ADB:Hilten, Johann
Melanchthons Apologie der augsburgischen Confession (Cap. 13 De votis monasticis; vgl. Melanchthon’s Brief an Joh. Mathesius vom 18. Mai 1552, Corpus Ref. VII. 1007), in einem Briefe eines [432] ungenannten (der Hinneigung zu Luther verdächtigten) Franciscaners von Langensalza und in einem Briefe von Friedrich Myconius an Luther vom J. 1529 (beide zuerst veröffentlicht von Heumann, s. u.). Melchior Adam (s. u.) theilt aus Hilten’s im J. 1485 geschriebenen Erklärungen zur Apokalypse und zum Buche Daniel einige Stellen wörtlich mit. In dieser Schrift berichtet H. selbst, er sei in seiner Jugend ein Alumnus der Erfurter Universität und ein eifriger Philosoph gewesen, jetzt lebe er als Greis seit 1477 „in einsamer Verbannung“. Nach Myconius hat er in Livland gepredigt. Der Mönch von Langensalza rühmt seinen wissenschaftlichen Eifer und seinen musterhaften Lebenswandel. In der Apokalypse und im Buche Daniel, namentlich in den Capiteln über die vier Weltreiche, fand H. geweissagt: die päpstliche Macht werde im J. 1514 (nach Myconius) oder 1516 (nach Melanchthon) zu sinken anfangen; eine Zeit lang werde der Muhammedanismus zur Herrschaft gelangen, dann eine vollkommene Reformation der Christenheit stattfinden und der Islam vernichtet werden; darauf werde der letzte römische Kaiser Christus seine Krone und alle kaiserliche Gewalt zurückgeben; auch Rom und seine Macht werde gebrochen werden, dann der Antichrist erscheinen und 1651 das Ende der Welt eintreten. An einigen Stellen klagte er in scharfen Worten unter Berufung auf die hl. Birgitta über den Mißbrauch der Gewalt, die dem Papste als Stellvertreter Christi zustehe; an anderen scheint er in starken Ausdrücken über die Mißbräuche in den Mönchsorden gesprochen zu haben. Aehnlich wie in seinen Schriften äußerte er sich auch mündlich, wahrscheinlich auch in Predigten. Er scheint sich aber gar nicht als Prophet gerirt zu haben, und Heumann vergleicht ihn richtig mit dem Abt Joachim von Floris. Auch mit den Weissagungen des Johann Lichtenberger soll er sich beschäftigt haben. Als einen „Bekenner der evangelischen und Bestreiter der päpstlichen Lehre“ haben ihn erst Spätere dargestellt (Mey, s. u.); Myconius ist von dem, was H. über die Lehre von der Rechtfertigung geschrieben, gar nicht befriedigt. Der Mönch von Langensalza sagt: er habe nichts davon gehört, daß H. von irgend Jemand in Untersuchung gezogen oder verurtheilt worden sei; man habe ihn nur, erst in Weimar, dann in Eisenach, „väterlich bewacht“, damit er nicht von dem einfältigen Volke als Prophet angesehen würde. Es ist ja erklärlich, daß die Ordensoberen den unbequemen Mönch, der sich, wie er selbst sagt, um der Liebe Gottes und des Nächsten willen für verpflichtet hielt, die Wahrheiten, die er aus der Bibel geschöpft, zu verkündigen, in Haft gehalten haben. Diese Haft dauerte, bis er in hohem Alter starb; wie lange er aber das J. 1485 überlebt und wie strenge seine Haft gewesen, ist nicht zu ermitteln. Die Angabe, daß er erst um 1502 gestorben, stützt sich wol auf eine Aeußerung Luther’s (Tischreden, Cap. 27, 135): „Diese Prophezeiung ist geschehen, da ich noch ein Knabe war und zu Eisenach in die Schule ging“ 1498–1501). Die Angaben, er sei „erwürgt“ worden oder „vor Hunger und Unflath“ im Kerker umgekommen, sind unhistorisch. Auch was Adam nach Melanchthon berichtet, beruht wol nur auf Hörensagen: H. habe, da der Guardian seine Bitte um Freilassung oder Milderung seiner Haft mit harten Vorwürfen abgeschlagen, gesagt: „Ich habe nichts gegen den Mönchstand geschrieben oder gelehrt, sondern nur notorische Mißbräuche getadelt; aber im J. 1516 wird ein Anderer kommen, der euch zu Grunde richten wird, und diesem werdet ihr nicht widerstehen oder ihn in Kerker und Banden halten köunen“. Der Mönch von Langensalza berichtet als Augenzeuge, H. sei, von Weimar nach Eisenach gebracht, in dem Krankenzimmer des dortigen Klosters im Beisein des Guardians Heinrich Kune und der Seniores loci (wahrscheinlich der älteren Mönche) mit den katholischen Sacramenten versehen worden und in Frieden gestorben; er habe vor dem Tode die Brüder wegen des Anstoßes, den er ihnen gegeben, um Verzeihung gebeten, [433] „seine Weissagung aber nicht bereuen können“. Von den älteren Reformationshistorikern werden Hilten’s Weissagungen vielfach citirt (vgl. Juncker a. a. O. S. 28). Durch die Grabschrift, die ihm der Rector Valentin Weinrich († 1622) zu Eisenach gesetzt hat, und durch Localhistoriker (Juncker, Mey) hat die tragische Geschichte des Mönchs eine sagenhafte Gestalt erhalten. Die Weissagung: „Unter einem Löwen (Leo X.) wird ein Eremit (der Augustiner Luther) auftreten, der den römischen Stuhl reformiren wird“, und ähnliche haben diese Fassung ohne Zweifel erst nach Hilten’s Tode erhalten.
Hilten: Johann H. (richtiger Ilten), ein thüringischer Franciscanermönch im 15. Jahrhundert, vielfach, aber nur in einem sehr beschränkten Sinne mit Recht als ein Vorläufer der Reformation bezeichnet. Die zuverlässigsten Mittheilungen über seine Schicksale und angeblichen Weissagungen finden sich bei einigen jüngeren Zeitgenossen, in- Andreas Angelus, Gewisser Bericht von Joh. Hilten und seinen Weissagungen, Frankf. 1597. Georgii Henr. Goezii Observationes hist.-theol. de Jo. Hiltenio, Lübeck 1706 (2. Aufl. 1717). Melchioris Adami Vitae Theologorum p. 2. Tres veteres epistolae de Jo. Hiltenio nunc primum editae a C. A. H(eumann) in den Parerga, Tom. 1, Lib. 3, Gotting. 1737. – Chr. Juncker, Eines Anonymi Staat des Fürstenthums Eisenach etc. 1710, S. 28 ff. J. H. Mey, Vaterlandskunde … Bemerkungen über die Stadt Eisenach, 1821, S. 83 ff.