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ADB:Lessing, Friedrich

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Artikel „Lessing, Christian Friedrich“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 446–448, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lessing,_Friedrich&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 03:04 Uhr UTC)
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Lessing: Christian Friedrich L., Dr. med. und Botaniker, geb. am 10. August 1809 zu Polnisch-Wartenberg, † 1862 zu Krasnojarsk in Sibirien, war durch seinen Großvater Karl Gotthelf L., einen Bruder des berühmten Dichters, mit diesem verwandt. Nach Beendigung seiner Studien in Berlin wurde er auf Grund einer Dissertation: „De generibus Cynarocephalarum atque de speciebus generis Asctotidis“ 1832 zum Dr. med. promovirt, nachdem er ein Jahr vorher ein Werk: „Reise durch Norwegen nach den Lofodden, durch Lappland und Schweden“ veröffentlicht hatte, als Frucht einer sieben Monate währenden Reise, die er mit Unterstützung des preußischen Ministers v. Altenstein hauptsächlich zu botanischen Zwecken im J. 1830 nach den genannten Gegenden unternommen hatte. Fast gleichzeitig erschien auch sein bedeutendstes Werk: „Synopsis generum Compositarum earumque dispositionis novae tentamen, monographiis multarum capensium interjectis“. Das Material zu demselben hatte er theils durch seine Reisen, theils durch sorgfältige Benutzung der im botanischen Garten zu Berlin vorhandenen reichen Pflanzenschätze, namentlich durch Einsicht in die bedeutendsten Herbarien, wie die von Vahl, Knuth, Ecklon, Thunberg, Bergius u. A. sich verschafft. Mit einem Reisestipendium versehen, das er namentlich A. v. Humboldt’s Fürsorge verdankte, ging L. 1832 nach St. Petersburg, wie es scheint in der Absicht, hier sein weiteres Fortkommen zu finden. Er wurde auch auf allerhöchsten Befehl dem dortigen botanischen Garten, dessen Director Dr. Fischer war, als „Reisender“ attachirt, allerdings ohne Gehalt. Schon am 24. Juni desselben Jahres trat er eine längere Reise nach dem asiatischen Rußland an. Die Mittel dazu gewährten ihm außer der preußischen auch eine russische Staatsunterstützung, die er indessen nach wenigen Jahren verlor, weil er die an ihre Gewähr geknüpfte Bedingung, je ein Exemplar der gesammelten Pflanzen an die Akademieen zu Berlin und Petersburg einzusenden, später nicht mehr erfüllte. Er wandte sich zunächst nach Orenburg. Von hier aus erforschte er die Flora des südlichen Urals und der daranstoßenden Steppen. Er legte die Resultate seiner Forschung in einem im neunten Bande der Linnaea (1834) erschienenen Aufsatze „Beitrag zur Flora des südlichen Urals und der Steppe“ nieder. Im J. 1833 bereiste er, stets sammelnd, den ebeneren Theil des Gouvernements Orenburg, das Land der Uralkosacken, einen Theil des Kirgisenlandes und des Gouvernements Astrachan. Im October kam er nach Astrachan, blieb hier bis Februar 1834 und ging über Orenburg nach Omsk in Sibirien. Im Mai traf er in Tomsk ein, bereiste den Altai und einen Theil des Flußgebietes des oberen Jenisei und gelangte endlich nach Krasnojarsk, woselbst er bis zu seinem Tode verblieb. Die botanische Ausbeute dieser Reise kam in verschiedene Hände. Ein Theil ging nach Petersburg, ein anderer und zwar der größere nach Berlin. Einige seiner Pflanzen bearbeitete Al. Bunge, der sie von dem Reisenden Al. Lehmann erhielt, in seinen „Reliquiae Lehmannianae“. Die Uralpflanzen benutzte zum Theil C. A. Meyer für seine „Florula provinciae Wiatka“ und endlich kam der Rest nach der Universität Charkow. [447] Schon in Tobolsk hatte L. den Fürsten Paskiewitsch, der seine Güter und Goldwäschen zu inspiciren im Begriff stand, kennen gelernt. Dieser engagirte L. als Arzt für die letzteren zuerst auf sieben Jahre und nach Verlauf dieser Zeit auf ebensolange. Hierbei kam L. nach Krasnojarsk und lernte den Geschäftsbetrieb der Goldwäschen genau kennen. Dieser Umstand und die Erfolge seiner Praxis veranlaßten ihn, 1848 seine Stellung zum Fürsten Paskiewitsch aufzugeben und im Altai auf eigene Rechnung Goldwäschen anzulegen. Der glänzende Erfolg, den das Unternehmen zuerst hatte, veranlaßte L. behufs weiterer Ausdehnung seiner gewerblichen Thätigkeit sich mit zwei russischen Geschäftsleuten zu associiren. Durch diese Verbindung aber trat ein finanzieller Rückgang des Unternehmens ein, so daß L. den größten Theil seines Vermögens verlor und nur auf einige Grundstücke in Krasnojarsk beschränkt blieb. Auf diese zog er sich dann zurück und lebte wieder seinem ärztlichen Berufe, in dem er 1862 gestorben ist. Das genaue Datum seines Todes ist unbekannt geblieben, da er in letzter Zeit für seine Familie wie für seine botanischen Freunde so gut wie verschollen war. Nach einigen Nachrichten soll er zuletzt noch Bierbrauer geworden sein. Der Erbärmlichkeit sibirischen Lebens und dem Eigennutze falscher Freunde ist auch dieser reichbegabte Mann zum Opfer gefallen, der unter anderen Verhältnissen noch manches Werthvolle für die Wissenschaft hätte leisten können. Sein Charakter wird von allen, die ihn kannten, als höchst edel geschildert. Für die botanische Wissenschaft wird Lessing’s Synopsis generum Compositarum stets Werth behalten. Mit scharfer Beobachtungsgabe und eisernem Fleiße ist das umfangreiche, aus den besten Quellen geschöpfte Material bearbeitet worden, und wenn, wie der Verfasser auch selbst betont, ein abgeschlossenes Ganze damit nicht gegeben werden konnte, so liegt das in der Natur der Sache. Als Grundlage für spätere Bearbeitungen kann das Werk nicht entbehrt werden. Es zerfällt in zwei Abschnitte. Der erste, größere enthält die specielle Charakteristik der Tribus, Subtribus und Gattungen, während der zweite einige allgemeinere Erscheinungen in dieser Familie behandelt. Außerdem befindet sich im ersten Theile noch eine besondere Monographie der bisher am Cap der guten Hoffnung beobachteten Compositen auf Grund des Thunberg’schen Herbariums. Die beigefügte Kupfertafel gibt Erläuterungen über Bildung des Griffels und der Narbe, welche als Eintheilungsprincip benutzt worden ist. Die beiden oben angegebenen Reiseberichte Lessing’s enthalten neben ihrem botanischen Inhalte auch manches Wissenswerthe aus anderen Gebieten. Frisch und anschaulich geschrieben, bieten sie auch dem Laien eine anregende Lectüre. In der „Reise durch Norwegen etc.“ zieht die lebendige Schilderung der Erlebnisse, des Landes und der Sitten seiner Bevölkerung ganz besonders an, während die im Anhange beigefügten meteorologischen Beobachtungen, 191 Thermometer- und Barometerbeobachtungen enthaltend, sowie die zahlreichen Höhenangaben für die geographische Kenntniß des Landes von Werth sind. Die botanischen Resultate sind in einem „Versuch einer vergleichenden Flora der Lofodden“ ebenfalls anhangsweise wiedergegeben. Im Ganzen finden sich 192 Arten Phanerogamen und Gefäßkryptogamen angeführt, mit dem Bemerken, daß in der Flora der Inseln das Verhältniß aller Arten ein und derselben Familie zu der Anzahl aller Gefäßpflanzen überhaupt ziemlich dasselbe sei wie in der Flora von Scandinavien. Der in Folge der Reise nach dem südlichen Ural verfaßte Aufsatz (Linnaea 1834) ist besonders wegen der darin niedergelegten pflanzengeographischen Resultate von Wichtigkeit. Der bereiste Theil des Urals wird als ein Waldgebirge geschildert mit zwei Regionen. Die erste ist eine Waldregion, die bis 4000 Fuß Höhe erreicht, auf welche dann eine alpine Region folgt, welche aus einem sehr ausgebreiteten, fast plateauartigem Sumpfe besteht, der, ähnlich wie in ganz Lappland, mit Weiden [448] bestanden ist. Die Vegetation der Steppen, deren Schilderung den zweiten Theil der Arbeit ausmacht, ist von der des Gebirges sehr verschieden; nur sehr wenige Pflanzen sind beiden Localitäten gemeinsam. Die senkrechte Höhe der Steppen gibt L. auf 1350 Fuß an, von denen 312 Fuß unter dem Niveau des Oceans liegen. Von charakteristischen Pflanzen wurden 284 Arten gesammelt. Eine übersichtliche Flora des erforschten Gebietes schließt die Abhandlung. Die von L. neu entdeckten Arten sind in diesem Abschnitt ausführlich diagnosticirt.

Briefliche Mittheilung durch die Güte des Herrn Professor v. Maximovicz in St. Petersburg und des Herrn Landgerichtsdirectors Lessing in Berlin. – Pritzel’s thes. lit. bot.