Zum Inhalt springen

ADB:Sigmund (Kaiser)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Sigmund“ von Theodor Lindner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 267–282, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sigmund_(Kaiser)&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 13:10 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Sigismund, Berthold
Band 34 (1892), S. 267–282 (Quelle).
Sigismund von Luxemburg bei Wikisource
Sigismund (HRR) in der Wikipedia
Sigismund in Wikidata
GND-Nummer 118614185
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|34|267|282|Sigmund|Theodor Lindner|ADB:Sigmund (Kaiser)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118614185}}    

Sigmund (denn nur so ließ er seinen Namen in deutschen Urkunden schreiben, während Sigismundus die latinisirte Form ist), deutscher Kaiser und König von Ungarn und Böhmen, der Sohn Kaiser Karl’s IV. und dessen vierter Gemahlin, der Elisabeth von Pommern-Stolp, wurde am 15. Februar 1361 wahrscheinlich in Nürnberg geboren, denn schon drei Tage darauf bestimmte ihm dort der Vater eine Tochter des Burggrafen Friedrich V. zur künftigen Gemahlin. Doch wurde diese Verlobung wieder aufgelöst, da Karl den Plan faßte, seinem Sohne Maria, die zweite Tochter des Königs Ludwig von Ungarn und Polen, zu verschaffen, und in der That kam Ende 1374 der Vertrag darüber zu Stande. Da Böhmen und Schlesien dem ältesten Bruder Wenzel, der 1376 zum deutschen Könige gewählt wurde, bestimmt waren, erhielt S. die Mark Brandenburg, von der jedoch die Neumark für den jüngeren Bruder Johann von Görlitz abgezweigt wurde. Nach Karl’s Tode am 29. November 1378 kam der junge Prinz unter die Vormundschaft seines königlichen Bruders, der im Juni 1379 auf einer Zusammenkunft zu Altsohl mit König Ludwig die Verlobung mit Maria, die inzwischen durch den Tod ihrer älteren Schwester die Haupterbin ihres Vaters geworden, bekräftigte, so daß S. nun an den ungarischen Hof kam, um dort für seine dereinstige Stellung erzogen zu werden. Ludwig schickte ihn im Sommer 1381 nach Polen, um ihn auch dort heimisch zu machen; wahrscheinlich weil S. auch dieses Königreich erhalten sollte, trat ihm damals sein Bruder Johann die Neumark ab, damit so die Verbindung zwischen Polen und der eigentlichen Mark Brandenburg hergestellt werde. Als jedoch Ludwig am 11. September 1382 starb, brach über die Erbfolge in seinen Reichen ein lange währender Streit aus. Die Polen wünschten ihr Königreich wieder aus der Verbindung mit Ungarn zu lösen, und da S. auf dieses nicht verzichten wollte, mußte er aus dem Lande weichen. Polen kam schließlich an die zweite Tochter Ludwig’s, Hedwig, die 1386 mit dem litthauischen Großfürsten Jagiello verheirathet wurde, nachdem er sich taufen lassen und den Namen Wladislaw angenommen hatte. Auch Ungarn zu behaupten, wurde S. sehr schwer. Seine Braut Maria war gleich nach dem Tode des Vaters zum „Könige“ gekrönt worden, aber da sie noch zu jung war, kam die Ehe noch nicht zum Vollzuge. Gegen S. als Deutschen waren die Königin-Mutter, die Bosnierin Elisabeth, und eine starke Partei im Lande, und ohne den Beistand seines Bruders Wenzel würde er wohl sein Ziel nie erreicht haben. Er mußte sogar Ungarn verlassen, um in Böhmen und Mähren die nöthigen Mittel zu gewinnen, während Elisabeth im Sommer 1385 die Verlobung Maria’s mit einem französischen Prinzen, dem Herzoge Ludwig von Orleans vollzog. Gleichzeitig regte sich in Ungarn die alte anjovinische Partei, welche Karl von Durazzo, der vor kurzem von Papst Urban VI. gegen die Königin Johanna gerufen das Königreich Neapel erobert hatte, die Krone [268] anbot. Doch ehe dieser in Dalmatien landete, erschien S. mit seinen mährischen Vettern in Ungarn und vollzog in Ofen etwa im September 1385 das Beilager mit Maria, so die Ehe zu einer unumstößlichen Thatsache machend. Doch als er wieder nach Böhmen eilte, um neue Streitkräfte zu sammeln, drang Karl von Durazzo nach Ofen vor und ließ sich am 31. December in Stuhlweißenburg zum Könige krönen. Elisabeth sann auf Rache, bat Karl zu sich und ließ ihn durch einen Getreuen mörderisch überfallen; am 24. Februar 1386 endete dieser König zweier Reiche im Kerker sein Leben. Nun erschien König Wenzel mit Heeresmacht und nöthigte der Elisabeth im Mai zu Raab einen Vertrag zu Gunsten Sigmund’s ab, doch verließ dieser nochmals Ungarn. Da nahmen die feindlichen Horwathi Elisabeth und Maria auf einer Reise gefangen und schleppten sie auf ein Schloß an der dalmatinischen Küste. Nun erst konnte S. in Ungarn festen Boden fassen, unterstützt von Venedig. Am 31. März 1387 wurde er in Stuhlweißenburg gekrönt, endlich ihm auch seine Gemahlin ausgeliefert, während Elisabeth in der Gefangenschaft ermordet worden war. Geraume Zeit verging, ehe der König allen Widerstand unterdrücken konnte. Daher entschloß er sich, um Geld zu haben, im Mai 1388 die Mark Brandenburg mit Ausnahme der Neumark, die wieder an Johann übergeben wurde, für die ungeheure Summe von 565 263 Gulden an Jost von Mähren auf fünf Jahre zu verpfänden.

Die Regierung Sigmund’s in Ungarn, die zahlreichen Kämpfe, welche er dort zu führen hatte, um die Vasallenländer bei der Krone zu halten und den auswärtigen Feinden, unter denen bald die Türken die furchtbarsten wurden, zu wehren, können hier nur soweit berührt werden, als für das Verständniß seiner sonstigen Thätigkeit erforderlich ist. Die anjovinische Partei starb nicht ab, sondern betrachtete den jungen Ladislaus, den Sohn Karl’s von Durazzo, als rechtmäßigen König, doch kam er, der um sein Königreich Neapel kämpfen mußte, zunächst nicht über die Anzettelung von Verschwörungen hinaus. Aber die Ansprüche des Ladislaus blieben eine dauernde Gefahr, um so mehr, als am 17. Mai 1395 Maria, der S. den Thron von Ungarn verdankte, ohne Kinder zu hinterlassen starb.

Ueber all seinen Nöthen im eigenen Reiche ließ S. nicht die Stammlande seines Hauses aus den Augen. Da Wenzel keine Kinder zeugte, war ihm die Nachfolge in Böhmen und im deutschen Reiche wohl von Anfang an das Ziel seiner Hoffnungen. Die gleichen Wünsche hegte Markgraf Jodocus oder Jost von Mähren (s. A. D. B. XIV, 106 ff.), und da Wenzel’s Unfähigkeit den böhmischen Baronen Anlaß zur Unbotmäßigkeit gab, so suchten beide in Böhmen Einfluß und Anhang zu gewinnen. Daraus ergab sich ein höchst widerwärtiges Spiel schlimmer Ränke; gelegentlich arbeiteten S. und Jost mit einander gegen Wenzel, dann suchte wieder jeder dem anderen etwa errungene Vortheile zu entwinden. Da diese Dinge bei der Schilderung von Wenzel’s Regierung näher zu besprechen sind, müssen hier kurze Andeutungen genügen.

Im März 1396 schlossen Wenzel und S. einen gegenseitigen Erbfolgevertrag über ihre Königreiche und letzterer ließ sich zum Generalvicar des ganzen deutschen Reiches mit königlichen und kaiserlichen Rechten ernennen, da an Wenzel von den Kurfürsten wiederholt die Aufforderung gerichtet wurde, für das von ihm vernachlässigte Deutschland durch Bestellung eines Reichsverwesers zu sorgen. Ehe S. seine neue Würde antrat, wollte er erst durch einen großen Sieg über die Türken Ruhm gewinnen. Aus fast ganz Europa strömten Kreuzfahrer nach Ungarn, darunter ein ganzes Heer aus Frankreich und Burgund. Mit gewaltigen Schaaren drang der Ungarnkönig nach Bulgarien vor, Widdin wurde erobert, Nicopolis belagert. Da erschien Sultan Bajesid zum Ersatz und die bessere türkische Kriegführung errang am 28. September 1396 einen vollkommenen Sieg; [269] kaum daß Sigmund selbst der Gefangenschaft entging. Auf weiten Umwegen, die Donau hinabfahrend, dann über Konstantinopel und Ragusa kehrte er Anfang 1397 in sein Reich zurück. Glücklicherweise wurde 1402 das türkische Reich durch Timur so geschwächt, daß die von ihm drohende Gefahr für einige Jahre aufhörte.

Während Sigmund’s Abwesenheit hatte sich Wenzel mit Jost vertragen und diesen mit der nicht eingelösten Mark Brandenburg belehnt. S. nannte sich gleichwohl weiter Markgraf, nahm nun aber seine Versuche wieder auf, von dem deutschen Orden Geld auf die für ihn werthlose Neumark zu leihen, bis der Orden 1402 sie in Pfandschaft nahm, um nicht das Land in die polnischen Hände fallen zu lassen. In Böhmen aber begannen aufs neue die Zwistigkeiten unter der luxemburgischen Familie; S. und Jost arbeiteten jetzt zusammen gegen des letzteren Bruder Prokop, der zu Wenzel hielt. So konnten die rheinischen Kurfürsten im August 1400 den deutschen König absetzen, ohne daß von Böhmen aus irgend ein Schritt gegen sie gethan wurde. S. wollte sogar die Verlegenheit seines älteren Bruders benutzen, um von ihm die Abtretung Böhmens zu erpressen; es hieß sogar, daß er sich deswegen an den Gegenkönig Ruprecht gewandt habe.

Bei diesen Bestrebungen kam S. in die Gefahr, sein eigenes Königreich einzubüßen. Unzufriedenheit mit seiner Regierung, Haß gegen die Ausländer und Umtriebe des Ladislaus wirkten zusammen, um eine große Verschwörung zu bilden, deren Mitglieder am 28. April 1401 den in seinem Schlosse zu Ofen überraschten König in Gefangenschaft setzten und eine provisorische Regierung einrichteten. Zum Glück waren die Gegner nicht einig, wen sie auf den Thron erheben sollten, und so gelang es seinen Anhängern, ihn nach einigen Monaten zu befreien und wieder zur Herrschaft zu bringen.

S. ließ trotzdem nicht in seinen Bemühungen nach, auch die Oberherrschaft in Böhmen zu erlangen. Wenzel hatte seine ganzen Hoffnungen auf den thatkräftigen Bruder gesetzt, dem er im Februar 1402 die Regierung in Böhmen übertrug und als Generalvicar des deutschen Reiches bestätigte; S. beabsichtigte, Wenzel nach Italien zu schicken und dort zum Kaiser krönen zu lassen. Doch schon am 6. März ließ er den böhmischen König verhaften, nahm treulos auch Prokop gefangen und übergab schließlich Wenzel dem Herzoge Wilhelm von Oesterreich, um diesen seinen alten Feind, der vorher sogar auf die ungarische Krone gerechnet hatte, sich zum Freunde zu machen. Mit Herzog Albrecht IV. von Oesterreich stand S. von jeher in engster Freundschaft und daher bestimmte er diesen im September 1402 auf einem Reichstage zu Preßburg zu seinem Nachfolger in Ungarn für den Fall, daß er selbst keine Söhne hinterließe, und widerrief feierlich alle Anrechte, die er früher Jost von Mähren auf die Nachfolge ertheilt hatte. Denn Jost war jetzt sein Hauptgegner und wühlte auch in Ungarn gegen ihn. Dort war auch die neapolitanische Partei thätig. Im Juli 1403 landete Ladislaus, von Papst Bonifacius IX. lebhaft unterstützt, in Zara und ließ sich dort zum Könige krönen, und obgleich er schließlich wieder heimkehren mußte, kostete dieses Zwischenspiel S. die Herrschaft in Böhmen, da er das Land verlassen mußte. Herzog Wilhelm von Oesterreich, der jetzt auch Ladislaus zuneigte, dessen Schwester er zu seiner Gemahlin erkor, wandte sich von ihm ab und ließ im November Wenzel aus Wien entfliehen. Die Böhmen, um den schrecklichen Wirren zu entgehen, hießen nun ihren alten König willkommen und blieben ihm treu. Der Tod Herzog Albrecht’s im September 1404 beraubte S. dieses Freundes, so daß er sich endlich mit Wenzel und Jost aussöhnte und nur noch mit Wilhelm einen verheerenden Krieg weiter führte. Doch starb Wilhelm 1406. [270] Im J. 1408 heirathete S. Barbara von Cilly, welche ihm 1409 eine Tochter Elisabeth gebar.

S. hatte fortwährend den Titel eines Reichsgeneralvicars geführt, wenn er auch nichts that und thun konnte, um ihm Bedeutung zu geben. Da starb am 18. Mai 1410 König Ruprecht von Deutschland. Die Kurfürsten zerfielen in drei Parteien, Pfalz mit Trier, Köln mit Mainz und König Wenzel nebst Jost von Brandenburg und Rudolf von Sachsen. Wenn die beiden ersteren Gruppen sich nicht einigten, gab die dritte den Ausschlag, und wenn sie überhaupt eine Wahl zu Stande kommen ließ, konnte sie nur einen Luxemburger zulassen. Daher verhandelten die Erzbischöfe von Köln und Mainz mit S., konnten sich aber mit ihm nicht einigen, da dieser wahrscheinlich nicht gegen Wenzel auftreten wollte. Doch beschloß der Ungarnkönig an der Wahl theilzunehmen und beauftragte daher den bei ihm weilenden Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg, der sein ganzes Vertrauen gewonnen hatte, für ihn in Frankfurt die brandenburgische Stimme zu führen und ermächtigte ihn zugleich, eine etwaige Kur anzunehmen. Friedrich gewann zunächst, wie es scheint auf eigene Hand, die Kurfürsten von Pfalz und Trier und ging dann nach Frankfurt, wo er zugelassen wurde, aber Mainz und Köln hatten mittlerweile mit Jost von Mähren angeknüpft. Um dessen Wahl zu verhindern, erkoren am 20. September Pfalz, Trier und Friedrich S. zum Könige; da der Mainzer für die Schließung des Domes gesorgt hatte, traten sie draußen auf dem Kirchhof zusammen. Die Gegenpartei aber wählte am 1. October den Markgrafen Jost. S. schob die Annahme der Wahl hinaus und verhandelte mit seinem Nebenbuhler. Als dieser jedoch am 18. Januar 1411 starb, kam eine Einigung mit Wenzel, dem die Kaiserwürde und der Königstitel vorbehalten blieben, zu Stande; daraufhin wurde am 21. Juli in Frankfurt nochmals die Wahl von den Kurfürsten von Mainz und Köln und dem böhmischen Vertreter, der zugleich die Stimmen von Sachsen und Brandenburg führte, vollzogen, doch nahmen Pfalz und Trier an ihr nicht theil. S. rechnete indessen seine Regierungsjahre vom 20. Sept. 1410 ab. Schon vorher hatte sich der König entschlossen, die Mark Brandenburg, welche durch Jost’s Tod an ihn gefallen war, dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg zu übergeben. Am 8. Juli 1411 bestellte er ihn zum Verweser und Hauptmann, am 30. April 1415 in Konstanz überließ er ihm die Mark nebst Kur und Erzkammeramt, indem die Pfandsumme auf 400 000 Gulden erhöht wurde; am 18. April 1417 erfolgte in Konstanz die feierliche Belehnung.

Noch vergingen mehrere Jahre, ehe der neue König nach Deutschland kam. Er wandte seine Aufmerksamkeit zunächst Italien zu, wohin er selbst 1412 ging. Er wollte die Republik Venedig, welche von Ladislaus Dalmatien gekauft hatte, bekriegen, um Ungarn den Weg zum Meere und Deutschland die Straße nach Oberitalien frei zu halten, die Beziehungen zu Mailand, wo Filippo Maria Visconti herrschte, regeln, zugleich Einfluß auf die kirchlichen Fragen gewinnen. S. hatte sich von dem Pisaner Concil fern gehalten, aber 1410 den Nachfolger des dort zum Papste gewählten Alexander, Johann XXIII., anerkannt, weil dieser Feind des Ladislaus war. Da Venedig und die österreichischen Herzöge auch mit Polen Verbindung suchten, war die Lage eine sehr schwierige und verwickelte, doch gelang es S., der sich allerdings entschließen mußte, mit Venedig Frieden zu schließen, diese Verhältnisse günstiger zu gestalten und sich mit den österreichischen Herzögen Ernst und Friedrich zu vertragen; nur mit Mailand blieb er schließlich in Feindschaft.

Da glückte es ihm, dem Papste Johann, der von Ladislaus aus Rom vertrieben worden war, das Zugeständniß abzuringen, daß ein allgemeines Concil zur Reform der Kirche auf deutschem Boden stattfinden sollte. Sofort verkündigte [271] der König am 30. October 1413 der Welt, daß das Concil am 1. November 1414 in Konstanz zusammentreten werde; er forderte Gregor XII. zum Erscheinen auf, schrieb auch an die zu Benedict XIII. haltenden Fürsten.

Da er noch keine der drei Kronen empfangen hatte, zu denen ihn sein deutsches Königthum berechtigte, und doch bei dem Concil ein unbezweifeltes Ansehen haben mußte, entschloß sich S., nach Deutschland zu gehen. Auch war seine Gegenwart dort erforderlich, um das Erzstift Köln dem Dietrich von Mörs zu sichern, weil dessen Mitbewerber, Wilhelm von Berg, sich an Gregor XII. gewandt hatte. Als die bergische Partei Unterstützung fand bei Herzog Anton von Burgund, dem S. den ihm von Wenzel übertragenen Besitz des Herzogthums Luxemburg nicht zugestehen wollte, wurde fraglich, ob es S. gelingen würde, nach Aachen zu gelangen; erst als Herzog Rainald von Jülich sich auf seine Seite schlug, konnte dort am 8. November 1414 die Krönung durch Dietrich von Köln erfolgen.

In der Weihnachtsnacht hielt S. seinen Einzug in Konstanz, wo das Concil bereits durch Johann XXIII. eröffnet war. Er galt bald als die Seele des Concils; die Gesandten Gregor’s und Benedict’s verhandelten zunächst nur mit ihm. Ihn erfüllte der redliche Wille, die beiden großen Aufgaben zu lösen, Beseitigung der Kirchenspaltung und Einführung der Reformen. Zunächst kam erstere in Frage, S. war sich bereits klar, daß nur die Entfernung Johann’s XXIII. vom päpstlichen Stuhle zu einem einheitlichen Papstthume führen könne. Der Papst ergriff, um das Concil zu sprengen, endlich am 20. März 1415 die Flucht. Da war es Sigmund’s Verdienst, daß die entstandene Bestürzung und Verwirrung beschwichtigt wurden und die Versammlung zusammenblieb. Das Concil faßte am 6. April den berühmten Beschluß über die Gewalt der allgemeinen Synoden, während der König den Beschirmer des flüchtigen Papstes, Herzog Friedrich von Oesterreich, so gewaltig angriff und angreifen ließ, daß dieser sich unterwerfen und die Auslieferung Johann’s geloben mußte. Am 29. Mai erging über den Papst der Spruch der Absetzung.

S. hatte die Absicht, durch gütliche Verhandlungen die beiden anderen Päpste zu beseitigen. Nachdem Gregor XII. darauf eingegangen, übernahm er es, persönlich dasselbe bei Benedikt und dessen Freunden zu erreichen, und so zog er, von den Segenswünschen der Versammlung begleitet, Mitte Juli 1415 von Konstanz nach Narbonne zu König Ferdinand von Aragon. Als Benedict hartnäckig blieb, brachte S. im December einen Vertrag zu Stande, laut welchem Aragon, Castilien und Navarra sich verpflichteten, das Concil zu beschicken und dort der Absetzung Benedict’s zuzustimmen. In der That erfolgte sie später, wenn auch erst nach sehr vielen Schwierigkeiten.

S. kehrte jedoch nicht nach Konstanz zurück. Er wollte erst die mit einander kriegenden Könige von Frankreich und England, Karl VI. und Heinrich V. versöhnen, denn das lockende höchste Ziel seines Ehrgeizes war, nach Herstellung einer geeinten und gereinigten Kirche die Kräfte der ganzen Christenheit zum Zuge gegen die Türken zusammenzufassen. Doch der Friedensmakler gerieth in arge Ungelegenheiten. Denn als er von Frankreich nach England gegangen war, kam in Paris die dem Frieden abgeneigte Partei in die Höhe, die von dem vorher Verabredeten nichts wissen wollte. Sigmund, der tief erbittert und zugleich in der Gewalt des englischen Königs war, schloß daher mit diesem am 15. August 1416 zu Canterbury ein Schutz- und Trutzbündniß gegen Frankreich. Obgleich er kaum die Absicht hatte, es so bald zur thatkräftigen Wirkung zu bringen, kehrte er, der als Friedensengel ausgezogen war, als Feind des auf dem Concil so einflußreichen Frankreich nach Konstanz zurück. Die Folgen zeigten sich bald genug, indem die französische Partei ihm fortan mit Mißtrauen und Feindschaft entgegen [272] trat. Während seiner Abwesenheit hatte ohnehin die frische Begeisterung, welche anfänglich die Mitglieder erfüllte, nachgelassen, die Kirchenreform ließ sich nicht so leicht schaffen und die Arbeiten gingen nur stockend und langsam vorwärts; am verderblichsten wurde der sich einfressende Zwiespalt der Nationen. Die Lebhaftigkeit, mit der S. auftrat, erregte jetzt Anstoß und Argwohn; es gab die häßlichsten Scenen. Er verlangte zusammen mit der deutschen Nation, daß zuerst die Kirchenteform vorgenommen werde, aber damit drang er nicht durch, und als auch die Engländer von ihm abfielen, erfolgte am 11. Nov. 1417 die Wahl des neuen Papstes Martin V. S. begrüßte ihn mit tiefster Ergebenheit, aber obgleich er sich von ihm im Januar 1418 die Approbation ertheilen und die Kaiserkrone zusichern ließ, kam er mit ihm nicht in Freundschaft. Wie S. voraus gesehen hatte, blieb die Reform jetzt im Sande stecken. Der neue Papst schloß mit den Nationen Concordate ab, auch mit der deutschen, die indessen nur fünf Jahre Gültigkeit hatten, und bewilligte S. einen Kirchenzehnten, von dem jedoch nicht allzuviel einging. Allerdings bestätigte der Papst das Decret „Frequens“, nach dem fortan in bestimmten Zwischenräumen allgemeine Synoden stattfinden sollten, aber es war klar, daß das unter den günstigsten Verhältnissen Versäumte sich kaum noch würde nachholen lassen. S. hat stets bedauert, daß sein Wille nicht durchging, und jede Verantwortung für das Scheitern der Reform abgelehnt. Immerhin war auch so die Konstanzer Versammlung für ihn der größte Erfolg seines Lebens und verschaffte ihm hohen Ruhm.

Im Mai 1418 verließ S. Konstanz; er konnte nicht einmal die gemachten Schulden bezahlen. Er hegte noch immer die Absicht, bald nach Italien zu ziehen, um die Kaiserkrone zu holen, aber dazu sollte er sobald nicht kommen. Es gelang ihm nicht einmal, in Deutschland ein festes Regiment zu begründen. Mußte er sich doch auch entschließen, mit Herzog Friedrich von Oesterreich Frieden zu machen und ihm seine Lande wieder zuzusprechen. Für Deutschland hatte er die besten Absichten; wie die Kirche wollte er das Reich bessern. Er erkannte richtig die Gründe der Uebel, an denen Deutschland krankte, in der landesherrlichen Gewalt, in der geringen, durch die Kurfürsten beschränkten Macht des Königs. Daher wollte er dem Königthum neue Kräfte verleihen, was es im Reiche noch an Einfluß hatte, zusammenfassen. Er rechnete dazu besonders auf die Reichsstädte als seine unmittelbaren Unterthanen und hoffte, daß sie zur Herstellung des Friedens das Beste beitragen sollten. Aber seine Bemühungen scheiterten daran, daß die Städte über ihren engsten Interessenkreis hinaus nichts leisten wollten. Dagegen machte er die Fürsten besorgt, besonders den Pfalzgrafen Ludwig, dessen frühere Freundschaft sich in dauernde Feindseligkeit verwandelt hatte, weil er für seinen Besitzstand fürchtete; die rheinischen Kurfürsten vereinigten sich 1417, vom Könige gestellte Forderungen nur gemeinsam zu beantworten. Da Ungarn, von dem er sechs Jahre abwesend war, seine Gegenwart dringend bedurfte, ernannte er im October 1418 den Kurfürsten Friedrich zu seinem Statthalter im Reiche und ging in sein Königreich zurück. Das deutsche Reich hatte von seinem Walten keinen besonderen Nutzen gezogen, und es war ihm nicht gelungen, für sich eine feste Partei zu bilden. Allenthalben gab es Unruhe und Fehden. Besonders übel gestalteten sich die Verhältnisse in Süddeutschland, wo der leidenschaftliche Herzog Ludwig der Bärtige von Baiern-Ingolstadt einen wüthenden Krieg gegen seinen Vetter Heinrich von Baiern-Landshut und den Markgrafen Friedrich von Brandenburg eröffnete.

Bald traten an S. noch größere Sorgen heran, die ihn von seinen bisherigen Lieblingsplänen, die sich auf Italien und gelegentlich auch auf den Krieg gegen Frankreich richteten, völlig abzogen und ihn zwangen, sich ganz den östlichen Verhältnissen zu widmen.

[273] In seinem überschießenden Eifer, Alles zu ordnen und alle kirchlichen Streitfragen beizulegen, hatte er den Böhmen Johann Hus eingeladen, in Konstanz zu erscheinen. S. war über diese ganzen Verhältnisse nicht ausreichend unterrichtet und gab daher Hus einen Geleitsbrief, und zwar, wie an Stelle der herrschenden Auffassung wohl richtiger anzunehmen ist, mit der Absicht, dem Magister dadurch vollkommenen Schutz und sichere Rückkehr zu verbürgen. Aber ehe S. nach Konstanz kam, setzten die Feinde von Hus dessen Verhaftung durch und der König, obgleich anfänglich sehr erzürnt, wagte nachher nicht, seine Freilassung zu erzwingen, um nicht das Concil zu sprengen, und ließ sich außerdem überzeugen, daß der Böhme ein Ketzer sei; einen solchen wollte er nicht schützen. So wurde Hus am 6. Juli 1415 verbrannt. Darauf brach in Böhmen wilde Erregung los; die Volkswuth richtete sich gegen die Geistlichen, der Landtag erließ einen feierlichen Protest, ein großer Theil des Adels verband sich zum Schutze der freien Predigt, die Universität Prag wurde als oberste kirchliche Behörde eingesetzt. Wenzel schwankte hin und her; erst als er von S. gedrängt wurde, entschloß er sich zu ernstlichen Maßnahmen, die aber nur Oel ins Feuer gossen. Der Sturm auf das Neustädter Rathhaus in Prag regte ihn so auf, daß ihn der Schlag rührte und er am 16. August 1419 starb. Sein alleiniger Erbe war S., der den böhmischen Märtyrer ins Verderben gebracht hatte.

Mit kriegerischen Entwürfen gegen die Türken beschäftigt, ging S. nicht gleich nach Böhmen, sondern bestellte die Königin-Wittwe zur Regentin. Doch legte er bald auf dem Reichstage in Breslau Anfang 1420 unzweideutig an den Tag, wie er über den Husitismus dachte. Er ließ einen Bekenner dieser Lehren verbrennen und veranlaßte die Kreuzpredigt gegen die Ketzer; seine Absicht stand durchaus auf Krieg. Ende April rückte er mit einem Heere von Schlesien aus in Böhmen ein mit der Forderung unbedingter Unterwerfung. Er hielt seinen Einzug auf dem Hradschin, aber der furchtbare Sturm auf Prag am 14. Juli scheiterte an den von Ziska getroffenen Vorkehrungen, so daß er die Belagerung der Stadt aufgeben mußte. Nachdem er noch einmal am 1. November bei dem Versuche, den Wischehrad zu entsetzen, eine blutige Niederlage erlitten, mußte er im März 1421 nach Ungarn zurückkehren. Besonders ungünstig für ihn war, daß sich das Gerücht verbreitete, er meine es nicht ehrlich mit seinem Kampfe gegen die Ketzer, wolle die Böhmen schonen. In Böhmen wurden gerade durch seinen Angriff die Parteien einander genähert; noch während der Belagerung Prags wurden die vier Artikel aufgestellt, die dann das einigende Losungswort der Böhmen wurden. Böhmen und zum größten Theil auch Mähren verfielen dem Husitismus; ein böhmischer Landtag sprach Sigmund’s Absetzung aus.

Von allen Seiten war der König mit Gefahren und Schwierigkeiten umgeben, die zu bannen er eine in ihrer Art meisterhafte Gewandtheit entfaltete. In erster Linie kam es darauf an, Polen-Litthauen abzuhalten, daß sie nicht den stammverwandten Böhmen Hülfe gewährten. Daher ist seine Stellung zu Polen, das er nicht ungerechtfertigt stets mit dem größten Argwohn beobachtete, der eigentliche rothe Faden, der sich fortan durch die ganze Politik Sigmund’s zieht. Er ergriff jedes Mittel, um auf Polen friedlich oder feindlich einzuwirken, bald so, bald so verfahrend, je nach den Umständen, und der deutsche Orden kam in die unangenehme Lage, von dem Könige als Schachfigur in diesem wechselvollen Spiele benutzt zu werden. Polen zu vereinzeln war Sigmund’s Hauptbestreben, und daher erregte es ihn gewaltig, als der Brandenburger Kurfürst sich mit dem Könige Wladislaw verbündete, um dessen Tochter für seinen zweiten Sohn Friedrich zu gewinnen. Bald geriethen beide darüber in [274] die äußerste Spannung. Die einzige dauernd zuverlässige Stütze Sigmund’s war der Sohn Albrecht’s IV., Herzog Albrecht V. von Oesterreich, den er schon 1411 mit seiner Tochter Elisabeth verlobt hatte; im April 1422 wurde die Hochzeit gefeiert.

In dem Kurfürsteneollegium, in das 1418 der fromme Erzbischof Otto von Trier und 1419 der leistungsfähige Konrad von Mainz eingetreten waren, hatte besonderen Einfluß der S. unfreundlich gesinnte Pfalzgraf Ludwig, mit dem der Brandenburger eng befreundet war. Im April 1420 traten sie zu einem, von dem Könige berufenen Reichstage zu Nürnberg zusammen, vereinbarten, die böhmische Sache gemeinsam zu behandeln und schlossen einen Bund, um das Ueberschlagen der Ketzerei nach Deutschland selbst zu verhindern. Sie waren mißvergnügt, daß S. nicht selbst erschien; gleichwohl schrieben sie dann zu Wesel in Gegenwart eines päpstlichen Legaten einen Reichsfeldzug gegen Böhmen aus, der auch im Herbste zu Stande kam, aber vor dem belagerten Saaz durch die Flucht des Heeres vor dem herannahenden Ziska kläglich scheiterte. S. selbst, der nicht rechtzeitig vom Süden her vorgerückt war, erlitt am 8. Januar 1422 bei Deutschbrod eine furchtbare Niederlage, und nun erschien auch der polnische Prinz Korybut in Böhmen. Die Kurfürsten sandten zu S. den Erzbischof Dietrich von Köln, mit dem er einen neuen Reichstag in Regensburg verabredete. Da sie des Königs Kommen bezweifelten, schrieben sie den Tag nach dem bequemer gelegenen Nürnberg aus; erst nach einigem Zögern entschloß sich S., der wirklich in Regensburg eingetroffen war, zu ihnen nach Nürnberg zu gehen. Dort wurde im August 1422 eine doppelte Kriegsrüstung beschlossen zum „täglichen Kriege“ und zu einem großen Gewaltangriff, und dazu eine Matrikel für das Reich aufgestellt, die, so denkwürdig sie ist als erste erhaltene, doch große Mängel hatte. Außer der Stellung von Truppen war die Möglichkeit gelassen, Geld zu zahlen. Zum Feldhauptmann wurde Kurfürst Friedrich von Brandenburg ernannt, mit dem sich der König, wenigstens äußerlich, ausgesöhnt hatte. Um für das Reich besser zu sorgen, wurde Erzbischof Konrad von Mainz zum Reichsverweser ernannt. Doch fand er von vornherein Schwierigkeiten, da Pfalzgraf Ludwig gegen seine Bestallung entschiedenen Widerspruch erhob, und so verzichtete Konrad im Mai 1423 auf Rath der anderen Kurfürsten auf seine Würde. Dadurch hoben die Kurfürsten selbst die Möglichkeit einer einheitlichen Reichsleitung auf, die der König nicht ausreichend handhaben konnte.

Auch der Feldzug, den Kurfürst Friedrich im October eröffnet hatte, ergab keinen Erfolg. Da damals mit dem Tode des Kurfürsten Albrecht III. das anhaltinische Herzogshaus von Sachsen erlosch, übertrug im Januar 1423 S. dem Markgrafen von Meißen, Friedrich dem Streitbaren, der ihm ein werthvoller Helfer gegen die Böhmen war, das erledigte Kurfürstenthum. Kurfürst Friedrich von Brandenburg, der es für seinen Sohn Johann begehrt hatte, einigte sich bald mit dem neuen Inhaber.

Der Krieg gegen Böhmen kam ins Stocken, während Sigmund’s Verhältniß zu dem Hohenzollern, gegen den auch Herzog Ludwig von Baiern arbeitete, sich immer unfreundlicher gestaltete. Da auch das Reich in Unordnung lag und nach dem Sturze der Reichsverweserschaft eigentlich gar keine Leitung des Reiches bestand, schlossen die Kurfürsten am 17. Januar 1424 in Bingen den sogenannten Kurverein, um gemeinsam den Krieg gegen Böhmen zu betreiben. Sie griffen dabei zurück zu einer alten Urkunde, auf Grund deren sich 1399 die rheinischen Kurfürsten verbündet hatten, um Schädigung der Kirche durch König Wenzel abzuwehren, und nahmen deren hauptsächliche Bestimmungen in ihren Vertrag auf. Dadurch, und weil ohnehin große Unzufriedenheit mit S. herrschte, bekam [275] der Kurverein eine gegen den König gewendete Spitze, obgleich sich die Kurfürsten nicht ein Regiment neben ihm oder gar über ihm anmaßten. S., der den Bund als einen Eingriff in seine Königsrechte betrachtete, nahm den ganzen Vorgang, sowie die Vorstellungen, welche ihm die Kurfürsten machten, sehr übel auf, so daß eine Zeit lang wirklich ein Bruch drohte; die Kurfürsten besandten einen von S. nach Wien ausgeschriebenen Reichstag nicht. Doch die Mehrzahl der Kurfürsten hatte Ernstliches gegen den König nicht beabsichtigt und sie waren durch eigene Sorgen genügend in Anspruch genommen; Friedrich von Sachsen wurde durch die Belehnung mit seinem Kurfürstenthum von der Sorge, es könnte ihm durch die von Lauenburg erhobenen Ansprüche noch entgehen, befreit, und Friedrich von Brandenburg sah ein, daß sein polnisches Bündniß nicht mehr von solchem Werthe war, um es auf Feindschaft mit S. ankommen zu lassen. Daher versöhnte er sich im März 1426 zu Wien mit dem Könige, und bemühte sich in Zukunft ehrlich, die Interessen des Reiches zu vertreten.

Im Mai 1426 kam in Nürnberg ein gut besuchter Reichstag zusammen, dem beizuwohnen der König durch die gichtischen Leiden, die ihn seit dem Winterfeldzuge in Böhmen quälten, verhindert wurde. Während man dort über die Höhe des Anschlages, den S. gefordert hatte, stritt, erlitt am 16. Juni das sächsisch-meißnische Heer, welches das von den Husiten belagerte Außig entsetzen wollte, eine schwere Niederlage, die allenthalben Schrecken verbreitete. S., der durch die Türken in Anspruch genommen war, überließ den böhmischen Krieg seinem Schwiegersohn Albrecht und den Kurfürsten, von denen namentlich Markgraf Friedrich regen Eifer entfaltete. Im April 1427 zu Frankfurt kam so wieder eine Einhelligkeit der Kurfürsten zu Stande; wahrscheinlich erneuerten sie damals den Binger Kurverein von 1424, doch so, daß alle Spitzen, welche gegen den König gerichtet waren, daraus entfernt wurden. Vielleicht hat sogar S. ihn genehmigt, denn wenn er auch nicht die Regierung des Reiches ganz aufgab, sorgten nun, ohne daß er widersprochen hätte, die Kurfürsten für die Herstellung des Landfriedens und den Ketzerkrieg; sie beriefen die öffentlichen Tage und faßten Beschlüsse, deren Ausführung ihnen anheim gegeben war. Der König nahm die Türken und die Polen auf sich und behielt sich nur die hohe Politik vor.

Von dem Frankfurter Reichstage erging ein großes Ausschreiben sämmtlicher Kurfürsten an die Reichsstände zum Zuge gegen Böhmen, der von vier Seiten her unternommen werden sollte. Zum Hauptmann wurde Erzbischof Otto von Trier ernannt. Man rückte auch von Westen und Norden her in Böhmen ein, doch planlos und ohne Zusammenhang; als am 3. August die Husiten gegen das vor Mies lagernde Heer vorrückten, flohen die Deutschen haltlos davon. Jetzt nahm der Cardinal Heinrich von England die Sache in seine Hand, und so wurde im December in Frankfurt eine Geldsteuer beschlossen, wie sie der König schon früher vergeblich beantragt hatte. Alles wurde umständlich bestimmt, nur daß die Anordnungen an sich nicht sehr klar waren, und der Ertrag ein langsamer und mäßiger blieb, der zu einem großen Unternehmen keineswegs ausreichte.

So geschah von Reichs wegen nichts genügendes, während die Husiten nun daran gingen, durch Einfälle in die Nachbarländer nach allen Richtungen hin Entsetzen und fürchterliche Verwüstung zu tragen. S. scheint schon jetzt erkannt zu haben, daß nichts übrig bleiben würde, als den Ketzern einige Duldung zu gewähren. Da das nur mit der Genehmigung des Papstes geschehen konnte, die sicherlich nur sehr schwer zu erlangen war, trat jetzt die Absicht, nach Italien zu gehen und dort persönlich die Schwierigkeiten zu heben, wieder in seinen Gedanken hervor. Er wollte zugleich das ihm sehr unbequeme freundschaftliche Verhältniß zwischen Papst und Polen beseitigen und ein allgemeines Concil zu [276] Stande bringen, das ja gleichfalls mitwirken mußte, wenn den Böhmen Zugeständnisse gemacht werden sollten. Vorläufig nahm jedoch der Krieg gegen die Türken seine Kräfte völlig in Anspruch; bei der Belagerung der Taubenburg in Serbien wurde er 1428 von den Türken überfallen und rettete mit Mühe sein Leben; erst Anfang 1429 wurde ein unsicherer Frieden abgeschlossen. Doch war ihm inzwischen geglückt, sich gegen Polen zu sichern durch Anstiftung innerer Zwietracht, indem er den Wunsch des Großfürsten Witold, sich zum Könige von Litthauen krönen zu lassen, gegen den Widerspruch Wladislaw’s aufs lebhafteste unterstützte.

Da die Kurfürsten allein dem Reiche nicht die nöthige Kraft hatten geben können, mußten sie wieder auf eine gemeinsame Wirksamkeit mit dem Könige bedacht sein. In dieser Erkenntniß gingen die Kurfürsten von Mainz und Brandenburg nebst Vertretern der Genossen Ende 1429 sogar nach Preßburg, begehrten jedoch, daß der König selber ins Reich käme. Erst im August 1430 erschien S. wieder im engeren Deutschland, das er fast acht Jahre lang nicht mehr besucht hatte. Er hielt einen Reichstag in Straubing, durchzog dann im Winter Süddeutschland, um die Städte für den Landfrieden und Kriegsleistungen zu gewinnen; im Februar 1431 trat dann ein großer Reichstag in Nürnberg zusammen. Der König wäre lieber gleich nach Italien gezogen, um dort den Papst für die beabsichtigten Verhandlungen mit den Böhmen und die Ausschreibung des Concils zu stimmen, auch Kurfürst Friedrich von Brandenburg neigte sich bereits der Ueberzeugung zu, daß nur dieser Ausweg zum Ziele führen könne. Im November 1430 hatte bereits ein drohender Anschlag in Rom den Papst Martin aufgefordert, seiner Pflicht und den Concilsbeschlüssen gemäß im nächsten März die allgemeine Kirchenversammlung in Basel zu eröffnen. Freilich hatte sich S. nur aus Noth zu dieser Ansicht gewandt, denn seinen Haß gegen die Ketzer trug er noch unvermindert im Herzen. Die allgemeine Stimmung war ebenso zur Gewalt geneigt. Der Papst schickte den ausgezeichneten Cardinal Cesarini, um die Begeisterung anzufachen, der auch seines Amtes nach Kräften waltete, und so wurde in Nürnberg eine große Rüstung beschlossen. Aber dem sehr zahlreichen Heere ging es nicht besser wie den früheren; als am 14. August bei Tauß die Böhmen heranrückten, löste es sich in wilder, verlustreicher Flucht auf. Damit war die Sache entschieden: Niemand im Reich wollte mehr von neuen Angriffen wissen, Alle dachten nur an Vertheidigung.

So gab es auch für S. kein weiteres Bedenken. Während der Cardinal Cesarini nach Basel ging, um dort auf dem bereits begonnenen Concil für den Frieden zu wirken, brach er selbst im October 1431 nach Italien auf, nur von einer kleinen Reiterschaar begleitet. Er stand schon seit langen Jahren mit Filippo Maria von Mailand in Beziehungen, welche durch die gemeinsame Feindschaft gegen Venedig geknüpft wurden; jetzt hoffte S., von Mailand die Mittel zu seinem Zuge nach Rom zu erhalten, wenn er auch nur beabsichtigte, die italischen Verhältnisse friedlich zu schlichten. Aber bald entstand zwischen ihm und dem Mailänder Mißstimmung, da beide sich in einander verrechnet hatten und Jeder von dem Andern mehr begehrte, als dieser leisten konnte. Die Lage wurde aufs äußerste verwickelt, als gleichzeitig der neue Papst Eugen IV. und das Concil sich überwarfen. Eugen mißbilligte die Verhandlungen mit den Husiten, welche die Baseler eröffneten, und wünschte überhaupt des Concils ledig zu werden. Unter allerlei Vorwänden wollte er es vertagen und nach Bologna verlegen. Die Versammelten, mit denen Cardinal Julian übereinstimmte, widerstrebten jedoch entschieden diesen päpstlichen Umtrieben, so daß bald zwischen Rom und Basel heller Zwist ausbrach.

[277] S. nahm entschieden Partei für die Synode insofern als auch er es für durchaus nothwendig hielt, daß sie zusammen und in Basel blieb, aber er erachtete es nicht für angemessen, selbst dorthin zu gehen, um nicht zu einseitiger Haltung getrieben zu werden. Denn er wünschte nicht, daß Papst und Concil in offene Feindschaft geriethen, obgleich er mit einem auf die Curie auszuübenden Drucke einverstanden war. Dadurch kam er nun in eine peinvolle Lage, da er bei seiner Mittellosigkeit in Italien weder vorwärts noch rückwärts konnte, aber er hielt standhaft bei seiner richtigen Politik fest und widerstand den Lockungen Eugen’s. Er gerieth mit diesem sogar in offenen Krieg. So verging lange Zeit, welche der König, der in Lucca und Siena seinen Aufenthalt hatte, in kläglicher Lage ausharren mußte, bis Eugen sich zur Nachgiebigkeit entschloß, da auch die deutschen Kurfürsten sich an ihn im Interesse der Synode wandten. Allerdings schlug er den Rückzug sehr langsam und zögernd ein und versagte sich nicht, S. dabei durch Nichtachtung zu kränken. Da er jedoch erkannte, daß ihm der König gegenüber dem Concil nützlich sein konnte, nahm er wieder die Verhandlungen auf, deren Ergebniß endlich war, daß er am 31. Mai 1433 S. die Kaiserkrone ertheilte. Der Kaiser blieb über zwei Monate in Rom Gast des Papstes, dann kehrte er zurück, mit dem Entschluß, die Basler zur Aussöhnung mit dem Papste zu bewegen. Am 11. October kam er in der Concilsstadt an, noch im letzten Augenblick, um entscheidende Beschlüsse zu verhindern. Mit dem größten Eifer widmete er sich seinem Werke, bis im April 1434 der Friedensschluß erfolgte. Dann verließ er Basel, wenig erbaut von der Selbstüberhebung und dem Selbständigkeitsdrange, der dort herrschte. Er beklagte, daß das Concil sich in alle möglichen rein weltlichen Dinge mischte, angeblich um den Frieden in der Christenheit zu schaffen, noch mehr aber, daß darüber die Reform, nach der er vom ersten Tage der Versammlung ab verlangt hatte, nicht vorwärts rückte.

Doch war von dem Concil nach einer Seite hin wirklich Nützliches geschaffen worden, indem es, ohne sich durch den päpstlichen Urtheilsspruch stören zu lassen, die Verhandlungen mit den Böhmen weitergeführt hatte. Die Schwierigkeiten waren ungeheure und oft schienen sie unüberwindlich zu werden, doch wurden endlich am 30. November 1433 in Prag von den Concilsgesandten die Compactaten vereinbart. Auch mit ihnen war die Sache noch keineswegs erledigt, so daß Anfang 1434 das Concil sogar an neuen Krieg dachte. Die ganzen Verhältnisse hatten jedoch zu einer Scheidung der Parteien in Böhmen geführt, die gegeneinander das Schwert ergriffen; am 31. Mai 1434 erlagen die Taboriten unter der Führung der beiden Prokope bei Lipan den Pragern und dem Adel. Die Verhandlungen zwischen den siegreichen gemäßigten Husiten und dem Concil gelangten freilich deswegen noch nicht zu einem glücklichen Ende, doch nun war für den Kaiser der Augenblick zum selbständigen Eingriff gekommen. Die eigentlichen Glaubensfragen überließ er indessen nach wie vor allein dem Concil.

Um Böhmen näher zu sein, ging er Ende October 1434 nach Ungarn zurück. Auch die Sorge vor Polen trieb ihn dorthin, da König Wladislaw das so lange gefürchtete Bündniß mit den Husiten wirklich geschlossen und deren wilde Schaaren im Sommer 1433 gegen das Ordensland Preußen geschickt hatte. Doch änderte der Tod des polnischen Herrschers am 31. Mai 1434 die Verhältnisse, da der Reichstag für dessen unmündigen Sohn die Freundschaft Sigmund’s suchte, doch ohne des Kaisers Besorgnisse völlig zerstreuen zu können. Die in Böhmen obschwebenden Fragen waren einmal, wie die in den Compactaten festgestellten Grundsätze im täglichen Leben auszuführen seien, die andere, unter welchen Bedingungen S. als König zugelassen werden sollte. Der Kaiser [278] konnte im Juli 1435 in Brünn noch keinen sicheren Erfolg erzielen, und als immer neue Streitfragen auftauchten, beschränkte man sich darauf, am 5. Juli 1436 in Iglau die Compactaten feierlich und öffentlich zu verkündigen. Am 23. August hielt S. seinen Einzug in Prag, aber da er in seinem Herzen dem Husitenthum gram blieb, suchte er bereits einen Uebergang zu den alten Formen anzubahnen. In Böhmen entstand darob so große Unzufriedenheit, daß ein Aufstand befürchtet wurde, weshalb S. mit aller Strenge gegen die Reste der Taboriten einschritt. Er fühlte, wie unsicher der Boden unter seinen Füßen wurde, und da seine Körperleiden in bedrohlicher Weise zunahmen, verließ er Prag am 11. November 1437, noch ehe er seinen Wunsch erfüllen konnte, Herzog Albrecht in die Herrschaft über Böhmen einzuführen.

Als S. im Herbst 1434 aus dem Reiche ging, war er mißgestimmt über die geringen Erfolge, welche er dort erzielt hatte. Er schob die Schuld auf den Widerstand oder wenigstens geringen Beistand, den seine Bemühungen, die trostlosen Zustände zu bessern, bei allen Ständen fanden. Allerdings wollte er selbst nur leiten und anordnen, nicht aber eigene Mittel dransetzen, und mit dem bloßen Wort war nicht viel zu schaffen. Schon während seines Aufenthaltes in Italien war die Reichsregierung seinen Händen fast ganz entschlüpft und auch in Basel kam er nicht dazu, sie fester zu fassen. Darauf fanden dann in Ulm und Regensburg neue Tage statt, denen die geistlichen Kurfürsten fern blieben. S. war mit ihnen sehr unzufrieden, nicht weil sie ihm die Herrschaft beschränken wollten, sondern weil sie sich ihm versagten. Allerdings hätte von den rheinischen nur Dietrich von Cöln etwas ernstliches leisten können, da Raban in Trier um sein Bisthum kämpfen mußte, Ludwig von der Pfalz geistig und körperlich gebrochen war, Dietrich von Mainz aber erst sein Amt angetreten hatte. Da die Noth des Reiches zum Himmel schrie, erließ S. am 27. September 1434 von Regensburg aus eine große Botschaft ans Reich, in der er sechzehn Artikel für eine Reform aufstellte. Obgleich diese Vorschläge in Frankfurt auf einem Reichstage in Abwesenheit des Kaisers berathen wurden, blieb alles schätzbares Material. Dazu kam noch, daß das Basler Concil in einen neuen erbitterten Streit mit dem Papst gerieth, da seine Beschlüsse über die Kirchenreform dem Papstthum die wichtigsten Einnahmen abschnitten und beide die Verhandlungen mit den Griechen über eine Union der Kirchen für sich beanspruchten. Als Eugen ihretwegen das allgemeine Concil in Italien halten wollte und seine Partei in Basel sich ungebührlich betrug, brach der Sturm los; am 31. Juli 1437 erging die Vorladung an den Papst, der im October die Eröffnung des Processes gegen ihn folgte. Sigmund’s Bestreben war geblieben, Concil und Papst in Freundschaft zu erhalten, weil nur so eine Reform, an der ihm hauptsächlich lag, möglich war; daher bekämpfte er sowohl die scharfen Beschlüsse gegen den Papst wie dessen Absicht, das Concil zu verlegen. Seine verständigen Ausgleichsversuche unterbrach der Tod.

Die Vorgänge in Basel veranlaßten im Herbst 1436 die Kurfürsten, sich an den Kaiser zu wenden, damit jene Irrungen, wie die Gebrechen des Reiches abgestellt würden. Doch zu dem von ihm nach Eger berufenen Reichstage, zu welchem er selbst Ende Juni 1437 erschien, kamen nur die weltlichen Kurfürsten in Person, die anderen schickten nur Botschaft. Berathen wurde genug über das Concil und die Rückerwerbung Brabants, über die Verbesserung der gesammten Gerichtsbarkeit im Reiche und die der Münze, über den Landfrieden, aber die Beschlußfassung blieb vertagt auf einen Reichstag in Nürnberg, der nicht zu Stande kam. Es ist möglich, daß S. in Eger auch die Wahl Albrecht’s zu seinem Nachfolger angeregt hat, aber beschlossen wurde auch über sie nichts.

[279] Noch die letzten Tage des Kaisers wurden durch Umtriebe in seiner engsten Familie getrübt; seine Gemahlin Barbara spann Ränke, um sich die Regentschaft in Böhmen zu verschaffen. Daher ließ er, als er von Prag nach Znaim gekommen war, sie verhaften. Nachdem er den anwesenden Böhmen und Ungarn nochmals Albrecht empfohlen, starb er dort am 9. December 1437. Seine Grabstätte erhielt er in Großwardein.

Während seiner Regierung waren in der politischen Gestaltung des Reiches große Veränderungen eingetreten, theils mit, theils ohne sein Zuthun. Obgleich er die große Politik immer im Auge behielt, nahmen ihn die Zustände im Osten die längste Zeit hindurch so sehr in Anspruch, daß er nicht seine Thätigkeit nach allen Seiten richten konnte, so sehr das auch in seinem Charakter und in seinen Wünschen lag. Weitaus am bedeutendsten war die Bildung des neuburgundischen Reiches; S. suchte sie zu verhindern, doch erreichte er nur, daß, so lange er lebte, Luxemburg wenigstens dem Namen nach seiner Nichte, der Elisabeth von Görlitz, verblieb. Dagegen waren Brabant und Limburg schon 1406 an Anton von Burgund gefallen und gingen dann über in die Herrschaft Philipp’s des Guten, der auch die Grafschaft Namur durch Kauf erwarb und vor allem der Jacobäa von Baiern die ehemaligen wittelsbachischen Lande, Holland, Seeland, Friesland und den Hennegau abpreßte. Die Maßregeln, welche der König dagegen ergriff, waren wirkungslos. Als er aus Italien zurückkam und Philipp sich weigerte, seine Lehen vom Reiche zu nehmen, verbündete er sich im Juni 1434 mit Frankreich und erklärte den Krieg, aber die Reichsstände ließen ihn im Stich. Ebenso erlitt er einen völligen Fehlschlag in Geldern. Als 1423 das Jülicher Haus mit Reinald IV. ausstarb, fiel der größere Theil seiner Besitzungen an den wilden Herzog Adolf von Berg-Ravensberg, den S. auch mit Geldern belehnte. Doch vermochte Adolf nicht durchzudringen gegen den von den Ständen gewählten Arnold von Egmont, obgleich der Kaiser über diesen 1431 und nochmals 1433 Acht und Oberacht verhängte. Um Lothringen kämpften nach dem Tode des Herzogs Karl Anton von Vaudemont und René von Anjou, für den auch S. entschied und der nach mancherlei Schicksalen Herzog blieb, aber ganz französisch gesinnt war. Von dem alten arelatischen Königreich bewahrte nur noch Savoyen, dessen Graf Amadeus S. 1416 zum Herzog erhob, den Zusammenhang mit dem Reiche. Auf der ganzen Westlinie erlitt so Deutschland die schwersten Verluste.

Glücklich entwickelte sich die Schweizer Eidgenossenschaft, namentlich durch die Siege über Herzog Friedrich von Oesterreich gefördert, doch mit ihrer Volksfreiheit eine beständige Gefahr für die süddeutschen Fürsten und Herren, wie diese wohl erkannten; S. selbst hat mit den Schweizern immer gut gestanden. Mit den Habsburgern, ausgenommen seinen Schwiegersohn Albrecht, kam S. nie in zuverlässige Freundschaft, namentlich der abenteuerliche Herzog Friedrich „mit der leeren Tasche“ trug sich bis an sein Lebensende mit weitgespannten Entwürfen. Sehr wechselnd waren des Reiches Beziehungen zu den Wittelsbachern, die in fast unausgesetzter Feindschaft unter einander die Zukunft ihrer Familie verdarben. Namentlich Heinrich der Reiche von Baiern-Landshut und Ludwig der Bärtige von Ingolstadt lebten in Todfeindschaft; hatte doch der erstere auf seinen Vetter in Konstanz einen Mordanfall gemacht. S. war wiederholt genöthigt, gegen den wilden Ludwig aufzutreten; im April 1434 erklärte er ihn sogar für vogelfrei und sprach ihm seine Lande ab, aber er ließ bald Gnade für Recht ergehen, wie er ihm überhaupt im Grunde wohlwollte.

Für die Stellung Norddeutschlands zum Reiche war der Uebergang Brandenburgs an die Zollern und Sachsens an die Wettiner schon deswegen von Wichtigkeit, weil dadurch ein engerer Zusammenhang mit dem Süden und dem Reichsganzen [280] hergestellt und in dem Kurfürstencollegium das Laienelement gestärkt wurde. Mit Friedrich von Brandenburg bahnten sich nach der Aussöhnung von 1426 wieder bessere Beziehungen an, obgleich er dem Kaiser nicht mehr so nahe trat, wie er vordem gestanden hatte. Der Kurfürst nahm regen Antheil an den Reichssachen, aber ein umfassender, in die Tiefe gehender Plan einer Reichsreform ist bei ihm ebensowenig nachzuweisen, wie bei S. selbst. Im Norden erhielten sich so ziemlich die staatlichen Verhältnisse, wie sie zu Anfang des Jahrhunderts bestanden hatten. S. begünstigte in jeder Weise den Dänenkönig Erich von Pommern, dem er das Recht auf Schleswig zusprach, doch konnte es Erich dann den Holsteinern nicht entreißen. S. setzte auf Erich große Hoffnungen, die ihm nie erfüllt wurden. Die Bedeutung der Hanse für den Handel wußte er zu würdigen, ohne für sie etwas thun zu können. Dagegen war der deutsche Orden seit der Tannenberger Schlacht im entschiedenen Niedergange; wie er überhaupt keinen Freund besaß, hat auch S. ihn nur gegen Polen auszunützen gesucht und dadurch den Orden, dessen Hochmeister Paul von Rußdorf zudem wenig Geschick besaß, mehrfach in die schlimmsten Ungelegenheiten gebracht. Nach allen Seiten hin erlitt demnach Deutschland Schädigung und Beeinträchtigung, während Italien trotz aller Aufmerksamkeit, welche S. den dortigen Zuständen widmete, den letzten Rest der Abhängigkeit abstreifte.

Das Gesammtergebniß von Sigmund’s Regierung ist also kein günstiges, doch darf man nicht ihm persönlich die ganze Schuld zuschreiben. Am guten Willen hat es ihm wenigstens nicht gefehlt. Er übernahm Deutschland bereits in arger Verwirrung, unter Ruprecht hatte das Königthum so tief gestanden, wie nicht mehr seit dem Interregnum, und für S. war es schon deswegen viel schwerer, im Reiche einen starken Einfluß zu entfalten, als für seine Vorgänger, weil er dort gar keinen Besitz hatte und nur geringe Zeit seiner Regierung in Deutschland zubringen konnte. Da er von den Fürsten nicht viel erwartete, setzte er immer wieder seine Hoffnungen auf die Reichsstädte, doch wollte er sie nicht gegen die Fürsten zum Kampf aufreizen, wie man überhaupt seine Beziehungen zu ihnen nicht einseitig nach den Verhältnissen der früheren Jahrzehnte beurtheilen darf. Sein Ziel war nicht, im Reiche Unruhe zu erregen, sondern Frieden zu schaffen und dazu sollten ihm die Städte helfen. Erst als er erkannte, daß sie über ihre Kirchthurmpolitik nicht hinauszubringen waren und theilweise selber zu Ruhestörungen Anlaß gaben, hat er sich von ihnen abgewandt. Die unglückseligen Husitenkriege hat allerdings S. zum Theil veranlaßt, da er lange Zeit die Unterdrückung der Ketzerei durchsetzen wollte, was freilich leicht erklärlich ist, wenn man nicht moderne Anschauungen, sondern die jener Zeit als Maßstab nimmt; auch nur auf diesem Wege durfte er meinen, das Ansehen der Krone in Böhmen behaupten zu können. Widerwillig genug hat er sich dann zu einer anderen Auffassung der Dinge entschlossen. Für das Reich hatten diese Kämpfe wenigstens die eine gute Folge, daß sie den ganzen Jammer der Reichsverfassung vor Augen führten und die Nothwendigkeit einer Besserung mit schlagenden Gründen nahe legten, aber S. gelangte nicht darüber hinaus, Vorschläge zu machen, die jedoch meist nur die Oberfläche berührten. Man darf die Reichsreformbestrebungen unter seiner Herrschaft nicht allzu hoch anschlagen, denn gerade ihr bester Theil, die Einführung einer Reichssteuer, diente nur augenblicklichen Zwecken und kam auch so nur zum dürftigen Vollzug.

Doch war seine Regierung auch nicht ohne Verdienst. Es gab in ihr sogar einen Augenblick der Erhebung für die Deutschen, wie er ihnen seit längster Zeit nicht mehr zu Theil geworden war, die Anfänge des Konstanzer Concils. Wenn die Herstellung der kirchlichen Einheit auch nicht die Früchte trug, welche man von ihr erhofft hatte, war sie doch zur Befriedigung der ganzen Christenheit [281] wesentlich durch den deutschen Kaiser erreicht worden. Ebenso war es ihm zu verdanken, wenn die synodale Idee, in der unbestreitbar etwas großes lag, ins Leben treten konnte; daß die Basler sie in schädlicher Weise übertrieben, hat von all’ ihren Freunden keiner so klar erkannt und zu verhüten gesucht, wie der Kaiser. Daß Böhmen zu seiner Zeit nicht vom Reiche getrennt, sogar wieder mit ihm vereinigt wurde, war hauptsächlich seine Leistung, weil er die ungeheuere Gefahr, die in der Verbindung Böhmens mit dem übrigen Slaventhum lag, von Anfang an bekämpfte. Will man S. gerecht werden, muß seine Stellung als ungarischer König voll in Anschlag gebracht werden. Es mochte ja ein Fehler gewesen sein, daß man ihn wählte, aber von ihm war nicht zu verlangen, daß er sein Königthum in die Schanze schlug, daß er die Kräfte dieses Landes, die für dieses selber zusammengehalten werden mußten, nicht an Deutschland setzte; er würde darüber vielleicht beide verloren haben. Daß sein Hauptziel, die Bekämpfung der Türken, richtig erfaßt war, hat die Zukunft genugsam erwiesen. Aus der Verbindung des deutschen Kaiserthums, das unter ihm wieder universalen Charakter bekam, und des ungarischen Königthums, ergab sich seine ihm so oft vorgeworfene „Allerweltspolitik“, die, obgleich sie ihn zwang, sich mit Verhältnissen abzugeben, die für Deutschland allein nutzlos oder gar störend waren, doch von ihm mit großem Wurfe geführt und oft mit staunenswerth richtigem Blicke vertreten wurde.

Unzweifelhaft war S. ein genialer Mann, auch ausgezeichnet durch hervorragende Körperschönheit. Er hatte eine gute Bildung, wenn er sich auch mit eigentlicher Gelehrsamkeit nicht befaßt hat. Er beherrschte sieben Sprachen, überhaupt war er ein Meister der Rede. In großen Versammlungen wußte er alle ihre Register aufzuziehen, aber ebenso verstand er sich meisterhaft auf die einschmeichelnde Ueberzeugung im Zwiegespräch, auch das Witzwort war ihm im reichsten Maße eigen. Unermüdlich war seine Thätigkeit, unerschöpflich sein erfinderischer Kopf. Obgleich er, namentlich in jüngeren Jahren, sich Grausamkeiten zu Schulden kommen ließ, war er doch ein liebenswürdiger, leutseliger Charakter; gerade für die niederen Classen hatte er Herz und Verständniß, während er die Fürsten wenig liebte. Leider fehlte ihm der moralische Halt. Sein Lebenswandel gab, wie der seiner Gattin Barbara, noch im späten Alter argen Anstoß, seine Zuverlässigkeit war gering. Besonders schädigte sein Ansehen der unerhörte Leichtsinn, mit dem er Geldangelegenheiten behandelte und Geldmangel blieb der Fluch seiner Regierung von Anfang bis zu Ende.

S. fand einen Biographen in Eberhard Windecke, der das Leben seines Helden leider mit mehr Liebe, als mit Geschick und Zuverlässigkeit erzählte; sein Werk ist in mangelhafter Weise gedruckt bei Mencken, Scr. rer. germ. I, in hochdeutscher Ueberarbeitung herausgegeben von Dr. v. Hagen, in den Geschichtschreibern der deutschen Vorzeit, 1886. Die sonstigen erzählenden Quellen sind so verstreut, daß hier eine Uebersicht über sie zu geben unmöglich ist; für die deutsche Geschichte sei auf das bekannte Werk von Ottocar Lorenz und die Quellenkunde von Dahlmann-Waitz verwiesen. Ohnehin bilden den Hauptstoff für Sigmund’s Regierung die urkundlichen Aufzeichnungen mancherlei Art. Seine Regesten, allerdings sehr unvollständig, gibt Aschbach im Anhange der einzelnen Bände. Die auf die deutschen Reichstage bezüglichen Sachen sind von D. Kerler gesammelt in den Deutschen Reichstagsacten, Bd. VII, VIII, IX (bis 1431). Wichtig für Deutschland ist namentlich Frankfurts Reichscorrespondenz, herausgeg. von Janssen I. Die ungarischen Urkunden enthält Féjér, Cod. dipl. Hungariae; für die Beziehungen zu Polen ist von Bedeutung der Codex epistolaris Vitoldi, herausg. von Prochaska (Cracoviae 1882), dann der von Caro veröffentlichte Liber cancell. Stan. Ciolek im Archiv für österr. Geschichte XLV und LII. Für die Husitenkriege [282] vgl. Palacky, Doc. Joh. Hus; Urkundl. Beiträge 2 Bde., für das Konstanzer Concil v. d. Hardt, Magnum Concilium Constantiense, Caro im Archiv für österr. Geschichte LIX und Finke, Forschungen u. Quellen zur Geschichte des Konstanzer Concils (1889); für das Baseler: Martene und Durand, Coll. ampl. VIII. Aus der allgemeinen Litteratur sind hervorzuheben:

Aschbach, Geschichte Kaiser Sigmund’s, 4 Bde. – Lindner, Deutsche Geschichte unter den Habsburgern und Luxemburgern II. – Huber, Geschichte Oesterreichs II., der namentlich die ungarischen u. böhmischen Verhältnisse behandelt. – Droysen, Geschichte der preußischen Politik I. – v. Bezold, König Sigmund und die Reichskriege gegen die Husiten, 3 Bde., welche beide auch die Reichsgeschichte in die Darstellung ziehen. Geschichte einzelner Länder oder geschlossener Geschichtsgruppen: Hefele, Conciliengeschichte VI, VII. – Palacky, Geschichte von Böhmen III. – Grünhagen, Hussitenkämpfe der Schlesier. – Loserth, Hus und Wiclif; Der Kirchen- und Klostersturm der Husiten, in Zeitschr. für Geschichte und Politik 1888, vgl. auch Göttinger Gel. Anz. 1. Juni 1889 und Archiv für österr. Geschichte LXXV. – Haupt, Husitische Propaganda in Raumer’s histor. Taschenbuch 1888. – v. Bezold, Zur Geschichte des Husitenthums. – Lechler, Johannes Hus. – Tomek, Johann Zizka. – Schlesinger, Geschichte Böhmens. – Berger, Johannes Hus und König Sigmund. – Riezler, Geschichte Baierns III. – v. Stälin, Wirtembergische Geschichte III. – Stälin, Geschichte Württembergs. I. – Joh. Voigt, Geschichte Preußens. – Caro, Geschichte Polens III, IV. – Feßler, Geschichte von Ungarn bearb. von Klein II. – Dierauer, Geschichte der Schweiz.
Einzelschriften: Schroller (Diss. Breslau 1875), Kaufmann (Diss. Göttingen 1879), Ouidde (Diss. Göttingen 1881), Ueber die Wahl Sigmund’s. – Finke, König Sigmund’s reichsstädtische Politik von 1410–1418. – Dietz, Die politische Stellung der deutschen Städte (Diss. Gießen 1889). – Tumbült, Schwäbische Einigungsbestrebungen, 1426–1432 in Mittheil. Inst. österr. Geschichte X. – Heuer, Städtebundsbestrebungen unter Sigmund (Diss. Berlin 1887). – Weigel, Die Landfriedensverhandlungen u. s. w. (Diss. Halle 1884.) – Wendt, Der deutsche Reichstag unter König Sigmund, in Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte herausg. von Gierke XXX. – Schuster, Der Conflict zwischen König Sigmund und den Kurfürsten (Diss. Jena 1885). – Lindner, Der Binger Kurverein in Mittheil. Inst. österr. Geschichte XIV[1]; Das Kanzleiwesen Karl’s IV. und seiner Nachfolger; Die Vehme. – Lenz, Kaiser Sigismund und Heinrich V. von England. – Caro, Das Bündniß von Canterbury. – v. Lang, Geschichte Herzog Ludwig des Bärtigen von Baiern. – Kluckhohn, Herzog Wilhelm III. von Baiern, in Forschungen z. d. Geschichte II. – Kagelmacher, Filippo Maria Visconti und König Sigmund. – Fel. de Malla, El concilio de Constanza[2] (Gerona 1882). – Löher, Jacobaea von Baiern; König Sigmund und Herzog Philipp von Burgund, in Münchner hist. Jahrbuch 1866. – E. Brandenburg, König Sigmund und Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg. – Riedel, Zehn Jahre aus der Geschichte des preuß. Königshauses. – Horn, Lebensgesch. Friedrichs des Streitbaren. – Lewicki, Ein Blick in die Politik König Sigmund’s gegen Polen, im Archiv für österr. Geschichte LXXVIII u. a. m.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 282. Z. 18 v. u. l.: XIII statt XIV. [Bd. 36, S. 791]
  2. S. 282. Z. 13 v. u. l.: Franc. de Bofarull y Sans: Felipe de Malla y el concilio di Constanza. [Bd. 36, S. 792]