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ADB:Levita, Elias

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Artikel „Levita, Elias“ von Ludwig Geiger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 505–507, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Levita,_Elias&oldid=- (Version vom 13. Oktober 2024, 17:06 Uhr UTC)
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Levita: Elias L., eigentlich Eliah ben Ascher ha Levi, auch Aschkenasi (Deutscher) oder Bachur, Tischbi, nach den Titeln seiner Werke genannt, vorzüglicher Hebraist, geb. in Neustadt an der Aisch 1472, † in Venedig 1549. Sein deutscher Ursprung ist nicht blos durch seinen eben angeführten Beinamen, sondern durch das ausdrückliche Zeugniß seiner Schüler, besonders Sebastian Münsters, bekundet. Wegen des großen Einflusses, den L. auf diese seine deutschen Schüler geübt und damit das Studium der hebräischen Sprache in Deutschland recht eigentlich begründet hat, verdient er hier einen Platz, trotzdem er den bei weitem größten Theil seines Lebens in Italien zugebracht hat. – L. ging, nachdem er seine Jugendbildung in Deutschland erlangt hatte – doch wissen wir nicht wo, da wir in unseren Kenntnissen über sein Leben meist auf die gelegentlichen Nachrichten angewiesen sind, die L. in den Vorreden zu seinen Werken gibt – frühzeitig nach Italien. Er folgte damit dem allgemeinen Zuge der Zeit, hatte aber auch seine speciellen Gründe dazu, da er hoffen durfte, als Jude in Italien ungestörter seiner wissenschaftlichen Ausbildung leben zu können. 1504 treffen wir ihn in Padua, wo er im Hebräischen unterrichtete; als die Stadt 1508 belagert wurde, beschäftigte er sich mit Herausgabe der kurzen hebräischen Grammatik des Moses (ältern Bruders und Lehrers des David) ben Joseph Kimchi mit Anmerkungen. Sein Abschreiber betrügt ihn, macht sich mit dem Originale durch, fügt eine Einleitung eines gewissen Benjamin [506] Kalbi aus Rom hinzu und veröffentlicht sie in Pesaro ohne Levita’s Namen (später jedoch erscheint das Werk von ihm selbst herausgegeben bei Bamberg 1546). Von Padua siedelt er nach Venedig über, wo er u. a. auch Lehrer des französischen Gesandten Georges de Salva wurde, wo er aber damals für seine Zwecke wenig fand, denn die dortige Blüthe der hebräischen Typographie fällt später. Daher ging er nach Rom, wo er im Hause des wissenschaftliebenden und judenfreundlichen Cardinals Egidio von Viterbo gastfreundliche Aufnahme fand. (Vgl. Steinschneider, Hebräische Bibliographie XXI, S. 80.) Zum Danke dafür widmete er ihm sein erstes größeres Werk, seine Grammatik „Bachur“, Rom 1517. In Rom erschien ferner: „Haharka va“, 1518, Abhandlungen über gemischte unregelmäßige Formen, und 1520: „Pirke elijahu“, verschiedene grammatische und sprachliche Mittheilungen. Erst 1527 verließ er Rom, nach der Plünderung der Stadt, durch die auch er seiner kostbarsten Habe, seiner Bücher, verlustig ging. Nun begab er sich nach Venedig, das er mit kurzen Unterbrechungen bis zu seinem Tode als Aufenthaltsort wählte und als seine zweite Vaterstadt liebte. Dort schrieb er sein „Massoreth hamassoreth“ (1538, deutsch von Semler, Halle 1772, mit englischer Uebersetzung und Anmerkungen von Ginsberg, London 1877) mit dem Anhange Schivre luchoth, in welchem Anhange die ungewöhnlichen in der Massorah vorkommenden Ausdrücke erklärt werden, die kleine Schrift „Tuv taam“ (gleichfalls 1538) über Accente. Dann folgte er einer Einladung des P. Fagius (s. Allg. d. Biogr., Bd. VI. S. 533) nach Isny, wo er einige Jahre lebte und 1541 seinen „Meturgeman“, ein thargunisches Wörterbuch, und „Tischbi“ (= der Thisbite, Beinamen des Propheten Eliah, an Zahlenwerth = 712), die Erklärung von 712 rabbinischen Wörtern enthaltend, herausgab. Seine letzten Lebensjahre brachte er in Venedig zu, wo er zwei Schriften des David Kimchi herausgab und die letzte Hand an seine große massorethische Concordanz legte, an der er 20 Jahre gearbeitet hatte. Die Concordanz (handschriftlich in Paris, Anfang ders. durch Goldberg in Frankfurt, gereimte Einleitung durch Steinschneider, Letterbode VII, 174 veröffentlicht) verzeichnet mit peinlichster Sorgfalt die Beispiele aller einzelnen Formen, z. B. bei den Verben in den einzelnen Zeiten jede Person mit den ihr anhängenden Suffixen, läßt aber den ebenso wichtigen Theil, welcher Accente, Wortverbindungen, Versformen behandelt, außer Acht. L. ist ein bedeutender Grammatiker und Kritiker. Er beschränkt sich auf das Feld der Sprachforschung, spricht fast ausschließlich von dem Hebräischen – nur selten geht er auf das Deutsche und Italienische ein – lehnt Philosophisches und Kabbalistisches ab, ersteres aus Abneigung, letzteres aus verehrungsvoller Scheu. Mit gleicher ablehnender Ehrerbietung spricht er von dem Thalmudischen, wenn er auch Freude am thalmudischen Geistesspiele zeigt. Er verleugnet seinen jüdischen Standpunkt nicht; stellt einmal alle in den Thargumin vorkommenden über den Messias handelnden Stellen zusammen; gelegentlich deutet er an, daß noch vor 1560 der Messias erscheinen werde. Trotzdem bespricht er Christliches in schlichter Weise, nimmt in dem Tischbi Worte, wie Petrus, Nazarener, Cardinal auf, spricht von Christus, setzt freilich, wie man erzählt, den Artikel außer der Reihe, an das Ende des Buchstabens Jod, nach jatusch (Mücke), um ironisch auf das Midraschwort hinzudeuten: „Selbst eine Mücke ist dir, o Mensch, bei der Schöpfung vorangegangen“. Seine grammatischen Schriften sind Lehrbücher, einfach, ohne tiefer eindringen zu wollen, er schließt sich an David Kimchi an und macht ihn zum Alleinherrscher; seine aramäischen Arbeiten sind schwächer, aber jedenfalls hat er nach langer Vernachlässigung sich wieder mit dem Gegenstand befaßt; seine Arbeiten über diesen Gegenstand sind die ersten und bilden die Grundlage für die Nachfolger. Bedeutender ist sein [507] Werkchen über die Accentlehre, epochemachend seine massorethische Schrift, die in der That erst die Massorah zugänglich machte, durch verständiges Studium derselben neue Blicke eröffnete, die noch nicht allen vollkommen zur Erkenntniß geworden sind. Von weittragendem Einflusse war seine Bemerkung über die Neuheit der Punctation in der dritten Vorrede zu dem Büchlein „Massoreth hamassoreth“, die lange Zeit zu heftigen Kämpfen Veranlassung gab, dann im Uebermaß mißbraucht wurde, bis sie allmählich in richtiger Weise angewendet wurde. – Viele Schriften Levita’s sind von dem genannten Fagius und von Sebastian Münster herausgegeben und übersetzt worden. Beide deutsche Hebraisten haben von ihm persönlich oder aus seinen Schriften die Kenntnisse erlangt, wegen deren sie später ruhmvoll genannt werden. Fagius, der den Tischbi mit einer großen lateinischen Vorrede einführt (Isny 1541), äußert sich u. a. „Aus Levita’s Schriften haben Alle geschöpft, die sich mit hebräischer Sprache befaßt haben; die in derselben gegenwärtig verbreiteten Kenntnisse sind sein Verdienst, das die Schüler laut und ohne Erröthen anerkennen“.

Vgl. L. Geiger, Das Studium der hebräischen Sprache, Breslau 1870, S. 55–65. A. Geiger, Nachgelassene Schriften, Berlin 1875, II. S. 172 ff. Ferner handschriftliche Notizen meines Vaters.