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ADB:Leodegar Bürgisser

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Artikel „Bürgisser, Leodegar“ von Johannes Dierauer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 606–607, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leodegar_B%C3%BCrgisser&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 15:00 Uhr UTC)
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Bürgisser: Leodegar (anfänglich Andreas) B., Fürstabt von St. Gallen, geb. 1. April 1640 in Luzern, † 28. Nov. 1717 in Neu-Ravensburg. Er trat mit dem 14. Jahre in die Klosterschule von St. Gallen, ward hier 1656 Novize, ein Jahr später Conventual und bekleidete dann alle Grade seines Ordens bis zum Decanat; daneben finden wir ihn als Lehrer an der Klosterschule, als Pfarrer in den toggenburgischen Gemeinden Wildhaus und Heinberg und als Verwalter der Herrschaft Ebringen. Am 10. Januar 1696, nach dem Rücktritte des zum Cardinal erhobenen Cölestin Sfondrati, ward er Abt seines Klosters. Von Anfang seiner Regierung an zeigte er eine sehr entschiedene Haltung, wo es galt, die Interessen der Abtei zu wahren. In einer religiösen, unter dem Namen des Kreuzkrieges bekannten Fehde mit der Stadt St. Gallen (1696–98) erzwang er sich Zugeständnisse und Genugthuung. Hartnäckig wies er die immer stärker [607] sich äußernden Beschwerden seiner toggenburgischen Unterthanen zurück und schloß, als die Verhältnisse sich ernster gestalteten, ohne Vorwissen und Zustimmung der Eidgenossenschaft, deren zugewandtes Glied er war, ein Bündniß mit dem Kaiser (28. Juli 1702). Eben dadurch veranlaßte er aber den Ausbruch eines für das Stift verhängnißvollen Krieges, in welchen nach und nach ein großer Theil der Eidgenossenschaft gezogen wurde und in welchem die Parteien sich schließlich nach den Confessionen schieden. Die beiden Städte Zürich und Bern stellten sich auf die Seite der vorwiegend protestantischen Toggenburger, nahmen das alte äbtische Gebiet ein und besetzten im Mai 1712 das Kloster. Der Abt mußte fliehen. Er begab sich über Rorschach und[WS 1] Mehrerau nach Neu-Ravensburg und war dann um so weniger geneigt, sich den Forderungen der Städte und der unterdessen zu fast völliger Unabhängigkeit gelangten Unterhanen im Toggenburg zu fügen oder dem Landfrieden von Aarau beizutreten, als er immerfort auf wirksame Unterstützung von Seite Oesterreichs hoffte. In der That hatte Karl VI. die Absicht ihn wieder einzusetzen, und die darüber von den Reichsständen gepflogenen Unterhandlungen brachten die Städte wenigstens zum Nachgeben. Aber Leodegar verwarf in seiner Unbeugsamkeit den Rorschacher Vertrag vom 28. März 1714, da dieser den Toggenburgern einen Mitantheil an der Regierung zusicherte. Eben als neue Unterhandlungen angeregt waren, starb er an einem Schlagflusse im 78. Jahre. Seine Grabstätte wurde ihm im Kloster Mehrerau bereitet. Erst sein Nachfolger, Joseph v. Rudolphi, stellte durch einen Vertrag, in welchem den Toggenburgern eine Reihe von Zugeständnissen gemacht wurden, den Frieden und damit auch den frühern Besitzstand des Klosters wieder her. – Ein reiches urkundliches Material zur Geschichte Leodegars und seiner Regierung findet sich auf dem Stiftsarchiv in St. Gallen; von seinem Tagebuch, das Ildephons v. Arx für seine Geschichte des Cantons St. Gallen (St. Gallen 1813) vollständig benutzen konnte, ist nur noch der erste Band vorhanden.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Rorschachund