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ADB:Johann Georg IV.

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Artikel „Johann Georg IV.“ von Heinrich Theodor Flathe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 384–386, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_Georg_IV.&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 12:59 Uhr UTC)
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Johann Georg IV., Kurfürst von Sachsen, des Vorigen älterer Sohn, geb. am 18. Oct. 1668, und Nachfolger seit 12. Sept. 1691, geistig begabt und von großer Körperkraft. Das Unglück seines Lebens wurde die Leidenschaft, die ihn schon als Kurprinzen zu der damals dreizehnjährigen Tochter des Gardeobersten Rudolf v. Neidschütz, Magdalene Sybille, geb. 8. Febr. 1675[WS 1], einer üppigen Schönheit, erfaßte und die so heftig war, daß der Aberglaube der Zeit [385] darin die Wirkung angewandter Zaubermittel sah, und weder die Theilnahme am Reichskriege noch Reisen dieselbe zu dämpfen vermochten. Ganz von ihrem sinnlichen Reiz bestrickt, scheute er sich nicht, der damals noch in Deutschland geltenden Sitte offen Hohn zu sprechen, indem er kurz nach Antritt der Regierung seine Geliebte, das willenlose Werkzeug für die Herrsch- und Habsucht ihrer intriguanten Mutter, förmlich zu seiner Favoritin erhob, sie mit Geschenken überhäufte, ihren Vater zum Generallieutenant ernannte und ihrer Familie in Verbindung mit dem Kammerpräsidenten v. Hoym, dem Hofrath v. Beichling u. A. ein schamloses Raub- und Erpressungssystem gestattete. Litten darunter die ohnehin zerrütteten Finanzen, so war wenigstens die Maitresse geistig zu unbedeutend und zu unwissend, um auf die Regierung und die Politik Einfluß zu gewinnen. Der eigentlich politische Rathgeber des Kurfürsten wurde der aus brandenburgischen in kursächsische Dienste übergetretene Feldmarschall v. Schöning. Sein Werk war die größere Annäherung Kursachsens an Brandenburg, wenngleich der Versuch, durch die Vermählung mit der verwittweten Markgräfin Eleonore Erdmuthe Luise von Br.-Ansbach (aus dem Hause Sachsen-Eisenach, vermählt 17. April 1692, gest. 9. Septbr. 1696) J. G. aus den unwürdigen Banden der Neidschütz zu befreien, ganz fehlschlug und diese Ehe durch den Widerwillen des Kurfürsten gegen die aufgedrungene Gemahlin zu einer höchst unglücklichen wurde. Andererseits trat Schöning der bisherigen Ausbeutung Sachsens für das österreichische Interesse entgegen; der Kurfürst solle zwar dem Reiche auch ferner seine Hilfe nicht entziehen, aber auch der Kaiser seine Verbindlichkeiten gegen ihn erfüllen, die rückständigen Subsidien zahlen und die Ansprüche Sachsens auf Lauenburg gegen Braunschweig unterstützen, und da diese billigen Forderungen in Wien abgelehnt wurden, rief J. G. seine Truppen vom Rhein zurück. Der erbitterte Kaiser rächte sich dafür an Schöning, indem er ihn 1692 im Bade Teplitz aufheben und auf den Spielberg bringen ließ. Hierüber aufs Höchste aufgebracht, entwickelte der Kurfürst eine große Thätigkeit, um Genugthuung für seine Würde und die Befreiung seines Feldmarschalls zu erreichen, ohne doch damit durchzudringen. Ein Geschenk von 40,000 Thlr. an die Neidschütz und ihre Erhebung zur Reichsgräfin von Rochlitz, welche General v. Friesen in Wien zu Stande brachte, trug schließlich dazu bei, daß J. G. am 20. Febr. 1693[WS 2] ein neues Bündniß mit dem Kaiser schloß, demzufolge er gegen Subsidien 12,000 Mann gegen Frankreich stellte und dieselben auf die Nachricht von der Verwüstung Heidelbergs in Person an den Rhein führte. Um jedoch die Entbindung seiner Geliebten, die ihn nach Frankfurt begleitet hatte und ihm am 25. Juni eine Tochter gebar (1720 an den polnischen Grafen Peter Skrzynno Dunin vermählt, gest. 1736), abzuwarten, ließ er sich dort so lange zurückhalten, daß der Dauphin unterdeß ungehindert vorrücken konnte. Sehr verstimmte es ihn, daß der Markgraf von Baden sich nicht seinem Oberbefehl unterstellen wollte, wie er sich doch in dem Bündniß mit dem Kaiser ausbedungen hatte, daß auch der Landgraf von Hessen sich unfügsam zeigte. „In dieser Campagne,“ äußerte er, „werde ich Alles über mich ergehen lassen, dann aber mich hautement aussprechen.“ Mit Selbstüberwindung stieß er auf die Nachricht von der Vereinigung der französischen Streitkräfte bei Heilbronn zum Markgrafen, worauf die Franzosen über den Rhein zurückgingen, für seine Person aber kehrte er am 5. Sept. nach Dresden zurück. Zu dem Verdruß über die Vergeblichkeit aller Bemühungen für Schöning’s Befreiung kamen die Klagen über die schlechte Verpflegung seiner Truppen, so daß er, falls keine Remedur erfolge, mit dem Rückmarsch derselben drohte. Allein wenige Wochen darauf, am 27. April 1694, starb der erst 26jährige Kurfürst, ein Opfer der Blattern, mit denen ihn seine Geliebte auf ihrem Todtenbett (gest. 4. April) angesteckt hatte. Ihr Tod durchschnitt [386] zugleich den ehrgeizigen Plan ihrer Mutter, sie zur Reichsfürstin und zur rechtmäßigen Gemahlin des Kurfürsten zu machen, wozu schon ausgestreute Schriften zur Vertheidigung der Polygamie und ein während Magdalenens Schwangerschaft ausgestelltes, aber auf den 16. Oct. 1691 zurückdatirtes Eheversprechen Johann Georgs die Vorbereitung bilden sollten. Eine der ersten Regierungshandlungen von Johann Georgs Bruder und Nachfolger Friedrich August war die Anstrengung des Processes gegen die Generalin v. Neidschütz, die der Tortur unterworfen, auf den Königstein in Verwahrung gebracht, doch bereits 1699 gegen Revers in Freiheit gesetzt wurde. Johann Georgs Liebe zur Neidschütz hat Chr. F. Hunold (Menantes) zu der in seinen Roman „Europäische Höfe“ eingewebten „Traurigen Liebesgeschichte des durchlauchtigsten Herzogs Albion und der Prinzessin Marchiane“ benutzt, in welcher die Gräfin von Rochlitz unter dem Namen Adonisia v. Regismond auftritt. Aehnlich L. Icimander’s: Liebe zwischen Prinz Herzmuthen, Fürsten in Albanien, und Fräulein Thronilden.

Helbig, Johann Georg IV. und H. A. v. Schöning, in v. Weber, Archiv f. sächs. Geschichte XI, 351 ff. Ders., Die Gräfin von Rochlitz, in Zeitschrift f. deutsche Culturgeschichte. N. Folge II (1873), 193 ff. – Vgl. v. Weber, Archiv f. sächs. Geschichte VIII, 213.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1615
  2. Vorlage: 1793