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ADB:Heffter, August

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Artikel „Heffter, August Wilhelm“ von Friedrich Lauchert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 250–254, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heffter,_August&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 22:17 Uhr UTC)
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Heffter: August Wilhelm H., hervorragender Rechtsgelehrter und praktischer Jurist, war geboren am 30. April 1796 zu Schweinitz an der schwarzen Elster, einer damals zum sächsischen Kurkreise, heute zum preußischen Regierungsbezirk Merseburg gehörigen Stadt, woselbst sein Vater, Johann Christian H. (gestorben den 7. April 1830) als General-Accise- und Geleits-Commissar und zugleich als Advocat und Patrimonialgerichts-Director mehrerer adlicher Gerichtsortschaften lebte. Nachdem H. den ersten Unterricht durch Hauslehrer erhalten hatte und, obwohl ein Kind, von der Bedrängniß nicht unberührt geblieben war, welche im Gefolge der damaligen Kriegsereignisse auch über sein elterliches Haus hereinbrach, bezog er im Mai 1808 die sächsische Fürstenschule zu Grimma. Er verließ dieselbe zu Ostern 1813, um Theologie zu studiren, und wurde während des Waffenstillstandes im Sommer desselben Jahres auf der Universität zu Wittenberg immatriculirt. Die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten und die alsbald nach der Schlacht bei Großbeeren eröffnete Belagerung von Wittenberg verhinderte indessen den Beginn von Vorlesungen auf dieser Universität und H. bezog, nachdem er inzwischen das Studium der Theologie mit demjenigen der Rechtswissenschaft zu vertauschen beschlossen hatte, im Herbst 1813 die Universität zu Leipzig und im Winter 1815 diejenige zu Berlin, wo ihm namentlich die Vorträge von Savigny’s und Eichhorn’s ganz neue Einblicke in die Rechtswissenschaft eröffneten. Am 28. März 1816 bestand H. bei dem Kammergericht zu Berlin die erste juristische Prüfung, wurde am 18. April desselben Jahres bei dem Stadtgericht zu Jüterbogk als Auscultator verpflichtet und, während er gleichzeitig [251] vom Frühjahr 1817 ab seiner Dienstpflicht als einjährig Freiwilliger bei dem Garde-Schützen-Bataillon genügte, im November 1817 nach bestandener zweiter Prüfung zum Referendar ernannt. Während er als solcher bei dem Stadtgericht zu Berlin arbeitete, war er zugleich, um den geringen Unterstützungen, welche ihm aus der Heimath nur gewährt werden konnten, einigermaßen zu Hülfe zu kommen, theils im Justizministerium, theils bei der Hauptbank, theils endlich bei Justizcommissarien als Hülfsarbeiter thätig. Nachdem er am 22. April 1820 die dritte juristische Prüfung abgelegt hatte, wurde er als Assessor bei dem Rheinischen Appellationshofe zu Köln angestellt; es geschah dies seinem Wunsche gemäß, bei welchem ihn die Absicht leitete, seinen juristischen und statistischen Gesichtskreis in dem Leben und den Einrichtungen der neuerworbenen Rheinprovinz zu erweitern.

Angeregt durch eine von der Berliner Akademie der Wissenschaften gestellte Preisaufgabe und in Fortsetzung der von der Schulzeit her ihm neben seinem Berufe lieb gebliebenen Studien, schrieb H. in Köln seine „Athenäische Gerichtsverfassung“, ein Werk, welches, im Jahre 1821 veröffentlicht, in der gelehrten Welt Aufsehen erregte und welches, nachdem H. inzwischen im November 1822 zum Landgerichtsrath in Düsseldorf ernannt worden war, die Veranlassung wurde, daß ihm im Jahre 1823, unter Uebergehung der sonst innezuhaltenden Vorstufen zu diesem akademischen Amte, sogleich eine ordentliche Professur in der juristischen Fakultät der Universität Bonn angetragen wurde. Gleichzeitig war ihm auch eine Stelle als Oberlandsgerichts-Rath in Hamm angeboten worden. H. entschied sich für das academische Lehramt und trat dasselbe, am 3. August bei dem Stiftungsfeste der Universität Bonn zum Doctor der Rechte honoris causa creirt, im October 1823 an. Am 22. April 1824 verheirathete er sich mit Elise Müller, Tochter des Geheimen Ober-Justizraths, späteren Geheimen Cabinetsraths Müller zu Berlin. In Bonn erfreute sich der junge Rechtslehrer insbesondere eines wahrhaft väterlichen Wohlwollens von Seiten Niebuhr’s und genoß das Vertrauen und die Achtung seiner Collegen in dem Grade, daß er bereits im J. 1828, noch nicht 33 Jahre alt, zum Rector gewählt wurde. Die angenehmen Verhältnisse in Bonn und die Befriedigung, welche H. in seinen Studien und im akademischen Lehramte fand, waren die Ursache, weshalb er einer höchst ehrenvollen Aufforderung des Ministers Grafen Danckelmann, sich an den Arbeiten zur Revision der Gesetzgebung zu betheiligen, nicht folgte. Vornehmlich der Wunsch, der eignen und seiner Ehegattin Geburtsheimath näher zu sein, bestimmte dagegen H., im April 1830 einen Ruf an die Universität Halle anzunehmen. Hier konnte er indessen, gebeugt durch den im Jahre 1832 an der Cholera erfolgten Tod eines besonders geliebten Kindes und selbst durch einen Anfall dieser Krankheit an den Rand des Grabes gebracht, zu keiner rechten Freudigkeit gelangen und folgte daher gern einem an ihn ergehenden Rufe zu einer Professur bei der Universität zu Berlin. Neben dieser Professur, welche er im April 1832 antrat und zu welcher ihm nach Klenze’s Tode im Jahre 1837 die Juristenfacultät den Vorsitz im Spruchcollegium übertrug, wurde er nunmehr auch bei der noch andauernden Gesetzgebungs-Revision beschäftigt, und demnächst auch zur praktischen richterlichen Thätigkeit berufen, zuerst bei dem damaligen Rheinischen Revisions- und Cassationshofe zu Berlin und nach dessen Vereinigung mit dem Ober-Tribunal daselbst als Mitglied dieses letzteren Gerichtshofes. Von 1849 bis 1852 gehörte H. der damaligen ersten Kammer an. Hier trug er mit einer Anzahl gleichgesinnter Männer insbesondere dazu bei, daß in der langen Sitzung vom 30. Januar 1850, welche bis zum 31. Januar früh 3 Uhr währte, die erste Kammer die preußische Verfassungsurkunde in der von der zweiten Kammer beschlossenen Gestalt annahm, und trat später für die Reorganisation der ersten Kammer nach dem Muster des englischen Oberhauses ein. [252] Im Jahre 1861 erfolgte Heffter’s Ernennung zum Kronsyndikus und zum Mitgliede des Herrenhauses auf Lebenszeit. Nachdem er am 18. April 1866 sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum gefeiert hatte und im Jahre 1868 aus seiner Stellung bei dem Obertribunal in den Ruhestand getreten war, war es ihm vergönnt, im Jahre 1873 noch die Feier seiner fünfzigjährigen Thätigkeit als Universitätslehrer und am 22. April 1874 die Feier seiner goldenen Hochzeit zu begehen. Seines akademischen Lehramtes, das ihm von seinen vielen Aemtern das liebste war, hat er sodann auch noch über das hundertste Semester hinaus in geistiger und körperlicher Rüstigkeit gewaltet. Am 5. Januar 1880 setzte der Tod seinem langen und gesegneten Leben ein Ziel.

Wie H. als Universitätslehrer und als praktischer Jurist Jahrzehnte hindurch als der Besten Einer thätig gewesen ist, so hat er auch durch seine schriftstellerischen Arbeiten, welche vielfach, namentlich auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts, von geradezu grundlegender und epochemachender Bedeutung waren, seinem Namen eine hervorragende Stelle in der Litteratur der Rechtswissenschaft gesichert. Nächst seiner schon erwähnten, für den Ruf ihres Verfassers bahnbrechenden Arbeit über die „Athenäische Gerichtsverfassung“ veröffentlichte er im Jahre 1825 die „Institutionen des römischen und des deutschen Civilprocesses“, welche 1843 in neuer Bearbeitung als „System des römischen und deutschen Civilprocesses“ erschienen, 1827 eine Bearbeitung des IV. Buches der Institutionen des Gajus, 1829 „Beiträge zum deutschen Staats- und Fürstenrecht“, durch welche Schrift er zu der lebhafteren Thätigkeit mitangeregt hat, welche sich seit dem Anfange der 30er Jahre auf dem Gebiete der Staatsrechtswissenschaft entwickelte. 1833 erschien sein „Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts“, welches sechs Auflagen erlebt hat, und im Jahre 1844 „Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart“, wohl sein berühmtestes Werk. Dasselbe hat bis zum Jahre 1873 sechs Auflagen erlebt, ist in mehrere fremde Sprachen übersetzt worden und hat selbst über die Grenzen Europa’s hinaus den Ruf des Verfassers als einer Autorität im Gebiete des Völkerrechts begründet. Im Jahre 1866 veröffentlichte H. den „Civilproceß oder das gerichtliche Verfahren bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im Gebiete des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten“, in welchem er die wesentliche Gliederung und die Kerngrundsätze des damaligen preußischen Civilprocesses darstellte und zugleich den materiellen Zusammenhang desselben mit dem Civilrecht hervorhob; 1871 „Die Sonderrechte der souveränen und der mediatisirten vormals reichsständischen Häuser Deutschlands“, eine systematische Darstellung des gesammten sog. Privatfürstenrechts, an welche sich eine Uebersicht der Hausverfassungen aller in Betracht kommenden Geschlechter anschließt.

Außer in den vorgenannten Werken bekundete sich die schriftstellerische Wirksamkeit Heffters in einer beträchtlichen Anzahl von kleineren Schriften. Dahin gehören insbesondere „Gedanken über Einführung der allgemeinen preußischen Gesetzgebung in der Rheinprovinz“ (1827), „Die Erbfolgerechte der Mantelkinder“ (1836), „Der gegenwärtige Grenzstreit zwischen Staat und Kirche“ (1839), veranlaßt durch den damaligen Conflikt zwischen der preußischen Regierung und dem Erzbischof von Köln, „Non bis in idem, im Hinblick auf den gedruckten Entwurf einer Deutschen Strafprozeß-Ordnung“ (1873), der Juristenfacultät zu Bonn in Erinnerung an die dem Verfasser am 3. August 1823 verliehene Doctorwürde gewidmet, sowie endlich zahlreiche Abhandlungen namentlich in des „Archiv für civilistische Praxis“ und in dem „Neuen Archiv des Criminalrechts“.

Von Heffters Thätigkeit als Mitglied des Kronsyndicats ist hervorzuheben das ihm gemeinschaftlich mit Homeyer übertragene Referat über die verschiedenen an Schleswig-Holstein und Lauenburg erhobenen Erbansprüche (1864), in welcher [253] Angelegenheit übrigens das aus den Abstimmungen der Kronsyndici hervorgegangene Rechtsgutachten nicht völlig Heffters Ansicht entsprach; sowie das Referat über die von der Stadt Frankfurt a. M. anläßlich der Einverleibung in den preußischen Staat erhobenen Vermögensansprüche (1868).

Auch außerdem wurde H. vielfach in bedeutenden Rechtsangelegenheiten und in politischen Fragen zu Rathe gezogen, so in dem gräflich Bentinck’schen Erbfolgestreite wegen der Fideicommiß-Herrschaften Kniphausen und Varel. So wurde ferner, als es sich im Januar 1871 vor der Kaiserkrönung König Wilhelms um die Feststellung des dem Oberhaupte des Deutschen Reichs als solchem beizulegenden Titels („Deutscher Kaiser“) handelte, von dem Auswärtigen Amte des Norddeutschen Bundes Heffters Gutachten hierüber eingeholt.

Der Schwerpunkt seines Lebens und Wirkens lag in dem positiven gemeinen Recht, zu dessen lebendiger Durchdringung seine gründliche klassische Vorbildung und eine vielseitige Praxis ihn in ungewöhnlichem Maße befähigte. Auf diesem Gebiet lag auch vorzugsweise seine Wirksamkeit als Universitätslehrer. Sein Lehrbuch des gemeinen Strafrechts hat in dem Geltungsgebiet des letzteren eine hervorragende Bedeutung gewonnen und ist in der späteren Zeit von gemeinrechtlichen Gerichtshöfen als maßgebende Autorität behandelt worden, so weit das gemeine Recht überhaupt noch galt. Sein System des gemeinen Civilprozesses gehört durch selbständige Auffassung und sorgfältige Behandlung der praktischen Einzelheiten zu den bedeutendsten Arbeiten auf diesem Gebiet, deren Anerkennung nur dadurch beeinträchtigt wurde, daß es in die Zeit der tiefgehenden Streitfragen über die Umgestaltung der Grundformen des deutschen Processes fiel. Seine staatsrechtlichen Abhandlungen beruhen auf vollem Verständniß und sinngemäßer Fortbildung des positiven Rechts in der Weise des Pütter’schen Schule. Abhandlungen, wie die über die rechtliche Stellung der mediatisirten Herren und über die Rechtsverhältnisse der Staatsdiener gelten heute als maßgebend auch in der staatsrechtlichen Praxis. Sein Völkerrecht gilt auch dem Ausland wohl als die hervorragendste Arbeit deutscher Schule.

Am sichersten in seinem Beruf aber fühlte er sich als Berichterstatter bei dem höchsten Gerichtshof, als Ordinarius in dem Spruchcollegium der Universität, als Gutachter über schwierige Streitfragen der staatsrechtlichen Praxis. Darauf beruhte seine Gewöhnung gewissenhafter Erwägung der rationes decidendi und der rationes dubitandi in jedem zusammengesetzten Rechtsverhältniß, die es ihm nicht leicht machte, in einer Sturm- und Drangperiode der Umgestaltung des öffentlichen Rechts seines Vaterlandes Stellung zu nehmen. Vollkommen zugänglich allen Grundgedanken der modernen Reformen, vermochte er sich doch der Bedenken nicht zu entschlagen, die aus den unvermeidlichen Consequenzen veränderter Grundprinzipien hervorgehen, und die er als genauer Kenner des praktischen Rechts vorzugsweise zu übersehen vermochte. Die stetige Gewöhnung der Erwägung des pro et contra hat ihm nicht selten den Vorwurf der Unentschlossenheit eingetragen, in einem Falle sogar heftige Anfeindungen. In dem Spruch des preußischen Obertribunals in dem Prozeß Twesten erkannte er die eine Seite: die Nothwendigkeit der freien Meinungsäußerung eines Volksvertreters in dem „höchsten Rath der Krone“. Als Strafrechtslehrer dagegen vermochte er die Privatehre des Einzelnen nicht jeder wissentlichen Behauptung unwahrer Thatsachen auf der Tribüne Preis zu geben. Er theilte diese Auffassung von der Collision zweier rechtlichen Gesichtspunkte mit den namhaftesten Strafrechtslehrern Deutschlands, und glaubte die Lösung nach langem schweren Zweifel in einer grammatischen Auslegung des Art. 84 der preußischen Verfassungsurkunde zu finden, welche unwahre Thatsachen von ausgesprochenen „Meinungen“ unterscheidet, eine Auffassung, die von der späteren Gesetzgebung desavouirt worden [254] ist und weittragende Folgen für die Deutsche Gerichtsverfassung gehabt hat, in seiner Person aber auf pflichttreuer Abwägung von Recht und Gegenrecht beruhte.

Mit den ungewöhnlichen Geistesgaben, mit dem Reichthum und der Gediegenheit des Wissens, mit dem unermüdlichen Fleiße des gründlichen Forschers, für welche seine Schriften und sein Wirken in seinen Aemtern Zeugniß ablegen, verband H. in seltenem Maße persönliche Bescheidenheit und Selbstlosigkeit, Schlichtheit des Wesens, Aufrichtigkeit und Lauterkeit des Charakters, Milde und Wohlwollen der Gesinnung; ein warmes Herz für Anderer Freude und Leid, und eine tiefinnerlich begründete, unerschütterliche, doch jeder Unduldsamkeit abgeneigte Festigkeit in seinem evangelisch-lutherischen Glauben. In seinem Hausstande, einer Stätte edler Gastlichkeit, und in der Hingabe an seinen Beruf und an seine Studien fand er sein Glück und seine Befriedigung; Treue zu Gott, zu König und Vaterland, strenge Pflichterfüllung und die Wahrung seiner durch gewissenhafte Prüfung gewonnenen Ueberzeugung waren ihm die Richtschnur seines Lebens.