ADB:Heinrich von München
Ludwigs des Baiern gewesen und habe diesen sogar überlebt, stützt sich allein auf die Kremsmünsterer Handschrift, ist aber unberechtigt, vgl. Maßmann, Kaiserchronik, Bd. III, S. 99, 190. Wir werden vielmehr die Abfassung des Werkes bald nach 1300 ansetzen dürfen, dahin weisen auch Sprache und Verskunst. Heinrich hat seinen eigenen Worten nach die auf Veranlassung König Konrads IV. zwischen 1250 und 1254 begonnene Weltchronik des Rudolf von Ems (s. Bd. VI S. 95), die die Bücher des Alten Testamentes bis auf Salomo’s Tod umfaßte, überarbeitet und fortgesetzt; eine nähere Prüfung ergibt jedoch, daß er seiner Bearbeitung eine Recension der jüngeren, dem Landgrafen Heinrich dem Erlauchten († 1288) gewidmeten thüringischen Reimbibel, der sogenannten Christherrechronik, zu Grunde legte, welche ursprünglich nur bis in das Buch der Richter reichte, dann aber durch Hinzufügung des Ueberschusses aus der Rudolfischen Weltchronik bis in das dritte (erste) und vierte (zweite) Buch der Könige fortgeführt ist. Schon bei der Darstellung des Alten Testamentes hat Heinrich verschiedentlich und zwar von Anfang an Stücke aus Enenkel’s Weltchronik (nach 1277 vollendet) herübergenommen. Wie viel freilich von diesen Einschaltungen direct auf Heinrich selbst zurückgeht, wie viel später eingefügt wurde, das läßt sich einstweilen mit Sicherheit nicht entscheiden, da bis jetzt nur wenige kurze Auszüge gedruckt vorliegen, die Handschriften selbst aber stark von einander abweichen und das stoffliche Material oft ganz verschieden anordnen. Mit Recht hat schon Maßmann daher letzteren den Namen „Schwellhandschriften“ gegeben. In größtem Umfange hat Heinrich das Abschreiben und Verarbeiten fremder Werke zu einem Ganzen erst bei der Fortführung der Geschichte durch den neuen Bund betrieben. Er schildert in der sechsten Welt, die mit Christi Geburt beginnt, das Leben der Päpste und Kaiser von Julius Cäsar bis auf Friedrich II.; einige Handschriften gehen jedoch nur bis Karl den Großen oder Ludwig den Frommen. Nach dem Vorgange der in ähnlicher Weise entstandenen Kaiserchronik, aber dem Geschmacke der Zeit entsprechend diesen bis ins Unförmliche überbietend, [726] hat auch Heinrich bald mehr bald minder wörtlich seine Reimbibel aus der sächsischen Weltchronik (zwischen 1237 und 1251 entstanden), Enenkel’s Werk, dem er in allem Wesentlichen bis auf Karl den Großen folgt, und der jüngeren Recension der Kaiserchronik, die bereits Enenkel selbst ausschrieb, compilirt; des weiteren aber sind von ihm (und anderen?) noch alle möglichen Kunst- und Volksdichtungen in den gegebenen Rahmen eingewebt worden, so bei der Geschichte von Maria und Jesus Bruder Philipps Marienleben, bei Karl dem Großen die Dichtung des Strickers, bei Ludwig dem Frommen die Geschichte des heiligen Willehalm nach Wolfram und seinen beiden Fortsetzern, ferner Stücke aus dem Passional, Konrads Trojanerkrieg (?), Dietrich’s Flucht u. a. Auf poetischen Werth kann Heinrich’s Compilation keinen Anspruch machen. Im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts wurde diese Weltchronik grade so wie die Kaiserchronik und Enenkel in Prosa aufgelöst.
München: Heinrich v. M. (Heinrich von Baierland, von Baiern Heinrich), der Compilator einer umfangreichen deutschen Reimchronik, gehörte wol jenem Münchener Patriziergeschlechte an, dessen Ahnen schon vor Anlage der Stadt im Dorfe München einst das ritterliche Element vertraten. Die Annahme, er sei ein Zeitgenosse Kaiser- Vgl. außer der bei Wackernagel, Litteraturgesch., 2. Aufl., S. 223 angeführten Litteratur noch: Riezler, Gesch. Baierns 2 (1880), 555. Deutsche Städtechroniken 15, 508. Jacobs und Ukert, Beitr. zur älteren Litteratur 2, 243 ff. Martin im Deutschen Heldenbuch 2, XLVI ff. – Größere Auszüge in den Altdeutschen Wäldern der Gebr. Grimm 2, 115 ff. W. Grimm, Deutsche Heldensage Nr. 84. Maßmann, Kaiserchronik im dritten Bande passim. C. Schröder im Archiv für das Studium der neueren Sprachen 50, 311 ff.