ADB:Kniprode, Winrich von
Kniprode: Winrich v. K., einem jetzt ausgestorbenen Geschlechte entsprossen, welches auf dem Hof Kniprode bei Monheim unterhalb Kölns am Rheine saß, zum Hochmeister des deutschen Ordens gewählt (wahrscheinlich am 16. September) 1351, † am 24. Juni 1382, bestattet in der Annengruft auf der Marienburg. – Kniprode’s Regierung gilt für die herrlichste, glanzvollste, deren sich der Ordensstaat in Preußen zu erfreuen gehabt hat, und das mit vollem Rechte, wenngleich die Zahl der besonders hervorragenden einzelnen Thaten im Verhältniß zur Länge der Zeit keine allzu große ist. Während der Ordensstaat bei der Erhebung Kniprode’s kaum überhaupt noch eine wirklich politische Bedeutung beanspruchen durfte, stand er bei dem Tode dieses Meisters als eine für den Nordosten Europa’s vielfach ausschlaggebende Macht da. Aber keineswegs ausschließlich oder auch nur vorzugsweise durch kriegerische Thaten hat K. seinem Staate, seinem Orden diese hohe Stellung errungen. Während er keinen Augenblick anstand, wo es Noth that, die Waffen zu ergreifen und dadurch bedeutende Erfolge errungen hat, hat er oft nicht Geringeres durch diplomatische Verhandlungen und das Einsetzen seiner achtunggebietenden Persönlichkeit zu erreichen verstanden, gar mächtig aber hat er durch Werke des Friedens die colonisatorische Arbeit im Preußenlande fördern können. Sein fast 30jähriges Walten war, wenn auch zumal der Heidenkampf nie ganz ruhte, seinem persönlichen Charakter entsprechend ein wesentlich friedliches. Daß dann bald nach seinem Hinscheiden im Orden selbst sowie zwischen Orden und Land mannigfache Zwistigkeiten zu Tage traten, daß kaum nach einem Menschenalter schon mit einem jähen Schlage der Verfall des Ordens und seines Staates hereinbrach, hat ebenfalls nicht wenig dazu beigetragen, nicht blos seiner Regierung in der Erinnerung der Menschen ein bleibendes schönes Denkmal zu setzen, sondern auch eine Reihe der besten Einrichtungen auf K. zurückzuführen und sogar Einrichtungen, die nie in Preußen bestanden haben, dem großen Meister anzudichten.
Der Friede mit Polen, welcher im J. 1343 abgeschlossen war, blieb unter den beiden persönlich friedlich gesinnten Polenkönigen Casimir III. und seinem Nachfolger Ludwig von Anjou, der zugleich die ungarische Krone trug, durchaus gewahrt, so sehr auch die polnischen Magnaten, geistliche und weltliche, unablässig zum Kriege drängten; auch die nie endenden Hetzereien der römischen Curie [296] und ihrer Nuntien und die bisweilen hervortretenden Bemühungen Kaiser Karls IV., die polnische Macht durch einen Ordenskrieg zu beschäftigen, blieben fruchtlos. Der Heidenkampf freilich mußte dem Lebenszwecke des Ordens gemäß fortgeführt werden, solange es Heiden in Littauen gab; aber oft wurde nur gekriegt, um nicht die zahlreich erschienenen hohen Fremden ohne eine „Littauerreise“ heimkehren und so vielleicht das ganze Interesse des christlichen Abendlandes für den Orden selbst schwinden zu lassen, und da auch die beiden Littauerfürsten, die stets einigen Brüder Olgierd und Kinstutte, ihr Augenmerk häufig auf die stammverwandten Feinde, die Polen und die Russen, richten zu müssen glaubten, so herrschte in manchem Jahre thatsächlich Frieden, und namentlich in der ersten und in der letzten Zeit Kniprode’s trat der Heidenkampf stark in den Hintergrund. Als einmal, im Winter 1370, die Littauerkönige den Kampf gegen die Deutschen mit einem Schlage zu beendigen gedachten und mit großem Heere über das Eis des kurischen Haffs ins Samland eingefallen waren, wurden sie von dem Hochmeister selbst, der sich bei den gewöhnlichen Heidenfahrten, zur Abwehr wie zum Angriff, nur selten persönlich an die Spitze stellte, und seinem Ordensmarschall Henning Schindekopf, am 17. Februar in jener Schlacht von Rudau gänzlich aufs Haupt geschlagen, welche in Folge mangelhafter Ueberlieferung in ihren Einzelheiten kaum zu übersehen, aber dennoch so oft beschrieben ist. Eine sehr veränderte Gestalt nahmen die Verhältnisse des Ordensstaates zu Littauen an, als nach dem Tode Olgierd’s (1377) sein Sohn Jagiello mit Zustimmung des greisen Kinstutte die Großfürstenwürde erhielt und um eine völlige Einigung Littauens herbeizuführen sich über jenen hinweg dem Orden näherte. Der Hochmeister, der das freiwillige Entgegenkommen von so gefährlicher Seite gern aufnahm, schloß zwar noch 1380 mit Jagiello einen geheimen Vertrag, durch welchen der alte Fürst dem Orden völlig preisgegeben wurde, da aber erst unmittelbar vor des Meisters eigenem Tode Kinstutte sein Ende fand, so konnten die weiteren Folgen erst später hervortreten. – In demselben Jahre, in welchem Winrich v. K. allein durch seines Ordens und seines Landes Macht jenen glänzenden Sieg erfocht, dessen Ruf weithin erscholl, errang durch Betheiligung an ausländischen Dingen ein Theil seiner Unterthanen, mehr durch moralische als durch thatsächliche Unterstützung des Landesherrn gefördert, einen Erfolg, der dem ganzen Lande für seine Handelsbeziehungen die größten Vortheile versprach. Nachdem die Hansestädte in ihrem ersten Kriege gegen den Dänenkönig Waldemar IV., an welchem sich die preußischen Städte nur durch die Zahlung eines Geldbeitrages betheiligt hatten, unterlegen waren und einen nachtheiligen Frieden hatten schließen müssen, nahm sich K. seiner Städte, die in Folge ihrer halben Betheiligung vom Frieden ausgeschlossen waren und nun doppelt zu leiden hatten, aufs Kräftigste an und unterstützte sie bei den anderen Städten besonders in ihrem Drängen auf erneuerte Aufnahme des Kampfes. Da die Versprechungen des Dänenkönigs sich bald als vollkommen nichtig erwiesen, drangen die Preußen schließlich durch, der neue Kampf aber endete im Mai 1370 mit dem Frieden von Stralsund, der das Dänenreich in die Gewalt des deutschen Kaufmanns gab und den Preußen völlige Gleichberechtigung mit ihren Bundesgenossen in Bezug auf die freie Durchfahrt durch den Sund und auf den damals so wichtigen Heringsfang an der Küste von Schonen gewährte. In den durch diese Kriege geschwächten nordischen Reichen erfuhr der deutsche Kaufmann in der nächsten Zeit in der That keine Anfechtungen seiner Handelsbeziehungen, ganz anders aber gestalteten sich seine Verhältnisse in und zu England, wo das schnelle Aufstreben der eigenen Städtebürger und das hartnäckige Festhalten der Deutschen an dem Buchstaben ihrer Privilegien zu vielfachen Wirren und Streitigkeiten Anlaß gaben; dort konnte Hochmeister K., dessen Orden seit langen Zeiten in [297] engen Beziehungen zur englischen Krone stand, und der sich persönlich besonderer Gunst der dortigen Könige erfreute, oftmals für seine Unterthanen und ihre Handelsgenossen mit Erfolg eintreten. Als schließlich das Parlament bei einem Thronwechsel die königliche Bestätigungsurkunde des hansischen Privilegs bis zur Abstellung bestimmter Beschwerden zurückzuhalten drohte, erzwang K. noch wenige Monate vor seinem Tode durch eine Handelssperre, welche er für Preußen anordnete und trotz aller Bitten der zaghaften Städte aufrecht erhielt, die Auslieferung der Urkunde. –
Schwierig ist es die persönlichen Verdienste Kniprode’s um die Steigerung der Cultur seines Landes, das Anwachsen des Deutschthums, um Hebung der allgemeinen Bildung, Zunahme des Handels und des Reichthums im Einzelnen nachzuweisen. Daß er dem Lande in den 30 Jahren seiner Regierung möglichst Frieden zu erhalten wußte, hat natürlich nicht wenig zu solchen Fortschritten beigetragen. Die Zahl der neu gegründeten Städte ist zwar eine verhältnißmäßig geringe, denn in dem der Cultur erschlossenen Gebiete Preußens, welches auch in dieser Zeit noch kaum merklich in den littauischen Grenzwald hinein erweitert wurde, lagen die Städte schon ziemlich dicht, dafür aber ist die Zahl der Urkunden über Landverleihungen und Dorfgründungen für Deutsche und Preußen, in den bischöflichen wie in den Ordenstheilen, eine beträchtlich große. Die Zahlen, welche sich aus den letzten Jahren Kniprode’s schon bisweilen für Handel und Gewerbe aufstellen lassen, erreichen keine geringe Höhe. Die großen Kirchen in verschiedenen Städten Preußens sind unter K. angelegt oder ausgebaut, Ordensburgen wie Rathhäuser und Artushöfe der Städte zeigen oft den kunstvolleren Stil jener Zeit, von der Entstehung mancher frommen Stiftung wird berichtet, immer häufiger holten Preußen ihre Bildung von fremden Universitäten, das Leben in der hochmeisterlichen Burg nahm immer mehr von dem Prunk fürstlicher Höfe an. Wenn die Preußen in wenig späterer Zeit von den Rittern und oft auch von der Ordensregierung selbst Bedrückungen, Gewaltthätigkeiten, Ungerechtigkeiten aller Art bitter erleiden mußten, so konnten sie sich die bessere Rechtspflege vergangener Zeiten nur durch das Vorhandensein eines aus gelehrten Rechtskennern bestehenden obersten Gerichtshofes erklären, dessen Einsetzung sie ohne allen Grund – es hat im Ordenslande Preußen nie eine solche Behörde gegeben – K. zuschrieben. Auch die Städtebürger wußten später demjenigen Hochmeister, der ihnen als das Muster eines landesväterlichen Fürsten vorschwebte, ihre Dankbarkeit nicht anders auszudrücken, als daß sie ihn geradezu, freilich ebenso ohne jede thatsächliche Begründung, als den Begründer vieler städtischer Schulen und zugleich als den Stifter der ihnen gleichfalls ans Herz gewachsenen Schützengilden, die in Preußen wol wirklich zu seiner Zeit Eingang gefunden haben mögen, hinstellten.
- Betreffs der namhafteren Quellen und Hülfsmittel genügt es hier auf die Angaben bei den vorher besprochenen Hochmeistern (z. B. Jungingen) und dazu auf L. Weber, Preußen vor 500 Jahren (1878), und auf meine eigene Geschichte von Ost- und Westpreußen, 1. Abth. 2. Aufl. 1880, hinzuweisen.