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ADB:Hildesheim, Franz

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Artikel „Hildesheim, Franz“ von Harry Breßlau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 410–411, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hildesheim,_Franz&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 01:12 Uhr UTC)
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Hildesheim: Franz H., kurfürstlich brandenburgischer Leibarzt, Historiker, Dichter, geboren am 12. October 1551 zu Cüstrin, gestorben 1614 in Berlin, Sohn des neumärkischen Lehnssecretärs Hippolyt H. zu Cüstrin und der Catharina, Tochter des Johanniter-Herrenmeisters Fr. v. Naumann, besuchte die Schulen zu Cüstrin und Freistadt und die Universitäten Frankfurt a. O., Wittenberg und Leipzig, um Theologie, Philosophie, Mathematik und Poesie zu studiren. Mit 19 Jahren Magister geworden, übernahm er das Rectorat der Schule seiner Vaterstadt, das er zwei Jahre lang rühmlich versah: während seiner Mußestunden trieb er Jurisprudenz und erklärte seinen jüngeren Brüdern das Corpus juris. Aber sein polyhistorischer Drang hatte auch hieran kein Genügen; 1574 wandte er sich nach Wien, um Medicin zu studiren, ging von da nach dreijährigem Aufenthalt nach Padua, wo er als consiliarius nationis Bohemicae verweilte und kehrte erst 1580, nachdem er Florenz, Rom, Neapel besucht hatte, mit dem Doctorhut geschmückt, über Basel in die märkische Heimath zurück. Aber schon nach kurzer Zeit verließ er sie abermals, um einen jungen Edelmann als Hofmeister auf die Universität Straßburg zu begleiten, woran sich eine Reise nach Paris und London schloß. Als er 1584 zum zweitenmale heimkehrte, nicht nur ein weitgereister sondern auch ein berühmter Mann, eilte die neumärkische Regierung ihn in ihren Dienst zu ziehen, aber gleichzeitig berief ihn Markgraf Georg Friedrich, der Regent von Preußen, als Professor primarius der medicinischen Facultät nach Königsberg und suchte Kurfürst Johann Georg von Brandenburg ihn an seinen Hof zu fesseln. H. nahm des letzteren Anerbieten an; 1585 wurde er zunächst auf 7 Jahre mit einem jährlichen Gehalt von 300 Fl., Kostgeld und Kleidung für sich und einen Diener und der Zusicherung von 3000 Fl. Gnadengelder zum kurfürstlichen Leibmedicus und Rath bestellt und hauptsächlich zum Dienst bei „den jungen Herrschaften“ verpflichtet. 1592 erneuerte der Kurfürst ihm die Bestallung auf Lebenszeit in Anerkennung seiner „Geschicklichkeit, Fleiß und treuen Dienste; 1598 ward sie von dem Nachfolger Joachim Friedrich abermals bestätigt; und bis zu seinem Tode hat H. in mannigfacher Thätigkeit am Hofe zu Berlin eine Vertrauensstellung eingenommen. Auf medicinischem Gebiet hat er nur eine Schrift „De cerebri et [411] capitis morbis internis“ (Frankf. 1612) verfaßt. Wenig bedeutend sind auch seine historischen Arbeiten, die Biographieen der beiden Kanzler Lamprecht Distelmeyer (1589) und Adrian Albinus, ferner des Kurfürsten Joachim II. und des Markgrafen Hans von Cüstrin (alle vier zusammen gedruckt in: Publicae commoditati vitae duorum potentissimorum principum Joachimi II. electoris et Joannis marchionis, item duorum cancellariorum Lamp. Distelmeieri et Hadriani Albini, Francof. 1592). Die beiden ersteren sind Gedächtnißreden, von denen die auf Distelmeyer auf Befehl und im Beisein des Kurfürsten vor dem Geheimen Rath in Berlin gehalten sein soll, die auf Albinus an den neumärkischen Geheimen Rath gerichtet ist. In beiden streift der Redner die politische Wirksamkeit der von ihm gefeierten Staatsmänner, die er als den Angeredeten bekannt voraussetzt, nur ganz oberflächlich, eingehender behandelt er nur ihre Jugendbildung und ihre Krankheiten. Auch in den Biographieen der beiden Fürsten verläugnet sich der ehemalige Pädagoge und spätere Arzt nicht. Sie sind 1592 geschrieben, um die jungen Prinzen Christian und Joachim Ernst (geb. 1581 und 1583) über die Geschichte ihrer Vorfahren zu belehren. Indem sie eine kurze und faßliche, aber nirgends tief eindringende Darstellung des Lebensganges der beiden Fürsten gaben, mochten sie ihren nächsten Zweck erfüllen; höhere Ansprüche darf man daran nicht stellen. Interessanter sind die „Inscriptiones sepulcrales quae vulgo sunt Epitaphia electorum et marchionum Brandenburgensium“ (Berl. 1608), die auf Befehl des Kurfürsten Johann Sigismund publicirt wurden. Es sind eine Reihe von Grabschriften auf Mitglieder der kurfürstlichen Familie, in Prosa und Versen, darunter mehrere, von denen ausdrücklich erwähnt wird, daß sie an den Zinksärgen angebracht seien. Manches davon ist recht hübsch; namentlich die einfachen und würdigen, schmuck- und prunklosen Worte, die H. den Kurfürstinnen Catharina und Eleonore nachruft, zeugen von poetischem Sinn. Ungleichmäßiger sind einige andere beigegebene Gedichte, zumal das Trostlied an Joachim Friedrich beim Tode Eleonorens, das neben einzelnen schönen und gut ausgedrückten Gedanken doch auch manches Triviale und Geschmacklose aufweist: es ist selbst für diese Zeit etwas stark, wenn der Kurfürst, dessen Erscheinung einen nichts weniger als imponirenden Eindruck machte, nicht nur als „heros benignus“ sondern auch als „Marchiae Diespiter“ angesungen wird. (Vgl. neben Akten des Berliner Staats-Archivs Küster, Das alte und neue Berlin I, 52.)

Hildesheim’s dichterisches Talent zeigt sich am glänzendsten in seinen dramatischen Arbeiten, in der Comödie „Vita“, und der Tragödie „Religio“ (Leipz. 1602), deren Vorrede aus Wien 1576 datirt ist. In beiden Stücken kommen die allegorischen Figuren nie von der Scene; aber beide sind voll von dramatischem Leben. Der Held des ersten heißt Pantomimus, seine Eltern starben bei seiner Geburt, Vita nimmt sich seiner an und bringt ihn zu Pax, die ihn aufzieht. Seine Erziehung wird geschildert, seine Jugend, seine Liebe zu Neotis, seine Studien, sein Glück, sein Alter, sein Tod. Er wird Kanzler und hat einen Streit mit einem schmeichlerischen Hofherrn, dem gegenüber er den Satz durchführt, daß der König nicht über, sondern unter den Gesetzen stehe. In dem zweiten Stücke kommt Religio auf die Erde, macht aber die übelsten Erfahrungen. Die Kämpfe des Catholicus und Pistologus sind ihr furchtbar, sie will nichts mehr davon wissen und klagt am Schlusse: „Die göttliche Weisheit leidet Gewalt von den Kindern dieser Welt!“ Sie hat das Gewand angezogen, worin sie den Sterblichen zuerst erschienen ist, weiß aber nichts zu machen, als auf diesem ungeheuren Theater der Welt Jedermann zu besuchen, jedes Haus, jede Familie zu durchforschen und in die Wohnung jedes Niedrigsten zu kriechen, ob sie vielleicht irgendwo eine fromme Seele fände, bei der sie bleiben, wohnen, ausruhen könne.