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ADB:Konrad von Jungingen

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Artikel „Jungingen, Konrad von“ von Karl Lohmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 718–721, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Konrad_von_Jungingen&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 06:16 Uhr UTC)
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Jungingen: Konrad v. J.[1], Hochmeister des Deutschen Ordens, erwählt am 30. November 1393, † am 30. März 1407. – Konrad III., wie er auf den Ordensmünzen genannt wird, gehört zur Zahl derjenigen Meister, die sich des vortrefflichsten Regentenrufes erfreuen; den äußeren Feinden seines Ordens und seines Landes gegenüber befolgte er mit Vorliebe eine friedliche Politik und griff nur im äußersten Nothfalle, dann aber mit voller Energie zu den Waffen. – Vier Jahre lang hatte die Königin Margarethe von Dänemark, Norwegen und Schweden, nachdem sie den entsetzten Schwedenkönig Albrecht den Mecklenburger gefangen genommen hatte, die schwedische Hauptstadt, in welcher das deutsche Element überwog, vergebens belagert, bis es dem wiederholten Andrängen der Hanseaten und zuletzt den Bemühungen des Hochmeisters gelang, sie zur Freilassung ihres Gegners zu bewegen, der zum Pfande für das festgesetzte Lösegeld Stockholm an sieben hansische Städte, unter denen sich vier Ordensstädte befanden, übergab (1395); als er aber die Summe nicht rechtzeitig zahlte, lieferten die Pfandinhaber Stockholm an Margarethe aus. Die Seeräuberei, welche dänische und holsteinische Edelleute schon lange auf der Ostsee getrieben hatten, war während der Belagerung Stockholms in neuen Aufschwung gekommen, da die Schiffe, deren eigentlicher Zweck die Versorgung Stockholms mit Lebensmitteln war, und die mecklenburgischen Kaper sich mit jenen vereinigten und jedes Schiff auf offener See für gute Beute erklärten, seinen Gipfelpunkt aber erreichte dieses Unwesen, als die Vitalienbrüder, wie die Piraten jetzt hießen, die Insel Gotland gewannen, wo sie in dem festen Wisby und zahlreichen Strandthürmen fast unzugängliche und uneinnehmbare Schlupfwinkel fanden; von der Regierung der vereinigten skandinavischen Reiche geschah wenig oder nichts gegen diese Meeresplage, und auch die Orlogschiffe der Hanseaten, welche allsommerlich zur Befriedung der See ausgeschickt wurden, vermochten nichts auszurichten, so daß Seefahrt und Handel auf der Ostsee mehr und mehr darniederlagen. Schon diese Unternehmungen hatte J., dem die schnelle Säuberung der See als eine allen Anwohnern und Betheiligten gemeinsame Sache erschien, zumal seit der Freigabe [719] König Albrechts, zusammen mit seinen Städten durch Anregung und Unterstützung auf alle Weise zu fördern sich bemüht. Als alles dieses immer fruchtlos blieb, beschlossen ein Ordenscapitel und ein Ständetag der Preußen allein für sich einen Hauptschlag gegen das Raubnest selbst auszuführen: eine große, mit Landungstruppen versehene Flotte, zur Hälfte vom Orden, zur Hälfte vom Lande gestellt und ausgerüstet – 50 Ordensritter an der Spitze – überfiel und gewann in wenigen Wochen (März und April 1398) die ganze Insel, in Folge dessen die Seeräuber mit Leichtigkeit aus der ganzen Ostsee vertrieben werden konnten. Höchst schwierig wurde nunmehr die Stellung des Hochmeisters der Königin gegenüber, die ihm bisher vielfach ihre persönliche Gunst erwiesen, auch eben noch seinen Unterthanen für Skandinavien alle hansischen Freiheiten und völlige Gleichberechtigung mit den eigenen Unterthanen gewährt hatte, jetzt aber Gotland als zu ihrem Reiche Schweden gehörig in Anspruch nahm und zurückforderte. Da J. dabei blieb, die Insel nur „mit Ehren und nach dem Rechte“, nur gegen „billigen Ersatz“ aller Ausgaben und Kosten zurückzugeben, so hatten alle Verhandlungen keinen Erfolg, und selbst ein Sieg der Ordenswaffen führte nicht zum Ziele; erst die Zwischenregierung nach Jungingens Tode trat die Insel gegen eine verhältnißmäßig geringe Entschädigung an Schweden ab. – Geradezu gefahrdrohend für den Ordensstaat Preußen wurden damals die benachbarten Lande Polen und Littauen, die seit Kurzem unter einem Haupte, dem Könige Wladislaw Jagiello, verbunden, zum Glücke für den Orden aber noch nicht zu einem einigen Reiche verschmolzen waren. Entschieden feindlich gegen die Deutschen und kriegerisch gesinnt war der polnische Adel, während der König persönlich mehr friedlichen Neigungen folgte, sein Vetter Witowd aber, dem es gelang, endlich die littauische Großfürstenwürde zu gewinnen, dem doppelten Ziele zusteuerte, Littauen möglichst unabhängig neben Polen hinzustellen und auf der anderen Seite die russischen Theilfürstenthümer in seine Machtsphäre hineinzuziehen. Da Witowd, der auf gegnerischer Seite als die allein maßgebende Persönlichkeit sich darstellt, lediglich nach diesen Zwecken seine Politik regelte und je nach Umständen und Bedürfniß zwischen Bündniß und Verrath bald nach der einen, bald nach der anderen Seite hin wechselte, so vermochte der Hochmeister seinem Lande ständig den Frieden zu erhalten, und auch als er sich herbeiließ, das kujawische Herzogthum Dobrzin in Pfand zu nehmen, kam es doch, obwol polnische Truppen dieses Land besetzten und hinausgeschoben werden mußten, wegen augenblicklicher Unzulänglichkeit der polnischen Streitkräfte nicht zu einem weiteren Kriege. Selbst als der Hochmeister im Juli 1402 die ihm bereits mehrmals angebotene Neumark den Luxemburgern endlich abkaufte, ließ sich der König nicht die Waffen in die Hand drücken, da die Luxemburger selbst als Verbündete wenig nützen konnten, als Feinde aber immerhin zu fürchten waren. Nur wuchs seitdem die gegenseitige Verbitterung mehr und mehr, da die Grenzübergriffe und Räubereien des zuchtlosen und unzufriedenen neumärkischen Adels auf der einen und die nicht endenden Verhetzungen der polnischen Magnaten auf der anderen Seite den König nicht zur Ruhe kommen ließen; auch fehlte es nicht an Grenzstreitigkeiten, zumal wegen der wichtigen, zwischen zwei Armen der Netze gelegenen Burg Driesen. Läßt sich auch über eine so durchaus friedliche Politik, die manches hinnehmen muß, auch wol den richtigen Augenblick zum Handeln versäumt, leicht streiten, so steht doch J. als Landesfürst, zumal im Vergleich mit dem Vorgänger und den Nachfolgern, ohne Frage glänzend dar. Hatten preußische Kaufleute und Schiffsführer im Auslande – in Frankreich, Flandern oder England – Beeinträchtigungen erlitten, so trat er ihnen bereitwillig stützend zur Seite, und wenn nicht anders, so mußten entschieden aufrecht erhaltene Handelssperren die Gegner zu [720] Nachgiebigkeit und Schadloshaltung zwingen; eine ganze Reihe trefflicher Gesetze hat er mit Land und Städten, sich ihren gerechten Wünschen gern fügend, vereinbart; den Ausschreitungen der Ordensbeamten, besonders der Großschäffer und ihrer Untergebenen, die bei dem bedeutenden Eigenhandel des Ordens im Waarenhandel und in Geldgeschäften den Unterthanen Concurrenz zu machen alle Gelegenheit hatten, trat er in einzelnen Fällen wie durch gesetzliche Bestimmungen stets entgegen. Als nicht lange nach ihm die Parteiung im Orden selbst, die Feindschaft zwischen Orden und Land zu offenem Ausbruch kam, hat man nicht unterlassen, auch ihm gerade seiner besseren Eigenschaften wegen schmähende Sagen anzuheften. – Kaum ein Vierteljahr nach dem Hinscheiden Konrads v. J. wurde sein Bruder,

Ulrich v. J., der bisherige Ordensmarschall, zum Hochmeister gewählt, am 26. Juni 1407; er fiel am 15. Juli 1410. Die Ordensgebietiger glaubten sich von ihm eine gleich friedliche Regierung wie von seinem Vorgänger versprechen zu dürfen, und wenn sie schließlich darin getäuscht wurden, so lag das, wie sein Briefwechsel mit König Wladislaw selbst bezeugt, weniger in dem allerdings energischeren Charakter des Meisters als in den äußeren Umständen. – Aus der inneren Verwaltung, sowie betreffs des Zusammenwirkens des Hochmeisters mit seinen Städten in ihren beiderseitigen Handelsbeziehungen ist aus den zwei Friedensjahren seiner kurzen Regierung nichts eben Hervorragendes zu berichten, doch sprechen die vorhandenen Rechnungsbücher des Ordens auch für seine landesväterliche Gesinnung, da in ihnen verhältnißmäßig nicht unbedeutende Summen verzeichnet sind, welche er Gutsbesitzern in allen Theilen des Landes zur Aufbesserung der Landwirthschaft als Geschenke oder häufiger noch als Darlehen vorstrecken ließ. – Da Witowd inzwischen von Polen, was nur immer für Littauen zu erreichen war, erreicht und auch die russischen Fürsten an seiner Ostgrenze zu günstigem Frieden gebracht hatte, so begann er auch seinerseits den Orden an einer sehr verwundbaren Stelle zu schädigen, indem er in Samaiten, dessen Bewohner der Orden, seitdem es sein war, zwar durch Kolonisation und andere friedliche Kulturversuche an sich zu ziehen bemüht war, in welches er aber dennoch nach wie vor Herren und Ritter des Abendlandes zu den beliebten „Heidenjagden“ führte, die unzufriedenen Bojaren aufreizte und unterstützte. Als darauf der Polenkönig, von J. befragt, ob er seinem Vetter in einem Kriege mit den Rittern Beistand leisten würde, nicht entschieden verneinend antwortete, und als die polnischen Magnaten ihrer wachsenden Kriegslust schon unzweideutigen Ausdruck verliehen, sandten der Hochmeister und seine Gebietiger dem Könige ihre Absagebriefe (August 1409), und in der That konnten sie jetzt, wo die polnische Kriegsmacht noch unzureichend gerüstet und allein dastand, den Krieg, zumal in Kujawien, mit gutem Erfolge führen. Daher kam dem Könige die angebotene Vermittelung der Luxemburger, von denen der Ungarnkönig Sigismund durch die ungarischen Verhältnisse, der Böhmenkönig Wenzel wahrscheinlich durch das Geld des Ordens zu einer Schwenkung ihrer Politik bewogen waren, nicht ungelegen; auch Witowd, der durch einen Tartareneinfall in Littauen festgehalten wurde, ließ sich diesen Aufschub des unvermeidlichen Ordenskrieges gern gefallen. Als nun gar König Wenzel, dem ein Schiedsspruch übertragen war, übertrieben günstig für den Orden entschied, mußte die Erbitterung nur wachsen, so daß auch der Großfürst es für gerathen hielt, die ihm von dorther in Aussicht gestellte Königskrone für Littauen, d. h. die völlige Unabhängigkeit von Polen, zurückzuweisen und lieber dem Könige mit Littauern, Russen und Tartaren zuzuziehen. Am 15. Juli, dem Tage der Aposteltheilung, des Jahres 1410 erfolgte die zwischen Slaven und Deutschen auf lange Zeit entscheidende Schlacht von Tannenberg oder, wie die Polen sagen, Grunwald (d. i. Grünfeld). Die furchtbare Niederlage, [721] welche die Deutschen dort erlitten, hatte ihren ausreichenden Grund nicht bloß darin, daß sie gegen eine erdrückende Uebermacht zu kämpfen hatten, sondern mindestens ebenso gut darin, daß die Taktik des Ordens für einen großen, einheitlich geleiteten Massenkampf nicht geeignet war. Der Hochmeister Ulrich v. J. selbst starb bei Tannenberg den Reitertod und mit ihm fast alle preußischen Gebietiger und an 600 Ordensritter.

Zu vgl.: Voigt, Geschichte Preußens, 6. u. 7. Bd. (1834 u. 1836); Th. Hirsch, Danzigs Handels- und Gewerbsgeschichte 1309–1454 (1858); Caro, Geschichte Polens, 3. Thl. (1869); Scriptores rerum Prussicarum, tom. III. et IV. (1866 und 1870); Acten der Ständetage Preußens, herausgegeben von Töppen, 1. Bd. (1878); Lohmeyer, Gesch. v. Ost- u. Westpreußen, I. Abth. 2. Aufl. (1881).

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 718. Z. 24 v. o. l.: v. J. (von Jungingen bei Hechingen). [Bd. 16, S. 798]