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ADB:Johann II. (Erzbischof von Mainz)

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Artikel „Johann II., Erzbischof von Mainz“ von Karl Menzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 764–776, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_II._(Erzbischof_von_Mainz)&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 00:24 Uhr UTC)
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Johann II. *), Erzbischof von Mainz (1397–1419) ist der Sohn des Grafen Adolf von Nassau, Herrn zu Wiesbaden und Idstein und seiner Gemahlin Margaretha, Burggräfin von Nürnberg. Er erhielt aus unbekannten Gründen seine Erziehung zum Theil in Ungarn, wurde zum Geistlichen bestimmt und erscheint um das J. 1390 als Domherr zu Mainz. Da sich seinem Bestreben, hier die erzbischöfliche Würde zu erlangen, Schwierigkeiten entgegenstellten, suchte er sich wenige Tage nach dem Tode des Erzbischofs Konrad († 19. Octbr. 1396) durch ein Bündniß mit den Pfalzgrafen bei Rhein die Wege zu bahnen (24. Octbr. 1396). Aber die Domherren wollten den Erzbischof nicht zu häufig aus einem Grafenhause nehmen und wählten durch einen Compromiß am 17. Novbr. 1396 den Grafen Gottfried von Leiningen zum Erzbischof. Obwol dieser auch die Billigung des Königs Wenzel und dessen Fürsprache bei dem Papste Bonifacius IX. gewann, verzagte J. nicht. Er begab sich nach Rom und trug dem Papst vor, daß die Wahl Gottfrieds keineswegs den Wünschen des Klerus und der Laien des Erzstiftes entspreche, vielmehr [765] das Werk einer Partei sei, welche von dem König von Frankreich beeinflußt werde und sich zu dem Gegenpapst in Avignon, Benedict XIII. neige; er bat den Papst diese Wahl nicht zu beachten, sondern ihn zum Erzbischof von Mainz zu ernennen. Durch Briefe, welche aus der Heimath ankamen, suchte er nachzuweisen, daß diese That des Papstes dort allgemeine Freude und Zustimmung hervorrufen werde. Bonifacius, der ohnedies die Besetzung des wichtigen Erzstiftes gerne in seinen Händen hielt, ließ sich durch diese nicht ganz wahrheitsgetreue Darstellung und die gleichzeitige Fürbitte des Pfalzgrafen Ruprecht II. der ein entschiedener Anhänger des römischen Papstes im Reiche war, und nicht am letzten durch das Geld, das J. mitbrachte und weiter in Aussicht stellte, wirklich bewegen, am 24. Januar 1397 die Ernennung Johanns zum Erzbischof von Mainz auszusprechen. J. durfte aber erst im Juli die Stadt Rom verlassen, nachdem er die Gläubiger, welche die nothwendigen Geldsummen vorgestreckt hatten, vollständig befriedigt und dem Papste bindende Versprechungen bezüglich seiner Treue gegeben hatte. Ehe er über die Alpen zurückging, stattete er dem Herzog von Mailand, wie auch beim Eintritt in Italien einen Besuch ab und wurde von demselben auf das ehrenvollste empfangen. Wenn er freilich mit demselben über politische Dinge verhandeln wollte, erreichte er nichts – denn später zeigte sich J. als den heftigsten Gegner des Herzogs. In Mainz wurde J. ohne Schwierigkeiten als Erzbischof aufgenommen, obwol etliche Domherren noch widerspenstig waren und König Wenzel von neuem den Versuch machte, den Papst Bonifacius für Gottfried von Leiningen zu gewinnen. Der Papst ließ es bei den Gebotsbriefen für J. bewenden um so mehr, als die Grafen von Leiningen eine Gesandtschaft des Papstes, welche einen Kurfürstentag in Frankfurt besuchen wollte, wahrscheinlich aus Verdruß überfallen und gefangen und dadurch in Rom den Argwohn bestärkt hatten, daß Gottfrieds Partei in der That dem Gegenpapst in Avignon anhänge. Erzbischof J. wurde sofort der eifrigste Anhänger der kurfürstlichen Opposition gegen den König Wenzel. Die wichtigsten Beschwerden gegen denselben hatten die Kurfürsten schon im Mai 1397, also noch ohne J. bei einer Zusammenkunft in Frankfurt formulirt. Als der König Ende 1397 in Frankfurt zum Reichstage erschien, übergaben sie ihm dieselben schriftlich; sie klagten darin, daß er dem kirchlichen Schisma, das von Avignon ausgehe, kein Ende gemacht, daß er die Abtrennung wichtiger Gebietstheile vom Reiche nicht verhindert, daß er den Visconti als Herrn von Mailand anerkannt und zum Herzog erhoben, daß er seinen Freunden und Anhängern unbeschriebene, aber besiegelte Urkunden zur beliebigen Ausfüllung übergeben, daß er Recht und Frieden im Reiche nicht schirme, daß er in Böhmen Geistliche und andere unschuldige Personen ermordet habe. Die Kurfürsten mußten sich bei ruhigem und gewissenhaftem Nachdenken gestehen, daß sie an den Zuständen, die sie dem König vorwarfen, zum großen Theil selbst schuld seien, aber sie waren einmal entschlossen, Wenzel, der seit Jahren nicht mehr ins Reich gekommen war, vom Throne zu entfernen und einen aus ihrer Mitte – also den Pfalzgrafen zum römischen König zu erheben. Sie wollten einen König haben, der das Reich nicht in der Ferne und mit dem Rath unebenbürtiger Diener, sondern am Rhein unter ihrem Einfluß regiere, einen König, der ohne Schwanken an dem Papst in Rom festhalte und den Interessen der Fürsten und vor allem der Kurfürsten diene. Diesem Plane, welchen die Kurfürsten von der Pfalz und Mainz einträchtig und behutsam vorbereiteten, stellten sich freilich mancherlei Schwierigkeiten entgegen. Nach zehnjähriger Abwesenheit kam Wenzel wieder ins Reich und zeigte durch seine Thätigkeit, daß es ihm allerdings um Recht und Frieden zu thun sei. Zu Frankfurt, wo er eben die Klagen der Kurfürsten schriftlich erhalten, verkündete er am 6. Januar 1398 einen allgemeinen Landfrieden auf [766] 10 Jahre. Den rheinischen Kurfürsten, welche daran allerlei auszusetzen hatten, machte er sogleich verschiedene Concessionen. Auch erwies er allen Gefälligkeiten und Gnaden. Das Wichtigste war, daß er den Erzbischof J. anerkannte, und ihm die Regalien verlieh. Dem Pfalzgrafen Ruprecht III., der dem eben gestorbenen Vater in den Herrschaften und Ansprüchen folgte, ertheilte er schon am 18. Januar die Reichslehen. Die kluge Politik des Königs, der Tod des älteren Pfalzgrafen verhinderten die Fortschritte der Opposition. Die Kurfürsten von Mainz, Trier und der Pfalz hielten es einstweilen für besser, mit den rheinischen und wetterauischen Städten im Anschluß an den Frankfurter, doch mit den von ihnen beliebten Veränderungen, am 3. März 1398 einen Landfrieden auf fünf Jahre abzuschließen. Indessen ein Ausgleich war nicht mehr möglich. Mainz und Pfalz drängten bald wieder vorwärts. Wenzel erregte durch seine Zusammenkunft mit dem Könige von Frankreich, von welcher die Kurfürsten ernstlich abgerathen, deren Verdacht von neuem und hatte bald darauf zu Coblenz eine heftige Scene mit dem Pfalzgrafen, dem er vorwarf, daß er ihm nach der Krone trachte. Sobald Erzbischof J. die Domherren, welche den Grafen von Leiningen gewählt, für sich gewonnen hatte, und die Sache Gottfrieds dadurch völlig aussichtslos wurde, näherte sich ihm auch der Erzbischof von Köln, der den Leiningen unterstützt und seit Johanns Rückkehr aus Italien, sich ruhig verhalten hatte. So schlossen am 11. April 1399 Mainz, Köln und Pfalz zu Boppard einen Vertrag, daß sie künftig in allen Angelegenheiten der Kirche und des Reiches bei einander bleiben und einträchtig handeln, keinen Reichsvicar, der ohne ihr Vorwissen ernannt werde, anerkennen, keine Schmälerung des Reiches zugeben, namentlich die vom König dem Visconti verliehene Herzogswürde nicht bestätigen wollten. Nun galt es auch die übrigen Kurfürsten für entschiedenes Vorgehen zu gewinnen. Auf einem Tage zu Marburg trat der Kurfürst von Sachsen dem Bopparder Bündniß bei (2. Juni), etwas später (15. Septbr.) der Erzbischof Werner von Trier. Da sich unterdessen auch eine Anzahl hervorragender Fürsten, wie die Herzoge Stefan und Ludwig von Baiern, Landgraf Hermann von Hessen, die Markgrafen von Meißen, Burggraf Friedrich von Nürnberg mit den leitenden Kurfürsten verbündet hatten, hielten diese es an der Zeit, ihre Absichten deutlicher zu offenbaren. Am 19. Septbr. schlossen Mainz, Köln, Trier, Pfalz und Sachsen mit den genannten Fürsten einen Vertrag, daß sie denjenigen Fürsten, welchen die fünf Kurfürsten aus den Häusern von Baiern, Meißen, Hessen, der Burggrafen von Nürnberg und Würtemberg, wählen würden, als König anerkennen wollten. Noch wagten die leitenden Kurfürsten es nicht, den eigentlichen Candidaten zu nennen; sie wollten einstweilen die mächtigen Fürsten durch die Aussicht auf die Krone an sich fesseln und auf Bahnen führen, auf denen eine Umkehr nicht mehr möglich wäre. Der König, der von den häufigen Zusammenkünften hörte, hoffte anfangs noch immer durch Güte und Gnadenbezeugungen die ihm feindselige Stimmung beschwichtigen zu können. So bewilligte er dem Erzbischof von Mainz bedeutende Zolleinkünfte zu Höchst am Main und im Odenwald. Auch suchte er die Kurfürsten und Fürsten für eine Zusammenkunft zu gewinnen, auf der er sich persönlich wegen ihrer Beschwerden verantworten und mit ihnen verständigen könne. Es war vergeblich. Die Kurfürsten lehnten aus nichtigen Gründen ab und fuhren dagegen fort, eigene Tagfahrten zu halten; ja sie machten schon Versuche, die Städte und den Papst für ihr Vorhaben zu gewinnen. Aber weder hier noch dort hatten sie Erfolg. Die Städte lehnten jede Mitwirkung ab. Sie waren ohnedies dem König mehr zugethan als den Kurfürsten, die sie aus der Nähe kannten, aber viel zu ängstlich, als daß sie offene Farbe bekannt oder gar für den bedrohten König etwas gethan hätten. Sie ließen den Dingen unthätig [767] zusehend ihren Lauf. Der Papst, der wegen des Schismas vorsichtig sein mußte, gab eine nichtssagende hinhaltende Antwort, obwol das pfalzgräfliche Haus bisher seine Obedienz im Reiche am entschiedensten vertreten hatte. Ein weiteres Hinderniß erwuchs den Kurfürsten aus einem zufälligen unglücklichen Ereigniß. Auf dem Maitage zu Frankfurt (1400), bei dem Mainz, Köln, Pfalz und Sachsen persönlich und Räthe von Trier erschienen waren, traten zwar wieder angesehene Fürsten, wie die Herzöge von Braunschweig, Baiern, Sachsen, Jülich, Oesterreich dem kurfürstlichen Bunde bei, aber der Kurfürst von Sachsen, den man schon völlig gewonnen zu haben glaubte – Sachsen wurde nachträglich (1. Febr. 1400) noch den 5 Häusern zugefügt, aus denen der König genommen werden sollte – fiel wieder ab und entfernte sich mit mehreren nordischen Fürsten aus Frankfurt, wie es scheint, weil er die eigennützigen Absichten der rheinischen Kurfürsten erkannt, oder weil die Vorstellungen und Erbietungen Wenzels, welche seine Boten mit vielem Geschicke in Frankfurt vortrugen, Eindruck auf ihn gemacht hatten. Die zurückbleibenden Kurfürsten konnten deshalb nichts Entscheidendes vornehmen und mußten sich darauf beschränken, vergebliche Versuche bei den Städten zu machen und den König auf einen neuen Tag, auf 11. August nach Oberlahnstein vorzuladen. Sie erklärten aber ausdrücklich, daß sie, wenn der König nicht komme, alsbald einen andern König wählen und denselben mit aller Macht unterstützen wollten. Sie schickten auch an den König von Frankreich eine Gesandtschaft, welche ihm ihr Vorhaben mittheilen und ein Bündniß mit ihrem künftigen Könige zur Herstellung der kirchlichen Einheit vorschlagen sollte. Aus Verdruß über die kühle Antwort des Papstes waren sie also bereit von Rom abzuschwenken und dieselben Wege zu wandeln, welche sie dem König Wenzel vorwarfen. Nun geschah es, daß Kurfürst Rudolf von Sachsen auf der Heimkehr von Frankfurt in der Nähe von Fritzlar überfallen und gefangen, der Herzog Friedrich von Braunschweig sogar getödtet wurde. Da die That auf dem Gebiet und von Amtsleuten des Erzbischofs von Mainz verübt wurde, richtete sich der Verdacht sogleich gegen ihn, als den Urheber. Aber es ist nicht denkbar, daß der Erzbischof die Thäter – es waren der Graf Heinrich von Waldeck und die Ritter von Falkenberg und Hertingshausen – wirklich aufgestellt oder ermuntert habe; er mußte wissen, daß eine solche Anstiftung ihm und seiner Partei mehr Schaden als Nutzen bringen werde. Der Ueberfall und seine blutigen Folgen sind vielmehr den zahllosen Händeln und der wilden Fehdelust des deutschen Adels zuzuschreiben. Der Erzbischof gerieth freilich auf die Nachricht in die größte Bestürzung, denn er fühlte, daß der bloße Verdacht ein schweres Hinderniß seines Planes sein werde; er eilt nach Heidelberg um sich mit dem Pfalzgrafen zu bereden, er eilt nach Hessen, um die Freilassung der Gefangenen und möglichste Genugthuung zu betreiben und sich von den Uebelthätern selbst das Zeugniß ausstellen zu lassen, daß er an dem Vorfall völlig schuldlos sei. Nach allen Seiten wurden von der kurfürstlichen Partei die Fäden in Bewegung gesetzt, um die Unschuld Johanns darzuthun. Wie durfte auch an dem ersten Kurfürsten, an dem Erzkanzler des deutschen Reiches, der sich eben anschickte das strafende Urtheil über den König zu fällen, der Verdacht eines solchen Verbrechens haften? So nahte der Tag von Oberlahnstein. Die Kurfürsten von Mainz, Köln, Trier und von der Pfalz waren schon am 10. August am Platze. Es kamen außerdem viele der verbündeten Fürsten und Herrn und die Boten der Reichsstädte. Aber die norddeutschen Fürsten blieben aus, ohne Zweifel aus Abscheu über die That von Fritzlar, König Wenzel kam selbstverständlich weder persönlich, noch schickte er Boten. In den ersten Tagen gab es unter den Kurfürsten noch mancherlei zu berathen, zu richten und zu schlichten, um völlige Einheit auch in kleineren Fragen herzustellen. [768] Die Städteboten, die wieder um ihren Beitritt angegangen wurden, ließen sich diesmal weit entschiedener zu Gunsten Wenzels vernehmen. Trotzdem schritten die Kurfürsten zur Ausführung des lange geplanten Werkes. Nachdem der Pfalzgraf ihnen das Versprechen gegeben, daß er als König in Sachen der heiligen Kirche nach ihrem Rathe handeln, daß er die Erhebung des Visconti widerrufen, daß er die entfremdeten Reichslande, insbesondere Brabant zurückbringen, daß er alle neuen Zölle, welche Wenzel auf dem Rhein verliehen habe, abthun und keine neuen Zölle ohne der Kurfürsten Wissen dort mehr bewilligen und aufrichten und endlich die drei Erzstifter am Rhein getreulich handhaben, schützen und schirmen wolle: zogen die Kurfürsten am 20. August morgens aus der Stadt nach der Richtung von Braubach. J. von Mainz bestieg den Gerichtsstuhl, der hier auf einem freien, etwas erhöhten Platz aufgeschlagen war, und verkündete dem versammelten Volke mit lauter Stimme die Absetzung des Königs. Am folgenden Tage – einem Samstag – fuhren die Kurfürsten über den Rhein nach Rhense und wählten auf dem Königsstuhl den Pfalzgrafen zum römischen Könige. Das Ziel war erreicht, jetzt galt es, das neue Königthum zu Anerkennung und Ansehen zu bringen, vor allem aber der Welt den Beweis zu liefern, daß der von den Kurfürsten beherrschte rheinische König im Stande sei, das Recht und den Frieden zu schirmen und die Ehren und Güter des heiligen Reiches zu wahren. König Ruprecht fand in der nächsten Zeit ohne große Schwierigkeiten in den wichtigsten Theilen des Reiches Anerkennung und Gehorsam. Er zog am 26. Octbr. mit J. von Mainz in Frankfurt ein und wurde, da Aachen widerstand, am 6. Januar 1401 zu Köln gekrönt. Papst Bonifacius IX., an dem die Kurfürsten nach jener rasch vorübergehenden Schwankung fortan festhielten, entschloß sich aber erst nach einigen Jahren (1403) die erbetene Bestätigung auszusprechen. Erzbischof J. konnte sich seiner Erfolge nicht lange in Ruhe freuen. Zunächst hatte das Ereigniß von Fritzlar für ihn üble Folgen, da die Herzöge von Braunschweig, denen sich auch der Landgraf von Hessen anschloß, auf Vergeltung sannen. Vergeblich bemühte sich der König die Parteien zu vergleichen und zu versöhnen. Die Fehde in Hessen begann und der Erzbischof erbitterte seine Gegner noch besonders dadurch, daß er mit einem der Uebelthäter, dem Grafen von Waldeck, ein früheres Bündniß erneuerte und ihn als Helfer im Kriege annahm (24. Mai 1401). Diese Fehde war dem Erzbischof übrigens ein Vorwand, sich an dem Zuge, welchen der König nach Italien zur Herstellung der Rechte des Reiches unternahm, nicht zu betheiligen. Dies war der erste Schatten, der auf den Bund und die Freundschaft der beiden Gründer des rheinischen Königthums fiel. Sobald der König mit geschwächtem Ansehen und in ungeheurer Geldverlegenheit im April 1402 nach Deutschland zurückgekehrt war, gab er sich neue Mühe um die Beilegung des erbitterten Streites in Hessen. Am 3. Febr. 1403 fällte er zu Nürnberg einen rechtlichen Spruch, durch welchen den Hertingshausen und Falkenberg eine Buße auferlegt und die zahlreichen Streitpunkte zwischen Mainz, Hessen und Braunschweig und ihren Helfern zum Theil zu Ungunsten Johanns entschieden wurden. Darüber gerieth der Erzbischof in großen Zorn, der noch dadurch erhöht wurde, daß ihm der König auch in der Ausbeutung der Regalienrechte, namentlich der Geleits- und Judengelder entgegentrat. Er hielt das Alles für schnöden Undank des von ihm erhobenen Königs und sann auf Rache; er rief die Einmischung des Papstes an, er setzte sich sogar mit dem König Sigmund von Ungarn, dem Bruder des abgesetzten Wenzel in Verbindung. So leidenschaftlich, so gewissenlos und treulos war er, daß er nach der ersten Beleidigung, die der König seinem Selbstgefühl zufügte, sofort den Gedanken fassen konnte, die große Verschwörung von Oberlahnstein wieder rückgängig zu machen. Dazu gehörten aber [769] mehr Leute als J., und es war schwer, sie zu finden. Nur der Markgraf von Baden und der Graf von Würtemberg waren zur Bundesgenossenschaft bereit. Der Erzbischof von Köln lehnte nicht nur jede Theilnahme an einer neuen Reichsverschwörung entschieden ab, sondern eilte auch zu dem König, um ihm zu erklären, daß er Leib und Gut zu ihm setzen und ihn in allen Sachen unterstützen wolle. Als J. wahrnahm, daß er keinen Anklang finde und überdies einen neuen Krieg mit Hessen voraussah, fand er es für klüger, möglichst rasch einzulenken und sich mit dem König wieder zu verständigen. Dies geschah auf den Zusammenkünften zu Hemsbach und Weinheim an der Bergstraße (Juni 1403). J. mußte auf die Geleitsgelder, welche er zwischen Frankfurt und Mainz erhoben hatte, verzichten und die Urkunden, auf welche er sein Recht zur Erhebung von Judengeldern stützt, dem König zur Prüfung vorlegen. Bald darauf wurden auch die Zölle, welche zur Erhaltung des letzten Landfriedens zu Höchst und Castel aufgerichtet und nach dem Ausgange des Landfriedens im J. 1401 von J. mit königlicher Erlaubniß noch fort erhoben worden waren, durch eine Verfügung des Königs beseitigt. Der Erzbischof mußte dies Alles ruhig hinnehmen, da er von dem Landgrafen von Hessen, den Herzogen von Braunschweig und den Markgrafen von Meißen, die er wieder mehrfach gereizt hatte, von Neuem mit Krieg überzogen wurde. Obwol sich J. damals dem König durch seine Willebriefe häufig gefällig zeigte, ergriff doch dessen Schwiegersohn, Graf Adolf II. von Cleve, die Partei des Landgrafen – gewiß ein Zeichen für die Stimmung in Heidelberg. Es kostete dem Erzbischof gewaltige Mühe, sich der Menge seiner Gegner zu erwehren. In Hessen und im Eichsfeld, wo bedeutende mainzische Besitzungen lagen, wurde auf das Heftigste gekämpft. Welchen Haß und Ingrimm die Fürsten wider einander hegten, zeigen die Briefe, welche der Erzbischof und Markgraf Wilhelm von Meißen sich einander schrieben. Im März 1405 wurde die Fehde durch den Friedberger Vergleich und einen Landfrieden beendet. Aber der Erzbischof sollte keine Ruhe haben. König Ruprecht nahm sich in bester Absicht des Landfriedens an und zerstörte mit Hülfe der Städte etliche Raubnester in der Wetterau. Dabei ließ er das Schloß Hohenstein, welches ein mainzischer Amtmann erobert hatte, nicht in dessen Händen, sondern übergab es den Wünschen der Städte entsprechend denen von Gelnhausen zur Zerstörung. Um den Verkehr auf den Flüssen zu fördern, verlangte er von dem Erzbischof wiederum die Aufhebung des Zolles zu Höchst und die Niederlegung der dort aufgerichteten Befestigungen. Diese Maßregeln riefen bei dem Erzbischof heftigsten Groll und den Entschluß zu neuer Auflehnung hervor. Schon fand er zahlreiche Anhänger, weil König Ruprecht sich inzwischen selbst Feinde gemacht, insbesondere die Reichsstädte durch hohe Steuerforderungen verletzt hatte. Am 14. Sept. 1405 schloß J. mit Baden und Würtemberg, der Stadt Straßburg und 17 schwäbischen Reichsstädten dem Bund von Marbach, dem heiligen Reich zu Stärkung, Nutzen und Ehren und den gemeinen Landen zu Frieden und Gemach, wie es in der Urkunde heißt. Die eigentliche Absicht der Bündner aber war, sich gegenseitig zu unterstützen, falls der König sie an ihren Freiheiten, Rechten und Herrschaften schädigen und verkümmern wollte. Der König, welcher einen solchen Bund nicht dulden konnte und die drohende Gefahr recht wohl erkannte, suchte bei Zeiten entgegen zu treten und berief die Verbündeten zu einer Tagfahrt, bei der er ihre Beschwerden vernehmen und darauf antworten wollte. J., welcher anfangs ablehnte, mußte sich endlich fügen und kam am 6. Januar 1406 zu Mainz vor den König. Die wichtigsten Beschwerden, die er hier vorbrachte, betrafen die Reichskanzlei, die Judengelder, die Zerstörung der wetterauischen Schlösser, den Bau zu Höchst. Der König erwiderte, daß er in keiner Sache die Rechte des Erzbischofs verletzt habe und verlangte die Auflösung des ihm feindlichen [770] Marbacher Bundes. Man kam zu keiner Verständigung. Der Erzbischof hielt den Bund nicht nur aufrecht, sondern erweiterte ihn noch durch den Beitritt etlicher Städte. Der Ausbruch eines Krieges schien unvermeidlich. Da kam die Nachricht, daß König Wenzel ein böhmisches Heer gegen Baiern geschickt habe, um das Reich sich wieder zurück zu erobern. Angesichts dieser Gefahr hielt es Ruprecht für unbedingt nothwendig, sich mit dem Erzbischof um jeden Preis zu verständigen; er kam mit ihm in Marbach zusammen und gestattete den Marbacher Bund, nur mußte J. ihm am 28. Febr. 1407 versprechen, denselben über seine festgesetzte Dauer hinaus (bis 2. Februar 1411) nicht zu verlängern, ein Verzeichniß der Mitglieder zu überreichen und keine neuen mehr aufzunehmen, endlich künftig ohne des Königs Willen mit Niemanden mehr eine Einigung abzuschließen. Dagegen versprach auch der König, in Zukunft ohne des Erzbischofs Wissen weder mit Herren noch mit Städten ein Bündniß zu machen. An demselben Tage einigten sich beide, künftig Freundschaft mit einander zu halten und ihre Streitigkeiten durch den Erzbischof von Köln schlichten zu lassen. Die territorialen Irrungen namentlich wegen des Zolles und Baues zu Höchst wurden dann nach dem Willen Johanns erledigt. Der Erzbischof von Köln stiftete endlich noch Frieden zwischen dem König und dem Markgrafen von Baden. So ging die Gefahr für den König vorüber, freilich auf Kosten seines Ansehens. König Wenzel brachte auf die Dauer kein ausreichendes Heer auf die Beine und hatte mit seinem Versuche, den Nachfolger Bonifaz’ IX. gegen Ruprecht zu stimmen, ebenso wenig Erfolg. Gregor XII. bestätigte die im J. 1403 erfolgte Anerkennung Ruprechts. Nach dem Tage von Hemsbach blieben König und Erzbischof einige Zeit in leidlichem Einvernehmen; sie kamen häufig zusammen und arbeiteten gemeinsam für den öffentlichen Frieden und Verkehr. Aber zu einem aufrichtigen und dauernden Verhältniß konnte es nicht mehr kommen; die Kluft, welche die frühere Feindschaft zwischen ihnen aufgethan, war zu groß, keiner traute mehr dem andern. Der König suchte seine Partei durch neue Bündnisse zu stärken, um einen sicheren Rückhalt zu haben, der Erzbischof nahm trotz des Hemsbacher Versprechens neue Mitglieder in den Marbacher Bund auf. Dazu kam nun noch ein Zwiespalt in Sachen der Kirche. Aus den Anhängern der beiden Päpste, Gregors XII. und Benedicts XIII., hatte sich eine neue Partei gebildet, welche den französischen Plan wieder aufnehmend die Einheit und Reform der Kirche durch Beseitigung der beiden Päpste herbeiführen wollte. Sie schrieb zu diesem Zwecke auf den 25. März 1407 ein Concilium nach Pisa aus. Während nun König Ruprecht an Gregor XII. festhielt, fiel der Erzbischof von seiner bisherigen Politik ab und stellte sich aus Abneigung gegen Ruprecht und – wie es scheint – von Frankreich durch ein geheimes Bündniß gewonnen, auf die Seite der Cardinäle von Pisa. Auf dem Reichstage zu Frankfurt wollte Ruprecht einen Beschluß zu Gunsten Gregors XII. erzielen, aber J. trat entgegen und wußte die Mehrzahl der Stände, wenn auch nicht unmittelbar für Pisa, so doch für eine Politik des Zusehens und Abwartens zu bestimmen. Darüber gerieth Ruprechts Königthum von neuem in große Gefahr, denn die Pisaner Cardinäle schlossen sofort ein Bündniß mit König Wenzel und versprachen ihm ihre Unterstützung gegen „Ruprecht von Baiern“. Nachdem das Concil von Pisa die beiden Päpste abgesetzt, und einen neuen, Alexander V. gewählt hatte, neigten sich die deutschen Reichsstände in immer größerer Zahl den kühnen Pisanern zu. J. von Mainz, von Alexander V. zum Legaten im Reiche ernannt, übernahm die Führung und wußte durch Bündnisse mit den bedeutendsten Reichsfürsten den Anhang Gregors XII. und Ruprechts im Reiche mehr und mehr zu mindern. Die Absetzung Johanns und seiner Anhänger, welche Gregor XII. verfügte, blieb gänzlich wirkungslos, denn [771] alle Erzbischöfe und die meisten Bischöfe erklärten sich für Alexander V. Ruprecht mußte sehen, wie selbst befreundete und verwandte Fürsten, darunter die Schwiegersöhne, der Graf von Cleve und der Herzog von Lothringen, von ihm abfielen. Die bitterste Erfahrung aber blieb dem König erspart; es kam weder zu einem Waffengange noch sonst zu einer entscheidenden That. Ruprecht starb am 18. Mai 1410 noch vor dem Zusammenbruche seiner königlichen Herrschaft. Das rheinische Königthum, dessen Plan im J. 1396 zum erstenmal deutlicher hervortrat, war gründlich gescheitert und zumeist durch die Untreue und den Verrath desjenigen, der es mitgeschaffen. Jetzt standen die Kurfürsten wieder vor der Wahlfrage. Wen sollten sie wählen? Sollten sie nicht lieber zum Gehorsam Wenzels zurückkehren? Dafür war namentlich der Kurfürst von Sachsen. Aber J. war entschieden für eine Wahl und berief nach den Bestimmungen der goldenen Bulle seine Mitkurfürsten zum Wahltage nach Frankfurt auf den 1. Septbr. 1410. Anfangs beabsichtigten alle rheinischen Kurfürsten, obwol sie inzwischen in der Papstfrage wieder uneinig geworden, den König Sigmund von Ungarn zum römischen König zu erheben. Als dieser aber nicht, wie Mainz und Köln verlangten, sofort den Nachfolger Alexanders V., Johann XXIII., als rechtmäßigen Papst anerkennen wollte, fielen jene von ihm ab und verhandelten mit dem Markgrafen Jost von Mähren, der damals auch die Kur Brandenburg inne hatte. Aber Pfalz und Trier, welche an Gregor XII. hingen, und der Burggraf von Nürnberg, der von Sigmund mit der brandenburgischen Stimme betraut war, wählten am 20. Sept. 1410 Sigmund zum König. J. ließ sich dadurch nicht beirren und wählte, nachdem Jost von Mähren seine Bedingungen angenommen hatte, mit Köln und einem Machtboten Josts, als Kurfürsten von Brandenburg, den Markgrafen Jost. Jost dankte dem Erzbischof sogleich damit, daß er ihm alle Rechte und Freiheiten seines Erzstifts und die Zölle zu Mainz, Gernsheim, Ehrenfels, Oberlahnstein, Höchst und Aschaffenburg namentlich bestätigte. Er starb aber schon am 18. Januar 1411, und so wurde J. abermals zu einer wichtigen Entscheidung genöthigt. Der trotzige Mann konnte sich nicht sogleich entschließen, einfach zu König Sigmund überzugehen, sondern berief einen neuen Wahltermin und zwar in der Absicht, den alten Wenzel wieder zu wählen, der sich bereit erklärt hatte, eine neue Wahl anzuerkennen, also seinen bisherigen Standpunkt, daß er noch immer der einzig rechtmäßige römische König sei, aufzugeben. Erst als J. die Schwierigkeiten dieses Planes erkannte und seine Isolirung befürchtete, lenkte er ein und ließ sich zur Anerkennung Sigmunds bereit finden, aber erst nach einer Wahl, die am 21. Juli 1411 stattfand. Sigmund ertheilte darauf den Erzbischöfen von Mainz und Köln die briefliche Versicherung, daß er Johann XXIII. für einen rechten Papst halten, überhaupt alle Punkte und Artikel, welche früher Jost ihnen versprochen, erfüllen und ihnen sobald er gekrönt worden, die feierliche Urkunde darüber einhändigen werde. In den ersten Jahren Sigmunds war die Thätigkeit Johanns eine vorwiegend friedliche. Er bemühte sich, die vorsichtigen Reichsstädte zur Anerkennung des Königs zu bewegen und seine Beziehungen zu den Kurfürsten von Trier und der Pfalz, die durch die Kirchenfrage und den Wahlstreit sehr erschüttert waren, freundlicher zu gestalten. Dies gelang zum Theil mit Hülfe der gemeinsamen territorialen Interessen. Schon im August 1411 schloß er mit dem Pfalzgrafen Ludwig, dem Sohne Ruprechts, einen Burgfrieden zu Weinsberg und Hoheneck, ein Jahr darauf einen Vertrag in Zollsachen. Im Mai 1413 kamen alle rheinischen Kurfürsten zusammen und verabredeten Maßregeln wider die häufigen, meist von den Königen bewilligten, Zollbefreiungen. Weniger glücklich war J. mit den Städten; im J. 1412 gerieth er selbst mit seinen ehemaligen Marbacher Bundesgenossen, den [772] fränkischen und schwäbischen Städten in eine Fehde, die indessen bald durch den Pfalzgrafen Ludwig und andere Fürsten wieder beigelegt wurde. Aber schon das J. 1414 brachte neue Irrungen mit dem Pfalzgrafen. Nach dem Tode des Erzbischofs Friedrich von Köln (April 1414) wurde von einer Partei der Bischof von Paderborn, Wilhelm von Berg, von einer andern Graf Dietrich von Mörs zum Erzbischof gewählt. Während J. sich für letzteren erklärte, unterstützte der Pfalzgraf seinen Verwandten von Berg. Außerdem erregte der Pfalzgraf die Eifersucht Johanns in hohem Grade dadurch, daß er die Landvogtei im Elsaß, welche ihm der König mit nachträglicher Zustimmung Johanns im J. 1413 verpfändet hatte, zu einer Steigerung seines Einflusses bei den elsässischen Reichsstädten benützte. Und schon hatte J. auch Klagen über den König, der noch nicht ins Reich zur Krönung gekommen war, also auch jene Wahlversprechungen nicht wiederholt hatte, der die Städte sich zu verpflichten suchte, seine ersten Wähler, die Kurfürsten von Trier und der Pfalz, bevorzugte und durch verschiedene Handlungen den Verdacht erregte, daß er in seiner Anhänglichkeit an Johann XXIII. nicht fest sei. Deshalb suchte J. zur Wahrung seiner Interessen sich wieder eine Partei zu bilden und fand zunächst den Erwählten von Köln Dietrich von Mörs dazu bereit. Beide gelobten sich unverbrüchlich an Johann XXIII. festzuhalten und in Sachen der Kirche und des Reiches, namentlich bei Wahlen, einträchtig zu handeln. Sie erklärten ausdrücklich, daß ihr Bund nicht feindlich gegen den König gerichtet sein solle, sofern er sie bei ihren Rechten und Freiheiten belassen werde (17. Juni 1414 zu Rhense). Als der König endlich am Rhein erschien, traf J. mit ihm in Speier, Worms und Coblenz zusammen; aber es kam lange zu keiner Verständigung. Erst als bekannt wurde, daß der Papst Johann XXIII. den Dietrich von Mörs als Erzbischof bestätigt habe und dadurch Johanns Anhang an Sicherheit und Ansehen gewann, erkannte der König die Nothwendigkeit, sich mit dem Mainzer besser zu stellen. Er schloß am 29. Oct. 1414 ein Bündniß mit J. und gab ihm am 1. Novbr. die längstversprochene Urkunde, welche die Bestätigung aller Zölle, Geleite und anderer Rechte des Erzstiftes, namentlich der Gerichtsbarkeit in der Stadt Mainz enthielt und übertrug ihm sogar noch ein wichtiges Reichsamt, die Landvogtei in der Wetterau. Aber das gute Verhältniß kam nicht von Herzen und hatte nicht lange Bestand. Es war schon auffallend, daß J. nicht mit dem König nach Aachen zur Krönung zog, an der doch die übrigen rheinischen Kurfürsten Theil nahmen (8. Nov.). Als dann der König in Frankfurt gegenüber den Städteboten sich heftig über den dem Reiche und den Städten verderblichen Eigennutz beklagte und offen sein Bedauern aussprach, daß er dem Erzbischof von Mainz den Schutz der wetterauischen Städte übertragen habe – eine Rede, die in Mainz sofort bekannt werden mußte – war der Bruch wieder unvermeidlich. Freilich dem Rufe des Conciliums in Constanz, das Sigmund mit dem Papste Johann XXIII. zur Herstellung der Kircheneinheit verabredet hatte, konnte und wollte sich J. nicht entziehen. Er traf am 12. Jan. 1415 in Constanz ein, sobald er aber merkte, daß die Dinge in Constanz eine seinem Papste ungünstige Wendung nahmen – indem derselbe, um auch seine Gegner Benedict XIII. und Gregor XII. zum Rücktritt zu bewegen, zum bedingten Verzicht auf seine päpstliche Würde genöthigt wurde – verließ er im Unmuth wieder die Concilsstadt. Die Klage der Reichsstädte über seine eigennützige Politik, insbesondere der den Handel schwer drückenden Geleits- und Zollgelder, und die gute Aufnahme, welche sie beim König fanden, mögen nicht weniger auf seinen Entschluß gewirkt haben. Er sorgte dafür, daß über seine Gesinnung kein Zweifel obwalte. Durch seinen Stellvertreter, der in Constanz zurückblieb, ließ er erklären, daß er niemals einen andern Papst als Johann XXIII. [773] anerkennen werde. Die Haltung des ersten deutschen Kirchenfürsten wirkte jedenfalls auf Johann XXIII. ermuthigend. Er widerrief das ihm abgenöthigte Cessionsversprechen und entfloh am 20. März in Verkleidung aus Constanz. König Sigmund mußte die größte Klugheit und Entschiedenheit aufbieten, um nur das Concil noch beisammen zu halten und die Pläne Johanns XXIII. und seiner Anhänger zu vereiteln. Der Flucht des Papstes folgte rasch dessen Absetzung, Gefangennahme und Haft beim Pfalzgrafen Ludwig. Auch gegen J. ergriff der König Maßregeln; er entzog ihm am 26. März 1415 die Landvogtei in der Wetterau und übertrug sie dem Grafen Philipp zu Nassau und Saarbrücken; er gebot der Stadt Mainz, das Bündniß, das sie mit dem Erzbischof geschlossen, aufzusagen und sich mit dem Pfalzgrafen zu verbinden. Aber der Politik Sigmunds fehlte Festigkeit und zähe Ausdauer. Als er von Constanz aus eine Reise nach Spanien unternahm, um den Papst Benedict XIII. zum Verzicht zu bringen, kam ihm die Meinung, daß seine Bemühungen für die Einheit der Kirche mehr Erfolg hätten, wenn er mit den Kurfürsten, insbesondere dem ersten Kirchenfürsten des Reiches einig wäre. Auch glaubte er bei seinem wichtigen Vorhaben mit England einen Bund gegen Frankreich abzuschließen und bei den Folgen, die daran sich knüpfen mußten, dessen Zustimmung und Unterstützung nicht entbehren zu können. Er knüpfte also wieder Unterhandlungen mit J. an und schloß auf der Reise zu Aarburg mit ihm ein neues Bündniß (24. Juli 1415). Drei Wochen später erklärte der Erzbischof, daß er mit dem König versöhnt sei, die frühere Einigung mit ihm halten und nicht dulden wolle, daß ihn Jemand vom Reiche zu verdrängen suche. Die Stadt Mainz hatte die Kosten dieses jähen politischen Wechsels zu tragen. Am 10. Januar 1416 gebot ihr der König, das Bündniß mit dem Pfalzgrafen wieder aufzusagen und dem Erzbischof zu erfüllen, was sie nach Recht und Herkommen ihm und seinem Erzstift schuldig sei. Dem Erzbischof versprach er, ihm gegen Jedermann beizustehen, der seine Kirche schädigen und ihn aus dem Erzstifte verdrängen wolle. Der Erzbischof säumte nicht, die ihm günstige Lage auszunützen. Da sein Bündniß mit dem König auch die Aussöhnung mit dem Costnitzer Concil zur Folge hatte, so brachte er dort eine Klage gegen die Bürger von Mainz vor, weil sie durch Besteuerung seines Klerus und Verhinderung seiner Gerichtsbarkeit die Freiheiten seiner Kirche schwer bedränge, und veranlaßte ihre Vorladung. In dieser Gefahr wandte sich die Stadt an den Pfalzgrafen, der des Königs Stellvertreter in Constanz war, und bat ihn um seinen Schutz. Dadurch wurde das Verhältniß zwischen dem Erzbischof und denen von Mainz so gespannt und feindselig, daß der Ausbruch eines Krieges erwartet wurde. Der Erzbischof schloß zu seiner Sicherung wieder ein Bündniß mit den Markgrafen von Baden und streute Zwietracht in das pfalzgräfliche Haus, indem er zwei Brüder des Kurfürsten, die Pfalzgrafen Stefan und Otto auf seine Seite zog und zur Verpfändung etlicher pfälzischer Schlösser veranlaßte. Der König, dem diese Irrungen sehr unlieb waren, forderte das Concil auf, den Erzbischof vom Kriege zurückzuhalten. Auch dem Erzbischof von Trier, der Händel mit Frankfurt hatte, schrieb er einen tadelnden Brief, in dem er betonte, daß er im Reich keine Fehden dulden werde. Trotzdem blieb das Verhältniß Johanns zu dem König noch gut. Er vermittelte im Juni 1416 einen Vertrag zwischen Sigmund und seinem Bruder Wenzel, nachdem dieser, der bisher vergeblich die Hoffnung auf Erlangung der Kaiserwürde gehabt hatte, auf Lebenszeit wenigstens den Titel eines römischen Königs führen und im Besitze der Reichskleinodien bleiben sollte. Von dem Mainzer rührte es offenbar her, daß Sigmund seinem Bruder außerdem noch gestattete, die zu dem Herzogthum Luxemburg gehörige Landvogtei im Elsaß, welche an den Pfalzgrafen verpfändet war, wieder einzulösen. [774] Es sollte dadurch dem Pfalzgrafen ein Streich gespielt, ein Grund des Zerwürfnisses mit dem König geschaffen werden. Pfalzgraf Ludwig wurde durch die feindseligen Pläne des Erzbischofs so beunruhigt, daß er es für nöthig hielt, Constanz zu verlassen und in die Heimath zurück zu eilen. Er befürchtete sogar, daß J. mit dem Gedanken umgehe, den gefangenen Papst Johann durch Bestechung seiner Wächter aus der Haft zu befreien und dadurch neue Schwierigkeiten und Wirren zu schaffen. Aber der Erzbischof, der sich längst mit dem Concil ausgesöhnt hatte, dachte schwerlich an eine solche That; er fand sich indessen durch die umlaufenden Gerüchte doch veranlaßt, sich bei dem Concil durch ein Schreiben zu rechtfertigen. Die rheinische Geschichte hat unzählige Beispiele des raschesten Stimmungs- und Parteiwechsels der Kurfürsten. Sie schlugen sich und vertrugen sich auch wieder. So auch diesmal. Schon im August 1416 gelang es dem Erzbischof von Trier einen Ausgleich zwischen Mainz und Pfalz zu Stande zu bringen, namentlich über die dem Erzbischof verpfändeten pfälzischen Schlösser, die Zwistigkeiten Ludwigs mit seinem Bruder und den Streit Johanns mit der Stadt Mainz. Der Bischof von Worms beredete dann einen weiteren Waffenstillstand, bei dem ausdrücklich festgestellt wurde, daß die Vorladung der Stadt Mainz vor das Constanzer Concil in einer guten Freundschaft stehen und der Erzbischof inzwischen wider die Stadt in keiner Weise procediren solle. Diese Friedensbestrebungen und ihre guten Erfolge gingen zumeist aus der Einsicht hervor, daß die Kurfürsten besser thäten sich untereinander zu vertragen und ihre wichtigsten Interessen gemeinsam zu wahren. Schon regten sich wieder die Reichsstädte, durch Sigmunds Politik ermuntert, und planten Maßregeln zur Beschränkung der fürstlichen Macht und Willkür. Dies veranlaßte die rheinischen Kurfürsten am 23. Septbr. 1416 den Bund von Bingen zu schließen wider Alle, welche sie im Besitze ihrer Rechte und Privilegien schädigen wollten. Diese Vereinigung brauchte ihre Spitze noch nicht geradezu wider den König zu kehren, aber sie stand bereit, wenn er es unternehmen sollte, die Reichsstädte auf Kosten der fürstlichen Rechte und Ansprüche zu begünstigen. Der König hütete sich indessen wohl, es mit den Kurfürsten völlig zu verderben. Er bedurfte ihrer Hülfe zur Ausführung des Bündnisses von Canterbury, das er am 15. August 1416 mit England geschlossen. Diese Lage kam dem Erzbischof von Mainz, der als Vasall oder Verbündeter des Königs von Frankreich besonders zart und aufmerksam behandelt werden mußte, vortrefflich zu statten. Am 15. Januar 1417 übertrug ihm der König die Landvogtei in der Wetterau aufs Neue und zwar mit der Begründung, daß der Erzbischof ihm jüngst viele Dienste und guten Willen erwiesen habe – ohne Zweifel ist die Zustimmung zum englischen Bündniß damit gemeint. Nachdem der König von seiner langen Reise nach Constanz zurückgekehrt war, erschien auch J. wieder und empfing am 23. Februar die Reichslehen. Schon vorher hatte er alle Prälaten und Aebte seiner Diöcese ernstlich zum Besuche des Concils aufgefordert. Dabei gab er aber keineswegs die Gedanken und Ziele des Binger Bundes auf. Eine entschlossene Vereinigung der rheinischen Kurfürsten war zudem jetzt weniger schwierig, da der Pfalzgraf, bisher der entschiedenste Anhänger Sigmunds, Grund zur Unzufriedenheit hatte und durch neue Kundgebungen des Königs, der sich in Constanz wieder einmal heftige Beschwerden der Städte gegen die Kurfürsten vortragen ließ, auf die Wege der Opposition gedrängt wurde. Pfalz und Mainz wurden aus Gegnern jetzt eifrige Freunde und Bündner. Sie einigten sich über die früheren Irrungen; der Pfalzgraf versöhnte den Erzbischof mit Mainz (15. Juni 1417). Beide gingen dabei allerdings von anderen Gedanken aus. J. beschloß den Frieden unter mancherlei Zugeständnissen, weil er hoffte, die Bürgerschaft dadurch von [775] einem festen Anschluß an die übrigen Reichsstädte, welche auf ernstliche Maßregeln gegen die drückenden Rhein- und Mainzölle dachten, zurückhalten zu können. Der Pfalzgraf dagegen wollte den Erzbischof zur kräftigen Unterstützung seines Schwagers, des Königs von England, gegen Frankreich gewinnen und ihm durch jene Sühne die Hände frei machen. J. benutzte den Friedensstand indessen keineswegs zu kriegerischen Rüstungen, sondern zur Erweiterung des kurfürstlichen Bundes. Er hatte dabei trotz der günstigeren Lage mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Im August 1417 gewann er die Herzoge von Geldern und Berg, aber bei einer Zusammenkunft in Coblenz (December) fehlt wieder der Erzbischof Dietrich von Köln, der gerade mit Köln die heftigsten Irrungen hatte und vermuthlich über den Beitritt seines früheren Gegners, des Herzogs von Berg, verstimmt war. Bald machten sich auch die Gegenzüge des Königs bemerkbar, der über den Abfall des Pfalzgrafen höchst ungehalten und überhaupt über den Verlauf des Constanzer Concils und den Einfluß, welchen die romanischen Nationen da gewannen, in schlechter Stimmung war. Er suchte den Pfalzgrafen zunächst dadurch zu treffen, daß er Versuche machte, die zahlreichen Reichspfandschaften, welche in der letzten Zeit an die Pfalz gekommen waren, wieder einzulösen oder in andere Hände zu bringen. Die wichtige Stadt Seltz in Elsaß wollte er ihm sogar mit Gewalt entreißen lassen. Die Folge war, daß sich der Pfalzgraf noch mehr an die Kurfürsten anschloß und sie zu rücksichtslosester Feindschaft gegen den König zu drängen suchte. Aber er machte nun die betrübende Erfahrung, daß seine Bundesgenossen in hohem Grade schwach, unzuverlässig und treulos waren. Der Kölner konnte wegen seines Streites mit der Stadt sich um ferner gelegene Dinge nicht kümmern, der Trierer wurde bei seinem hohen Alter allmählich unbrauchbar und Johann von Mainz ließ in seinem Eifer mit einem Male bedeutend nach, und zwar, wie es scheint, aus folgenden Erwägungen. Der heftigste Streitpunkt zwischen dem König und dem Pfalzgrafen waren die Reichspfandschaften, die Sigmund diesem entziehen wollte. Nun hatte J. den wachsenden Besitz des pfälzischen Hauses, namentlich seine Stellung im Elsaß, von jeher mit schelem Auge angesehen. Sollte er jetzt dem Könige entgegentreten und die Ausführung seiner Absicht, die Schwächung der pfalzgräflichen Macht verhindern? Die Kurfürsten hatten sich zwar in der Vertheidigung ihrer Rechte und Freiheiten für solidarisch erklärt, allein zu einer ehrlichen Durchführung dieses Programms waren sie zu eigennützig, zu neidisch und treulos. Dazu kam noch, daß etliche Fürsten, die früher auf Seite des Erzbischofs standen, wie der Markgraf von Baden und die verwandten Grafen von Nassau, jetzt Anhänger des Königs waren und sich nicht übel dabei standen. Endlich that der schlaue Sigmund mancherlei, um den Erzbischof von Mainz, diesen alten Ränkeschmied, zufrieden zu stellen und vom Pfalzgrafen abzuziehen; er zeichnete die nassauischen Verwandten aus, er bestätigte ihm am 9. August 1418 die wetterauische Landvogtei auf Lebenszeit. So traten die Kurfürsten ihren Rückzug an, den sie vergeblich durch wiederholte Zusammenkünfte zu decken suchten. Im September waren Mainz, Trier und Pfalz in Bacherach, um kleinere Händel zu schlichten und sich über Maßregeln gegen die Stadt Köln zu berathen. Vom Kriege gegen Frankreich wurde es ganz still; der Pfalzgraf, der vergeblich drängte, entschuldigte sich in diesen Tagen bei seinem Schwager von England und empfahl ihm, zur Förderung seiner Interessen, dem Erzbischof von Mainz eine jährliche Pension zu bewilligen. Der König merkte den Niedergang der Opposition recht wohl und durfte es wagen, eine Maßregel zu ergreifen, welche die Kurfürsten bisher immer heftig erregt hatte; als er im Herbst 1418 nach Ungarn zog, ernannte er aus eigener Machtvollkommenheit den Markgrafen Friedrich von Brandenburg zum Reichsverweser. [776] Die Kurfürsten, welche früher behauptet, daß nur ihnen das Recht zustehe, einen Stellvertreter des Königs zu wählen, machten nicht nur keine Schwierigkeiten, sondern traten auch alsbald mit Friedrich in Verbindung. In Mainz fanden im Januar 1419 Verhandlungen statt, welche eine Versöhnung der Stadt Köln mit den rheinischen Kurfürsten herbeiführen sollten – aber vergeblich. Die Parteien wollten ihre Kräfte durchaus im blutigen Kampfe messen. In den folgenden Monaten schickten die Kurfürsten, mit Ausnahme des neugewählten Trierers, der Stadt ihre Fehdebriefe. J., dessen Lebenskraft allmählich sank, nahm an dem wilden Kriege, der nun ausbrach, keinen persönlichen Antheil; er ließ nur einen Haufen streitlustiger Diener und Vasallen wider die Reichsstadt los. Er erlebte noch die Sühne, welche Erzbischof Otto von Trier in mehreren Tagfahrten stiftete. Die Stadt mußte die lästige Verpfählung des Rheines und das Deutzer Bollwerk aufgeben, behielt aber das Recht, ihre Bürger nach Ermessen zu besteuern. Die hohe Weinsteuer, welche den Weinhandel und die Rheinzölle der Kurfürsten schwer schädigten, blieb also bestehen (1. September 1419). Bald darnach – am 23. September – starb J. zu Aschaffenburg und fand im Dome zu Mainz seine Ruhestätte. Die Stadt Frankfurt beeilte sich dem Könige, der gerade wider die Türken im Felde lag, die Todesnachricht mitzutheilen. Aus dem Dankschreiben vom 26. October sieht man, daß sie ihn nicht gleichgültig ließ, war er doch von einem eigennützigen, unruhigen und treulosen Reichsfürsten befreit. Doch ließ der König kein Wort des Grolles vernehmen; er nannte den Verblichenen im Kanzleistil den ehrwürdigen Erzbischof, seinen lieben Neffen und Kurfürsten und empfahl ihn der Gnade Gottes.[1]


[764] *) Zu Bd. XIV, S. 236.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 764. Am Schluß des Artikels Johann II., Erzbischof von Mainz sind nachzutragen: C. Höfler, Ruprecht von der Pfalz, genannt Clem, Römischer König. – J. Aschbach, Geschichte des Kaisers Sigismund. 1. u. 2. Bd. – E. Huckert, Die Politik der Stadt Mainz während der Regierungszeit des Erzbischofs Johann II. Leipzig 1877. – K. Menzel, Geschichte von Nassau von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. 1. Bd. Wiesbaden 1879. (Die ausführlichste Darstellung der Geschichte Johanns.) – Th. Lindner, Geschichte des deutschen Reiches unter König Wenzel. 2. Bd. Braunschweig 1880. – Wichtiges Actenmaterial in den deutschen Reichstagsacten, 2. und 3. Bd. (für die Zeit von 1396–1400), herausgeg. von J. Weizsäcker und 7. Bd. (1410–1419) herausgeg. von D. Kerler und bei Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, 1. Bd. (1376–1439). [Bd. 15, S. 796]