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ADB:Köhler, August (lutherischer Theologe)

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Artikel „Köhler, August“ von Ernst Sellin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 310–311, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:K%C3%B6hler,_August_(lutherischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 20. November 2024, 14:41 Uhr UTC)
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Köhler: August K. wurde geboren zu Schmalenburg in der Rheinpfalz am 8. Februar 1835, studirte in Bonn, Erlangen und Utrecht Theologie. Im J. 1857 habilitirte er sich als Privatdocent an der Universität Erlangen, wo er 1862 außerordentlicher Professor für alttestamentliche Exegese wurde, 1864 wurde er als ordentlicher Professor nach Jena berufen, 1866 nach Bonn, 1868 nach Erlangen zurück. Hier hat er 29 Jahre gewirkt, 1884/85 war er Prorector der Universität, 1894 wurde ihm der Titel eines kgl. Geheimen Rathes verliehen. Im J. 1896 begann er zu kränkeln, im Januar 1897 wurde die Erkrankung acut und am 17. Februar d. J. verschied er.

Die theologische Richtung Köhler’s war besonders beeinflußt von Delitzsch und Hofmann. Selbständige neue Wege ging er wenig. Dagegen war er einer der gründlichsten Nachprüfer der Meinungen Anderer und konnte als einer der gründlichsten und gelehrtesten alttestamentlichen Forscher seiner Zeit gelten.

Sein erstes größeres Werk war ein exegetisches, ein Commentar zu den nachexilischen Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi, der in 3 Abtheilungen 1860, 61 und 63 erschien. Inbezug auf die Einleitungsfragen ist das Werk infolge der neueren historischen und litterarischen Forschungen, die neue Probleme gezeitigt haben, veraltet; die exegetische Behandlung aber kann noch jetzt nach 40 Jahren von keinem ohne Schaden übergangen werden und wird noch lange ihre Bedeutung behalten.

Im J. 1875 erschien der erste Theil von Köhler’s eigentlichem Lebenswerk, seinem „Lehrbuch der Biblischen Geschichte des Alten Testaments“. Im J. 1893 schloß er es ab. Er wollte keine eigentliche Geschichte des Volkes Israel schreiben – das hielt er zur Zeit noch für unmöglich –, sondern nur das nacherzählen, was sich bei der alttestamentlichen Gemeinde auf Grund der mancherlei und verschiedenartigen Berichte schließlich als die gemeingültige Anschauung von dem Verlaufe ihrer Geschichte herausgebildet hat. Da er aber diese Aufgabe zugleich auch als eine kritische faßte, die Differenzen zwischen den verschiedenen alttestamentlichen Berichten und Quellen nicht vertuschte, sondern diese immer wieder auf ihre Glaubwürdigkeit hin prüfte, so bilden die gelehrten Anmerkungen dieses Werkes eine reiche Fundgrube für jeden alttestamentlichen Geschichtsforscher. Sein Standpunkt ist auch in diesem Werke ein conservativer. Obwol er keinem der immer zahlreicher aufgeworfenen litterarischen und historischen Probleme aus dem Wege ging, lief sein Endresultat fast durchwegs auf eine Ablehnung der modernen Lösungen derselben hinaus. Und seine überaus gründlichen Gegenargumentationen haben zur Nachprüfung und auch zur Correctur mancher vorschnell aufgestellten Hypothesen beigetragen.

Seine letzten Lebensjahre wurden getrübt durch eine litterarische Fehde, die als ein ironisches Schicksal im Leben dieses wie mancher anderer conservativer Theologen bezeichnet werden kann: er, der seine wissenschaftliche Kraft [311] vor allem in den Dienst der Zurückweisung modern-kritischer Anschauungen gestellt hatte, zog sich selbst den Vorwurf zu, moderner Kritik Thür und Thor geöffnet zu haben. Den Anlaß bot ein Artikel, den er in der Neuen Kirchlichen Zeitschrift Bd. V veröffentlichte, betitelt „Zur Kritik des Alten Testaments“. So skeptisch er selbst den meisten neueren Aufstellungen über die alttestamentliche Litteratur und Geschichte gegenüberstand, so wenig hielt er die principielle Stellung weiter kirchlicher Kreise zu diesen, das starre Festhalten an der synagogal-kirchlichen Tradition für religiös oder wissenschaftlich berechtigt. Daher suchte er besonders an dem Stoffe, an dem es am handgreiflichsten ist, an der biblischen Urgeschichte 1. Mose 1–11 darzuthun, daß die alttestamentlichen Schriften in derselben Weise entstanden seien, in der menschliche Schriften überhaupt zu entstehen pflegen.

Der lebhaften Angriffe, die daraufhin vor allem von Seiten bairischer Pfarrer gegen ihn ergingen, erwehrte er sich in einer Broschüre „Ueber Berechtigung der Kritik des Alten Testaments“ 1895 und in einem weiteren Artikel der Neuen Kirchlichen Zeitschrift Bd. VII „Die heilige Schrift als Gottes Wort“. Hier betont er besonders, daß durch das Zeugniß Jesu und der Apostel der christlichen Gemeinde ein für alle Mal verbürgt ist, daß das Alte Testament Gottes Wort sei, trotz seiner menschlichen Entstehung, trotz aller Kritik. Die heilige Schrift ist eben Gottes Wort nur, soweit sie Heilsverkündigung ist, und unstatthaft ist es, ihr zweifellose Erkenntniß über Dinge des natürlichen Lebens entnehmen zu wollen.

Durch die Distinction zwischen der profan-wissenschaftlichen Geschichte des Volkes Israel und der theologischen alttestamentlichen Heilsgeschichte, zwischen israelitisch-jüdischer Religionsgeschichte und alttestamentlicher Theologie, die K. hier angebahnt hat, hat er eine neue Aera eröffnet für die alttestamentliche Forschung, die kirchlich sein will, die sich zu einer Offenbarung des lebendigen Gottes bekennt und doch der Wissenschaft, der geschichtlichen Wahrheit das Ihre gibt.

Die letzte Publication Köhler’s war der Artikel „Abraham“ in der 3. Auflage der Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, deren Mitarbeiter er auch schon bei der 2. Auflage gewesen war. Derselbe konnte seinen theologischen Gegnern noch handgreiflich darthun, daß sie falsche Consequenzen aus seinem principiellen Standpunkt abgeleitet hatten, daß sein Programm einer aufbauenden und positiven Kritik kein leeres Wort gewesen war. – In seinen akademischen Vorlesungen war K. mehr gründlich als anregend, dennoch ist es ihm gelungen, sich einen großen Kreis dankbarer Schüler zu bilden. Seine ganze lautere, ernste und liebevolle Persönlichkeit machte auf jedermann einen tiefen Eindruck. Infolgedessen war er auch eins der einflußreichsten und geachtetsten Mitglieder im akademischen Senate der Erlanger Universität.

An allem kirchlichen Leben nahm er regen Antheil und hatte besondere Gelegenheit, dies sein Interesse zu bethätigen als langjähriges Mitglied der bairischen Generalsynode. Die Einführung der revidirten Lutherbibel in Baiern, für die er schon im J. 1886 durch eine Schrift „Ueber Berichtigung der Lutherischen Bibelübersetzung“ energisch eintrat, ist nicht zum mindesten ihm zu danken. Alle Zweige christlicher Liebesthätigkeit hatten an ihm den wärmsten Förderer und Berather, insbesondere die Innere Mission und die Mission unter Israel.