ADB:Heger, Heinrich
*): Heinrich H., Architekturmaler, geboren 1832 zu Hadersleben (Schleswig), † am 4. Februar 1888 in München. Anfangs Decorationsmaler, fand H. glücklicherweise Mittel und Wege, 1852 die Kunstakademie in Kopenhagen zu besuchen, wo er mit Vorliebe der Baukunst oblag; dann ging er 1856 auf Reisen durch Deutschland, weilte längere Zeit in München, wo der feinfühlige Hermann Dyk (1812–74), vielleicht auch Gustav Seeberger (1812–1888) auf ihn wirkten, ging inzwischen wieder auf die Wanderung, in die Niederlande (1864), nach Danzig (1872) und Italien (1874), bis er in München seit 1875 seßhaft wurde. Ueberall machte H. sorgfältige Aufnahmen der interessantesten Bauwerke aus der Zeit des Mittelalters und der Renaissance; dabei hegte er eine besondere Vorliebe für reiche Innenräume und hier wieder für Holzarchitektur und getäfelte Säle und Zimmer, welche er mit der ihm eigenen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, bis ins kleinste Detail, mit unvergleichlicher Wahrheit und Form, Ton und Stimmung nachbildete. Mit dieser subtilsten Vedutenmalerei, welche sowol das innigste Verständniß und die hingebendste Liebe wie auch die fabelhafte Sicherheit des Pinsels und die falkenhafte Schärfe des Auges bezeugte, gab er sich zufrieden, vermied meist jede weitere Staffage oder figürliche Zuthat, um ja dem Eindruck der Unmittelbarkeit nicht zu schaden. Diese seine malerische Tugendlichkeit bewährte H. mit einer „Partie aus dem Chor der Domkirche zu Schleswig“ (1865) und „Aus dem Ulmer Münster“ (1867 im Kieler Kunstverein; vgl. Lützow’s Ztschrft. II. 58), auch mit der „Betstube aus dem schleswig’schen Schlosse Gottorp“, welch letzteres Bild in Dresden und Berlin (1868) zur Ausstellung kam und als „ein wahres Muster von sorgfältiger Ausführung eines mit geschnitztem Holz bekleideten Innenraumes“ bewundert wurde (vgl. Lützow’s Ztschrift. II, 185; III, 13). Leider gewährt unser, aus Kunstberichten und Ausstellungskatalogen mühsam angesammeltes Material keinen erschöpfenden Ueberblick über Heger’s Leistungen, welche hier lückenhaft, aber in möglichst historischer Reihenfolge verzeichnet werden. Ausgestellt wurden „Die Kriegsstube im Rathhaus zu Lübeck“ (1870), ein „Interieur im Stadthaus zu Danzig“ (mit dem kostbaren, figurenreichen Kamin von 1595) und der „Artushof“ 1873 in Berlin (vgl. Bruno Meyer in Lützow’s Ztschrft. VIII, 184); 1875 kam im Münchener Kunstverein die obengenannte „Gottorper Betstube“ um den geringen Betrag von 400 Mark zum Ankauf (so lange hatte das Bild, vorausgesetzt, daß der Maler keine neue Bearbeitung brachte, auf einen Abnehmer warten müssen!). Gleichzeitig erschien die köstliche „Sacristei der S. Marcuskapelle“ und die große „Treppe in S. Rocco zu Venedig“ – wahre Perlen minutiöser Ausführung. Im nächsten Jahre brachte H. den „Saal im Justizpalast zu Brügge“, ein „Interieur aus dem Lübecker Rathhaus“ (Lützow XI, 707) und ein „Vorzimmer zum Audienzsaal im Dogenpalast“. Gleichzeitig zeigt der unermüdliche Mann 16 Studien, theils aus den sogenannten päpstlichen Zimmern der Münchener Residenz, theils aus dem Dogenpalast und aus Antwerpen, dabei auch das Zimmer des Kunstmalers Baron Henri von Leys, alle mit minutiösestem Detail (Lützow XII, 141 u. 629). Inzwischen mußte H. auch Rom besucht haben, denn 1878 war in Freiburg „Ein Zimmer des Vaticans“ [568] ausgestellt und in Augsburg das „Prunkgemach des Lübecker Bürgermeisters Freedenhagen“, welches 1879 der Münchener Kunstverein um 690 Mark erwarb (Lützow XIII, 620 u. 805). Im folgenden Jahr haben wir ein reizvolles „Interieur“ im Renaissancestile (Lützow XV, 258), 1881 den „Gerichtssaal im Rathhaus zu Lüneburg“ (Lützow XVI, 221) und 1884 das „Holzgetäfelte Zimmer eines Palastes“; 1885 erwarb der Münchener Verein eine „Stube aus Brügge“ (480 Mk.), 1886 ein ähnliches Bildchen „Aus Antwerpen“ (380 Mark) und 1888 aus des Künstlers Nachlaß das kleine Bild „Aus Brügge“ (400 Mk.). H. war ein Künstler, welcher in seiner Eigenart von keinem anderen erreicht, geschweige denn übertroffen wurde, er hatte ein engbegrenztes Repertoire, welches er aber unbestritten beherrschte, denn sein Material erdrückte ihn nicht; was und wie er es gab, zeigte immer den stimmungsvoll reproducirenden Dichter. Ueberaus bescheiden blieben die Preise seiner liebenswürdigen und höchstansprechenden „Studien“. – Er starb nach langem schweren Leiden.
Heger- Vgl. Nr. 38 u. 69 „Allgemeine Zeitung“ vom 7. Febr. 1888 u. 10. März 1889. – Lützow’s Ztschrft. XXII, 305. – Fr. v. Bötticher 1895, I, 479. – Singer 1896, II, 148.
[567] *) Zu S. 115.