der kampflustige Brixner Bischof aus dem Leben geschieden, die nächste Besetzung des genannten Bisthums dem Herzog S. neue Verlegenheiten bescheeren. Der Capitelwahl vom 9. September 1464 trat nämlich der Wunsch des Kaisers, einen Günstling zu versorgen und die gleiche Absicht Papst Paul’s II., einem Kardinaldiakon die Pfründe zuzuwenden, in die Quere. Der Papst glaubte auch, in dem lebhaften Wunsch Sigmund’s, vom Banne losgesprochen zu werden, eine bequeme Handhabe zu besitzen. Die Landschaft Tirols stellte sich aber mit aller Entschiedenheit dem Herzog an die Seite, sowohl dem Kaiser als dem Papste gegenüber, der schließlich den Candidaten des Kaisers, Leo Spaur (9. August 1469), [291] ernannte und hierdurch abermals einen Federkrieg heraufbeschwor. Schließlich fand dennoch der verwickelte Handel einen befriedigenden Austrag. Der Kaiser beförderte nämlich seinen Günstling auf den neuerrichteten Wiener Bischofstuhl, während Golser, der Wahlbischof des Brixner Capitels, nach dem Wunsche des Herzogs und der Landschaft das Bisthum behauptete.

Dem Kriege um Mühlhausen und Waldshut (1466–1469), welcher die Landschaft Kriegsmacht und Geld kostete, und der Erneuerung der Verträge mit dem Trienter Bisthum, welche dessen Zusammengehörigkeit mit der Landschaft Tirol festigen sollten, folgten bald ständische Berathungen aller Art, um der seit 1470 immer drohenderen Türkengefahr zu begegnen, und Friedensverhandlungen mit den Eidgenossen. Die bezüglichen Landtage boten der Landschaft Anlaß vollauf zu Erörterungen der Steuerfrage, der landwirthschaftlichen Verhältnisse und der Rechtspflege, aber auch zu mancherlei Beschwerden dem Herzog gegenüber, die u. a. die Abstellung des Kleiderluxus, die Gebrechen der Rechtspflege, Verwaltungsmängel, Gewerbestörung, Wildbannschäden u. a. betrafen. Wir gewahren darin die ersten Anzeichen des Gegensatzes zwischen Ständeschaft und landesfürstlicher Gewalt, welcher später verhängnißvoller werden sollte. Es zeigt sich dies bald nach der Ordnung des Hofstaates (1478), welcher wir am besten seine Kostspieligkeit, andererseits die bedeutenden Einkünfte der herzoglichen Kammer entnehmen, die dem Geldbedürfniß des von Günstlingen und kostspieligen Liebhabereien sinnlicher Art immer wieder ausgebeuteten Erzherzogs gleichwohl nicht genügen konnten. Am 20. November 1480 starb die erste Gattin Sigmund’s Eleonore, und ihr folgte der beste Nachruf ins Grab. Der Umstand, daß, abgesehen von der Geburt eines schon im zartesten Alter verstorbenen Sohnes, ihre Ehe mit S. kinderlos blieb, mochte die Häuslichkeit des Erzherzogs (was S. seit 1477 geworden) je weiter desto frostiger gestaltet haben, und er ließ es an zahlreichen ehelichen Ausschreitungen nicht fehlen.

Schon früh wandte S., vielleicht schon bei Lebzeiten der dahinsiechenden Gattin, sein Augenmerk einem zweiten Ehebande zu, doch verzog sich die Ausführung des Entschlusses bis zum Jahre 1484. Der 56jährige Herzog gedachte sich mit der erst 15jährigen Tochter Herzog Albrecht’s von Sachsen, der jugendlich schönen Prinzessin Katharina, zu vermählen. Auch dieses Eheband sollte keiner Nachkommenschaft sich erfreuen. Das Jahr nach der Hochzeit 1485 vereinbarte der Herzog mit der Landschaft eine Ordnung der Landesverwesung für den wahrscheinlichen Fall, daß er früher als die Gattin stürbe. Bei dieser Gelegenheit kehrten sich die Stände gegen die ihnen unbequemen Fremdlinge und Vertrauten des Herzogs, aber auch gegen die mißliebigen Projecte des Landesfürsten; er möge die (den Anfall Tirols im Falle seines kinderlosen Ablebens betreffenden) Verschreibungen gegen das Haus Baiern und Görz abstellen und diesen seinen löblichen Entschluß auch den nächsten Verwandten, dem Kaiser Friedrich und seinem Sohne Maximilian eröffnen, was diesen sehr willkommen sein würde. Man sieht, daß die Tiroler Stände keineswegs Willens waren, jenem Vorhaben ihres Herzogs auf Kosten der habsburgischen Hauptlinie und des Verbandes Tirols mit den anderen österreichischen Ländern zu willfahren.

Die Abmachungen mit dem schlauen Wittelsbacher Herzoge Albrecht IV. von Baiern-München lassen sich seit 1478 verfolgen. Als Kaiser Friedrich erfuhr, S. habe mit dem Baiernfürsten allerhand ihm verdächtige Abmachungen getroffen, verwies er dem Tiroler Fürsten kraft seiner Stellung irgendwelche Besitzungen des Gesammthauses zu veräußern. Nichtsdestoweniger wurden die Beziehungen beider immer inniger, der Baiernherzog stets begehrlicher, und S. dem Kaiser immer abgeneigter; er trat auch mit der Baiern-Landshuter Wittelsbacherlinie in engere Beziehungen. Ja in den Verschreibungen Sigmund’s und [292] Albrecht’s IV. von 1479–1483 wiederholt sich die Zusicherung des Letztgenannten „ihn (S.) nicht vergewaltigen oder von seiner Regierung verdrängen zu lassen“. Daß dies auf den Kaiser gemünzt war, bedarf keiner Erörterung, wohl aber eines Rückblickes auf das Verhältniß Sigmund’s zu dem kaiserlichen Haupte des Hauses.

Als Herzog Karl der Kühne von Burgund zur Stärkung seiner Macht gegen Lothringen und die Schweizer nach einem bequemen Stützpunkte für seinen lothringenschen Annexionsplan suchte, kam ihm die Geldnoth des Tiroler Fürsten, hervorgerufen durch den ungünstigen Waldshuter Frieden vom 27. August 1468, sehr gelegen. S. sollte 10 000 Gulden Kriegsentschädigung an die Eidgenossen zahlen oder Liegenschaften preisgeben und fand in seiner Verlegenheit bei König Ludwig XI. von Frankreich, welchen der Kaiser seinem Vetter als Helfer in der Noth vorgeschlagen, keinerlei Anklang. Daher fand er sich nun bewogen beim Todfeinde des Franzosenkönigs, Karl dem Kühnen, in den Niederlanden anzuklopfen, und dieser war schnell bereit ihm am 9. Mai 1469 die Summe von 50 000 Gulden vorzustrecken, wogegen ihm der Tiroler Herzog die allerdings meist schon verpfändeten Hauptbesitzungen Vorderösterreich’s, Oberelsaß, Sundgau, Pfirt, die habsburgischen vier Orte am obern Rhein, die Grafschaft am Schwarzwald und Breisach überantwortete. Im Grolle wider die Eidgenossen begegnete sich ja S. mit dem Burgunderfürsten. S. wurde aber auch bald die Mittelsperson bei dem von ihm selbst mit Vorliebe gehegten Plane, eine Verlobung der Erbtochter Karl’s des Kühnen mit dem einzigen Sohne seines kaiserlichen Vetters, dem jugendlichen Maximilian einzufädeln, und dies führte zu den allerdings widerspruchsvollen Ergebnissen der Trierer Zusammenkunft Karl’s des Kühnen mit Kaiser Friedrich im J. 1473. Allgemach wurde aber Sigmund’s Verhältniß zum Burgunderfürsten kühler, da letzterer dem Lieblingswunsche Sigmund’s mit den Schweizern anzubinden, auswich, und der Tirolerfürst nunmehr den Ausgleich mit den Eidgenossen und die Rückerwerbung der an Burgund verpfändeten Gebiete anstrebte. Frankreich begünstigte dies; S. schloß am 30. März 1474 den Ausgleich Habsburg-Oesterreichs mit den Eidgenossen, und die oberrheinischen Städte streckten Sigmund die Pfandsumme vor. Karl der Kühne verweigerte trotzdem die Rückgabe, die nun aber mit Gewalt, das ist durch einen Aufstand gegen die Burgunder Regierung erzwungen wurde.

A. 1477 fand Karl der Kühne im Schweizer- u. Lothringerkriege ein grauses Ende, und bald sehen wir den Kaisersohn Maximilian auf dem Wege nach Gent, um sich der Hand der Erbin von Burgund, seiner Verlobten, zu versichern. Andererseits brach der Ungarnkrieg los und bedrohte den Kaiser mit der Gefahr, sein Hauptland Oesterreich an Mathias Corvinus einzubüßen. Um so größere Bedeutung mußte in den Augen des Kaisers Tirol, das Land seines kinderlosen Vetters, gewinnen. Und dieser schien Tirols müde zu sein, da er am 6. Mai 1477 an Kaiser Friedrich die wunderliche Bitte richtete, ihn mit der erledigten Grafschaft Burgund oder mit dem Herzogthum Mailand zu belehnen. Der Kaiser konnte noch nicht ahnen, daß S. nur zu bald in jene bedenklichen Freundschaftsverträge mit Baiern sich verstrickte, deren wir oben gedachten, und daß er, in wachsender Geldklemme, von Höflingen, Buhlerinnen und anderem Gelichter ausgebeutet, auf die abschüssige Bahn gerieth, die seinem Landesregiment ein baldiges Ende bescheiden sollte.

Der Wendepunkt fällt in das Jahr 1485. Damals war der Ungarnkönig in Innerösterreich übermächtig, Gewaltherr im Lande unter der Enns geworden; der Kaiser ging nach Deutschland um die Rettung des Hausbestandes mit Reichshülfe zu versuchen und ließ seine einzige Tochter Kunigunde nach Innsbruck geleiten. Der häufige Gast des „fröhlichen weißen Königs“ (so nennt ein gleichzeitiger [293] allegorisirender Bericht den Tiroler Fürsten), Herzog Albrecht IV. von Baiern-München (der „blauweiße König“), faßte nun den Entschluß, sich mit der schönen Kaisertochter, der auch er behagte, zu vermählen. Die Aussteuer sollte S. mit der bairischen Anwartschaft Tirols besorgen. – Der Kaiser und sein Sohn ließen sich das Heirathsproject des Wittelsbachers aber nur unter der Bedingung gefallen, daß S. alle zu Gunsten Albrecht’s ausgestellten Verschreibungen zurücknehme. Das entsprach nun aber nicht den Absichten des Baiernherzogs. Und als der Regensburger Handel den Kaiser mit dem Baiernfürsten entzweite, die Heirathsbewilligung des ersteren mehr denn je zurückschob, und S. doch einer solchen bedurfte, um seine Nichte dem Herzoge Albrecht zuführen zu können, so täuschte ihn letzterer mit einem gefälschten Consense des Kaisers, und S. schritt nun zur Trauung Kunigundens mit dem Baiernfürsten am 1. Januar 1487 durch den Bischof zu Eichstädt, ließ sich von Albrecht IV. in sehr bedenkliche Stipulationen einfädeln und benachrichtigte den Kaiser von der vollzogenen Thatsache. Der letztere konnte das Geschehene nicht mehr ändern, aber zeigte sich bald entschlossen, den ihm nachträglich bekannt gewordenen Anschlägen Baierns auf Tirol einen festen Damm zu setzen. Albrecht IV. von Baiern-München benutzte die Willensschwäche seines Freundes und Schwiegeroheims S., andererseits dessen Geldnoth und Kriegslust gegen Venedig zu dem Geheimvertrage vom Juli 1487, welcher ganz Vorderösterreich für die geringe Summe von 50 000 Gulden dem Baiern-Münchener Herzoge als Kaufgut überlassen sollte. Diese ruchbar gewordene Stipulation und der von habsüchtigen Günstlingen des Herzogs, insbesondere Gaudenz v. Mätsch, leichtfertig heraufbeschworene Krieg Sigmund’s mit der Signoria von Venedig (seit April 1487), der ihm gleichwohl den Sieg bei Calliano (10. August) bescheerte, bewirkten nunmehr aber ein geharnischtes Auftreten der Stände Tirols gegen die herzogliche Mißwirthschaft, und der Zorn des Kaisers über die Vorgänge in Tirol was ihr bester Verbündeter, denn er ließ nun den Tiroler Fürsten in der entschiedensten Form ermahnen, von allen Abmachungen mit Baiern abzustehen. Der Meraner Landtag vom November 1487 sprach von der Nothwendigkeit, die Länder Sigmund’s für Gegenwart und Zukunft sicher zu stellen; hier hatten sich auch die Gesandten Kaiser Friedrich’s und seines Sohnes, des römischen Königs Maximilian eingefunden. Erzherzog S. nahm die von den Ständen festgesetzte Landesordnung an und gelobte, daß, falls etwas geschehe, was den Besitzstand des Hauses Oesterreich schädigen könnte, „die Landschaft von Stund’ an volle Gewalt habe, einen anderen Herrn von Oesterreich, den nächsten Erben, zum Landesfürsten zu nehmen, ohne von seiner oder irgend anderer Seite Irrung oder Hinderniß zu befahren“; ein weittragendes Zugeständniß, das den Schatten späterer Ereignisse vorauswarf. – Anfangs 1488 erschien Kaiser Friedrich zu Innsbruck, sprach über die verhaßten, flüchtigen Räthe des Herzogs die Reichsacht aus und bewog S., die Abmachungen mit Baiern zu widerrufen. Bald aber wendet sich die Tiroler Ständeschaft gegen die Gebrechen der Regierung und die Person des Landesfürsten, und dies dann, nachdem Ende 1488 Kaiser Friedrich abermals nach Tirol gekommen war und den Herzog veranlaßte, für den März 1489 einen Landtag nach Innsbruck einzuberufen. Nichts spricht offenkundiger für die thatsächliche Curatel Sigmund’s als das Manifest Kaiser Friedrich’s und seines Sohnes König Maximilian vom 18./19. Mai desselben Jahres, worin alle Vorgänge in Tirol kundgemacht und alle Reichsgenossen aufgefordert wurden, an der Aufrechthaltung der Beschlüsse mitzuwirken. Sigmund’s thatsächliche Abdankung zu Gunsten seines jüngeren Vetters des römischen Königs Maximilian, konnte bei dieser Sachlage nur eine Frage der Zeit sein. Anfangs März 1490 kam letzterer nach Tirol; schon am 8. d. M. trat der Landtag zusammen und setzte dem Herzoge scharf zu. Unter [294] anderem kam auch die Versorgung von 40 (!) außerehelichen Kindern Sigmund’s zur Sprache.

Letzterer überraschte schon am 16. März die Stände mit der Erklärung, daß er zur Wohlfahrt des Landes „alle seine Lande, die er als regierender Fürst innehabe, ohne Ausnahme seinem Herrn Vetter und Sohn, dem römischen Könige Maximilian übergebe“, dem man sofort als dem „angehenden regierenden Herrn zu huldigen“ bereit sein wolle. Sich und seiner Gemahlin behielt S. jährlich 52 000 Gulden Rente, den Bühlhof und das Recht vor, allenthalben im Lande, wo es ihm gefalle, spazieren, jagen und fischen zu können. So begab sich denn mit 63 Jahren S. von Tirol in den Ruhestand. Doch trat er von Zeit zu Zeit mit Anliegen an den regierenden Vetter heran, und daß Maximilian mit S. im lebhaften schriftlichen Verkehr blieb, bezeugen die Briefe des ersteren an den gewesenen Regierer Tirols aus den Jahren 1490–1495. Nicht immer konnte er den Forderungen Sigmund’s willfahren. Dennoch blieben beide immer auf gutem Fuße. Der tirolische Vetter erfreute sich seines Ruhestandes in guter Gesundheit auf seinen sechs an herrlichen Punkten gelegenen Schlössern, die sämmtlich seinen Namen verewigen (Sigmundsburg, Sigmundseck, Sigmundsfreud, Sigmundskron, Sigmundslust, Sigmundsfried), bis zum Jahre 1496. Schon 1477 war auch ihm mit kaiserlicher Urkunde vom 8. December der Titel „Erzherzog“ verliehen worden. Daß er noch immer trotz seiner Geisteschwäche, oder vielmehr eben deshalb an eine politische Zukunft des eigenen Hauses glaubte, beweist der Umstand, daß auf sein Verlangen der Brixner Bischof öffentliche Gebete nicht nur um Wiederverleihung der Gesundheit, sondern auch „um Gewährung eines Leibeserben“ anordnete. Am 4. März des Jahres 1496 schied er aus dem Leben und wurde prunkvoll in der Familiengruft zu Stams seiner ersten Gattin zur Seite beigesetzt. Die erst 28jährige Wittwe Katharina heirathete in zweiter Ehe den Waffengenossen und Liebling Maximilian’s, Herzog Erich von Braunschweig.

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