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ADB:Jakob Kettler

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Artikel „Jacob, Herzog von Kurland“ von Theodor Schiemann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 540–546, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jakob_Kettler&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 18:02 Uhr UTC)
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Jacob, Herzog von Kurland, geb. den 28. October 1610, gest. 1. Jan. 1682. Die durch Gotthard Kettler begründete Dynastie der Herzoge von Kurland (s. d. Art. Kettler) hat früh danach gestrebt sich durch Verbindung mit den Fürstenhäusern Deutschlands, über die ihr ursprünglich ebenbürtigen Adelsgeschlechter des Landes zu erheben. Durch Verschwägerung mit den Häusern Mecklenburg, Brandenburg und Pommern waren verwandtschaftliche Bande geknüpft, welche die politische Stellung des neuen Herzogthums sichern sollten; aber die Stürme des 17. Jahrhunderts schienen die Existenz desselben wieder in Frage zu stellen. Dem ersten Herzoge waren seine beiden Söhne Friedrich und Wilhelm in gemeinsamer Regierung gefolgt und durch einen vom Könige von Polen 1598 bestätigten Vertrag war die Form derselben festgesetzt worden. Gleich in den ersten Jahren kam es jedoch zu einem sich immer schärfer zuspitzenden Gegensatz zwischen den Herzogen und dem Adel. Das Streben nach Libertät einerseits und nach voller fürstlicher Souveränetät andererseits führte zum Bruch. Der Adel suchte und fand Rückhalt bei Polen, das nur zu gern die Gelegenheit aufnahm, in die innern kurländischen Angelegenheiten einzugreifen, und die Katastrophe erfolgte als der aufs Aeußerste erbitterte und gereizte heißblütige Herzog Wilhelm im J. 1615 die Führer der Opposition, die Gebrüder Nolde, zu Mitau niederstoßen ließ. Eine Klage der Ritterschaft bei Polen hatte zur Folge, daß eine polnische Commission mit dem Rechtsverfahren wider beide Herzoge betraut wurde; es folgte eine Verhandlung der Angelegenheit vor König und Senat und endlich vor vollem Reichstage. Da Herzog Wilhelm auf die an ihn ergangene Citation nicht erschien, wurde er in contumaciam verurtheilt und seines Herzogthums für verlustig erklärt, während Herzog Friedrich „aus lauter Gnaden“ (ex mera benignitate) in seiner Stellung belassen wurde. Nun sollte eine zweite Commission die Beschwerden der Ritterschaft beseitigen und die kurländischen Verhältnisse definitiv regeln. Sie begann ihre Thätigkeit am 6. Jan. 1617 und trat so entschieden auf, daß Herzog Friedrich [541] sich genöthigt sah den Bruder, der inzwischen bei Schweden eine Zuflucht gesucht hatte, fallen zu lassen und sich noch glücklich schätzen durfte, daß ihm gestattet ward, die Besitzungen desselben zu übernehmen. Vorzüglich aber dem Umstande dankte er die Uebertragung des Herzogthums Kurland – des Erbes seines Bruders, während Semgallen auf sein Theil gefallen war – daß er nach 17jähriger Ehe kinderlos geblieben war. Man dachte schon damals daran, das Herzogthum ganz dem polnischen Reiche einzuverleiben; durch Uebertragung desselben auf Herzog Friedrich war der Plan zwar aufgeschoben aber nicht aufgegeben. Nun hatte Herzog Wilhelm aus seiner Ehe mit Sophie, der Tochter Albrecht Friedrichs von Preußen, einen Sohn, J., in welchem Friedrich seinen Nachfolger sah, und so finden wir, daß er während der schweren Unglücksfälle, welche der 30jährige Krieg und der schwedisch-polnische Krieg über Kurland brachten, keinen Augenblick versäumt, um für die Restitution des Bruders und für die Nachfolge des Neffen im Herzogthum zu wirken. Durch große Zugeständnisse wurde bereits 1618 die Ritter- und Landschaft bewogen, für Herzog J. zu intercediren und ihre Bemühungen 1621, 24 und 25 in Warschau zu wiederholen; König Sigismund III. verhielt sich jedoch ablehnend und auch die Fürsprache auswärtiger Potentaten blieb während seiner Regierung erfolglos, obgleich sowohl England als Frankreich, Brandenburg und Schweden durch ihre Botschafter am polnischen Hof für die Wiedereinsetzung Wilhelms und die Nachfolge Jacobs agirten. Erst als während des polnischen Interregnums die Macht in Händen der Radziwil stand, die von weiblicher Seite her dem kurländischen Herzogshause nahe verwandt waren, gelang es am 16. Juli 1632 von den polnischen Ständen bindende Zusagen zu erhalten. Sie versprachen auf dem nächsten Wahlreichstage, bei dem künftig zu wählenden Könige sich um Aufhebung der Decrete zu bemühen, welche die Absetzung Herzog Wilhelms und die Enterbung seines Sohnes aussprachen. Wirklich erfolgte nun auch die Entscheidung. König Vladislaus IV. willigte in Uebereinstimmung mit dem Senat in die Restitution Herzog Wilhelms zu seinen früheren Ehren und Würden, hielt jedoch daran fest, daß die gesammte Verwaltung der Herzogthümer Kurland und Semgallen bei Herzog Friedrich bis zu dessen Tode bleiben solle. Eine weitere rechtliche Bestätigung erfolgte im Juli 1633, als die Belehnungsurkunde für Friedrich und J. erlassen wurde und letzterem gestattet wurde, die Lehnsfahne mit anzufassen. Trotz alle dem war die Gefahr nicht vorüber. Als der unter Frankreichs Vermittelung geschlossene Stuhmsdorfer Vertrag zwischen Polen und Schweden die Wiedererwerbung Livlands für Polen höchst unwahrscheinlich gemacht hatte, suchte König Vladislaus seiner Familie durch die Erwerbung Kurlands eine Entschädigung zu schaffen. Sein Bruder Prinz Friedrich Casimir ging so weit, die kurländischen Stände mit Briefen anzugehen, in welchen er sie aufforderte um seine Succession im Herzogthum Kurland bei der Krone Polen zu petitioniren. Die Schreiben des Prinzen datiren vom 26. Januar 1638. Schon am 20. Juli desselben Jahres tritt Friedrich sein Herzogthum dem Neffen ab, und nachdem noch einmal alle Hebel in Polen selbst angesetzt waren, und Prinz Casimir inzwischen in französische Gefangenschaft gerathen war, gelang es endlich ein feierliches Investiturdiplom für Herzog J. zu erhalten (18. Febr. 1639). Der letzte Preis der dafür gezahlt werden mußte, war das Versprechen Jacobs zwei katholische Kirchen, die eine in Goldingen, die andere in Mitau zu gründen und zu dotiren. Ein Jahr darauf starb der alte Herzog Wilhelm in der Propstei Kukulow in Pommern, der Zufluchtsstätte, die ihm Herzog Bogislaw gewährt hatte. Herzog Friedrich folgte hochbetagt am 15. August 1642 dem jüngeren Bruder und nun konnte J., der seit 1639 thatsächlich die meisten Geschäfte leitete, selbständig die Zügel der Regierung ergreifen. Ueber die Jugend Herzog [542] Jacobs ist nur wenig mit Sicherheit festzustellen. Seine Mutter war gleich nach seiner Geburt gestorben und der sechsjährige Knabe dem Vater ins Exil gefolgt. 1622 bezog er die Universität Rostock. Herzog Friedrich verpflichtete sich 4000 fl. jährlich zu seiner Erziehung beizusteuern und nahm ihn später an Kindesstatt an. Namentlich innig scheint sein Verhältniß zu Elisabeth Magdalena, der Gemahlin Friedrichs gewesen zu sein. Dann folgten Bildungsreisen in Frankreich, Italien und Deutschland und ein, wie es scheint, längerer Aufenthalt am brandenburgischen Hofe. Erst seit 1639 finden wir ihn dauernd in Kurland. Die Regierung konnte J. jedoch nicht ohne allerlei Weiterungen antreten. Eine polnische Einführungscommission berief die kurländischen Stände nach Mitau, hörte ihre Beschwerden an und vermochte den Herzog, dieselben unter nicht geringen Opfern zu beseitigen, da Ritter und Landschaft sich erst danach, am 27. Novbr. 1642, dazu bequemten, den Huldigungseid zu leisten. Nun war J. zwar unbestrittener Herr in seinem Lande, aber trostlos genug sah es in demselben aus. Auch hier war, wie in Preußen beim Regierungsantritt Friedrich Wilhelms, das Land zertreten und zermalmt, auch hier wollte man Frieden um jeden Preis, auch hier haderten die Stände und griffen polnische Parteiverhältnisse lähmend in jede kräftige Lebensäußerung ein; dazu kam noch, daß Kurland noch ungleich mehr als Preußen unlösbar mit Polen verwachsen schien. Es fehlte die Verbindung mit dem deutschen Reiche, das einen Stützpunkt bei einer geplanten Absonderung von Polen hätte gewähren können und der undeutsche Bauerstand machte die Entwicklung einer kurländischen Kriegsmacht zur Unmöglichkeit. Nach den Anschauungen der Zeit gab nur der deutsche Name hier das Recht Waffen zu tragen und der Roßdienst des Adels war durch Privilegien und Verträge auf nur 200 Mann festgestellt. Daß aber der Herzog selbst nicht zu viel Truppen halte, dafür sorgte die polnische Eifersucht, die zu Wilhelms Zeiten sogar so weit gegangen war, dem Herzoge das Halten von mehr als 60 Soldaten zu verbieten. Diese Verhältnisse sind es gewesen, die J. nöthigten, eine Politik der Neutralität und des Friedens um jeden Preis zu verfolgen und für seinen Unternehmungssinn auf anderen Gebieten das Feld zu suchen. So ist er denn bestrebt gewesen, seinem Lande möglichst bald Ruhe zu schaffen. Die polnisch-schwedischen Truppendurchzüge, welche der Ausgang des 30jährigen Krieges brachte, ließen sich nicht abwehren, aber schon 1647 erwirkte J. von Königin Christine die Zusicherung beständiger Neutralität und durch Vermählung mit Louise Charlotte, der Schwester des großen Kurfürsten, 1646, war es ihm gelungen, eine so einflußreiche Stellung zu gewinnen, daß namentlich unter seiner Vermittelung der Friedenscongreß zu Lübeck zwischen Polen und Schweden betrieben wurde. Welchen Werth man damals in Schweden auf seine Freundschaft legte, läßt sich daraus ersehen, daß Christina im J. 1648 ihm und seiner Gemahlin das Herzogthum Jägerndorf zum Pathenpfennig schenkte. Die Schenkung ließ sich jedoch nicht realisiren, da sie im Widerspruch mit den Bestimmungen des westfälischen Friedens stand und der große Kurfürst auf das allerentschiedenste jede Mitwirkung zu dieser Erwerbung verweigerte. So mußte J., der irrthümlich gehofft hatte, auf diesem Wege Reichsstand werden zu können, den Plan fallen lassen. Dagegen gelang es ihm, König Casimir von Polen, den früheren Prätendenten auf Kurland, umzustimmen. Er stellte ihm 1000 Mann geworbener Truppen zum Kosakenkriege und gewann dafür in dem 1654 ausbrechenden russischen Kriege die Neutralität. Von dieser Seite gesichert, wurde seine Position um so schwieriger, als 1654 Königin Christine abdankte und ein so rücksichtsloser Herrscher wie Karl X. Gustav den schwedischen Thron bestieg. Fest entschlossen sich zum Herrn der Ostsee „der Mutter aller Commercien“ zu machen, wollte er zunächst Polen zur definitiven Abtretung Livlands zwingen; [543] von dort bis nach Dänemark hin sollte ein Kranz schwedischer Vasallenstaaten das baltische Meer umgeben. Es scheint von vornherein in seinen Absichten gelegen zu haben, das kleine, aber durch den gewaltigen Aufschwung seiner Marine wichtige Herzogthum Kurland sich lehnspflichtig zu machen. Finden wir doch gerade um diese Zeit auf den kurländischen Schiffswerften besonders rege Thätigkeit, so daß sich J. erbieten konnte, dem Papste Innocenz X. eine Kriegsflotte von nicht weniger als 40 Schiffen zu einem nicht näher bezeichneten Unternehmen gegen gehörige Vergütung zur Verfügung zu stellen. J. suchte nun von Schweden einen Neutralitätsvertrag zu erlangen; Polen gab seine Genehmigung, Karl Gustav aber hielt ihn hin und erst 1656 wurde ein Vertrag abgeschlossen, demzufolge Polen und Schweden freien Durchzug durch das neutrale Kurland haben sollten. Man bewunderte damals allgemein die geschickte Politik des Herzogs; in Wirklichkeit war der Erfolg nur ein scheinbarer. J. hatte die Mittel nicht, sich vor einer Gewaltthat zu schützen, da die polnisch-schwedische Eifersucht ihm, der in aller Herren Länder für andere Potentaten Truppen warb und großartige Waffenfabriken im eigenen Lande hatte, nicht gestattete, in Kurland mehr an Truppen zu concentriren als zur allernothdürftigsten Besetzung der wenigen festen Punkte erforderlich war. Als nach der Schlacht bei Warschau Karl Gustav mit der directen Aufforderung an den Herzog herantrat, dem Beispiel Friedrich Wilhelms folgend, Kurland von ihm zu Lehen zu nehmen, lehnte J. ab und ersuchte um Erneuerung der Neutralitätsverträge. Die Bitte wurde nicht geradezu abgelehnt, aber das Land hatte schwer unter der Kriegsnoth zu leiden. Graf Löwenhaupt rückte 1656 in Kurland ein; Goldingen ward ausgeplündert, willkürliche Erhebungen an Proviant und Mannschaft erfolgten und auch polnischerseits kannte man nur wenig Schonung. Das Schlimmste aber stand noch bevor. Als Dänemark, der Kaiser, Rußland und Polen sich gegen Schweden zusammenthaten, der große Kurfürst im Vertrage zu Wehlau von Schweden abfiel, glaubte Karl Gustav keinerlei Rücksichten mehr nehmen zu müssen. Während der kurländische Gesandte G. von Fircks in Schweden über den Abschluß einer perpetuellen Neutralität verhandelte und scheinbar beruhigende Versicherungen erhielt, war der schwedische Feldmarschall, Graf Douglas, instruirt und beordert worden, sich des Herzogs und seiner Lande zu bemächtigen. Karl Gustav hat später erklärt, J. habe die Neutralität nicht unparteiisch gewahrt, namentlich aber seine Gemahlin auf einer Zusammenkunft zu Königsberg, den Kurfürsten, ihren Bruder, zum Abfall von Schweden getrieben. Wie dem auch sein mag, Douglas hat seinen Auftrag mit einer unerhörten Perfidie ausgeführt. Im August 1658 überschreitet er unter den friedlichsten Versicherungen die kurländische Grenze, am 19. September schließt er einen feierlichen Vertrag, in welchem er Sicherheit „vor allen feindseligen Attentaten“ verspricht und am 30. September überfällt er den Herzog in seiner Residenz Mitau, nimmt ihn mit seiner Familie gefangen und führt ihn gewaltsam erst nach Riga, darauf um etwaigen Befreiungsversuchen vorzubeugen, nach Iwangorod, an die äußerste Grenze des schwedischen Estland. Es folgten für Kurland schlimme Zeiten; das ganze Land fiel in die Hand der Schweden, die mit Polen und Brandenburg um den Besitz desselben rangen und erst der Friede von Oliva brachte Erlösung. Friedrich Wilhelm hatte seiner Schwester „bei seinem fürstlichen Wort“ versprochen nicht Frieden zu schließen, ehe Kurland ihrem Hause wieder erstattet sei. Er hielt Wort und nach zweijährigem Exil am 8. Juli 1660 konnte J. in sein ruinirtes Land wieder zurückkehren. Weder Polen noch Schweden waren geneigt gewesen, es auszuliefern. Die Festigkeit des großen Kurfürsten, die mächtige Fürsprache Ludwigs XIV. und nicht zum kleinsten Theil die Geschicklichkeit des herzoglichen Kanzlers Fölkersahmb entschieden schließlich zu Jacobs [544] Gunsten. In den politischen Verhältnissen Europa’s hatte das Sinken der Schwedenmacht nach dem im Februar 1660 erfolgten Tode Karl Gustavs eine günstige Wendung hervorgebracht. Auch vermochten die rasch einander ablösenden Herrscher auf dem polnischen Throne: Johann Casimir, Michael und Johann III. den Plänen des klugen Herzogs nicht entgegen zu treten. Man ließ ihn im Ganzen unbeengt seines Weges gehen. So gelang es ihm trotz lebhafter Gegenwirkung von Seiten der katholischen Geistlichkeit, durch die sogenannte piltensche Transaction, dies Stift wieder mit Kurland zu verbinden und im Jahr 1680 auch vom polnischen Reichstage die Bestätigung aller früheren Einigungen zu erlangen. Man war von katholischer Seite um so mehr gegen den Herzog erbittert, als seine oben erwähnten Beziehungen zum päpstlichen Thron die Hoffnung auf seinen Uebertritt zur römischen Kirche genährt hatten. Nach dem Frieden von Oliva trat freilich klar zu Tage, daß daran nicht zu denken sei. Die Idee wurde aber von römischer Seite nicht aufgegeben, und als der älteste Sohn des Herzogs, Friedrich Casimir, sich 1669 in Frankreich aufhielt, traten Conversionsversuche so energisch an ihn heran, daß der große Kurfürst sich veranlaßt sah, seiner Schwester, der Herzogin Louise Charlotte darüber zu schreiben, sie möge ihren Sohn aus Frankreich zurückkommen lassen, „da ich gewisse Nachrichten habe, daß er zu der catholischen Kirche incliniret“. Das geschah denn auch, und als bald darauf bekannt wurde, daß die Generalstaaten und der Prinz von Oranien wegen Vermählung mit einer kurländischen Prinzessin verhandelten, erfolgte ein förmlicher Protest des päpstlichen Nuntius gegen die Investirung Herzog Jacobs mit den Bisthümern Kurland (sic!) und Pilten. Das Heirathsproject zerschlug sich und der päpstliche Protest blieb ohne Wirkung, wol aber trat nun J. in enge Beziehungen zu den Niederlanden. Er ist darin der Politik gefolgt, die gleichzeitig der große Kurfürst verfolgte, wie denn überhaupt beide Herrscher, soweit es die verschiedene politische Stellung ihrer Staaten erlaubte, seit 1660 denselben Weg gehen. J. hatte, seit ihn sein Oheim Herzog Friedrich am Regiment theilnehmen ließ, zu den Mächten des Westens in möglichst nahe Beziehungen zu treten gestrebt. Die alte Freundschaft zwischen den Stuarts und den Herzögen von Kurland war aufrecht erhalten worden. Während Karl I. mit dem Parlamente in Krieg lag, hatte J. ihn mit allerlei Kriegsmaterial unterstützt. Später machte die Königin Henriette von Frankreich aus die Vermittlerin. Nach der Hinrichtung Karls unterstützte J. in derselben Weise den Prätendenten und späteren König Karl II., der z. B. im J. 1650 den Empfang von 6 Schiffen bezeugt und um die schleunige Ausrüstung von weiteren 3 Kriegsschiffen bittet. Wir erinnern hier daran, daß auch der große Kurfürst ein entschiedener Gönner der vertriebenen Stuarts gewesen ist und daß die Allianz, die 1660 zwischen ihm und Karl II. geschlossen wurde, nothwendig auch Kurland zu Gute kommen mußte. Diesen Dingen hatte J. zu danken, daß er von englischer wie von holländischer Seite in den Frieden von Breda mit eingeschlossen wurde. In ähnlicher Weise hatte sich J. während des Krieges der Fronde und während des spanischen Krieges, um Frankreich verdient gemacht. Die darauf basirten guten Beziehungen zwischen Frankreich und Kurland wurden vorübergehend unterbrochen, als es zum französisch-holländischen Kriege kam. Herzog J. schloß 1672 eine Kapitulation mit den Generalstaaten ab, derzufolge er sich verpflichtete, ein Regiment Reiter und ein Regiment Dragoner unter Anführung des Prinzen Friedrich Casimir ins Feld zu stellen. In nicht unwesentlicher Weise haben die kurländischen Truppen am Kriege sich betheiligt. Sie waren es, welche die Münsterischen Truppen aus der Dyler Schanze warfen und Ostfriesland säuberten und Friedrich Casimir blieb im Felde, auch nachdem der Kurfürst den Frieden von Vossem geschlossen hatte. Erst der [545] Regierungsantritt Johann Sobieski’s nöthigte ihn heimzukehren. Als dann später Frankreich sich durch Wegnahme kurländischer Schiffe rächte, desavouirte der Herzog seinen Sohn Ludwig XIV. und Karl II. gegenüber, erreichte aber trotz all seiner Bemühungen die gewünschte Entschädigung an Geld oder Land nicht. Die schlimmen Beziehungen zwischen Brandenburg und Frankreich mochten dazu beitragen. Ueberhaupt hat die Stellung Jakobs zu seinem großen Schwager für Kurland auch manchen Schaden zur Folge gehabt. Kurland war die Heerstraße von Livland nach Preußen, welche sowohl Schweden als Brandenburg, wo nöthig benutzten. So gereichte der schwedische Durchzug im J. 1678 dem Herzogthum zu nicht geringem Abbruch. Sehr bedeutende Vortheile wußte J. seinem Lande durch seine großartigen mercantilen und industriellen Unternehmungen zu schaffen. Gleich zu Anfang seiner Regierung hat er mit fast allen seefahrenden Mächten Handelsverträge geschlossen. In England bot die ausstehende Rente Herzog Wilhelms den äußeren Anlaß Handelsvortheile zu erringen; mit Frankreich schloß er 1643 einen Vertrag, der ihm neben freier Schifffahrt sogar gestattete, in Frankreich Grundbesitz zu erwerben; von Dänemark hatte er Eisenwerke in Norwegen gekauft, von Schweden Güter in Pommern. In Holland hatte er seit 1641 ständige Agenten für die Seehandlung, mit Spanien verhandelte er um die Erwerbung der Insel Trinidad, in Italien hatte er mit Venedig und dem Papste Handelsverbindungen angeknüpft. Am bekanntesten sind seine Colonien in Amerika und Afrika. Hier hatte er von einem einheimischen Könige Besitzungen in Gambia und die St. Andreasinsel erworben, in Amerika vom Grafen Warwik die Insel Tabago gekauft. Im Jahr 1654 besetzten jedoch holländische Kaufleute einen Theil der Insel und als 1658 J. in schwedische Gefangenschaft gerieth, überrumpelten sie das in Tabago errichtete kurländische Fort und machten sich zu Herren der Insel. 1659 besetzten sie auch Gambia, lieferten es jedoch im folgenden Jahr den Kurländern wieder aus. Die zeitweilige Bewältigung dieser Besitzung durch die Holländer wurde aber 1661 von den Engländern zum Vorwande genommen, sich ihrer zu bemächtigen. Drei Jahre darauf, am 17. Novbr. 1664, trat J. die gambischen Besitzungen definitiv an England ab und erhielt dafür Tabago unter englischem Protectorat zurück. Der Vertrag brachte jedoch dem Herzog mehr Aerger und Sorgen als Nutzen, da er erst 1681 wieder auf sehr kurze Zeit in den Besitz der Insel gelangte. Dagegen wurde die Gambiafahrt von ihm, wenn auch mit einigen Unterbrechungen, bis in die achtziger Jahre fortgeführt. Schwunghaft wurde der Walfischfang und zwar in der Nähe von Island vom Herzoge betrieben, der hier wie überall selbst Unternehmer ist. Das gilt auch von seinen industriellen Unternehmungen. Neben der Tapeten-, Papier- und Tuchfabrikation, der Indigofärberei und der Anfertigung von Glas- und Thonwaaren, brachte ihm namentlich die Bereitung von Kriegsmaterial jeder Art reichen Ertrag. In Angern, Lutringen, Baldohn und Schrunden waren seine Eisenraffinerien, in Tukum, Eichendorf und Schlok Kupferhämmer und Messingwerke. Ueberall an geeigneten Orten waren Kohlen- und Aschenbrennereien, letztere zur Versorgung seiner Glashütten angelegt. In Windau und Goldingen wurde der Schiffsbau im größten Maßstabe gepflegt und der Herzog konnte sich mit Recht rühmen, daß seine Schiffe die Erzeugnisse seiner Fabriken in alle Welt verführten. Rastlos verfolgte er selbst die jeweiligen Conjuncturen des Weltmarktes, ohne dabei die Hebung der Landwirthschaft in seinen reichen Domänen zu vernachlässigen. So hat er durch Fleiß und Unternehmungssinn in Kurland einen vorher und nachher unerhörten Wohlstand hervorgerufen, der das kleine Land zu einer bedeutenden Rolle für die Zukunft zu bestimmen schien. Mitunter gehen seine Pläne in das Fantastische, aber bewunderungswerth ist die Zähigkeit, mit welcher er einmal gefaßte Entschlüsse [546] bis ans Ende verfolgt. Seine Regierungsthätigkeit ist die eines sorgsamen, umsichtigen Hausvaters, der seinen Erben für kommende böse Tage sein Haus wohlgeordnet und befestigt hinterlassen will. Er hatte seinem Nachfolger gute Beziehungen zu allen Staaten Europa’s verschafft. Sein Schatz war gefüllt, das Land in blühendem Zustande, der Eigenwille des stolzen kurländischen Adels während der 43jährigen Regierung des alten Herzogs, wie es schien, geschwunden. Gelang es seinem Nachfolger mit diesem Material eine Kriegsmacht sich zu erringen, so konnte Kurland der Zukunft vertrauend entgegenblicken. Als aber J. am Neujahrstage 1682 starb, hinterließ er in Friedrich Casimir einen Nachfolger, der in äußerem Prunk, nicht in politischer Bedeutung seine Befriedigung fand und rasch verschwendete, was die sparsame Regierung Jacobs eingebracht hatte. Da Friedrich Casimir zu allem Unglück kurz vor Ausbruch des nordischen Krieges mit Hinterlassung eines unmündigen Sohnes starb, brausten die Stürme des 18. Jahrhunderts über ein fast wehrloses Land her. Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, wann es seinen Nachbarn zur Beute fallen werde.

S. über die Litteratur Winkelmann, Bibliotheca Livoniae historica und Schiemann, Das Urkundenmaterial des herzoglichen Archivs zu Mitau zur Geschichte Herzog Jakobs.