ADB:Krüger, Daniel Christian Friedrich

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Artikel „Krüger, Daniel Christian Friedrich“ von Paul Hasse in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 404–408, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kr%C3%BCger,_Daniel_Christian_Friedrich&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 21:00 Uhr UTC)
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Krüger: Daniel Christian Friedrich K., hanseatischer Minister und außerordentlicher Gesandter, geboren zu Lübeck am 22. September 1819, † in Berlin am 17. Januar 1896. K. war der Sohn eines kaufmännischen Senators in Lübeck, erhielt seine Schulbildung auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, studirte 1839–48 auf den Universitäten zu Bonn, Berlin und Göttingen die Rechtswissenschaften und ergänzte seine Fachausbildung durch längeren im Auslande und namentlich in Paris genommenen Aufenthalt, der ihm zu einer guten Beherrschung fremder Sprachen nützlich ward, aber auch zu einer außergewöhnlichen Ausbildung seiner künstlerischen Anlagen, vor allem auf den Gebieten der Musik und der Malerei diente. Im J. 1844 ließ K. sich in Lübeck als Rechtsanwalt nieder, ward zum Procurator am Niedergericht und am Oberappellationsgericht bestellt und nahm alsbald an den damals auch in seiner Vaterstadt, wie allgemein im deutschen Vaterlande das Tagesinteresse beherrschenden politischen Verkehrs- und Verfassungsfragen lebhaften Antheil. Nachdem zunächst eine zeitgemäße und glückliche Reform des städtischen Armenwesens nach mehrjährigen Verhandlungen erreicht war, [405] hatte sich mehr und mehr auch die Nothwendigkeit nach einer Umgestaltung der Verfassung des Freistaates, einer Entfesselung der Gewerbe, einem Ausbau der Verkehrsverbindungen, einem Anschluß an das entstehende Eisenbahnnetz Deutschlands herausgestellt. Mit gleichaltrigen Genossen, wie vor allem den späteren Bürgermeistern Dr. Behn und Dr. Curtius, war K. reformatorisch thätig. In zahlreichen Artikeln der Tagespresse, aber auch in selbständigen Brochüren verfocht K. das Interesse und den Standpunkt der Travestadt. Namentlich kämpfte er für die gewünschten Eisenbahnverbindungen und trat ein für die Bedeutung Lübecks im nordischen Handel, und hier wie dort mit Geschick und Sachkunde. In der lebhaften damals von Lübeck aus geführten Preßfehde gegen die von Dänemark wie von Mecklenburg aus versuchte Isolirung sind aus Krüger’s Feder geflossen die 1845 erschienene Schrift „Die Lübeck-Schweriner Eisenbahn in ihrem Verhältniß zu Mecklenburg und seinen Seestädten“ und die 1848 herausgegebene Charakteristik „Lübecks Nordischer Handel unter Berücksichtigung seiner Bedeutsamkeit für die deutsche Fabrikation“, von denen namentlich die letztere den durch Lübeck vermittelten Waarenaustausch vom Süden und Westen her nach Skandinavien und Rußland und umgekehrt auf Grund sorgfältiger und in ihrer Einfachheit und Uebersichtlichkeit schlagender Statistiken darstellte, den Unterschied wie den Umfang dieses kaufmännischen Geschäftes im Gegensatz zu dem der übrigen Ostseeplätze klarlegt, die Formen und Bedingungen dieses Verkehrs und was zu seiner Förderung noththat, erörterte und den Nachweis erbrachte, wie es sich hier nicht um ein lediglich örtliches, sondern um ein allgemeines deutsches, ja europäisches Interesse handle. K. verlangte daher billige Frachten und Frachtgelegenheiten, also Eisenbahnen, zollfreie Lagerung, um Freiheit der Bewegung und Behandlung der Waaren möglich zu machen, mindestens daher Entrepots mit Freihafenberechtigung und niedrige Zollsätze und verwarf als zu eng und lästig das sonst angewandte und befürwortete Contirungsystem, ebenso auch Differenzial- und Transitzölle. Für die handelspolitischen Anschauungen jener Zeit, ebenso aber wegen der darin gezeichneten Eigenart des Lübeckischen Handels darf Krüger’s Schrift mehr als eine vorübergehende Bedeutung beanspruchen und ist als Geschichtsquelle auch heute noch von Werth. In Lübeck ward Krüger’s Tüchtigkeit voll anerkannt, die Stadt entsandte ihn 1850 als ihren Vertreter in das Volkshaus zu Erfurt, das Jahr darauf zu den Verhandlungen der Elbschiffahrtscommission in Magdeburg; nach Einführung der neuen Verfassung ward er Wortführer des Bürgerausschusses. Schon früher als Consulent des Commerzcollegiums thätig, hatte er auch jetzt Theil an der Zusammenfassung der bisherigen einzelnen bürgerlichen Compagnien zu einer einheitlichen Kaufmannschaft und der Begründung einer Handelskammer als deren Verwaltungsorgan.

Als in der Mitte der fünfziger Jahre die Ablösung des Sundzolles in Frage kam, und man sich in den Hansestädten entschloß, die seit einigen Jahren erledigte Stelle eines Ministerresidenten und Generalconsuls in Kopenhagen wieder zu besetzen, fiel die Wahl für diesen Posten auf K., und dieser nahm sie, obwol sich ihm inzwischen auch Aussichten auf einen Platz im Senate seiner Vaterstadt eröffnet hatten, mit Freuden an.

Gleich in der Sundzollsache erwies er sich als einen ebenso geduldigen wie unermüdlichen und weitschauenden Unterhändler; er war es, der auf die enge Verbindung zwischen dem Sundzoll und dem die Landstraße von Lübeck nach Hamburg beschwerenden Transitzoll in einer eigenen, 1858 veröffentlichten Schrift, „Die Verkehrs-Protection in Holstein und die direkte Lübeck-Hamburger Bahn“, hinwies, und als Frucht seiner Thätigkeit gelang es ihm, nicht [406] allein bei der Ablösung des Sundzolles für die drei Hansestädte vortheilhafte Bedingungen zu erwirken, sondern auch für Lübeck und Hamburg als werthvolle Errungenschaft die Concessionirung der Eisenbahn, direct von Lübeck nach Hamburg, zu erlangen und die Erbauung einer Trajektanstalt über die Elbe bei Lauenburg und einer Eisenbahn von dort nach Lüneburg durchzusetzen. In der Vaterstadt wirkte mit K. in gleichem Sinne und in gleicher Thatkraft namentlich Senator Dr. Curtius; am Hofe zu Kopenhagen hatte K. eine angesehene und weit über die Bedeutung der von ihm vertretenen Interessen hinausragende vertrauensvolle Stellung sich zu erringen gewußt. Er war bald einer der bestunterrichteten fremden Diplomaten daselbst, seine politischen Berichte sind eine beachtenswerthe Quelle für die Zeitgeschichte, bildeten für die übrigen hanseatischen Diplomaten willkommene Ergänzungen ihrer eigenen Beobachtungen und Erkundungen und haben leider auch gelegentlich Verwerthung gefunden, die nicht immer im Interesse der Hansestädte lag.

Der Krieg des Jahres 1864 machte Krüger’s Thätigkeit in Kopenhagen ein Ende. Zunächst übernahm er die Vertretung der freien Städte am Bundestage zu Frankfurt, auch hier in seiner Tüchtigkeit schnell Anklang findend. „Ein Mann von unzweifelhaft politischer Anlage“ wird er von einem seiner damaligen Collegen, Robert v. Mohl, in seinen Lebenserinnerungen genannt. Der Bundesversammlung hat K. bis zu ihrer letzten Sitzung vor dem Ausbruch des Krieges, am 14. Juni 1866, angehört. Für eine Thätigkeit fruchtbringender Erfolge war in Frankfurt nicht das geeignete Feld, die Bekanntschaft und der Verkehr mit bemerkenswertheren Persönlichkeiten bot dafür keinen Ersatz. Um so lebhafter ward Krüger’s Thätigkeit entwickelt, seine Aufmerksamkeit gespannt, auf dem neuen Posten, auf den ihn im Herbst 1866 das Vertrauen der drei hansestädtischen Senate berief, nachdem sein Vorgänger daselbst durch allerlei Machenschaften sich unmöglich gemacht hatte.

K. ward zum Ministerresidenten in Berlin ernannt und siedelte im October dorthin über. Diesen Posten hat er bis an sein Lebensende bekleidet und ward, wie hier vorgreifend erwähnt werden mag, 1868 für Lübeck zum Bevollmächtigten im Bundesrath ernannt, wie von Hamburg und Bremen zum Vertreter ihrer Bevollmächtigten. 1888 ward er zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister erhoben.

Damit war er an den Ort gekommen, von dem aus und an dem sich die Neugestaltung Deutschlands vollziehen sollte, und K. hat seine ganze hervorragende Arbeitskraft, seine seltene Umsicht und reife Erfahrung wie seine Vaterlandsliebe bei der Mitarbeiterschaft an diesem ihn allmählich begeisternden Werke eingesetzt. Wie Curtius war auch er von jeher von dem deutschen Berufe Preußens durchdrungen gewesen, allmählich jedoch war ihm erst die Erkenntniß von der Bedeutung des Bundeskanzlers aufgegangen. Jetzt, unabhängig von fremden Berichten, im unmittelbaren Verkehr, unter dem eigenen Eindrucke der gewaltigen Wirksamkeit Bismarcks enthüllte sich ihm ganz die Größe des Mannes. Mit Erstaunen und stets wachsendem Verständniß ward er gewahr, wie fein und sicher in dem neugebildeten Bundesstaate die Grenzen zwischen der Allgemeinheit, dem Bunde und den Einzelstaaten gezogen, wie diesen nur die Opfer und Einschränkungen auferlegt wurden, die im Interesse des Ganzen nöthig waren, wie nirgends Theorie, sondern überall nur die Praxis und das frischeste Bedürfniß entschied, dies aber voll zur Geltung kam, und nicht zuletzt, wie der Kanzler es verstand, bei der Einführung der Bundes- wie später der Reichsinstitutionen seine Kanzlerschaft herauszuheben und herauszugestalten über alles Uebrige hinaus, auch über die Stellung der preußischen Ministerien und ihres Particularismus.

[407] In dem Organ der Bundesregierungen, dem Bundesrathe, ist auch K. eine reiche Thätigkeit zu entfalten beschieden gewesen; er hat dem Ausschusse für das Justizwesen, dem für das Seewesen, für Handel und Verkehr, für Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen, für Elsaß-Lothringen und für den Bau des Reichstagsgebäudes angehört, von minder wichtigen zu geschweigen. Nur wer seine Berichte und seine Gutachten kennt, vermag zu der vollen Bedeutung des Mannes hindurchzudringen, sie der Oeffentlichteit zu übergeben, ist die Zeit noch nicht gekommen. Einst werden sie der Nachwelt eine werthvolle Ergänzung zu den Erinnerungen und Aufzeichnungen anderer Zeitgenossen sein.

Zu Krüger’s wichtigsten Aufgaben gehörte die Eingliederung der von ihm vertretenen Stadtstaaten in das neue Bundes- und Reichsverhältniß. Zum Abschluß der Militärconventionen bedurfte man überall seines Rathes, nicht minder bei dem Uebergang des Post- und Telegraphenwesens auf Bund und Reich, vor allem bei der Neuordnung der Zollverhältnisse. Sein Einfluß war entscheidend dafür, daß sich Lübeck zum alsbaldigen Eintritt in den Zollverein entschloß, seine Gewandtheit versagte nicht, als es sich nicht zwanzig Jahre später um den Anschluß auch von Bremen und Hamburg handelte.

Den Eisenbahnverbindungen der drei Städte wandte K. ungetheilte Aufmerksamkeit zu. Schon in Kopenhagen hatte er mit Erfolg Hamburgs Interesse für den Bau einer Verbindungsbahn zwischen dieser Stadt und Altona vertreten und 1860 darüber mit der dänischen Regierung einen Vertrag abgeschlossen. Im October 1866, alsbald nach seiner Uebersiedlung nach Berlin, konnte er von dort nach Hamburg mittheilen, daß das preußische Handelsministerium großen Werth darauf lege, den Bau der Venlo-Hamburger Bahn zu fördern, über den Hamburg schon vor 1866 mit Hannover verhandelt hatte. Die Verhandlungen mit der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft, die bereits im Besitze der Concession für die Strecke Osnabrück-Venlo war, hat dann K., zum Theil mit Senator Versmann, geführt und in einem Staatsvertrage mit Preußen schon 1867 zum Abschluß gebracht.

Auch für Bremen hatte K. bei diesem Bahnbau ebenso bei dem der Strecke Langwedel-Uelzen zu wirken Gelegenheit, wie bei der Erweiterung der Bremer Hafendistricte und die dadurch bedingten Gebietsabtretungen und Gebietsaustausche.

Für seine Vaterstadt endlich hat K. für den weiteren Ausbau ihrer Eisenbahnverbindungen nach Eutin, Kleinen und Travemünde mit Rath und That, namentlich für die Herstellung des Elbe-Trave-Canals segens- und erfolgreich eintreten können, vor allem durch die endliche Ueberwindung des anfänglich in Preußen gegen das Unternehmen herrschenden Widerstandes, seine Ermuthigung, als Mecklenburg den Plan zum Scheitern zu bringen schien, die Gewinnung Preußens zur Zahlung eines namhaften Kostenzuschusses.

In den Kreisen seiner Collegen vom diplomatischen Corps, im Ministerium, wie vom Bundesrathe hat es K. an Werthschätzung nicht gefehlt; seine Abfertigung Windhorst’s im Reichstage zur Zeit des Culturkampfes erregte berechtigtes Aufsehen, ein Plan, ihn in den Reichsdienst zu ziehen, hat Verwirklichung nicht gefunden. Auch am Hofe war K. eine beliebte Persönlichkeit, bei dem alten Kaiser Wilhelm und seiner Gemahlin sowohl, wie bei dem Kronprinzen und der Kronprinzessin, zu welchen letzteren er besonders enge Beziehungen anzuknüpfen verstanden hatte. Seine feine und vielseitige künstlerische Anlage und Ausbildung kam ihm hierbei zu statten. Am 17. Januar 1896 erlag K. einer Magenblutung.

Nach den Nekrologen in den Tagesblättern, amtlichen Archivalien und den Aufsätzen Wehrmann’s in d. Zeitschrift f. Lüb. Geschichte, Bd. V u. VI: [408] Die Entstehung und Entwicklung der Eisenbahnverbindungen Lübecks. u.: Die Betheiligung Lübecks bei der Ablösung des Sundzolles. S. a. Dr. Paul Curtius: Bürgermeister Curtius, Berlin 1902, und Poschinger: Bismarck und der Bundesrath.