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ADB:Ideler, Karl Wilhelm

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Artikel „Ideler, Karl Wilhelm“ von Melchior Josef Bandorf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 746–747, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ideler,_Karl_Wilhelm&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 12:16 Uhr UTC)
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Band 13 (1881), S. 746–747 (Quelle).
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Ideler: Karl Wilhelm I., Irrenarzt, geb am 25. October 1795 zu Bendwisch in der Mark, Neffe des Astronomen und Mathematikers Christian Ludwig I. Durch seinen Vater, einen Prediger, welcher ein Werk über den Gartenbau herausgegeben hatte, wurde er schon früh auf die Naturwissenchaften, besonders die Botanik, hingewiesen. Nach vorübergehendem kurzen Besuche des Gymnasiums in Berlin trat er 1811 durch Vermittlung seines Onkels vorzeitig in das dortige Friedrich-Wilhelms-Institut, wo er neben seinen medicinischen Fachstudien auch seine classische Bildung zu ergänzen wußte. Der Feldzug 1815 unterbrach ihn hierin, indem er als Compagniechirurgus zum Hauptfeldlazarethe Nr. 7 beordert wurde und mit demselben nach Paris marschirte. Erst 1818 konnte er seine Studien in Berlin fortsetzen. Nachdem er 1820 promovirt (Dissertation: De principio nervorum activo imponderabili) und im nächsten Jahre zum Arzt approbirt worden war, schied er aus dem Militärverbande und ließ sich als Arzt anfangs zu Bernau, dann in Rathenow und später zu Genthin nieder. Ohne Neigung und ohne besonderes Geschick zur ärztlichen Praxis gelang es ihm 1828 auf Grund seiner zwei Jahre früher erschienenen „Anthropologie für Aerzte“ nach Berlin berufen und mit der ärztlichen Leitung der Irrenabtheilung in der Charité betraut zu werden. Im Umgange mit Langermann bildete er sich in der Psychiatrie weiter, habilitirte sich 1831 mit der Abhandlung „de moxae efficacia in animi morborum medela“, wurde 1839 außerordentlicher und 1840 ordentlicher Professor und Director der psychiatrischen Klinik. Unter einer reichen schriftstellerischen Thätigkeit bekleidete er diese Stelle bis zu seinem Tode, welcher ihn auf einer Erholungsreise nach kurzem Krankenlager zu Kumbosen am 29. Juli 1860 befiel, nachdem er in den letzten Lebensjahren hypochondrisch leidend gewesen war. – I. war gleich Heinroth ein Vertreter der psychischen Richtung in der Psychiatrie. Wie dieser hatte er zwar manches an Detailarbeit für seine Fachwissenschaft geleistet, einen tiefergehenden und bleibenden Einfluß hat er jedoch, obwohl er selbst eine bedeutende Persönlichkeit von gründlicher und besonders philosophischer Bildung war und an so hervorragender Stelle wirken durfte, nicht zu üben vermocht, ebensowenig als er an dem Fortschritte der Psychiatrie wesentlichen Antheil hatte. Andererseits hat er nie zu dem Mysticismus Heinroth’s hingeneigt und trotz seiner einseitigen ethisch-psychologischen Richtung konnte er sich der eben aufstrebenden exakten Medicin nicht ganz verschließen. Er erkannte an, daß das Gehirn die Werkstätte des denkenden Geistes sei und daß das Denken im innigsten Zusammenhange mit der Thätigkeit des Gehirns stehe. Wenn er auch die Geisteskrankheiten nur als gesteigerte Leidenschaft auffassen wollte, so sah er sich doch zur Annahme eines sogenannten symptomatischen Wahnsinns gezwungen, welcher von körperlichen Krankheiten erzeugt wird. Von großem Einflusse auf seine Richtung war das Studium der Schriften des Dynamikers Georg Ernst Stahl, auf den ihn sein Lehrer Langermann hingewiesen und dessen theoria medica vera wie einige nachgelassene Schriften er neu herausgegeben beziehungsweise übersetzt [747] hatte. Die Lehre Stahl’s, welcher die Seele als Trägerin des Lebens und als die Triebfeder von allem Thun und Leiden des Körpers bezeichnete, der die psychischen Erkrankungen von körperlichen Zuständen unabhängig auffaßte, und nur zugab, daß dieselben durch materielle Krankheitszustände unterhalten und genährt werden könnten, der sie mit den Leidenschaften verglich, nur mit der Beschränkung, daß diese aus normalen, die Geisteskrankheiten aber aus pathologischen Erregungen entspringen, bildete das Fundament seines „Grundriß der Seelenheilkunde“, 1835–38. In der gerichtsärztlichen Behandlung seiner Disciplin wie sie in dem Gutachten der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen in dem „Lehrbuch der gerichtlichen Psychologie“ (1857) hervortritt, begegnen wir einer traurigen Vermischung der moralischen und psychologischen Freiheit, welche leider viele Anhänger nach sich zog und noch jetzt in den Kreisen der Gerichtsärzte nicht ganz überwunden ist. Außer seinen zahlreichen psychiatrischen Schriften sind hervorzuheben die über Diätetik („Allgemeine Diätetik für Gebildete“, 1846, und „Handbuch der Diätetik für Freunde der Gesundheit und des langen Lebens“, 1855), von welchen Feuchtersleben sagt, daß sie den Geist einer allgemeinen und höheren über die Grenzen des Fach hinausgehenden Bildung, den Achtung einflößenden Charakter, die Beziehung aller wissenschaftlichen und praktischen Bestrebungen auf das einzige, des menschlichen Daseins und Wirkens würdige Ziel der Sittlichkeit bestätigen.

Vergl. Lähr in der Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie, 1862, Bd. XIX, pag. 352.