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ADB:Lang, Paul (Schriftsteller)

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Artikel „Lang, Paul“ von Rudolf Krauß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 554–556, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lang,_Paul_(Schriftsteller)&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 11:30 Uhr UTC)
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Lang: Paul L., Dichter, geboren am 9. September 1846 zu Wildenstein im württembergischen Oberamt Crailsheim. Der Sohn eines Pfarrers, folgte er dem Berufe des Vaters und erhielt die übliche Seminarausbildung, nachdem er in den Lateinschulen zu Münsingen und Lauffen am Neckar den ersten humanistischen Unterricht genossen hatte. Aus dem niederen Seminar Schönthal, das er seit 1860 besuchte, trat er 1864 in das Tübinger Stift über. Nach Abschluß seiner theologischen Studien war er der Reihe nach Vicar in Eningen (bei Reutlingen) und Ulm und seit 1871 Stiftsrepetent in Tübingen; die damit verbundene venia legendi benutzte er zu Vorlesungen an der Universität über die Platonische Philosophie. Eine 1872/73 nach Südrußland unternommene wissenschaftliche Reise bildete in seinem äußeren Leben die einzige außerordentliche Begebenheit. Zurückgekehrt, erhielt er seine erste feste Bedienstung als Diakonus in der Oberamtsstadt Leonberg. Er gründete nun mit Selma Mäcken einen Hausstand. 1878 wurde er zum Stadtpfarrer in Maulbronn, 1883 zum zweiten Stadtpfarrer in Ludwigsburg, 1889 zum Decan in Urach befördert. Hier entriß ihn am 19. März 1898 im besten Mannesalter ein rascher Tod seiner zahlreichen Familie.

L. war ein tüchtiger Theologe, der auch mit mehreren Erbauungsschriften hervortrat. Doch galt seine Liebe hauptsächlich der schönen Litteratur. Er war als Kritiker für die Blätter für litterarische Unterhaltung, den Schwäbischen Merkur und andere Journale thätig. Daneben entfaltete er eine lebhafte productiv dichterische Thätigkeit. Die von seinen schwäbischen Landsleuten sonst bevorzugte Lyrik trat bei ihm zurück. Zwar machte er von früher [555] Jugend an Verse und veröffentlichte manches Hübsche in verschiedenen Tonarten da und dort. Da er jedoch niemals eine Buchausgabe seiner Gedichte veranstaltet hat, läßt sich über seine Leistungen als Lyriker nicht leicht ein zusammenhängendes Urtheil abgeben. In erster Linie war er Erzähler, und zwar culturhistorischer. Eine lange Reihe einzelner Novellen und Novellensammlungen ist von ihm ausgegangen. Außer einer Geschichte aus dem Alterthum „Der Bildhauer von Kos“ (Stuttgart 1884) hat er ausschließlich schwäbisch-württembergische Stoffe bearbeitet. Er durchmißt die heimathliche Vergangenheit von den Zeiten der römisch-germanischen Grenzkämpfe („Heimo“ und „Wilder Urlaub“, Lang’s letzte Arbeit) bis zur Gegenwart, der eine hübsche, an die Weise der Wildermuth erinnernde Dorfgeschichte „Kirschenblüthe“ angehört. Dazwischen verweilt er bei den Epochen der Karolinger („Regiswindis“, eine Heiligengeschichte), der Staufer („Mechthildis von Hohenburg“), der Erfindungen und Entdeckungen, des Humanismus und der Reformation, des Dreißigjährigen Krieges, der Aufklärung und französischen Revolution. Für das Zeitalter Schiller’s zeigt er besondere Vorliebe. In mehreren Erzählungen läßt er den großen schwäbischen Dichter in verschiedenen Lebensaltern und Lebenslagen theils als Helden, theils als Nebenfigur auftreten. Gleich seine Erstlingserzählung „Gärung und Klärung“ (Stuttgart 1878) hat er ihm gewidmet; in „Bündner und Schwaben“ (Stuttgart 1886) behandelt er Schiller’s Jugendzeit. Man kann die Spuren von Lang’s eigenem Dasein auf Schritt und Tritt in seiner Novellistik verfolgen. Die Erinnerungen an die Blaubeurer Gegend, die er als Knabe durchstreift hatte, bescherten ihm das „Rusenschloß“ (Stuttgart 1882). Hinter Klostermauern, wie er sie von seiner Seminarzeit her kannte, läßt er seine Geschichten aus älterer Zeit gerne spielen. Schelling’s Wiege, der er eine kleine Erzählung („An der Wiege eines Philosophen“) gewidmet hat, stand unter dem Dache des Leonberger Pfarrhauses, das er selbst fünf Jahre lang bewohnte. Das poetische Erträgniß seiner Maulbronner Amtszeit war ein „Maulbronner Geschichtenbuch“ (Stuttgart 1887). Kurz, überall ist es ihm ein Vergnügen, den Spuren vergangener Geschlechter nachzugehen. So fußt seine ganze Erzählungsweise auf dem festen Boden der Wirklichkeit, ohne daß sie mit dem naturalistischen Stil auch nur das Geringste gemein hätte. L. hat, wie so mancher schwäbische Poet, Heimathkunst geübt, ehe dieses Schlagwort aufgekommen ist. Er entwirft seine culturhistorischen Bilder mit sicherer Hand und führt sie mit sauberem Griffel aus, als ein gebildeter Mann, der mit den von ihm gerade geschilderten Epochen genau vertraut ist. Am besten gelingen ihm kleinere episodische Ausschnitte aus der Geschichte. Große zeitbewegende Conflicte hat er dagegen nicht sonderlich tief zu fassen gewußt. Seinen interessantesten Stoff hat er nicht völlig bewältigt: die Geschichte des Vikars von Enzweihingen, eines Stiftlers, der 1798 in die französisch-republikanische Propaganda hineingezogen wird und so um Amt und Braut kommt. Seine nicht gerade üppige Phantasie reicht immerhin für die Zwecke aus, die er anstrebt. Denn nicht um starke Wirkungen, um Spannung und Aufregung, um Entwicklung mächtiger Leidenschaften oder auch nur um Entfaltung subtiler psychologischer Künste ist es ihm zu thun. Er läßt sich daran genügen, anspruchslose Leser zu erheitern und zu erfrischen. Manchmal tritt das lehrhafte Element stark hervor, dem jedoch ein harmlos freundlicher Humor das Gegengewicht hält. Seine Darstellungsmittel sind nicht eben glänzend, aber durchaus gediegen; er schreibt einen volksthümlich kräftigen, sorgfältig ausgefeilten Stil. Seine ganze Poesie trägt den Stempel des Gesunden und Tüchtigen, ohne daß sie freilich zu begeistern oder hinzureißen vermöchte. Für das deutsche Haus, insbesondere die [556] reifere Jugend, sind Lang’s Novellen willkommene Gaben, die einer weiteren Verbreitung nicht unwerth wären.

Biogr. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog 3. Bd., S. 137–140 (mit Angabe weiterer Litteratur).