ADB:Koch, Karl
Schönlein’s wohlbegründeter Ruf zog. Mit Eifer ausgeführte botanische Excursionen, auch eine 1832 unternommene größere Reise nach der Schweiz legten den Grund zu seiner schon damals ganz ungewöhnlichen Pflanzenkenntniß. Nachdem K. 1833 zum Dr. med. und bald darauf auch auf Grund einer Arbeit „De phytochemia“, Jenae 1834, zum Dr. phil. promovirt worden, hielt er im Sommer 1834 seine ersten botanischen Vorlesungen als Privatdocent der Universität Jena. Schon um diese Zeit erfüllten ihn Pläne zu einer größeren wissenschaftlichen Reise nach den pontischen Gebirgen, für welche ihm von Seiten vieler wissenschaftlicher Männer und der sich dafür lebhaft interessirenden russischen Großfürstin Maria Paulowna fördernde Anregung zu Theil wurde. Nachdem K. durch den Tod seines Vaters die Mittel gewonnen, verließ er, kurz nach erfolgter Ernennung zum außerordentlichen Professor, am 5. Mai 1836 Jena. Er nahm längeren Aufenthalt in Berlin, woselbst er A. v. Humboldt’s wissenschaftlichen Rath einholte, versah sich in Petersburg mit Instrumenten und Waffen und erreichte Tiflis noch vor Einbruch des Winters, den er in dieser Stadt in regem Verkehr mit russischen Naturforschern und Notabilitäten verlebte. Die Fortsetzung seiner Reise im Mai des folgenden Jahres erlitt aber eine jähe Unterbrechung durch seine plötzliche Erkrankung am Fuße des Ararat, am Vorabend der beabsichtigten Besteigung desselben. K. mußte zurück. Unter vielen Beschwerden erreichte er wieder Tiflis, woselbst ihm der Fürst Suworoff liebevolle Pflege angedeihen ließ, und konnte im Frühjahr 1838 über Odessa und Petersburg nach Deutschland zurückkehren. Am 16. Mai 1838 langte er in Jena an. Hier nahm er bereits für den Sommer seine Vorlesungen wieder auf. Außer einer kleinen Bearbeitung seiner Reise nach dem kaukasischen Isthmus erschien eine botanische Monographie der Gattung Veronica und ein Jahr darauf eine floristische Abhandlung: „Das natürliche System des Pflanzenreichs, nachgewiesen an der Flora von Jena 1839“. Das Mißlingen seiner asiatischen Reise hatte K. nicht entmuthigt. Durch K. Ritter und A. v. Humboldt aufgemuntert, faßte er bald den Plan zu einer zweiten Reise nach dem Orient und verwirklichte sie auch, nachdem ihm durch Vermittlung der Akademie der Wissenschaften eine königliche Unterstützung zu Theil geworden. Am 16. Mai 1843 verließ K. Jena zum zweiten Male zu gleichem Zweck. Ueber Wien und Konstantinopel führte ihn sein Weg nach Trebisond, von wo aus er die Erforschung des armenischen Hochlandes unternahm. Dreimal überstieg er das mächtige, noch von keinem botanischen Forscher vor ihm besuchte Gebirge und wandte sich dann nach Kurdistan. Nach der russischen Grenze zurückgekehrt, verlebte K. das Weihnachtsfest 1843 in der Festung Alexandropol im Kaukasus. Von hier ging er Anfangs 1844 nach Tiflis, besuchte dann das kaspische Meer und drang von hier aus in die östlichen Theile des Kaukasus ein, überall zahlreiche Pflanzenschätze einheimsend. Nachdem er dann noch einmal den Kaukasus überstiegen, besuchte er die südliche Seite der Halbinsel Krim, um den dortigen Obst- und Weinbau kennen zu lernen und kehrte alsdann, über Odessa durch Bessarabien, einen Theil der Moldau und Galizien reisend, nach der Heimath zurück, woselbst er nach 1½jähriger Abwesenheit [396] am 30. October 1844 wohlbehalten in Jena anlangte. Hier setzte K., ohne sich eine längere Erholung zu gönnen, alsbald seine akademische Thätigkeit fort, neben welcher er mit emsigem Fleiße sich an die Ordnung seiner mitgebrachten Sammlungen machte, deren Doubletten das Berliner Herbarium erhielt. Zugleich beschäftigten ihn die Vorarbeiten für seinen 1846 erschienenen Reisebericht: „Wanderungen im Oriente, Reise längs der Donau nach Konstantinopel und nach Trebisond“, Weimar 1846. Im J. 1847 siedelte K. nach Berlin über und erhielt im Frühling 1849 die Stelle eines Adjunctes am kgl. botanischen Garten ebendaselbst, der damals unter Link’s Leitung florirte; nebenher hielt er botanische Vorlesungen an der Universität. In diese Zeit fällt der Beginn von Koch’s fruchtbringendster wissenschaftlicher Thätigkeit. Während er in vier aufeinander folgenden Jahrgängen der Zeitschrift Linnaea die botanischen Ergebnisse seiner großen Reise veröffentlichte unter dem Titel „Beiträge zu einer Flora des Orients, 1848–1851 (Linnaea XXI–XXIV), wandte er zugleich sein eifrigstes Studium den Holzgewächsen zu, für die er schon früh eine besondere Vorliebe gefaßt hatte, eine Vorliebe, welche der reiche und mannigfaltige Baumwuchs der kaukasischen Gebirgswelt noch ganz besonders genährt hatte. Dazu kam, daß seine vielfache Berührung mit Gärtnern und Männern der Praxis auf botanischem Gebiet, zu der ihm die 1849 erfolgte Berufung als Generalsecretär des Gartenbauvereins in den preußischen Staaten Gelegenheit gab, gerade diese Seite seiner wissenschaftlichen botanischen Ausbildung ganz besonders förderte. So war es denn K. nur erwünscht, als er im J. 1851 von Seiten der Direction der königl. Landesbaumschule in Sanssouci und Geltow bei Potsdam den Auftrag erhielt, eine richtige Nomenclatur für die dort cultivirten Gehölze herzustellen, um in weiterer Folge die Grundlagen einer wissenschaftlichen Dendrologie hierdurch zu gewinnen. K. setzte sich deshalb zunächst mit den größeren Baumschulen des In- und Auslandes in Verbindung, um vor Allem ein Verzeichniß alles dessen, was bereits an Gehölzen cultivirt wurde, zu haben, dehnte aber bald seine Untersuchung auf alle sonst existirenden, vielleicht zum Anbau im Freien geeigneten Gehölze aus und fertigte so ein Verzeichniß aller Holzpflanzen an, welche in ganz Europa, in Nordasien und in Nordamerika wild wachsen und beschrieben sind. So entstand der „Hortus dendrologicus“, dessen erstes Heft 1853 erschien und dessen zweites Heft bald nachfolgte. Wiewol der Eifer für die Förderung des geplanten Werkes seitens der Direction der königl. Landesbaumschule bald erkaltete, ließ K. seine einmal gefaßte und bereits begonnene Idee einer wissenschaftlichen Dendrologie nicht fallen. Gefördert wurde sie auch dadurch, daß im J. 1856 der Berliner botanische Garten erweitert und namentlich die Anlegung einer möglichst vollständigen Sammlung der bei uns im Freien aushaltenden Gehölze dabei ins Auge gefaßt wurde. Außerdem erhielt K. werthvolles Material für sein Werk durch die ihm mit großer Liberalität geöffneten Parks und Baumschulen in Muskau, Flottbeck bei Altona, Cassel, Helmstädt, Wörlitz, so daß er im J. 1863 glaubte, so weit zu sein, um die bereits angefertigten Monographien einzelner Familien und Geschlechter vervollständigen, zu einem Ganzen verarbeiten und dieses der Oeffentlichkeit übergeben zu können. Zuvor aber hielt K. es für nothwendig, auch die Anlagen und Baumschulen im Westen und Süden Deutschlands kennen zu lernen. Hierbei drängte sich ihm die Thatsache mehr und mehr auf, daß Bodenverhältnisse, Klima und namentlich langjährige Kultur einen ganz eminenten Einfluß auf die Formenbildung der Gehölze haben, daß häufig direct aus dem Vaterlande eingeführte Pflanzen schon im Verlaufe von zwei oder drei Jahrzehnten durch die Kultur ein abweichendes Ansehen erhalten, ganz abgesehen von den durch Kreuzung untereinander entstandenen Blendlingen. Dieser Formenwechsel unter den [397] Kulturgehölzen veranlaßte K. die Veröffentlichung seiner Dendrologie noch weiter hinauszuschieben und zuvor noch die außerdeutschen Baumschulen und Anlagen aufzusuchen, um das Verhalten der darin befindlichen Gehölze gegen die dortigen klimatischen Verhältnisse ebenfalls näher kennen zu lernen. Zu diesem Zwecke unternahm er wiederholt Reisen nach Belgien, den Niederlanden, Frankreich und England, welche ebenso sehr der Ausdehnung wie der Vertiefung seines Werkes zu gute kamen. Es erschien im J. 1869 der erste Band der „Dendrologie“, enthaltend die Polypetalen, 1872 die erste Abtheilung des zweiten Bandes mit den Mono- und Apetalen unter Ausschluß der Cupuliferen, und 1873 die zweite Abtheilung des zweiten Bandes, welche die Cupuliferen, Coniferen und Monocotylen umfaßt. Im Ganzen sind 1299 Arten in 290 Gattungen und 66 Familien ausführlich beschrieben. Den Artbegriff hat K. hierbei im weitesten Sinne genommen und unter diesem auch Blendlinge in dem Falle beschrieben, daß sich eine gewisse Constanz bei ihnen bemerklich machte. Hinsichtlich der Benennung ist er streng dem Prioritätsprincip gefolgt, dabei aber nicht über die Zeit Linné’s hinausgegangen. Auch Erläuterungen der Pflanzennamen sind gegeben und wo diese Personen entnommen sind, ist, soweit als möglich, eine kurze Biographie gegeben. Bei der Ableitung der aus fremden Sprachen entlehnten Namen haben die Berliner Sprachforscher Wetzstein und Roediger den Verfasser unterstützt. In der Ausdehnung der Familien ist K. Bentham und Hooker’s genera plantarum meist gefolgt, jedoch nicht ohne in einzelnen Fällen hinsichtlich ihrer Begrenzung eigene Ansichten zum Ausdruck gebracht zu haben. Ein übersichtliches Register erleichtert die Benutzung des Werkes auch als Nachschlagebuch. Die Abfassung der Dendrologie hatte sich K. zu einer Lebensaufgabe gestellt und seine sonstigen wissenschaftlichen Arbeiten, von denen die meisten in der bis 1872 von ihm redigirten Wochenschrift des Gartenbauvereins erschienen sind, stehen fast sämmtlich mit diesem Werke in größerem oder geringerem Zusammenhange. Dahin sind zu rechnen: „Die Weißdorn- und Mispel-Arten (Crataegus und Mespilus), insbesondere die des königlichen botanischen Gartens in Berlin und der königlichen Landesbaumschule bei Potsdam“, Berlin 1854, und das noch kurz vor seinem Tode verfaßte Werk: „Die Bäume und Sträucher des alten Griechenlands.“ Auch das „Leben des Fürsten Pückler-Muskau“ hat wenigstens mittelbar Beziehung zur Dendrologie. Wer aber einer Aufgabe, wie sie dieses Werk darstellt, gerecht werden will, muß sorgsamen Fleiß und viele Sachkenntniß mitbringen. Beides besaß K. Zu bedauern bleibt freilich, daß bei Aufstellung und Abgrenzung der Arten die wissenschaftliche Kritik nicht immer scharf genug geübt und auch die Diagnosen zuweilen nicht durchaus bestimmt und klar gefaßt sind. Indessen, wird auch die spätere Forschung bei erneuter Bearbeitung eines solchen Thema’s manche Verbesserung der Dendrologie anzustreben haben, so bleibt K. doch das Verdienst, an die Stelle der längst veralteten deutschen dendrologischen Werke, ein umfangreiches, neueres Werk gesetzt zu haben, das für alle folgenden ähnlichen Inhalts nothgedrungen die Grundlage geben muß. Koch’s Liebhaberei für Gartenkunst und praktische Botanik hat manches schöne Resultat gezeitigt. So verdankt ihr der 1853 zu Naumburg a./S. gegründete Verein für Pomologen und Obstzüchter sein Entstehen und auch die preußische Regierung zog Nutzen daraus, indem sie K. als Regierungscommissar zu fast allen großen internationalen Ausstellungen, so nach London, Paris, Petersburg, Gent, Brüssel, Namur, Amsterdam, Hamburg, Wien, Trient entsendete. Daß von jener Seite noch unmittelbar vor Koch’s Tode die Bewilligung zur Anlage eines dendrologischen Gartens, für dessen Zustandekommen er jahrelang sich bemüht hatte, erfolgte, ist ein dankenswerther Beweis pietätvoller [398] Rücksichtsnahme. K. starb ohne vorausgegangene längere Krankheit im Kreise der Seinigen zu Berlin, kurz vor Vollendung des 70. Lebensjahres.
Koch: Karl Heinrich Emil K., geb. auf dem Ettersberge bei Weimar am 6. Juni 1809, † zu Berlin als außerordentlicher Professor der Botanik am 25. Mai 1879. Unter recht glücklichen äußeren Verhältnissen und inmitten einer herrlichen Natur verlebte K. seine Kinder- und Jünglingsjahre und war schon als Schüler des Weimar’schen Gymnasiums ein eifriger Pflanzensammler, trotzdem die strenge, nur aufs Praktische gerichtete Natur des Vaters dergleichen Neigungen des Knaben zu unterdrücken suchte. Im Herbste 1829 bezog K., um Medicin zu studiren, die Universität Jena, die er zwei Jahre darauf mit Würzburg vertauschte, wohin ihn besonders- Biograph. Skizze Karl Koch’s, den Freunden gewidmet von Frau Therese Koch.