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ADB:Kortum, Carl Arnold (2. Artikel)

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Artikel „Kortum, Karl Arnold“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 728–730, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kortum,_Carl_Arnold_(2._Artikel)&oldid=- (Version vom 29. November 2024, 21:19 Uhr UTC)
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Band 16 (1882), S. 728–730 (Quelle).
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Kortum: Karl Arnold K. (nicht Kortüm)[WS 1], Dichter. Sein Geburtsort ist Mühlheim an der Ruhr, wo er am 5. Juli 1745 als der Sohn eines Apothekers geboren ward. Nachdem er auf dem Gymnasium zu Dortmund tüchtige Kenntnisse sich angeeignet hatte, bezog er 1763 die 1818 aufgehobene protestantische Universität Duisburg, studirte daselbst drei Jahre lang Medizin, ließ sich dann hier als praktischer Arzt nieder, siedelte aber als solcher 1770 nach Bochum über, wo er bis zu seinem Tode länger als ein halbes Jahrhundert lebte. Aber der Wirkungskreis in diesem kleinen Landstädtchen, das damals kaum 1500 (1875: 28562) Einwohner zählte, war klein und beschränkt und der geistig und körperlich rege junge Arzt in philisterhafte, einfach spießbürgerliche Verhältnisse hineingezwängt. Aus diesen Verhältnissen ist die „Jobsiade“ hervorgewachsen, dieses komische Heldengedicht, das in vielen Tausenden von Exemplaren verbreitet ist und an dessen grobkörnigem Humor sich mehr als drei Generationen erfreut haben. Denn das alte Bochum brachte noch Originale hervor; kernige, gesunde, zufriedene Menschen, die sich als Bürger eines Gemeinwesens fühlten, sich bestens vertrugen, dabei aber mit allerhand lustigen Streichen und Einfällen sich aufzogen. Und von diesem gesunden Sinn, dieser biedern Derbheit und urwüchsigen Originalität, vor Allem aber von dem grobkörnigen Humor des alten Bochum trägt die Jobsiade auch gar manchen Zug. Unter rastloser Thätigkeit als Arzt und Schriftsteller verlebte K. in diesem Städtchen seine Tage, umringt von Kindern, Enkeln und Urenkeln. Im J. 1816 erhielt er den Titel „Königl. Hofrath“ und 1820 feierte er die Erinnerung an seine fünfzigjährige ärztliche Wirksamkeit in Bochum. Aber was seinen Ruhm begründet hatte und in gesunden Tagen sein Glück gewesen war, seine Ader zu Witz und Humor, wurde ihm in den letzten Jahren seines Lebens zum Fluche. Er war ein strebsamer, tüchtiger Student gewesen und als junger Arzt gesucht und berühmt, er hatte sich zeitlebens bemüht, auf der Höhe seiner Wissenschaft zu bleiben, aber die Arzneikunde war gegen Ende des vorigen und namentlich im ersten Viertel dieses Jahrhunderts mit Riesenschritten vorwärts gegangen und ehe er es sich versah, war er zurückgeblieben und wurde von jüngeren Kräften überflügelt. Der immer sichtlicher hervortretende Mangel an Vertrauen zu seiner Geschicklichkeit kränkte und erbitterte ihn und untergrub seine Berufsthätigkeit und Heiterkeit und aus dem Jüngling, der sich über Alles lustig machte, war ein Greis geworden, der sich über Alles ärgerte, was ihn mürrisch und verschlossen machte. Und in dieser Gemüthsverfassung, gebeugt von der Last seiner Jahre, lebensmüde und verbittert starb er am 15. August [729] 1824. Seine fruchtbare schriftstellerische Thätigkeit begann K. schon früh und er schrieb über die verschiedensten heterogensten Materien: Medicin, Pädagogik, Jurisprudenz, Naturkunde, Geschichte und Alterthumswissenschaft, Landwirthschaft, Technologie, Illustrationskunde etc. Die meisten Arbeiten fallen in die Zeit von 1775 bis 1790, sind aber bis auf die Jobsiade so ziemlich alle der Vergessenheit anheimgefallen und wir verweisen in dieser Beziehung auf die unten bezeichneten Quellen. Aber den Ruhm und die Unsterblichkeit seines Namens hat K. auf einem Gebiete errungen, wo er sie selbst wohl nicht erwartet hatte, auf dem Gebiete der Poesie, der komischen Muse. Wie nach seiner Naturanlage zu erwarten stand, fallen in dieses Gebiet auch seine ersten schriftstellerischen Versuche, die er in den zu Wesel erscheinenden Zeitschriften „Der Gemeinnützige“ und „Die Niederrheinischen Unterhaltungen“ veröffentlichte. Weitere poetische Erzeugnisse, welche allerdings erst nach der Jobsiade erschienen, sind „Adam’s Hochzeitsfeier“, 1788 und „Elisabeth Schlunz, ein Anhängsel zur Jobsiade“, 1819. Keins dieser Geisteskinder hat jedoch den Verfasser überlebt und nur ein einziges sichert dem fruchtbaren Schriftsteller für immer einen Namen in der deutschen Litteratur, die altberühmte „Jobsiade“ oder, wie der Titel der ersten Ausgabe lautete: „Leben, Meinungen und Thaten | Von Hieronimus Jobs, dem Candidaten, | Und wie er sich weiland viel Ruhm erwarb, | Auch endlich als Nachtwächter in Sulzburg starb …“ Aus Sulzburg wurde in den späteren Ausgaben „Schildburg“, wie der Verfasser auch allen drei Theilen den Gesammttitel gab: „Die Jobsiade, ein komisches Heldengedicht in drei Theilen“ und in dieser Gestalt erschienen sie 1799 zu Dortmund, die dritte Auflage besorgte K. 1806 und von der vierten, 1824, hatte er noch die Revision des ersten Theiles selbst vorgenommen. Neben diesen rechtmäßigen Ausgaben erschienen aber auch zu Lebzeiten des Verfassers eine Menge von Nachdrucken, die 8. Auflage besorgte Brockhaus zu Leipzig 1857. Der erste Theil war 1784 anonym in Münster und Hamm durch Phil. Perrenon verlegt worden. Was aber das Gedicht selbst betrifft, so darf es als das eigentliche und einzige komische Heldengedicht der neueren deutschen Litteratur bezeichnet werden und findet noch immer und mit vollem Rechte großen Beifall. Denn wenn sich die Dichtung auch nur im niedrigsten Grade des Niedrigkomischen bewegt, so hat auch dieses seine volle Berechtigung, wenn der Dichter es nur wie K. mit vollem Bewußtsein beherrscht und durchführt. Wie der bei weitem beste erste Theil ist doch auch die Fortsetzung reich an glücklichen Einzelheiten, wenn auch keine dem in seiner Art klassischen Examen oder dem eben so trefflichen Briefe des Candidaten Jobs gleichkommt. Nicht zum geringsten Theile verdankte der Verfasser die große Wirkung dem gewählten Vermaße und der Illustration der einzelnen Scenen durch die allerklotzigsten und unbeholfensten Bilder. Die drollige Willkür, mit welcher er seine seitdem oft, „jedoch selten mit Glück nachgeahmten Knittelverse allen rhythmischen Gesetzen zum Hohn handhabt, der glückliche Griff, mit welchem er häufig durch die Wahl eines verkehrten Casus oder einer falschen Form dem ausgedrückten Gedanken einen komischen Beigeschmack giebt und ihn so gleichsam zur erheiternden Caricatur umwandelt, das Alles verleiht den mitten aus dem Leben gegriffenen und lebenswarm dargestellten Vorgängen außer dem inhaltlichen Interesse, auch noch den packenden Witz der originellen Form. Ein Pendant zu dem gewählten Versmaße bilden die Illustrationen. Eine Jobsiade, auf Velinpapier gedruckt und mit feinen Holzschnitten versehen, wäre gar keine rechte Jobsiade mehr, sie verlöre viel von ihrer Wirkung und ihrem eigenthümlichen Reize. Die Bilder, die der Verfasser selbst entworfen und die kleinen inschriftslosen Bildchen sind nichts anderes als Clichés von damaligen rohen Spielkarten. Mag zum Schlusse der gelehrte, ideale Aesthetiker die Jobsiade [730] kritisiren, weil ihr derber Witz nicht salonfähig ist, mag der Moralist mit Recht Manches daran auszusetzen haben: die Jobsiade ist ein Volksbuch geworden und ein versifizirtes Lesebuch, in dem man Alles finden kann, und jedes Volk würde auf ein so reiches Produkt der Komik stolz sein; hat doch der Candidat Jobs, der unter allgemeinem Schütteln des Kopfes von dem gelahrten Consistorio in Schwaben examinirt wurde, selbst in Amerika vor der Yankee-Kritik sein Examen ruhmvoll bestanden: in amerikanisch-englischen Knittelversen erschien er als „The life, opinions, actions and fate | Of Hieronimus Jobs, the candidate …“ Ferner hat das Buch der Malerei Stoff zu mancher bedeutenden Kunstleistung gegeben; es sei hier nur an die drei großen Oelgemälde des Meisters Hasenclever erinnert: „Jobs im Examen“, „Jobs als Schulmeister“ und „Jobs als Nachtwächter“, die sich zur Zeit (1880) sämmtlich unter Nr. 33, 34 und 35 in der Gemäldegallerie des Herrn Ravené zu Berlin befinden; vgl. hierzu: Ueber den Dichter des deutschen Philisters und Joh. Peter Hasenclever, den Apelles des Philisters, in der Zeitschrift Gartenlaube 1868, 91–92. Ueber die richtige Schreibung des Namens „Kortum“ (nicht Kortüm, welcher falschen Form die meisten Encyclopädien nicht nur sondern auch wissenschaftliche Werke wie Goedeke’s Grundriß u. a. m. sich bedienen) vgl. Rheinische Monatsschrift 1878. S. 371.

Neuer Nekrolog der Deutschen 1824. II, 832–844 (mit vollständiger Aufzählung seiner Schriften). Goedeke, Gr. II, 639. H. Kurz, Gesch. der Lit. III, 307a. Wolff, Encyclop. d. d. Nat.-Lit. III, 418. Huber, Kom. Literatur II, 233.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert in Band 4 ein weiterer Artikel.