ADB:Heimsoeth, Friedrich
Welcker, C. F. Heinrich, F. Näke, F. Ritter, Brandis dem Studium des classischen Alterthums, während er gleichzeitig als Zuhörer von A. W. Schlegel, Diez, Hüllmann, Loebell und in philosophischen Vorlesungen eine breitere Grundlage zu gewinnen bestrebt war. Die Doctorwürde erlangte er am 6. Decbr. 1835 auf Grund der Dissertation „Democriti de anima doctrina; adiecta sunt Democritea“ (Glossar und Fragmente mit Ausschluß der ethischen), in deren Stoff der Einfluß von Brandis, in deren Behandlungsweise die Schule Heinrich’s, des für ihn maßgebenden Lehrers zu erkennen ist; einer der Opponenten war H. Düntzer. Von seinem Uebergang zur Universität an bis zu seinem Lebensende blieb H. Bonn treu. Am 5. August 1837 habilitirte er sich als Privatdocent der classischen Philologie, am 18. Oct. 1848 wurde er zum außerordentlichen, am 30. Dcbr. 1865 zum ordentlichen Professor ernannt und ihm zugleich die Professur der Eloquenz übertragen; nach dem Tode O. Jahn’s trat er zu Ostern 1870 in die Direction des philologischen Seminars ein. Eine Brustkrankheit, die er im J. 1866 bestand, blieb nicht ohne Nachwirkungen. Der plötzliche Tod eines Sohnes gegen Ende des Jahres 1874, der ihn aufs tiefste erschütterte, zerstörte auch seine Gesundheit, die durch die zärtliche Sorge der Seinigen und wiederholten Aufenthalt in Italien nicht mehr dauerhaft hergestellt werden konnte. Ein Blutsturz brachte am 16. Oct. 1877 dem bis zum letzten Tag rührigen Leben ein jähes Ende. Heimsoeth’s Interessen und Veranlagung waren wesentlich ästhetischer Natur. Von früh auf der Musik aus Herzensbedürfniß ergeben, wurde er ein begeisterter Verehrer der älteren classischen, vornehmlich kirchlichen Musik, deren Schätze er durch vollendete Aufführungen theils im Freundeskreise, theils in der Charwoche in der Remigiuskirche, früher zuweilen in Concerten als Dirigent auch andern zugänglich zu machen bestrebt war; sein Antheil und Einfluß war für das musikalische Leben Bonns von größter Bedeutung. Auch den bildenden Künsten wandte er regen, durch verwandtschaftliche Beziehungen geförderten Sammeleifer zu. Außer dem Oheim de Noel, dessen Kunstsammlung auf H. überging, regte ihn dazu die Verbindung mit der durch ihre Kenntniß antiker Kunst auch in gelehrten Kreisen bekannt gewordenen Frau Mertens-Schaaffhausen († 1857 zu Rom) an, mit deren Tochter er sich 1843 zu glücklichster Ehe vermählte. Nachdem er eine ausgezeichnete Sammlung alter Radirungen und moderner Kupferstiche avant la lettre zu Stande gebracht hatte, warf er sich auf Handzeichnungen älterer Meister. Seine gelehrte Kennerschaft auf diesem Gebiet hatte er bereits bei Abfassung des Katalogs über die in Leipzig versteigerte Kupferstichsammlung des Kunsthändlers Herm. Weber (1855) bewährt; ein Werk über Holbein, das er vorbereitete, ist nicht zur Vollendung gediehen. Diese Neigungen helfen dazu Heimsoeth’s philologische Thätigkeit zu verstehen. Der Litteratur des classischen Alterthums gegenüber war H. derselbe ästhetische Purist. Schon 1843 hat er gelegentlich diese Selbstbeschränkung mit Bewußtsein ausgesprochen: neque sedulitatis illius philologae in omnibus aeque antiquitatis locis versandi satis unquam fui cupidus, quippe in amoenissimis regionibus et consuetus et contentus versari, habitare (Rhein. Mus. N. Folge 2, 531). Nur die großen griechischen Dichter, voran Pindar und die Tragiker, von Prosaikern Plato, den er gern in Vorlesungen und Seminarübungen behandelte, von Lateinern Horaz und Tacitus fesselten ihn. Aber indem er nie abließ in seine Lieblinge immer von neuem sich zu versenken, errang er eine lebendige Kenntniß und Beherrschung des Sprachgebrauchs griechischer Dichter, wie sie selten erreicht wird und ihm für divinatorische [334] Kritik eine gewisse Leichtigkeit der Bewegung sichern, freilich auch die Möglichkeit der Selbsttäuschung vergrößern mußte. An dem Schatz dieser Kenntnisse hat H. lange still gesammelt, in dem Genuß forschender Lectüre vollbefriedigt, der schriftstellerischen Mittheilung abgeneigt. Invitus scripsi, sagt er am Schluß der ersten selbständigen Arbeit (Add. et corr. in comm. Pindari p. 71), nam discendi suavior multo quam scribendi labor. Als er endlich 1861, bestimmt durch die Blicke, die er bei autoptischem Studium der Handschriften in das Leben der Ueberlieferung gethan hatte, ein langes Schweigen brach, vermochte er mit einer geschlossenen, Aufsehen erregenden Leistung, dem Werke über Aeschyleische Kritik (s. u.) hervorzutreten. Mit Erfolg wurden hier einzelne Schulmeinungen, wie die von Cobet behauptete Stellung der mediceischen Handschrift bekämpft. Das Eigenthümliche des Werkes liegt in der planmäßigen Methodik, mit der die Art des Heilmittels für Textschäden aus der Natur des Verderbnisses abgeleitet wurde; am eingehendsten, und bis in äußerste Consequenzen übertrieben war die Theorie der Glosseme dargelegt. Die Pathologie der Textverderbnisse war von nun an Heimsoeth’s wissenschaftliche Aufgabe, und die Arbeiten, in welchen er sein Präcisionsinstrument der Kritik zu construiren und dessen Anwendung durch zahlreiche Beispiele selbstgefundener Verbesserung zu zeigen sucht, bilden den Kern seiner Leistungen, außer dem Aeschyleischen Werk (s. u.) das Buch: „Kritische Studien zu den Griechischen Tragikern; Erste Abtheilung: Eine nothwendige Ergänzung der kritischen Methode“ (1865) und eine Reihe von Universitätsschriften: „De diversa diversorum mendorum emendatione“, comm. I 1866, II 1867; „De interpolationibus“, comm. I bis VII aus den Jahren 1867 bis 1874; „De necessaria in re critica vigilantia, perseverantia atque audacia“, 1869; „Comm. crit. de vitiorum in veterum scriptorum codicibus obviorum generibus a Madvigio Havniensi nuper definitis,“ 1871 und „De Madvigii Havn. adversariis criticis comm. altera“, 1872. Die übrigen Schriften Heimsoeth’s handeln über Pindar: „Addenda et corrigenda in commentariis Pindari“, 1840; „Erklärungen zu Pindar“ im Rhein. Museum f. Philolog., 1847, Bd. 5, 1 ff.; „Pindar’s erste Pythische Ode“ (zu Welcker’s Jubiläum) 1860; über die Tragiker: „Beiträge zur richtigen Lectüre der griechischen Dramen“, I. Heft, Vom Vortrage des Chores in den griechischen Dramen, 1841; „De tragoediae graecae trilogiis“, Progr. 1869 und „De voce ὑποκριτής“, 1873; über Aeschylos: „Die Wiederherstellung der Dramen des Aeschylus. (Die Quellen. Als Einleitung zu einer neuen Recension des Aesch.)“, 1861; „Ueber indirecte Ueberlieferung des äschyleischen Textes (ein Nachtrag zu der Schrift über die Wiederh. der Dr. d. Aesch., zugleich ein Bericht über die Aesch. Handschriften in Deutschland)“, 1862 und die Universitätsprogramme: „De scholiis in Aeschyli Agamemnonem scholiasta Mediceo antiquioribus“, und „De ratione quae intercedat inter Aeschyli scholia Medicea et scholiastam A“, beide von 1868; „Epistola Florentina de codice Laurent. IX plut. XXXII“ von 1876; „De scaena in parte Eumenidum Aeschyli Atheniensi non mutata“ von 1870; „De parodi in Aeschyli fabula Thebana conformatione“ zum Winter 1877/78, Heimsoeth’s letzte Schrift; über Theognis „Emendationes Theognideae“ in drei zum 22. März verfaßten Programmen 1873–75; über Metrik: „Die Wahrheit über den Rythmus in den Gesängen der alten Griechen, nebst einem Anhange über die Aufführung der griechischen Gesänge“, 1846; „Ueber die neuste metrische Theorie“ (nämlich Meißner’s Tactlehre) im Rhein. Mus. 1850 Bd. 7, 622 ff., und die Programme „De syllabarum in versibus antiquis mensura“ 1869, „De versuum ionicorum mensura“ 1871, „De versuum in tragoediis Graecorum structura“ 1872, „De duplici quod fertur dactylorum et anapaestorum genere in rythmis Graecorum“ 1875; lat. Rede vom 3. August 1866, veröffentlicht [335] 1867 und Einladungsschrift zum 50jährigen Jubiläum der Universität Bonn 1868; zur Kunstgeschichte: „Catalogue de la superbe collection d’estampes laissée par feu Mr. H. Weber. I. Leipz. 1855. II. Oeuvre de Rembrandt, 1856“ (für Rembrandt als classische Arbeit geschätzt); „Catalogue des collections laissées par feu Mad. Mertens-Schaafhausen. Seconde partie, contenant les monuments de l’antiquité et les objets d’art et de curiosité du moyen-âge et des temps modernes“, 1859 und desselben „Troisième partie, cont. les medailles grecques et romaines“, 1860; „Ludw. v. Beethoven’s missa solennis op. 123 … von einem Mitgliede des Bonner Sängerchors“, 1845.
Heimsoeth: Friedrich H., classischer Philologe, ist zu Köln am 11. Febr. 1814 geboren, ein Sohn des Justizraths Marcus H. und der Elisabeth de Noel. An dem Friedrich-Wilhelms-Gymnasium der Vaterstadt vorgebildet, widmete er sich seit dem J. 1831 zu Bonn unter- Vgl. Chronik der Universität Bonn für das Jahr 1877/78. Nekrolog in der Köln. Zeitung v. 1. Dec. 1877, 3. Blatt (von einem nichtfachmännischen Freunde). F. A. C. Prestel, Catalogue de la superbe collection d’estampes anciennes composant le cabinet du feu prof. Dr. F. Heimsoeth, Frankfurt a. M. 1877.