ADB:Ruprecht von der Pfalz (römisch-deutscher König)

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Artikel „Ruprecht III., Kurfürst von der Pfalz und deutscher König“ von August Thorbecke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 716–726, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ruprecht_von_der_Pfalz_(r%C3%B6misch-deutscher_K%C3%B6nig)&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 02:18 Uhr UTC)
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Ruprecht III., Kurfürst von der Pfalz und deutscher König, ist als Sohn Ruprecht’s II. und der Beatrix von Sicilien am 5. Mai 1352 zu Amberg geboren, am 12. Mai 1410 zu Oppenheim am Rhein gestorben. Am 6. Januar 1398 folgte er seinem Vater in der Regierung der Pfalz, zwei Jahre darauf wagte er es, getragen von der Zustimmung der Mehrzahl der Kurfürsten und anderer Reichsstände, sich gegen den unwürdigen und unfähigen Wenzel zum deutschen König erheben zu lassen und eine auch für größere Fähigkeiten und mächtigere Mittel, als er besaß, unlösbare Aufgabe muthig auf sich zu nehmen. Damals war er schon ein gereifter, durch viele Erfahrungen gegangener Mann; in der Schule seiner beiden Vorgänger in der Pfalzgrafschaft, der eigentlichen Begründer des Kurstaates, seines klugen Großoheims und seines energischen Vaters, war er herangewachsen, ohne daß uns von Einzelheiten seiner Jugend Kenntniß geblieben wäre. Frühzeitig hatten ihn diese in die Geschäfte der Politik und des Krieges eingeführt: seit Anfang der 70er Jahre hatte er an allen Ereignissen thätigen Antheil genommen, von 1378 an erscheint er neben Ruprecht I. und Ruprecht II. vielfach in wichtigen Urkunden, dadurch fast als Mitregent und jedenfalls als einstiger Nachfolger deutlich bezeichnet. Auf die stetige Ausdehnung seiner landesherrlichen Macht, auf die kluge Ausnützung der verwickelten und unerquicklichen Reichsverhältnisse war auch sein Streben gerichtet; auch er wollte dabei, wie der Vater, seinem Hause in der Stellung seiner Person entscheidenden Einfluß in Deutschland sichern und zugleich dahin wirken, daß das Reich der Unthätigkeit Wenzel’s und ihren üblen Folgen nicht allzu bedingungslos preisgegeben werde. Aber indem er in die Regierung eintrat, war es schon fraglich geworden, ob das möglich sein werde, wenn der König von Böhmen, der kein Gefühl von der Pflicht und Verantwortlichkeit seiner hohen Stellung besaß, die Würde des deutschen Königs noch weiter führte. [717] Gerade als Ruprecht II. (am 6. Januar 1398) starb, war Wenzel nach langer Zeit wieder einmal, die Pläne seiner Gegner zu kreuzen, im Reiche erschienen. So rücksichtslos die rheinischen Fürsten damals ihre Beschwerden gegen ihn auf dem Reichstage zu Frankfurt a. M. (December 1397) auch vorbrachten, so unbotmäßig der Ton selbst jener Zeit klang, in welchem ein Gutachten, das einem der pfälzischen Kurfürsten zugeschrieben wurde, den König von einer Zusammenkunft mit Karl VI. von Frankreich abzuhalten suchte, damit er sich nicht etwa darauf einlasse, das Schisma durch Absetzung beider Päpste erledigen zu wollen: es gelang Wenzel dennoch für den Augenblick, den immer mächtiger werdenden Unwillen der Fürsten zurückzudrängen und durch eine neue Landfriedensordnung (vom 6. Januar 1398), welche dann freilich von seinen Hauptgegnern willkürlich abgeschwächt wurde, an eine bei ihm neu erwachte Fürsorge für das Reich glauben zu machen; ja er durfte es sogar wagen, trotz der abmahnenden Gegenerklärung Ruprecht’s III. nach Rheims zu gehen und in seiner die Würde oft bloßstellenden Weise mit dem französischen Könige zu verhandeln. Als er aber in seine böhmische Heimath zurückgekehrt war und über der Uneinigkeit seiner selbstsüchtigen Verwandten alle Sorge um das Reich bald wieder vergessen wurde, waren auch rasch die Fäden wieder zerrissen, welche er zum Besten des Reiches im Westen angeknüpft haben mochte. Und nun brach der zurückgedämmte Widerstand um so stärker gegen ihn los und begann bald sich gegen ihn in bedenklicherer Weise zu kehren. Wenn es sich bisher nur darum gehandelt hatte, dem trägen Reichsoberhaupt einen Reichshauptmann, vielleicht auch einen Reichsverweser an die Seite zu setzen, so kam jetzt der Gedanke einer vollständigen Verdrängung, einer wirklichen Absetzung immer deutlicher zum Vorschein. Doch hat sich auch diese Wandlung nur langsam und in den persönlichen Verhältnissen nicht ganz durchsichtig für unser Einzelurtheil vollzogen.

Unter den Gegnern Wenzel’s standen R. III. und Johann von Mainz (s. A. D. B. XIV, 764–776) im Vordergrunde; von ihnen sind wohl alle Schritte ausgegangen, welche sich immer deutlicher gegen den König richteten. Wir können den Antheil, welchen jeder von ihnen an den kommenden Ereignissen nahm, im Einzelnen nicht genau unterscheiden, doch liegt nach der Natur der Persönlichkeiten der Gedanke nahe, daß R. wenn er auch von Ehrgeiz nicht frei war, doch mehr das Wohl des ganzen Reiches, als nur seinen persönlichen Vortheil im Auge hatte; jedenfalls wurden Beide in ihrem Vorgehen durch die Stellung, welche sie zur Kirchenfrage einnahmen, bestärkt: denn wie jetzt noch der Mainzer, der Bonifacius IX. seine Erhebung dankte, blieb auch R. fest auf der Seite des in Rom gewählten Papstes. Im J. 1398 hielten die Fürsten noch an sich; sie gaben Wenzel gewissermaßen Gelegenheit, seine Unfähigkeit und seinen Mangel an gutem Willen nochmals zu erweisen, und nutzten die Zeit, um sich Friedrich’s von Köln, der bisher alle Schritte gegen den König mitgemacht hatte, und damit Werner’s von Trier, der von jeher im Schlepptau des Kölners ging, für die Zukunft zu vergewissern. Im J. 1399 erfolgte dann offenere Verständigung; in den Abmachungen zu Boppard (April), in welchen sie sich zu gemeinsamem Handeln in allen Kirchen- und Reichssachen verpflichteten, wurde schon der Möglichkeit eines gewaltsamen Zusammenstoßes, wie einer Erledigung des Reiches gedacht. Auf dem Fürstentage zu Forchheim (7. und 8. Mai) fand sich bald günstige Gelegenheit, weitere Kreise zu gewinnen; am 2. Juni trat in Marburg auch Rudolf von Sachsen, der fünfte Kurfürst, dessen politische Absichten wir allerdings nicht klar zu erkennen vermögen, dem Bunde bei. Während Wenzel, der durch getreue Städte von den gegen ihn gesponnenen Umtrieben gehört hatte, sich zu entschlossenem Handeln nicht aufraffen konnte, griff die Verschwörung rasch um sich: die angesehensten Fürsten des Südens und [718] auch des Nordens – die Städte hielten sich fern – traten ihr bei. Auf den Tagen zu Frankfurt a. M. (Januar und Mai 1400), kam es dann zu ganz deutlichem Vorgehen. Bei der ersten Berathung, an welcher neben fünf Kurfürsten sieben Fürsten theilnahmen, wurde (1. Februar) in feierlicher Form beschlossen, „Gott zu Lobe, der heiligen Kirche und dem heiligen Reiche zu Ehren und Frommen und ihnen selbst und den gemeinen Landen zu Nutz und Trost“ einen anderen deutschen König zu wählen, und zugleich wurde einem Candidaten aus den anwesenden Fürstenhäusern von vorne herein Anerkennung und Unterstützung der Uebrigen zugesichert. Auf dem zweiten Tage, der noch zahlreicher von den Fürsten, auch von einigen Städten besucht, selbst vom Ausland beschickt war, kam es freilich zu einer Spaltung über die noch immer unentschiedene und auch schwierigste Frage, wer an Stelle Wenzel’s erhoben werden solle, indem am 2. Juni Rudolf von Sachsen und die braunschweigischen Herzöge Frankfurt plötzlich verließen und damit ein Zusammengehen mit den rheinischen Fürsten aufgaben; aber weder dieser Umstand, noch die Ermordung Friedrich’s von Braunschweig, welche am 5. Juni bei Fritzlar stattfand und, wenn auch ungerechter Weise, dem Kurfürsten von Mainz zugeschoben wurde, konnte die in Frankfurt Zurückbleibenden hindern, zu einem neuen Tage auf den 11. August nach Oberlahnstein einzuladen, damit dort, auch wenn der König, den sie in aller Form vorforderten, nicht erscheine, „das Reich bestellt werde“.

So war der Schritt, welcher die Entscheidung bringen mußte, gethan. Es war anzunehmen, daß Wenzel der ungesetzlichen Vorladung nicht Folge leiste; es war aber auch vorauszusehen, daß er den Entschluß zum Handeln jetzt ebenso wenig finden werde, wie früher. Keine Hand erhob sich, den König in seinem Rechte zu schützen. Ungehindert zogen die rheinischen Kurfürsten und ihre Anhänger nach Oberlahnstein, während der Norden, über den nie ganz aufgeklärten Mord Friedrich’s von Braunschweig, vielleicht des Mannes, den er zum König erheben wollte, erbittert, sich fern hielt; von größeren Reichsfürsten waren nur Stephan von Baiern und der Burggraf Friedrich von Nürnberg anwesend. Den äußeren Schein zu wahren, warteten die Versammelten einige Tage, ob Wenzel komme; sie scheuten sich dann nicht, sein Nichterscheinen als völliges Aufgeben seiner königlichen Stellung zu deuten. Unterdessen verständigten sie sich über seinen Nachfolger. Seitdem Sachsen und dessen Anhang sich abgewendet, war nur R. als möglicher Candidat zum Throne geblieben. Er erklärte sich zur Annahme des schweren Amtes bereit, in diesem Augenblicke wohl von der Hoffnung erfüllt, daß es ihm bei hingebender Unterstützung seiner Freunde gelingen könnte, der unendlichen Schwierigkeiten der Aufgabe Herr zu werden. Was er dabei (20. August) seinen Wählern geloben mußte, lag in den Verhältnissen, vor allem in den gegen Wenzel erhobenen Anklagen begründet. Es kann nicht erstaunen, daß er ihnen versprechen mußte, ihre Rechte zu bestätigen, ihr Wort auch in der Sorge um die Kirche zu hören, alle von Wenzel erlassenen Rheinzölle aufzuheben und ohne ihre Zustimmung neue nicht zu errichten; es war selbstverständlich, daß er seine Kraft daransetzen wollte, die dem Reich entfremdeten Gebiete, deren Verlust man Wenzel ganz besonders zum Vorwurf machte, zumal in Italien, zurückzugewinnen, und den Abfall anderer (wie Brabants) zu hindern. Der feierlichen Absetzung Wenzel’s stand nun nichts mehr im Wege: von Johann von Mainz wurde sie am Morgen des 20. August vor den Thoren von Lahnstein von einem zu diesem Zwecke aufgestellten Gerichtsstuhle aus, um welchen die anderen Kurfürsten saßen, in Gegenwart der erschienenen Fürsten, Grafen und Herren und einer großen Menge Volks ausgerufen und in einer verlesenen Urkunde eingehend begründet. Am nächsten Tage (21. August) setzten die Kurfürsten über den Rhein nach Rense und erwählten vom Königsstuhle [719] aus den Pfalzgrafen Ruprecht III. zum römischen Könige und künftigen Kaiser. Was geschehen war, konnte auch der damaligen Zeit, wenn sie es vorurtheilsfrei und vom Standpunkte des Rechtes aus erwog, nur als ein Bruch geleisteter Eide und als gesetzwidriges Handeln gelten. Doch haben die Zeitgenossen meist weniger scharf geurtheilt, als die unabhängig prüfende Nachwelt. Wenn diese milder gestimmt sein wollte, so dürfte diese Milde doch nur dann gerechtfertigt scheinen, wenn es dem erhobenen Fürsten gelungen wäre, bessere Zustände im Reiche zu schaffen und dem Königthum wieder zu dem nöthigen Ansehen im Innern und nach Außen zu helfen. R. III. ging auch mit gutem Willen und unverdrossenem Eifer an dieses Werk; aber war es überhaupt möglich, aus den herrschenden Mißständen im Reiche und in der Kirche herauszukommen, wenn er nicht an eine völlige Umformung aller Verhältnisse dachte; war es denkbar, daß er mit seinen beschränkten Mitteln eine der Würde, die er an sich genommen, entsprechende Stelle erkämpfen konnte?

Zunächst handelte es sich für ihn darum, die Zustimmung der übrigen Reichsstände zu gewinnen, seinen Gegner durch Vertrag oder Gewalt zu eingestandener Aufgabe seiner Würde zu bringen, das Ansehen des Reiches in Italien herzustellen. Gleichzeitig und in rastloser Thätigkeit nahm er die Lösung dieser Fragen, welche die Voraussetzung seiner Regierung bildeten, in Aussicht. Der Mangel an Energie in Wenzel’s Wesen, die verrätherische Selbstsucht und Uneinigkeit der nächsten Verwandten und der böhmischen Unterthanen des bisherigen Königs waren dabei seine hülfreichsten Bundesgenossen. Denn die Anerkennung im Reiche selbst kam langsam und zögernd, in einzelnen Theilen gar nicht zu Stande. Frankfurt a. M., auf die von R. nicht bestrittene Uebung bei einer Doppelwahl sich berufend, öffnete seine Thore erst (26. October), nachdem der Fürst 6 Wochen und 3 Tage vor ihnen gelagert hatte; Aachen schloß sie beharrlich und zwang so sich mit der Krönung in Köln (6. Januar 1401) zu begnügen. Doch hatte ihm damals schon fast der ganze Süden gehuldigt und auch die Städte Oberdeutschlands, welche größere Festigkeit in ihrer Treue als die Herren gezeigt, hatten sich in Ueberzahl in die Macht der Thatsachen gefügt, dagegen war der Anschluß im Norden nur spärlich, der im Osten noch so gut wie gar nicht erreicht worden. Auch die Unternehmungen gegen Wenzel hatten den erwünschten und einige Augenblicke sicher erwarteten Erfolg nicht ergeben; nachdem die großsprecherische Aufwallung der Rache bei dem König von Böhmen und seinen Blutsverwandten wieder verraucht war, hatte R. Verhandlungen, die erst zurückgewiesen wurden, als sie von freiwilligem Verzicht auf die Krone sprachen, dann auch unmittelbare Einmischung in die böhmischen Verhältnisse versucht, schließlich sich mit der Ueberzeugung, daß eine Gefahr ihm von dieser Seite zunächst nicht drohe, beruhigt. Seine Gedanken hatten sich schon ganz einem Römerzuge, von dessen Gelingen er sich eine besondere Rückwirkung auch auf die deutschen Verhältnisse mit Recht versprechen durfte, zugewendet.

Schon auf dem ersten Reichstage zu Nürnberg, den R. nach den Vorschriften der Goldenen Bulle bald nach seiner Krönung dort abhielt (Februar und März 1401), wurde die Ausführung des Zuges, der dem Reiche verlorenes Gebiet zurückbringen und ihm selbst die Kaiserkrone gewinnen sollte, in nahe Aussicht genommen, dann im Juni und Juli in Mainz in den Vordergrund der Berathungen gestellt und vor allem das nöthige Aufgebot an die Reichsstände erlassen. Mit erstaunlicher Rührigkeit suchte der König durch nach allen Seiten gehende Verhandlungen für seinen Plan zu wirken, ihn umsichtig vorzubereiten, sein Gelingen zu sichern. Schon bald nach seiner Erhebung hatte er (Ende 1400) Albrecht von Thanheim nach Oberitalien geschickt, daß er dort [720] seine Anerkennung betreibe. Alle Feinde Johann Galeazzo Visconti’s, des von Wenzel ernannten Herzogs von Mailand, hatten R. als rechtmäßigen Herrn begrüßt und sein baldiges Erscheinen zur Bekämpfung des gemeinsamen Gegners verlangt: besonders Franz von Carrara, die Städte Florenz und Venedig hatten ihre Unterstützung in Aussicht gestellt, wenn es auch nur sehr allmählich gelingen wollte, bestimmtere Zusicherungen von ihnen zu erlangen. Aber auch weitgehende Verbindungen, nach Arragonien, England, sogar nach Frankreich (die Letzteren freilich ohne Erfolg), sollten den gleichen Zwecken dienen; die Verlobung des Kurprinzen Ludwig mit Blanca, der Tochter Heinrich’s IV. von England, die 1401 geplant wurde, 1402 zur Heirath führte, schien mit der englischen Freundschaft auch eine reiche Mitgift in erwünschte Aussicht zu stellen. Als ein unmittelbar wirksamer Erfolg aber in dieser Richtung durfte es gelten, daß es R. gelang (am 2. Juli) einen Vertrag mit Leopold von Oesterreich zu schließen, der neben der Anerkennung dieses Fürsten, welche auch die seiner Brüder nach sich ziehen konnte, die Oeffnung der nöthigen Tiroler Pässe und militärische Hülfe, freilich gegen schwere Geldopfer, versprach. Um so schmerzlicher mußte es der König empfinden, daß Bonifacius IX., dessen treuer Bundesgenosse er immer gewesen war, aus der zuwartenden Haltung, die er seit dem Tage von Oberlahnstein beobachtete, noch nicht heraustrat, sondern in immer wieder erneuten Vorschlägen seine Anerkennungen von Bedingungen abhängig machte, die der König, ohne seiner Person und Würde etwas zu vergeben, nicht zusagen durfte. Indessen mochte dieser hoffen, durch die erwarteten Erfolge in Italien dem Zögern des Papstes ein rasches Ende zu machen. Diese rastlose, umfassende Thätigkeit Ruprecht’s stand freilich in wohlthuendem Gegensatze zu der schlaffen Gleichgültigkeit Wenzel’s, aber sie ließ auch mehr und mehr erkennen, daß die Herrschaft des Pfälzers auf schwachem Grunde ruhte, daß ihr der Rückhalt einer starken Hausmacht fehlte, daß vor allem seine finanziellen Kräfte nicht ausreichten, um den wachsenden Anforderungen zu genügen. So kam es, daß schon in Augsburg, wo seit Ende August das Reichsheer sich sammelte und R. am 8. September, dem verabredeten Termin, wieder eintraf, Geldverlegenheiten in bedenklicher Weise sich einstellten. Ein Heer, stattlicher und glänzender, als man seit langer Zeit in Deutschland es gesehen, war zusammengekommen; es zählte 15000 Berittene, aber die Mittel, es zu erhalten, fehlten. Der König hatte auf die versprochenen Hülfsgelder der Florentiner gerechnet; als die Gesandten endlich eintrafen, brachten sie zwar eine Anweisung auf 50000 Dukaten mit, aber zugleich die Erklärung, daß dieselbe zuerst auf italienischem Boden eingelöst werden würde. Eine Zeit lang schwankte jetzt R., was zu thun sei; in einem Kriegsrathe wurde schon die Frage ernstlich erwogen, ob es unter solchen Aussichten nicht räthlicher sei, den Zug lieber zu verschieben. Der König zog es schließlich vor, zu einem gefährlichen Auswege, an welchem die ganze Unternehmung scheitern konnte, zu greifen. Er entließ 5000 Reiter und wagte den Angriff auf den wohlgerüsteten Feind mit einem schwächeren Heere und, was noch schlimmer war, mit leerer Casse. Vor seinem Aufbruch hatte er noch für die Ruhe im Reiche und für seine Stellvertretung gesorgt: in einem am 9. September an die Reichsstände erlassenen Rundschreiben gebot er, während seiner Abwesenheit jeder Friedensstörung sich zu enthalten, und bedrohte denjenigen mit der Reichsacht, der einen Theilnehmer am Zuge während dessen Fernsein bedränge; zum Reichsvicar ernannte er (13. September) seinen Sohn Ludwig, den er bereits am 9. d. M. zu seinem Vertreter in der Pfalzgrafschaft eingesetzt hatte: das erste Beispiel, daß ein nicht regierender Prinz aus dem Hause der Pfälzer das Amt des Reichsvicars führte. Am 16. September endlich setzte sich das deutsche Heer in Bewegung; von Innsbruck aus richtete R. an Visconti [721] die Aufforderung, das dem Reiche entfremdete Gebiet heraus zu geben; ein Absagebrief an Ruprecht von Baiern, der sich die Bezeichnung als Eindringling gefallen lassen mußte, war die Antwort. Langsam rückte das Reichsheer vor, wo allein rasches und energisches Handeln den Sieg über den wohlgerüsteten Gegner erhoffen lassen konnte; nicht der deutsche König schien auszuziehen, dem das Reich zu seiner Romfahrt Erfolg zujauchzte; ein Führer von Söldnertruppen, der selbst kein Feldherr war und noch nicht wußte, wie er seine Soldaten bezahlen wollte, setzte sich in Bewegung; kostbare Wochen gingen so verloren, bis der Florentiner Pitti das versprochene Geld dem König eingehändigt hatte. Das Heer, das endlich am 14. October bei Trient stand, zählte mit den italienischen Hülfstruppen etwa 32000 Mann. Aber unterdessen hatte der Mailänder Zeit gehabt, die Wege über Verona und Brescia zu verlegen und beide Städte zu besetzen. Er verfügte über Geld, ein wohlausgebildetes Heer, treffliche, nach einem Plane handelnde Führer: Vorzüge, die einen glücklichen Ausgang des Krieges für ihn zu verbürgen schienen. Unter diesen Umständen blieb R. nichts übrig, als zu versuchen, ob er den Feind aus Brescia verdränge. Da er selbst die Leitung nicht übernehmen konnte, hatte er Franz von Carrara, einen tüchtigen und ihm durchaus ergebenen Feldherrn, zum Oberanführer bestimmt. Schon in den ersten kleinen Zusammenstößen waren die Deutschen, welche sich der Leitung des Italieners nicht fügen wollten, im Nachtheil; als er dann am 21. October zu einer größeren Entscheidung kam, ging durch die ungestüme Tapferkeit des Burggrafen von Nürnberg und die Gefangennahme Leopold’s von Oesterreich die Schlacht verloren, nur durch das muthige Eingreifen des jungen Carrara wurde größeres Unheil abgewendet. Aber, was fast noch schlimmer war, der sofort aus der Gefangenschaft wieder entlassene Leopold verließ, des Verraths beschuldigt, das Heer und gab das ansteckende Zeichen des Abfalls; die italienischen Truppen zogen sich nach Padua zurück, und R. wendete sich schon nach Trient, offenbar in der Absicht, den Heimweg anzutreten. Auf Bitten von Franz von Carrara und der Florentiner versuchte er dann nochmals ohne klare Erkenntniß seiner Lage sein Glück; er begab sich nach Padua, von da nach Venedig, aber die glänzenden Festlichkeiten, mit welchen der König sich feiern ließ, brachten keine Thaten, und die fast demüthigenden Verhandlungen, welche den Papst zur Kaiserkrönung bewegen sollten, hatten keinen Erfolg. Von neuem wandte sich R. zur Heimkehr, von neuem gelang es, und zwar diesmal den schlauen Venetianern, die ihn gegen Visconti auszunutzen gedachten, ihn zum Bleiben zu bewegen. Einen Augenblick glaubte sogar der König, der seit dem 29. Januar 1402 in Padua Winterquartiere bezogen hatte, von den beredten Versprechungen der Italiener getäuscht, an eine Wendung zum Besseren. Aber bald erkannte er das Verzweifelte seiner Lage und durchschaute die Unzuverlässigkeit seiner Bundesgenossen, wie die Gefahr, mit welcher die wachsende Macht des Mailänders schon die Möglichkeit eines ungehinderten Rückzugs bedrohte: am 13. April 1402 brach er darum von Padua auf und kehrte über Venedig, von wo allein noch der Weg für ihn frei war, nach Deutschland zurück. Er hatte die Romfahrt unternommen, um seine Stellung im Reiche fest zu begründen; der Ruhm, den er mit der Niederwerfung Visconti’s, den Wenzel erhoben, gewinnen, der Glanz, den er durch die Kaiserkrone, welche Wenzel nicht getragen, um sein Haupt legen wollte, hatten ihn nach Italien gelockt; er hatte keine Mühe, kein Opfer gescheut, seine unermüdliche Thätigkeit im Unterhandeln, die kostbaren Versprechungen und Verpfändungen hatten nur dies eine Ziel im Auge gehabt, – und nun kehrte er heim, wie ein Besiegter, ohne Heer, ohne Ruhm, ohne Krone, von zunehmenden Schulden bedrängt, so daß er schon sein Silbergeschirr und [722] seine Kleinodien einsetzen mußte, dem Spotte des Volkes preisgegeben, das ihn in seinen Liedern den „Goggelmann mit der leeren Tasche“ nannte.

Und im Reiche war in den Monaten seiner Abwesenheit die Lage keine bessere, theilweise eine mehr als bedenkliche geworden, dringend verlangte sie sein persönliches Erscheinen. Sein junger Sohn war nicht im Stande gewesen, das Amt des Reichsverwesers zur Geltung zu bringen. Dazu fehlte es ihm an Thatkraft und Erfahrung, dazu vor Allem an Geld, das freilich auch der Vater nicht schaffen konnte. Er hatte so nicht hindern können, daß gegen das Gebot des Königs der Landfrieden im Süden und Norden gebrochen wurde, daß trotz der angedrohten Reichsacht Ernst von Baiern über die Länder seines in Italien abwesenden Verwandten, des R. treu ergebenen Ludwig, herfiel, daß an verschiedenen Orten offen und heimlich Widerstand gegen seinen Vater sich entspann. Unter dem Eindruck der Nachrichten aus Italien hatten die Luxemburger die fast immer vermißte Einheit wieder gefunden und sofort auf neue Pläne gegen R. gedacht: Wenzel sollte, so war ihre Absicht, nach Italien ziehen und den schon geschwächten Gegner noch völlig zu Boden werfen. Die Kunde hiervon hatte vielleicht Ruprecht’s Rückkehr beschleunigt. Es war ihm auch rasch gelungen, Herzog Leopold von Oesterreich wieder zu versöhnen, die Eintracht seiner böhmischen Feinde zu stören, ihre für ihn so vortheilhafte Spaltung wieder herzustellen und so von dieser Seite zunächst jede Gefahr zu verscheuchen. Schwieriger sah es im Innern Deutschlands aus: allüberall Unbotmäßigkeit gegen die Reichsregierung, Gewaltthätigkeit und Selbsthülfe. An ein allgemeines Vorgehen aber zur Herstellung der Ordnung konnte R. bei der Unzulänglichkeit seiner Mittel nicht denken; er mußte sich begnügen, an einzelnen Orten in diesem Sinne zu wirken, und während seine Verbindungen mit Frankreich, die den Papst geschmeidiger machen sollten, und mit England, welche nach der Heirath des Kurprinzen (Juli 1402), die Zahlung vorsprochener Gelder zu erlangen suchten, wieder angeknüpft wurden, durch geschickte und vorsichtige Verhandlungen mit Städten und Fürsten, seltener durch Kampf das zu erreichen, was er bei seiner geringen Macht mit Gewalt nicht erzwingen konnte. Hier und da hatte seine Unermüdlichkeit wohl Erfolge zu verzeichnen, wie gegen den Markgrafen von Baden und das widerspenstige Rothenburg, im Süden (in Franken und in der Wetterau) gelang es ihm, neue Landfriedensordnungen aufzustellen und durchzuführen; zugleich war jetzt endlich Bonifacius IX. bereit (1. October 1403), die lange vorenthaltene Anerkennung auszusprechen und ihm zugleich zu einem neuen Römerzug, der nach dem Tode Visconti’s (3. September 1402) und dem raschen Zusammenbruch der mailändischen Macht wesentlich erleichtert schien, den zehnten Theil aller geistlichen Einkünfte in Deutschland zu bewilligen: aber gerade als sich der Stern des Königs zu heben schien, als er selbst an einzelnen Orten ernstlicher und mit Erfolg für die Ordnung im Reiche eintrat und sich z. B. nicht scheute, die Raubschlösser einiger Vasallen des Erzbischofs von Mainz zu brechen, erhob sich eine drohende Verbindung gegen ihn, in der, gleichsam eine Nemesis für seine eigene Erhebung, dieselben Waffen, die er einst gegen Wenzel geführt, nun gegen ihn selbst gewendet wurden.

Am 14. September schlossen die nächsten Nachbarn Ruprecht’s, der Erzbischof Johann von Mainz, sein ehemaliger Genosse gegen Wenzel, der schon längst seine eigenen Wege ging, Eberhard von Württemberg, Markgraf Bernhard von Baden, Straßburg und 17 schwäbische Städte, in Marbach auf fünf Jahre einen Bund, in welchem sie sich zu gegenseitigem Schutz gegen Jeden, der sie an Land, Leuten und Rechten zu schädigen suche, vereinten. Obgleich dabei jedes feindselige Wort gegen den König vermieden war, obgleich sie diesem sofort (16. September) von ihrer Einung Nachricht gaben, so schien es doch fast ein [723] spöttisches Wort, wenn sie die freundliche Gesinnung des Bundes zusicherten, falls R. seine Freiheiten achte und schütze; ihre Vereinigung war augenscheinlich nur gegen das von ihnen anerkannte Reichsoberhaupt gerichtet. Einzelne der verbundenen Fürsten und Städte hatten schon früher in ähnlichen Beziehungen zu einander gestanden, jetzt mochten verschiedene Motive sie dazu treiben, sich enger an einander zu schließen, jedenfalls waren dieselben nicht allgemeiner, sondern durchaus persönlicher Natur. Das Unbehagen, welches die an Eigenmächtigkeit gewohnten Reichsstände empfanden, wenn der König die Rechte des Reiches ihnen gegenüber energisch zu wahren suchte, wirkte bei den Einen, eine nicht ganz unberechtigte Unzufriedenheit mit der Hauspolitik des Pfälzers, die hier und da auch ihre Vortheile aus der königlichen Stelle zog, bei den Anderen. Jedenfalls erkannte R. sofort die Absicht des Bundes und die Gefahr, welche dem Ansehen und der Geltung des Reichsoberhauptes drohte. Er zögerte keinen Augenblick, dem gesetzwidrigen Vorgehen offen und entschieden entgegenzutreten. Nicht mit der Gewalt der Waffen, nur auf dem Wege der Unterhandlung konnte er das versuchen; vielleicht, daß es ihm gelang, die Gegner zu spalten oder durch festes Betonen der Reichsrechte sich Anhänger zu werben. Seine Antwort auf die ihm gewordene Anzeige war darum die Berufung eines Reichstages nach Mainz auf den 21. October, und als dieser resultatlos verlief, weil die Fürsten des Bundes nicht persönlich erschienen, lud er die Stände ebendahin auf den 6. Januar 1406 zu einer neuen Versammlung. Hier ließ er sich denn herbei, die Beschwerden, welche Johann von Mainz erhoben hatte, in förmlicher Weise zu widerlegen und ihnen eine Rechtfertigung seiner bisherigen Regierung gegenüberzustellen. Aber vergebens forderte er jetzt und auf einer Reihe von Vermittelungstagen, welche im Jahre 1406 versucht wurden, die Auflösung des Bundes als einer gesetzwidrigen Vereinigung, vergebens erbot er sich, die Sache einem Schiedsgerichte zur Entscheidung zu überlassen. Schon wagte es der Erzbischof von Mainz, seinem Könige einen Absagebrief zu überschicken, und ein Raubritter aus der Wetterau, den R. früher zur Strafe gezogen hatte, folgte dem gegebenen Beispiel. Als aber der Bund immer weitere Ausdehnung gewann und selbst Wenzel sich ihm zu nähern schien, gab der König nach und gestand im Vertrag zu Umstadt (December 1406) seinen Gegnern zu, „ohne sonderliche Erlaubniß Bündnisse und Einungen um Friedens willen unter einander zu machen, wie er selbst es vormals gethan“. Damit unterlag das Königthum, und die Selbstherrlichkeit der Stände triumphirte; der Marbacher Bund war nun gesetzlich geworden, und das immer bestrittene Recht der Einung hatte gewissermaßen von Reichswegen königliche Sanction erhalten. Seitdem war Ruprecht’s Regierungsthätigkeit wie gelähmt, wenn er auch unverzagt wie früher inmitten der wachsenden Opposition sein Königthum geltend zu machen fortfuhr und nicht an freiwilligen Rücktritt denken wollte; wenn auch seine Rührigkeit gewisse Erfolge zu verzeichnen hatte, wie er denn endlich (1407) die Krönung in Aachen erzwang und in Sachen des Landfriedens, der Judensteuer, des Münzwesens heilsame Regelung (wenigstens in einigen Gegenden) durchsetzte. Da, wo es sich darum handelte, in weiteren Kreisen den Rechten des Reiches Anerkennung zu schaffen, so als die Fürstenthümer Brabant und Limburg dem Reiche durch Wenzel’s Schuld verloren gingen, trat seine Ohnmacht nur zu deutlich zu Tage.

Immer bedrohter aber wurde seine Stellung, als diejenige Frage, welche die Zeit am meisten erregte, das Schisma, ihn zwang, gegenüber einem erneuten Versuche, die unselige Kirchenspaltung zu beseitigen, Partei zu nehmen. Rasch nach einander waren die römischen Päpste Bonifacius IX. und Innocenz VII. gestorben, am 21. November 1406 war ihnen Gregor XII. gefolgt; in Avignon [724] erklärte sich wie früher Benedict XIII. für das allein rechtmäßige Oberhaupt der Kirche. Aber mit immer größerem Nachdrucke und immer allgemeiner beherrschte die Gemüther die Ueberzeugung, daß, nachdem die wiederholt sich bietende Möglichkeit, das Schisma beizulegen, nicht genützt worden war, nur durch ein Concil die kirchliche Einheit wieder hergestellt werden könne. Immer lauter erhob sich in diesem Sinne die Stimme der Völker; Frankreich, ein Theil der Cardinäle, vor allem der römischen, traten dieser Meinung bei, und auf den Frühling 1409 wurde von ihnen eine Kirchenversammlung nach Pisa berufen. R. war in peinlicher Lage, denn er hatte sich schon seit Jahren um seine freie Entschließung in dieser Frage gebracht und sich im voraus die Hände gebunden. Indem er und die Fürsten bei seiner Erhebung gegen die Bestimmung der Goldenen Bulle den römischen Papst um die Bestätigung seiner Wahl ersuchten, hatten sie sich auch diesem, sobald er die erbetene Anerkennung aussprach, als dem allein rechtmäßigen Papste, verpflichtet. Schon in den Jahren 1407 und 1408 hatte R. auf den Reichstagen zu Nürnberg und Bacharach die Stände in seinem Sinne bearbeiten wollen; in Frankfurt, wo auch Gesandte Gregor’s und der verbündeten Cardinäle erschienen, kam es dann Januar 1409 zu den entscheidenden Entschlüssen: R., der, ebenso wie die Legaten, seine Gedanken entwickelte und durch seine Heidelberger Gelehrten weiter ausführen ließ, wollte weder seinen Papst aufgeben, so lange er nicht kanonisch abgesetzt sei, noch auf ihn wirken, daß er den vorgeschlagenen Weg zur Einheit betrete. Es entsprach ganz seinem offenen Wesen, daß er bald darauf auch in Pisa durch den Bischof Ulrich von Verden und den Heidelberger Theologen Konrad von Soest nur noch eindringlicher und rückhaltloser seine Ansichten wiederholen und auf das Ungesetzliche der Versammlung und die inneren Widersprüche ihrer Beschlüsse hinweisen ließ, um sich dann wenig an die derben und spöttischen Gegenerklärungen des Concils zu kehren. Diese Haltung des Königs mußte aber bei der entschiedenen Parteinahme Johann’s von Mainz und der Anhänger desselben für Pisa und der immer stärker werdenden Neigung der öffentlichen Meinung nach der gleichen Seite zu neuen und gefährlichen Parteiungen gegen R. führen. Das änderte sich auch nicht, als seine Voraussagung verwirklicht und mit der Wahl Alexander’s V. und dem Verbleiben der anderen Päpste die „Dreifaltigkeit“, von welcher er gesprochen hatte, zur Wahrheit wurde. Im Gegentheil, die Gefahren für R. nahmen zu: Wenzel wurde in Pisa als allein rechtmäßiger König in Deutschland anerkannt, und Johann von Mainz, der bereits zum Legaten des Concilpapstes berufen war, betrieb immer offener den Gedanken der Absetzung Ruprecht’s. Als sich aber der Erzbischof am 15. Januar 1410 in die raubritterliche Gesellschaft „Zum Luchse“, an deren Spitze die Mörder Friedrichs von Braunschweig standen, aufnehmen ließ und sogar in ein Vasallenverhältniß zu Frankreich trat, das dessen Einmischung in deutsche Verhältnisse zur Folge haben mußte, schien der Bürgerkrieg unvermeidlich. Denn R. war nicht gewillt, ohne Kampf, wie Wenzel, das Feld zu räumen, und zeigte trotz seines Alters eine erstaunliche Energie und die ruhige Entschlossenheit, die an ihm bekannt war. Es gelang ihm, nachdem er die Erneuerung des Marbacher Bundes gehindert hatte, am 4. März auf einer Zusammenkunft in Marburg die Herzöge von Braunschweig und den Landgrafen von Hessen auf seine Seite zu ziehen und auch auf dem Fürstentage zu Nürnberg im April Bundesgenossen seiner Kirchenpolitik in den fränkischen Bischöfen zu finden. Mit guter Aussicht kehrte er in seine pfälzischen Lande zurück: da überraschte ihn, noch bevor er seine Residenz Heidelberg erreichen konnte, auf seinem Schlosse Landskron bei Oppenheim am 18. Mai 1410 nach kurzer Krankheit, die ihm kaum Zeit ließ, sein Haus zu bestellen, der Tod. Sein Leichnam wurde nach Heidelberg übergeführt und dort in der Heiliggeistkirche [725] beigesetzt. Nachdem seine Gemahlin Elisabeth von Hohenzollern am 26. September 1411 gestorben war, wurde über der Ruhestätte beider ein Grabstein mit ihren Bildnissen errichtet, der sich allein von den zahlreichen Grabmälern der pfälzischen Kurfürsten aus der französischen Zerstörung von 1693 erhalten hat.

Für die Pfalz war Ruprecht’s Regierung erfolgreicher als für das Reich. Ganz im Geiste seiner beiden Vorgänger nützte er unablässig alle gebotenen Mittel, seine Lande zu vergrößern, ihnen auch durch bauliche und geistige Hebung seiner Residenzstadt besondern Glanz zu verleihen. Dabei schien es ihm erlaubt, da er so oft auf Kosten der Pfalzgrafschaft das Reich befriedigen mußte, hier und da eine Entschädigung dafür in wieder eingelösten und wieder zurückgebrachten Gütern des Reiches zu suchen. So erhielt das pfälzische Gebiet nicht unwesentlichen Zuwachs durch seine Regierung: gleich im Anfang derselben gelang es ihm bei dem ersten Angriff auf Wenzel, die Orte der Oberpfalz zurück zu gewinnen, die einst sein Großoheim an Karl IV. verpfändet hatte, später zwangen rückständige Schulden die Herzöge von Baiern, ihm auch den Nordgau in Versatz zu geben; durch Kauf erwarb er Altdorf bei Nürnberg und Lauda an der Tauber; die Wittwe seines ältesten Sohnes Ruprecht Pipan, Elisabeth von Spanheim, vermochte er, ihm den fünften Theil dieser Grafschaft zuzusichern, der auch wirklich 1416 nach ihrem Tode der Pfalz zufiel; von den Reichsgütern endlich brachte er solche in der Ortenau und am Rhein (wie Oppenheim, Nierstein, Ingelheim u. A.), indem er sie zunächst seinem Sohne Ludwig verpfändete, an sein Haus. Seiner Residenz Heidelberg gab er ein stattlicheres Aussehen durch den Umbau der Heiliggeistkirche, die er zu einem königlichen Stift erhob und mit reichen Pfründen begabte; die Burg über derselben hat er vielleicht durch Neubauten, deren Formen sich freilich nicht erhalten haben, erweitert; die erst vor kurzem auch in seinem Namen begründete Universität war ihm wie den beiden früheren Kurfürsten eine liebe Tochter, deren materielle Stellung er mit freigebiger Hand, gerade durch die Verbindung mit der Heiliggeistkirche, unabhängiger zu gestalten suchte, deren Rechten er sich in einem großen Aufruhr, in welchem Herren von Hof und Bürger der Stadt (1406) sie bedrohten, mit Eifer annahm, deren Schutz und Pflege er bei wiederholten Anlässen seinen Söhnen ans Herz legte. Ihre bedeutendsten Lehrer standen in seinem persönlichen Dienste und waren vielfach in hervorragender Weise auch in Reichsgeschäften thätig. Um so schmerzlicher mußte es die Hochschule empfinden, daß eines ihrer Glieder, der Mediciner Hermann Poll aus Wien, der zugleich kurfürstlicher Leibarzt war, kurz vor dem Zuge Ruprecht’s nach Italien auf Anstiften Visconti’s, wie man behauptete, einen Versuch, den König zu vergiften, machte. Die Universität strich seinen Namen aus ihren Büchern (3. Mai 1401) und fand nicht Worte genug, um ihrem Abscheu Ausdruck zu geben. Die letzte bedeutende Handlung, durch welche R. für sein Land sorgte, ist das erst nach seinem Tode geregelte Hausgesetz von 1410, in welchem er die Pfalz unter die vier Söhne, die ihm geblieben waren, theilte, und so den Gedanken der Untheilbarkeit, welchen die Constitution Ruprecht’s II. von 1395 im Auge hatte, wieder aufgab. – R. war mit Elisabeth, der Tochter des Burggrafen Friedrich V.[WS 1] von Nürnberg vermählt; aus dieser Ehe stammten 9 Kinder; die beiden ältesten Söhne, Ruprecht Pipan, der sich durch seine Theilnahme an den Türkenkriegen und an der unglücklichen Schlacht bei Nikopolis 1396 bekannt machte, und Friedrich, starben kinderlos vor dem Vater; der dritte Sohn, Ludwig, wurde sein Nachfolger; von den drei jüngeren wurde Johann ein Theil der Oberpfalz zugewiesen, während Stephan Simmern und Zweibrücken, Otto Mosbach erhielt; sie sind theilweise Stifter pfälzischer und bairischer Linien geworden. Der Vertrag von 1410, dessen nähere Regelung R. bei seinem raschen Tode sieben zuverlässigen Dienern überlassen [726] hatte, führte im einzelnen aus, welche Orte jedem Sohne zufallen sollten. Die drei Töchter Ruprecht’s endlich waren mit den Herzögen von Lothringen, Cleve und Oestreich vermählt worden.

Die Regierung Ruprecht’s ist keine glücklichere für Deutschland gewesen, als die seiner unmittelbaren Vorgänger und Nachfolger. In einer Zeit allgemeiner Auflösung durch einen Gewaltact, an welchem er selbst thätigen Antheil genommen, gegen den rechtmäßigen Herrn zur Krone berufen, war er nicht im Stande, der zahllosen Schwierigkeiten im Reiche Herr zu werden: Es ist ihm weder gelungen, die königliche Autorität zur Anerkennung zu bringen und feste Ordnungen, auch nur in einem Theile des Reiches, an die Stelle anarchischer Zustände zu setzen, noch war es ihm, eben durch die Schuld seiner Erhebung, möglich, in der Frage, welche die ganze Christenheit am tiefsten bewegte, eine richtige Entscheidung zu treffen. Dazu fehlte es ihm an klarer Erkenntniß der Lage, dazu vor allem an realer Macht; doch hebt ihn vor anderen, welche an seiner Stelle gestanden waren, daß er ein lebhaftes Gefühl für die Würde des Königs besaß und seine ganze Kraft für ihr Ansehen einsetzte, daß er trotz aller Mißerfolge unermüdlich thätig war, wo sein Vorgänger in stumpfes Nichtsthun versank, daß ein ehrlicher und gerechter Wille sein Thun durchdrang und belebte. Wer allein nach dem Erfolge seiner Regierung sieht, wird für ihn nur ein abschätziges Urtheil auf den Lippen haben; wer nach den Zielen und Motiven seines Handelns frägt und die Zeiten wägt, in die er gestellt war, wird ihm eine gewisse Anerkennung nicht versagen können.

Chmel, Regesta Ruperti regis.. Frankfurt 1834. – Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz, Bd. I, Heidelberg 1845. – Höfler, Ruprecht von der Pfalz, Freiburg 1861. – Lindner, Geschichte des deutschen Reichs unter König Wenzel, Bd. II, Braunschweig 1880. – Deutsche Reichstagsacten, Bd. III bis VI, Berlln 1877–88.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Friedrich IV.