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ADB:Myconius, Friedrich

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Artikel „Myconius, Friedrich“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 123–127, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Myconius,_Friedrich&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:36 Uhr UTC)
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Myconius: Friedrich M., Superintendent und Pfarrherr von Gotha, ist den 26. Decbr. 1491 in Lichtenfels am Main geboren und den 7. April 1546 in Gotha gestorben. Seine Eltern waren ehrbare, fromme Bürgersleute und hießen Mecum. Sein Vater hatte bereits vor der Reformation evangelische Lichtblicke und suchte [124] sie seinem Sohne einzupflanzen, wie der Sohn selber erzählt. Sechs Jahre besuchte der Knabe die Lichtenfelser Stadtschule, und weil er eine reiche Begabung zeigte, so schickten ihn seine Eltern in seinem 12. Lebensjahre nach der damals blühenden Schule in der Stadt Annaberg. Unter tüchtigen Lehrern machte er bedeutende Fortschritte. Annaberg war eine gut päpstliche Bergstadt und hatte viele Reliquien, so daß am Annenmarkt eine Masse Wallfahrer dahin strömte. Schon im Jahre 1508 kam auch der Ablaßkrämer Tetzel mit seinem Ablaßkram nach der Bergstadt, weil er hier eine reiche Ernte einzuheimsen hoffen konnte. Schon zwei Jahre betrieb Tetzel sein einträgliches Geschäft, da kam auch der ernst gestimmte junge Mann, der noch fest an den hier ausgesprochenen Grundsätzen hielt, er wollte aber Ablaß umsonst, da den Armen derselbe umsonst um Gottes willen sogar auf päpstlichen Befehl gereicht werden solle. Alle Verhandlungen mit Tetzel halfen in dieser Richtung nichts, der Jüngling blieb bei seinem „Umsonst“. Tief betrübt ging M. nach Hause, und entschloß sich jetzt, in das dortige Franciscanerkloster zu treten, sein Lehrer Staffelstein führte ihn selber hin, es war am 14. Juli 1510, wie er selbst später sagt, „um Gott zu gefallen und ihm zu dienen. So tappte ich damals im Finstern“.

Wir besitzen noch einen Brief von M., in welchem er einen Traum erzählt, den er in der ersten Nacht hatte und der zu den interessantesten Urkunden aus der Reformationszeit gehört, weil in ihm der ächt bibliche Heilsweg in Bildern dargelegt war. Er verstand ihn freilich damals nicht. Erst dann wurde er ihm klar, als die Reformation ihn erleuchtet hatte. Im J. 1516 wurde er in Weimar zum Priester geweiht, aber am 31. October des folgendes Jahres drang das Licht der 95 Sätze Luther’s auch in seine Zelle. „Gott öffnete mir meine Augen und Ohren“, bezeugt er, der Traum fing an, sich ihm in seiner tiefen Bedeutung zu enthüllen. Er sah Luther auf seiner Reise nach Augsburg zum Cardinal Cajetan, da er im Kloster zu Weimar, wo M. war, übernachtete. Doch durfte er nicht mit dem Reformator reden. Am liebsten hätten ihn die Mönche aus der Welt geschafft, aber es war eine andre Zeit hereingebrochen. Noch sechs Jahre bezeugte M. das Evangelium seinem Orden bald in diesem, bald in einem andern Kloster, wohin sie ihn versetzt hatten. Zuletzt entfloh er nach Zwickau, wo er unter dem Regimente des wohlgesinnten Kurfürsten Friedrich nichts zu befürchten hatte. Als die Annaberger in Erfahrung gebracht hatten, daß er in dem benachbarten Buchholz die Kanzel besteigen werde, strömten über 1000 Leute hinaus, um sein klares, kräftiges Zeugniß zu vernehmen. Von 1524 hat M. fast ununterbrochen in Gotha das Pfarramt verwaltet. Es sah auch hier traurig aus, die Verwüstungen in diesem Weinberge erforderten die volle Kraft eines Mannes, wie der feurige M. war. So unansehnlich von Gestalt er auch war, so entschieden griff er dort in die kirchlichen und bürgerlichen Verhältnisse ein, und er durfte die Freude erleben, daß seine Arbeit nicht vergeblich war, so vielen Widerstand er auch fand. Er trat aber auch herzhaft dem Bauernaufstande entgegen, der sich in den sächsischen Landen regte. Hier war es besonders der unselige Schwärmer Thomas Münzer, der das Volk aufstachelte. Durch seine Beredsamkeit wirkte M. begütigend auf die unruhigen Bauern. Namentlich kam Gotha ohne Schaden davon.

Mitten in diese unruhige Zeit hinein fiel seine Verheirathung mit einer ehrbaren Bürgerstochter Margaretha Jäcken aus Gotha. Neun Kinder waren die Frucht dieser Ehe, von denen im J. 1542 noch vier lebten, „welche ich dir, Herr Jesu Christe, befehle, welche dir auf dein Geheiß dargebracht worden sind“, sagt er, und seine Erziehung trug gesegnete Früchte. Doch ließ er sich durch sein Hauswesen und sein Gothaer Kirchenamt nicht hindern, seine Wirksamkeit auch weiterhin auszudehnen, obwohl er in einer Darstellung der Reformation, [125] die wir von ihm besitzen, sehr demüthig von sich sagt: „Wiewohl ich der allergeringsten Einer gewesen, so muß ich doch die Werke Gottes durch mich, wie Paulus, auch rühmen“. Die Kurfürsten schätzten ihn deshalb auch hoch, besonders war dies der Fall mit Johann Friedrich, der ihn auf seiner Hochzeitsreise nach Cleve mit sich nahm, daß er ihm und seiner Begleitung Gottesdienst hielte. In Düsseldorf ließ sich ein Franziscaner, Johann Korbach mit ihm in eine Disputation ein, aber mußte es erleben, daß die einfache Wahrheit des Evangeliums überall den Sieg davon trägt. „Man mußte“, sagt er, „Christum einen Seligmacher der Gläubigen und Richter der Ungläubigen bleiben lassen“. Seine eingreifende Tüchtigkeit aber erfuhren besonders die thüringischen Gemeinden, zu deren Visitation er mit Melanchthon und anderen Herren berufen worden ist. Melanchthon hatte den Unterricht für die Visitatoren aufgesetzt. Was mußten die Visitatoren alles in den Gemeinden erleben! Was für Jammer und Elend sehen! M. konnte auch mit Ernst gegen Mißbräuche auftreten, er fand aber bei der Regierung kräftige Unterstützung, daß er zuletzt sagen konnte: „Ach lieber Herr Gott, du hast gegeben, daß es wohl angerichtet ist, gieb, daß es auch wohl gehalten und erhalten werde!“ Wie hier in Thüringen, so war seine Gegenwart auch in Marburg erfordert worden, wo bekanntlich der Landgraf Philipp von Hessen eine Zusammenkunft der deutschen und schweizer Reformatoren veranstaltet hatte, um eine Einigkeit in Betreff der Lehre vom h. Abendmahl herbeizuführen. Daß das Marburger Religionsgespräch gerade in Beziehung auf die Abendmahlslehre im Sande verlaufen ist, so daß jeder Theil bei seiner Ueberzeugung verharrte, ist bekannt. M. hielt treulich zu den Wittenbergern. Das that er auch, als derselbe wichtige Gegenstand in der sogenannten Wittenberger Concordie verhandelt wurde. Bucer und Capito suchten in der Abendmahlslehre Eintracht herzustellen und nahmen M. nach Wittenberg mit. Ihm verdanken wir die ausführliche Darstellung der Verhandlungen. Das Resultat war ein günstiges. Auch zu den Verhandlungen des Fürstentages in Schmalkalden im J. 1537 wurde er hinzugezogen. Luther hatte bekanntlich die Artikel dazu verfertigt. M. hatte viermal die Freude, das Evangelium daselbst verkündigen zu können. Schmerzlich für alle Theilnehmer des Convents war die bedenkliche Erkrankung Luther’s. M. gehörte zu der Begleitung des schwer Kranken. In Gotha glaubte Luther sterben zu müssen und handelte bereits mit M. über sein Begräbniß in Gotha, doch seine Stunde war noch nicht gekommen.

Auf Veranlassung des Königs Heinrich VIII. von England schloß sich M. auf kurfürstliche Anweisung einer Gesandtschaft nach England an. Der König hatte mit dem päpstlichen Stuhle gebrochen, aber seine Beweggründe waren sehr unlautere, obwohl der englische Gesandte Fox erklärte, sein König werde der Lehre der Wittenberger zufallen. Geübt in der Verstellungskunst empfing sie der König auf das Freundschaftlichste. Man konnte aber gleichwohl zu keiner Einigung gelangen, obschon die Gesandtschaft, gestützt auf die Augsburgische Confession, den ganzen Sommer des Jahres 1538 hindurch sich abmühte, eine solche zu Stande zu bringen. Sie hätten sich vereinigt, wenn man hätte „den Antichrist im Tempel Gottes sitzen lassen und Heinrich lassen Papst sein“, wie M. sagt. Des Myconius’ Urtheil von ihm lautet: „Herodes ist nicht wider Christum, und Nero wider die Apostel so tyrannisch gewesen. Dieses Königreich ist wohl gefärbt und gedüngt worden mit Christenblut“. Ein ähnlicher Feind des Evangeliums und der Reformation war Herzog Georg der Bärtige von Sachsen. So lange er regierte, konnte die Reformation nicht aufkommen. Als er aber im J. 1539 gestorben war, trat sein Bruder Heinrich die Regierung an, und sein erstes war, die Reformation einzuführen. Besonders hatte Leipzig das Glück, jetzt zu allererst das gesegnete Regiment des neuen Herrschers zu genießen. Schon am Pfingstfeste dieses Jahres wurde deutscher [126] Gottesdienst in Leipzig und zwar von Dr. Luther selber gehalten. Neben Jonas, Cruciger und Pfeffinger war M., den der Kurfürst dem Herzoge auf längere Zeit überlassen hatte, der thätigste Arbeiter der Reformation, so daß Jonas mit Recht von ihm schreiben konnte: „Er ist ein rechter und nützlicher Apostel der Leipziger und ein wahrer meißnischer Bischof, der mehr Nutzen diesem Lande schaffen wird, als alle vorigen gethan haben“. Damit ist kein Wort zu viel gesagt. Es ging freilich durch viel Kampf mit den päpstlichen Mächten, die bisher in Leipzig geherrscht hatten, aber „die Dachblumen verwelken vor der Hitze und Glanz der Sonne Gottes Worts“, schreibt M. Den zähesten Widerstand leistete die Universität, Cochläus, Witzel, Rüdel ergriffen die Flucht, als sie sahen, daß sie nichts ausrichteten, und tüchtige Männer traten an ihre Stelle. Mitten aus seiner gesegneten Arbeit wurde M. von seinem Kurfürsten abberufen, um an dem Convent in Hagenau Theil zu nehmen, aber es kam daselbst zu keinem Religionsgespräche, wie doch beabsichtigt war. Er mußte darauf, trotzdem er sich kränklich fühlte und Gotha um seine Zurückberufung bat, wieder nach Leipzig gehen, um das dort angefangene Reformationswerk vollenden zu helfen. Er arbeitete wieder mit seiner bewährten Rührigkeit in Leipzig fort, und kehrte erst gegen das Ende des Jahres 1540 mit geschwächter Gesundheit nach seinem Gotha zurück. Man hat ihn öfters gebeten, auch Schriften zur Ausbreitung der Reformation zu schreiben, und er wäre besonders dazu befähigt gewesen. Kurz vor seinem Tode, im Februar 1546 erklärt er sich in einem Briefe an Paul Eber, warum er es nicht gethan: „Ich begriff wohl meinen Beruf, eine rufende Stimme zu sein, dem Herrn den Weg zu bereiten, die Steige richtig zu machen, damit sie die Augen öffneten und das gegenwärtige Heil Gottes sähen“. „Aber es wäre“, meint er, „Hochmuth gewesen, neben Luther, Melanchthon, Brenz“, wie er sich ausdrückt, „ein Rabe oder Krähe werden zu wollen“. Doch giebt es ein köstliches Büchlein von ihm: „Wie man die Einfältigen und sonderlich die Kranken im Christenthum unterrichten soll“. Es erschien im J. 1540, Dr. Luther schrieb eine Vorrede dazu. Wir haben schon gehört, wie er mit geschwächter Gesundheit nach Gotha zurückgekehrt war, es war die Halsschwindsucht, an welcher er litt. Man besitzt eine Reihe von Trostbriefen, die den Leidenden aufrichten sollten, einer der merkwürdigsten bleibt der von Luther. Ihm hatte M. mitgetheilt, daß es mit ihm zum Tode oder wie er sich ausdrückte, zum Leben gehe. Luther antwortete ihm alsbald im Anfange des Jahres 1541 auf seine gewaltige Glaubensart, daß er nicht erleben wolle, daß M. ihm zuvorkommen solle. M. selber erklärt, daß es ihm nach Durchlesung dieses Briefes gewesen sei, als höre er die Stimme Christi: Lazare, komm heraus! Kurz, er stand wieder auf und ging wie sonst an seine Arbeiten, freilich eine gewisse Schwäche blieb zurück. Er schrieb nun selber Trostbriefe, wir haben zwei solche an Jonas, die wahre Kleinodien sind. Trotz seiner Schwachheit wohnte er noch der im J. 1541 in Thüringen stattfindenden dritten Visitation an, freilich „mit großer Mühe und Arbeit“, wie er sagt. Namentlich verwandte er sich ernstlich für Verbesserung der Besoldungen der Geistlichen und Schullehrer. Der Kurfürst erließ mit Rücksicht auf seine Vorstellung ein gnädiges Rescript, worin die Besoldungen auf erfreuliche Weise geordnet waren. Einen tiefen Schmerz bereitete ihm noch ein Jahr vor seinem Tode der Brand, der einen großen Theil von Gotha einäscherte.

Am 4. Adventssonntage 1545 betrat er zum letzten Male die Kanzel, es war eine wahre Abschiedspredigt, wie wenn er gefühlt hätte, daß sein Heimgang bevorstände. Der Kurfürst hatte gewünscht, daß M. am bevorstehenden Reichstage Theil nehmen solle, aber bald nach seiner letzten Predigt mußte er sich auf sein letztes Lager niederlegen. Er hatte noch am Ende seines Lebens einen [127] wundersamen Traum über das Leiden und den endlichen Sieg der Kirche. Mit welcher Demuth schloß er den Brief, in welchem er den Traum erzählt. „Ich habe gethan, was ich gekonnt, und bin doch ein unnützer Knecht. Wo ich aber nicht gethan, was ich gekonnt, glaube ich eine Vergebung der Sünden durch den Sohn Gottes“. Wir haben noch etliche Briefe von ihm, die ein wohlthätiges Licht auf sein bevorstehendes Scheiden werfen. Noch schied vor ihm der große Reformator Luther, wie er vorausgesagt hatte, es geschah am 18. Febr. 1546. Mit inniger Theilnahme vernahm M. diese Nachricht. „Gebe mir der Herr eine selige Stunde, daß ich ihm bald folge!“ äußerte er und ließ noch ein Abschiedsschreiben an den Kurfürsten ergehen, worin er einen Ueberblick über sein ganzes Leben und das Reformationswerk gab. Noch legte er am 7. April 1546, seinem Todestage, ein Bekenntniß seines Glaubens ab. Er empfing darauf die Absolution und sagte: „Himmlischer Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöst, Herr du treuer Gott!“ Nach 4 Uhr verschied er, er hatte nur ein Alter von etwas über 55 Jahre erreicht. Den folgenden Tag wurde sein Leichnam der Erde übergeben, ein einfacher Stein deckte sein Grab.

Lommatzsch, Narratio de Fr. Myconio, 1825. Friedrich Myconius’ Leben von Moritz Meurer. Von dem Unterzeichneten, Friedrich Myconius, Pfarrherr und Superintendent von Gotha. Ein Leben aus der Reformationszeit, Gotha 1854.