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ADB:Kusserow, Ferdinand von

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Artikel „Kusserow, Ferdinand von“ von v. K. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 455–458, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kusserow,_Ferdinand_von&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 09:45 Uhr UTC)
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Kusserow: Karl Friedrich Ferdinand von K., preußischer Generallieutenant a. D., geboren am 26. December 1793 zu Berlin, † am 7. Januar 1855 zu Düsseldorf. Im 5. Lebensjahre verlor er seinen Vater, der 1797 in Posen als Kammersecretär bei der königlichen Kriegs- und Domänenkammer verstarb. Seine Erziehung ward durch seine Mutter und deren Bruder, Geheimrath Wandel, geleitet. Letzterer versagte K. die Einwilligung, sich dem Officierstande zu widmen. Theils zu Hause, theils auf dem Französischen Gymnasium vorgebildet, erlangte K. schon im 16. Lebensjahre die Reife zur Universität. Um dem Heere möglichst nahe zu treten, entschloß er sich, auf dem königlichen Friedrich-Wilhelms-Institut Medicin zu studiren, wodurch er sich allerdings vorerst zum militärärztlichen Beruf verpflichtete.

Bei Ausbruch des Krieges, Anfangs des Jahrs 1813, erstrebte er vergeblich den Eintritt in das active Heer und wurde zuerst dem Generalstabsarzt Görcke nach Breslau beigeordnet, aber auf sein dringendes Verlangen dem Füsilierbataillon des 1. Garde-Infanterieregiments als Militärarzt nachgesandt, welches er noch am Vorabend der Schlacht von Görschen, 2. Mai, erreichte. In der Schlacht von Bautzen, 20. Mai, hatte er Gelegenheit, sich nicht nur als Arzt zu bewähren, sondern auch seine Befähigung zum Truppenführer zu bekunden, nachdem die meisten Offieiere seines Bataillons außer Gefecht gesetzt waren. Wegen seiner Auszeichnung in dieser Schlacht erhielt er das Eiserne Kreuz 2. Classe und später den russischen St. Georgsorden 5. Classe. Als Militärarzt, und zwar mit 22 Jahren schon Oberarzt, nahm er auch theil an den Schlachten bei Dresden und Leipzig, sowie an dem Feldzuge in Frankreich 1814 und dem Einzuge in Paris. Beim Wiederausbruch des Krieges 1815 erhielt K. auf directes Gesuch an den König endlich das ersehnte Patent als Secondlieutenant und nahm mit dem mobilen Bataillon [456] des 6. Westfälischen Landwehrregiments Theil an der Belagerung von Longwy. Schon am Schluß desselben Jahres wurde er interimistisch mit Führung einer Compagnie betraut. – Wegen seiner militärischen Begabung und seiner seltenen allgemeinen Bildung von Gneisenau, Clausewitz, Scharnhorst, Gröben, Müffling bemerkt und geschätzt) ward er zu der Anfangs 1816 errichteten Kriegsschule des VIII. Armeecorps in Coblenz berufen und bald darauf auch zu dem ebendaselbst gebildeten Topographischen Büreau. Schon 1819 wurde er zum Generalstab des IV. Armeecorps in Magdeburg commandirt und, obwol noch Secondlieutenant, 1821 definitiv in den Generalstab einrangirt. Am 3. September 1823 zum Premierlieutenant, am 1. April 1827 zum Hauptmann befördert, wurde er Anfangs 1831 zum Großen Generalstab nach Berlin versetzt und bald darauf wegen seiner außergewöhnlichen Sprachkenntnisse dem mit einer vertraulichen Mission in das Ausland gesandten Generalmajor v. Pfuel beigegeben.

Von hervorragender Bedeutung ist seine zweite Commandirung zum General v. Pfuel im September 1831, als dieser von König Friedrich Wilhelm III. in die mit der Krone Preußen in Personalunion stehenden Fürstenthümer Neuenburg und Valangin in der Schweiz gesandt wurde, um den dort ausgebrochenen Aufstand zu unterdrücken. – Die Insurgenten hatten unter Bourquin die Stadt Neufchatel überfallen und die Trennung vom Könige proklamirt. K. reiste dem durch Krankheit noch einige Wochen zurückgehaltenen General v. Pfuel voraus und unternahm zunächst die Organisirung der königstreuen Elemente, welche um so schwieriger war, als der Befehlshaber der Namens der „Sûreté fédérale“ eingerückten Schweizer Truppen den Aufstand im stillen begünstigte, indem er u. a. in der mit den Rebellen bei Räumung des Schlosses von Neufchatel abgeschlossenen Convention denselben die dort geraubten Waffen belassen hatte.

Nach Ankunft des Generals und dem Abzug der föderalen Truppen wurden gegen Bourquin und andere Häupter der Revolution Verhaftsbefehle erlassen, infolge deren sie in die benachbarten Kantone entflohen, wo sie für einen neuen Aufstand Hülfskräfte sammelten. Inzwischen waren etwa 3000 freiwillige Royalisten bewaffnet und zu festen Truppenkörpern organisirt worden. Hauptmann K. erhielt den Befehl, mit einer Colonne von 600 Mann Infanterie, 70 Jägern und 2 zweipfündigen Geschützen auf der Neufchateler Straße dem bis nach Bevay im Val Travers eingedrungenen und auf Couvet vorrückenden Bourquin bis nach den Ponts entgegen zu gehen. Am 18. December Mittags lief aus Neufchatel der Befehl ein, nach Rosières im Val Travers zu marschiren, woselbst die Colonne mit dem General, welcher den größeren Theil der Truppen führte, zusammentreffen werde. In der Nähe des Dorfes Travers angelangt, stellte Hauptmann K. fest, daß Bourquin bereits über eine numerisch überlegene Truppenmacht verfügte und das Dorf verschanzte. Ein längeres Abwarten war um so bedenklicher, als er mit seinen Truppen in einem langen, von hohen Bergen eingefaßten Defilé stand. K. entschloß sich daher, auf eigene Hand den entscheidenden Schlag zu wagen und zur Offensive überzugehen. Nach kurzer Beschießung des Dorfes mit den beiden Geschützen nahm er dasselbe mit geringen Verlusten im Bajonettangriff. Bourquin hatte während des Kampfes die Flucht ergriffen; Hauptmann K. ließ andere bekannte Häupter der Insurgenten und diejenigen Männer zu Gefangenen machen, welche durch ihren schwarzen Mund infolge des Abbeißens von Patronen die Theilnahme am Gefecht unzweifelhaft bekundeten.

Nach Ankunft des Generals gingen die vereinigten Colonnen gegen Couvet vor, das Hauptmann K. mit der Avantgarde im Sturm einnahm. Hierauf [457] folgte die Entwaffnung des Val Travers am 19. und 20. December. In der Nacht vom 20. zum 21. rückten die vereinigten Kräfte des Generals, 2500 Mann mit 10 Geschützen, gegen Chaux-de-Fonds. Auch hier befehligte K. die Avantgarde, und es gelang ihm, das Dorf mit solcher Geschwindigkeit zu überraschen, daß sich dasselbe ohne Gegenwehr ergab und die Entwaffnung ohne Widerstand erfolgen konnte. Hiermit war der Aufstand beendet, zugleich auch dieses Commando des Hauptmanns K., welcher unmittelbar nach seiner ausschlaggebenden Action vom General mit dessen Berichten über die Niederwerfung des Aufstandes nach Berlin gesandt wurde. General v. Pfuel ward von Friedrich Wilhelm III. für die gelöste Aufgabe durch Beförderung zum Generallieutenant und Ernennung zum Gouverneur der Fürstenthümer Neufchatel und Valangin belohnt. Erst nach einer Reihe von Jahren, 1844, ward K. in besonders ausdrücklicher Anerkennung seiner dem Könige und dem königlichen Hause im J. 1831 im Fürstenthum Neuenburg und Valendis geleisteten guten Dienste von König Friedrich Wilhelm IV. durch Erhebung in den Adelstand ausgezeichnet. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß K. der einzige preußische Officier gewesen ist, welcher in dem Zeitraum zwischen den Freiheitskriegen und 1848 für das schwarz und weiße Banner gefochten hat, wenn auch einzelne andere preußische Officiere in diesem Zeitraum des Friedens unter fremder Fahne sich auszuzeichnen Gelegenheit fanden. Die Stadt Neufchatel ehrte Kusserow’s Verdienste durch Verleihung einer kostbaren Remontoiruhr.

Von 1832 bis 1834 im Großen Generalstab in Berlin thätig, wurde K. im September dieses Jahres zum Generalcommando des VIII. Armeecorps in Coblenz versetzt. Seine dortige Thätigkeit 1834–1842 ward 1836 durch eine besondere diplomatisch-militärische Mission nach Frankreich unterbrochen. Seine vom Großen Generalstab geschätzten Arbeiten in Coblenz, namentlich ein anläßlich der Thiers’schen Kriegsabsichten gegen Deutschland von K. aus gearbeiteter Feldzugsplan gegen Frankreich, führten im September 1842 zu seiner Versetzung nach Berlin, wo er zum Chef eines Kriegstheaters im Großen Generalstabe ernannt wurde. Am 10. November 1843 ward er Chef des Generalstabes des VII. Armeecorps in Münster, in welcher Stellung er am 30. Mai 1844 zum Oberstlieutenant avancirte. Aus der Generalstabscarrière schied er mit seiner am 27. März 1847 erfolgten Beförderung zum Oberst und Commandeur des 39. Infanterieregiments in Luxemburg. Seine Laufbahn war eine so schnelle gewesen, daß er in seinem Regiment eine Anzahl von Officieren vorfand, die früher seine Vordermänner gewesen waren. Die fortgesetzten Unruhen in Trier veranlaßten im Sommer 1848 die Entsendung des 26. Infanterieregimentes dorthin aus Magdeburg und die Ernennung v. Kusserow’s zum Commandeur desselben. Durch sein energisches und umsichtiges Auftreten verstand er es, den drohenden Aufruhr stets im Keime zu ersticken. Im Herbst desselben Jahres erhielt er das Commando einer mobilen Colonne mit dem Auftrag, die Moselgegend von Trier bis Coblenz zur Ruhe zu bringen. Bei Ausbruch des Feldzuges in Baden 1849 führte Oberst v. K. die aus dem 26. Infanterieregiment und dem 27. Landwehrregiment gebildete 3. mobile Brigade des unter General v. Hirschfeld stehenden I. mobilen Armeecorps und nahm rühmlichen Antheil an den Schlachten bei Uppstadt, Durlach und Michelsbach. Der Oberbefehlshaber der Operationsarmee am Rhein, Prinz von Preußen, nachmaliger König und Kaiser Wilhelm I., welcher seit lange die hervorragenden Eigenschaften v. Kusserow’s schätzte, ertheilte ihm am 28. Juli 1849 den Befehl, mit den ihm unterstellten Truppen die insurgirten Fürstenthümer Hohenzollern zu besetzen. K. erhielt daselbst den militärischen [458] Oberbefehl mit den weitesten Befugnissen und hatte zugleich die Ausführung des Staatsvertrages, durch welchen die Souveränität über die Fürstenthümer auf die Krone Preußen übergehen sollte, im freundlichen Einvernehmen mit dem Fürsten Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen vorzubereiten. Nachdem er diese Aufgabe zur Zufriedenheit aller Theile gelöst hatte, erhielt er am 2. December 1849 das Commando der 14. Infanteriebrigade in Düsseldorf, wurde durch Cabinetsordre vom 12. Januar à la suite seines alten Regiments, Nr. 26, gestellt, mit der Erlaubniß, die Uniform desselben zu tragen. Fürst Karl Anton von Hohenzollern wurde Chef dieses Regimentes und erhielt alsbald das Commando der 14. Division in Düsseldorf, woselbst er mit v. K. dienstlich wie persönlich die intimsten auf Wohlwollen und Freundschaft gegründeten Beziehungen pflegte, von welchen zahlreiche schriftliche Zeugnisse vorliegen. Nach kurzer Führung der 14. Landwehrbrigade in Köln 1852, während deren, am 23. Mai, seine Ernennung zum Generalmajor erfolgte, erhielt v. K. das Commando der 27. Infanteriebrigade in Düsseldorf, das er bis kurz vor seinem Tode führte. Von Jugend auf hatte K. in körperlichen Anstrengungen und geistiger Arbeit seine Kräfte auf eine harte Probe gestellt und in einer fast 42jährigen Dienstzeit sich insgesammt nur wenige Monate Urlaub gegönnt. Als ehemaliger Arzt den Ernst einer beginnenden Krankheit erkennend, beantragte er Anfangs October 1854 seine Versetzung in den Ruhestand, die ihm sein König in huldvollster Weise unter Verleihung des Charakters als Generallieutenant gewährte. Schon am 7. Januar 1855 machte ein Herzschlag diesem an Leistungen und Verdiensten für König und Vaterland so reichen Leben ein Ende.

v. K.