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ADB:Horn, Heinrich

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Artikel „Horn, Heinrich“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 138–140, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Horn,_Heinrich&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 21:54 Uhr UTC)
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Horn: Heinrich H., geb. gegen 1480 zu Wernigerode, bischöflicher Generaloffizial und Dechant zu U. L. Fr. in Halberstadt, † das. am 28. Dec. 1553, gehört zu den Persönlichkeiten der Reformationsepoche, welche zur Zeit des noch weniger entschiedenen Gegensatzes der alten und der reformatorischen Kirche in der äußeren Gemeinschaft der ersteren blieben, aber dennoch das evangelische Kirchen- und Schulwesen mit milder Hand förderten und sich durch zahlreiche Werke edler christlicher Menschenliebe ein ehrenvolles Gedächtniß stifteten. H. war der Sohn armer Eltern, die wahrscheinlich dem Hirtenstande angehörten, wenn auch das von ihm angenommene redende Wappenzeichen: zwei abwechselnd nach rechts und links wagerecht übereinandergelegte Hörner (Jagdhörner, die man für Hirtenhörner ansprach) mit verschlungenen Bändern den Gedanken an eine darnach gebildete Sage nahe legt. Im Sommer des J. 1513 besuchte er, bereits Dechant zu St. Bonifacii in Halberstadt, noch einmal die Universität Wittenberg; zwei Jahre später (4./7. 1515) sehen wir ihn bereits von der Akademie zum Licentiaten der geistlichen Rechte erhöht und mit dem Amte eines bischöflichen Generalofficials zu Halberstadt betraut, 1520 wird er Dechant des bedeutenden Collegiatstifts zu U. L. Frauen daselbst. Zeugt die Rückkehr zur Universität in gereifteren Jahren von seiner Liebe zu gründlicher Bildung, so seine schnelle Beförderung zu so wichtigen Aemtern und Pfründen von der Tüchtigkeit und jedenfalls auch von dem außerordentlichen Fleiß und Streben des Hirtensohns. Als Official hatte H. einen sehr weit reichenden Wirkungskreis für die damals sehr umfassenden geistlichen Angelegenheiten des ganzen Stifts, und bei der dauernden Abwesenheit des Bischofs zugleich mit dem Stiftshauptmann auch die Statthalterschaft des geistlichen Fürstenthums. Es wird das große Geschick gerühmt, womit er innere und auswärtige Angelegenheiten und Streitfragen erledigte, auch die große Fülle der Schriftstücke hervorgehoben, die von ihm ausgingen. Das letztere wird auch schon aus seiner sehr ausgeschriebenen kleinen Handschrift erwiesen. Wo er Deutsch schrieb, liebte er es, seine niederdeutsche Muttersprache zu gebrauchen. Eine Charakterisirung seiner gesammten segensreichen amtlichen Thätigkeit könnte nur bei einer Darstellung der gleichzeitigen Stiftsgeschichte gegeben werden; nur seine Stellung zu den in seiner Zeit so brennenden kirchlich-religiösen Fragen mag etwas näher angedeutet werden. Hier ist rühmend hervorzuheben, daß er bei dem theilweise sehr harten Vorgehen des Stiftes gegen die reformatorischen Bestrebungen, so bei dem Mönch, dann evangelischen Prediger Winnigstedt, stets zur Milde rieth. Bei einer Stiftung für einen Theologiestudirenden in der Grafschaft Wernigerode und [139] einer ähnlichen für Halberstadt, hat er nur die Verkündigung des lauteren Evangeliums im Auge. Er wollte nur, daß kein Geistlicher Aufruhr predigen solle. In seiner engeren Heimath Stolberg-Wernigerode war er bei den die Reformation befördernden Grafen in besonderer Bestallung und erledigte die schwierigen Verhältnisse in den Klöstern ganz im Einverständnisse mit der Herrschaft, theilweise gemeinsam mit dem Reformatoren Tilemann Platner. Schon der Reformationshistoriker Hamelmann nennt ihn daher einen rechten Nikodemus. Aber nicht seine, wenn auch noch so umfassende Amtsthätigkeit ist es, welche ihm am meisten ein liebendes und ehrendes Gedächtniß bei vielen tausenden seiner Mitmenschen gestiftet hat. Das sind vielmehr die überaus zahlreichen und nicht mehr vollständig zu ermittelnden Werke christlicher Wohlthätigkeit und Menschenliebe. Durch seine verschiedenen Aemter und Pfründen sammelte sich H., der selbst sehr einfach lebte, ein großes Vermögen. Er soll dieses aber auch bei seinem praktischen Sinne und der ihm nachgerühmten Kenntniß der „Chymie“ durch bergmännische Unternehmungen vermehrt und der arm geborene einen Geldschatz von 100,000 Thaler, jedenfalls von einer für jene Zeit ganz außerordentlichen Summe, zusammengebracht haben. Aber all seine Habe hat er mit einer Sinnigkeit und einem praktischen Verständniß, das man bei dem geistlichen Herrn kaum erwarten sollte, und zum leiblichen und geistlichen Wohl seiner Mitmenschen verwendet, und zwar in einem Umfange, wie wol nur eine kleine Zahl vor und nach ihm. Eine lange Reihe seiner Stiftungen liegt uns noch in Urkunden und Schriftstücken, besonders auch in seinem am 26. Decembers 1553 – zwei Tage vor seinem Ableben – ausgestellten letzten Willen vor; vieles müßte dagegen – soweit die Urkunden noch erhalten sind, aus den Archiven mancher Städte bekannt gemacht werden. Denn wie in und bei Halberstadt kaum ein Siechenhof und Armenhaus war, die nicht seine Mildthätigkeit zu preisen hatten, so erstreckten sich seine Stiftungen auch über fast alle Städte des Harzes, besonders im Halberstädtischen: Aschersleben, Oschersleben, Quedlinburg, Hettstedt, Derenburg, Osterwiek, Stolberg, Nordhausen, ferner Northeim, Jüterbock, die Universität Erfurt. Bei seiner allgemeinen Menschenliebe fand aber doch die besondere Liebe zu den ihm näher stehenden Personen und zu der mit inniger Heimathliebe gehegten Vaterstadt und Grafschaft Wernigerode eine bevorzugte Stätte, und kein Mitbürger hat für die durch milde Stiftungen ausgezeichnete Stadt je so viel gethan, als H. Schon als Wernigerode im J. 1528 durch eine gewaltige Feuersbrunst heimgesucht wurde, entfaltete sich seine helfende Liebe so klug als innig. Zweihundert Gulden bestimmte er für die Anlegung von Brunnen und Löschvorrichtungen in der Stadt, 100 weitere für einige benachbarte Städtchen und Dörfer, um Löschapparate dafür anzuschaffen. Ließen die Orte diese aber nicht machen, so sollte auch dieses Geld zu gleichem Behuf in Wernigerode verwendet werden; weitere 400 bestimmte er dem Magistrat für unverzinsliche Anleihen an Abgebrannte unter der Bedingung, die Dächer mit Ziegeln oder Schiefer zu decken. Wieder weitere 300 Gulden wurden beim Magistrat zu Wernigerode niedergelegt, um Abgebrannte zu unterstützen, damit nicht ganze Generationen in Noth und Dürftigkeit bleiben möchten. Der Abwendung der Feuersgefahr dient auch die von ihm veranstaltete Leitung des frischen Wassers aus den Bergen in die Stadt, wo es auf dem Marktplatze in einem steinernen Troge ausfloß. Wir können die verschiedenen Stiftungen für arme in die Ehe tretende Jungfrauen und Mägde, für die ihm besonders theuern Kirchen seiner Vaterstadt, die Stiftung des Salvatorhospitals für 12 arme lahme, blinde Leute nicht alle aufführen. Bei seinen Hospitälern waren theilweise bis in die neuere Zeit die von H. selbst verfaßten Gebete im Gebrauch. Wie bei den Gründungen von Universitätsstipendien und Pfarrstellen sein Absehen [140] auf echt evangelische Predigt, gründliche wissenschaftliche Vorbereitung und christlich-sittlichen Wandel der Stipendiaten gerichtet war, so leuchtete sein eifriges Bestreben für die Jugenderziehung besonders hell aus seinen zahlreichen Veranstaltungen für die Schulen hervor. Hierbei ist vor allen Dingen hervorzuheben, was er für die wissenschaftliche Wiege seiner Kindheit, die ehemalige Stiftsschule zu Wernigerode, das nunmehrige gräfliche Gymnasium, that. Da er durch die Reformation das Verhältniß zu dem Stift zu einem ungeeigneten gemacht sah, so veranlaßte er seit dem 3. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts eine Lösung von demselben und die Uebernahme der Schule durch den Magistrat unter Förderung des Grafen. Dann aber ließ er ein stattliches Schulgebäude auf seine Kosten errichten, das jedoch erst bald nach seinem Ableben im J. 1554 fertig wurde, und setzte für vier, oder mindestens drei Lehrer die Gehalte fest, damit auch die Kinder armer Eltern unentgeltlich den Unterricht genießen könnten. Und obwol er sonst durch Seelbäder und milde Gaben an eine Reihe heimischer Klöster seine Liebe zu der mittelalterlichen Kirche bethätigte, so pflegte er doch mit ganzer Hingebung diese Schule der geliebten Vaterstadt, an der seit dem dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts entschieden reformatorische Männer lehrten und wirkten. H. ging am 28. December 1553, dem Tage der unschuldigen Kinder, zu seiner Ruhe ein. Soweit das Bild auf seinem in der Liebfrauenkirche zu Halberstadt erhaltenen Grabsteine auf Porträtähnlichkeit Anspruch machen kann, leuchtet uns auch hieraus die christlich milde Gesinnung dieser Zierde unseres Volks und Geschlechts entgegen.

Abgesehen von zahlreichen Urk. und allgemeineren Schriften, bes. zur Halberst. Gesch., sind hervorzuheben: E. F. Schütze, Von den Verdiensten H. Horns, eines Zeugen der Wahrheit. Wernigerode 1730. Chr. Heinr. Delius: Blumen zu einem künft. Kranz für die Wohlthäter des Vaterlands. H. Horn. Im Werniger. Wochenblatt 1809 St. 18–21; J. Chr. Fr. Kallenbach in der Gesch. des Lyceums zu Werniger. Halberst. 1850 S. 7–12; Zusätze 6–20; Georgii Thymi elegia hecatost. de beneficiis a Dom. Henr. Horn collatis in suam patriam, abgedr. im Wern. Schulprogr. v. 1876 p. 10–16; Gust. Ebeling, Hinrici Hornii testamentum. Wernigerodae 1877.