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ADB:Linhart, Wenzel von

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Artikel „Linhart, Wenzel von“ von Ernst Gurlt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 711–713, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Linhart,_Wenzel_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:05 Uhr UTC)
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Linhart: Wenzel v. L., Hofrath, Professor der Chirurgie und Oberarzt des Juliusspitals zu Würzburg, war am 6. Juni 1821 zu Seelowitz in Mähren geboren, als der Sohn eines sehr geschätzten Chirurgen, der später nach Brünn übersiedelte, wo L. seine erste Bildung genoß. Nach Beendigung seiner Gymnasial- und philosophischen Studien ging L. nach Wien und wurde daselbst im Herbst 1838 als Mediciner immatriculirt. Trotz seines heiteren Temperaments arbeitete er schon in seinen ersten Semestern mit seltener Ausdauer, und seine Vorliebe für die Anatomie bewirkte es, daß der Professor der Anatomie Berres, der sein Talent und seinen Fleiß rasch erkannte, ihn unterstützte, wo er es konnte. Nachdem L. 1844 zum Dr. med. promovirt worden, kam er im Februar 1845 durch von Wattmann, der ihm sehr wohlwollte, in das von diesem geleitete k. k. Operations-Institut, in welches nur die talentvollsten Schüler in beschränkter Zahl Aufnahme finden. Linhart’s erste Abhandlungen aus jener Zeit waren: „Ueber die Möglichkeit der krampfhaften Einklemmung bei den äußeren Leistenbrüchen“, „Ueber ungleiche Länge der Extremitäten und dadurch bedingtes Hinken“, „Ueber Osteophytenbildung“ (alle drei in der Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien, Jahrg. 2, 4, 1846, 1848). Nach Ablauf des zweijährigen [712] Cursus wurde L. Dr. der Chirurgie und erhielt das Diplom als k. k. Operateur. Von 1845–49 war er Assistent in den Vorlesungen des Professor v. Dumreicher über chirurgische Nosologie und Operationslehre und war gleichzeitig vom Februar 1847 bis zum März 1849 Secundärchirurg im k. k. allgemeinen Krankenhause. In diese Zeit – October und November 1848 – fällt auch seine Thätigkeit als Chirurg bei den im Nothspital im Augarten befindlichen Verwundeten. Ferner veröffentlichte er in der oben genannten Zeitschrift (Jahrg. 5) folgende Aufsätze: „Chirurgisch-anatomische Untersuchung über die active Lage der Mandeln zu den Carotiden“, „Ueber eine neue Operationsmethode der Mastdarmfistel“. – Im März 1849 wurde L. Assistent an der zweiten, von v. Dumreicher geleiteten chirurgischen Klinik. Seine damals über chirurgische Anatomie und operative Chirurgie gehaltenen Vorträge und Curse gehörten zu den, namentlich von fremden jungen Aerzten, besonders zahlreich besuchten und geschätzten. In diese Zeit, bis 1852, wo er Privatdocent für operative Chirurgie an der Wiener Universität wurde, fallen zahlreiche Arbeiten, darunter eine eigene Schrift „Ueber die Schenkelhernie“ 1852 und eine Reihe von Journalaufsätzen (fast durchweg in der Zeitschrift der Aerzte veröffentlicht) z. B. „Beitrag zur Lehre von den kalten Abscessen“, „Ueber Schenkelhalsbrüche“, „Ueber unvollständige Knochenbrüche“, „Die Brüche der unteren Epiphyse des Radius durch Gegenstoß“, „Ueber Entzündung der Cowper’schen Drüsen“, „Therapie der Ganglien an den Schleimscheiden der Finger“ u. s. w. – 1853 mußte L. seine Stellung im Spital aufgeben; seine schon jetzt ziemlich ausgedehnte Privatpraxis wuchs von Tage zu Tage. Trotzdem arbeitete er fleißig weiter und außer seinem zuerst 1856 erschienenen Hauptwerke „Compendium der chirurgischen Operationslehre“, das bis zum Jahre 1874 vier Auflagen erlebte, veröffentlichte er mehrere Aufsätze: „Ueber den Schlüsselbeinbruch“, „Praktische Bemerkungen zur Amputation des Unterschenkels“ (beide in der Zeitschrift der Aerzte Jahrg. 9, 1853), „Ueber Speichelfisteln“, „Zur Symptomatologie der Fracturen am Körper des Schlüsselbeins“ (beide in der Oesterr. Zeitschrift f. pract. Heilk. 1854, 1856), „Ueber Behandlung der Hydrocele bei Neugeborenen“ (Oesterr. Zeitschrift für Kinderheilkunde Jahrg. 1). – Im J. 1856 erhielt L. einen Ruf als Professor der chirurgischen Klinik nach Würzburg, an Stelle des verstorbenen Morawek. Hier war es, wo L. neben seiner Thätigkeit als klinischer Lehrer, fleißig auch als Schriftsteller weiter arbeitete, so daß aus der Würzburger Periode seines Lebens gegen dreißig einzelne Arbeiten bekannt sind, von denen wir hier nur einige wenige hervorheben können. Es befindet sich darunter nur eine einzige selbständig erschienene Schrift „Vorlesungen über Unterleibshernien“ 1866; die übrigen Arbeiten sind theils in einigen Oesterreichischen Zeitschriften (Oesterr. Zeitschrift für practische Heilkunde, Prager Vierteljahrsschrift, Wiener neue Presse, Ungarische med.-chirurgische Presse), theils in der Würzburger medicinischen Zeitschrift, theils in Gesellschafts-Schriften (Verhandlungen der physicalisch-medicinischen Gesellschaft zu Würzburg, Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie) veröffentlicht. Wir heben unter den Journal-Aufsätzen, die sich an der unten angeführten Quelle vollständig verzeichnet finden, nur die nachstehenden hervor: „Ueber Ecrasement linéaire“, „Ueber Exstirpation des Fersenbeins“, „Ueber die Entzündung der Bursae mucosae patellares“, „Ueber Spina bifida mit sogenannter Luxatio congenita femoris et genu und Klumpfuß“, „Ueber Erschlaffung, Atonie der sehnigen Gewebe“, „Ein Fall von Hernio-Enterotomie“, „Bemerkungen über die Capsula Tenoni“, „Beiträge zur Rhinoplastik“, „Beschreibung eines Urethrotoms“, „Sectionsbefund bei einem Pirogoff-Stumpf“, „Beitrag zur Lehre vom Bruche der unteren Epiphyse des Radius“, „Myxom der Harnblase, angeborene Divertikel“ u. s. w., [713] „Eine eigenthümliche Art von Ozaena“, „Luxationen am Fuße“, „Beitrag zur Aetiologie der Schenkelhalsbrüche“, „Ueber Resection des Nervus alveolaris inferior“ u. s. w., u. s. w.; seine letzte Arbeit war: „Ein kleiner Beitrag zur Trepanationsfrage bei Schußverletzungen des Schädels“ (Centralblatt für Chirurgie 1877). – Nachzutragen ist noch, daß L. auch bei der Behandlung der im Kriege von 1866 in der Umgebung von Würzburg Verwundeten sich große Verdienste erwarb, so daß er in Folge dessen 1867 zum königlich bairischen Hofrath ernannt wurde und den mit dem persönlichen Adel verbundenen Civil-Verdienstorden der baierischen Krone erhielt. Im deutsch-französischen Krieg von 1870–71, den er als baierischer General-Arzt mitmachte, zeichnete er sich gleichfalls in hervorragender Weise aus. – Von Linhart’s körperlichen Zuständen ist anzuführen, daß L. schon ziemlich lange vor seinem Tode an Schwerhörigkeit litt, die in Folge wiederholt aufgetretener Rachenentzündungen sich nur noch vermehrte. Das fürchterliche Uebel, Zungenkrebs, dem er am 22. October 1877 erlag, hatte seinen Anfang erst in demselben Frühjahr genommen.

L. war von Hause aus ein vortrefflich angelegter Charakter; originell, stets heiter, wirkte er anziehend und belebend auf seine ganze Umgebung; seine geselligen Talente erheiterten, trotz der Schwerhörigkeit, die ihm in den späteren Jahren hinderlich im Wege stand, alle Gesellschaften, in denen er sich befand. Außerdem war er ein leidenschaftlicher Jäger und entfloh, so oft er konnte der Stadt, um dem Waidwerke obzuliegen. Seine Herzensgüte, mit der er bestrebt war, Allen gefällig zu sein, übertrug er auch auf seine Kranken, denen er, Reichen wie Armen, Hohen wie Niederen, ein gleich liebenswürdiger Arzt war, der durch sein heiteres Wesen manchem derselben die schweren Stunden des Leidens erleichterte. Als Operateur besaß er, neben einer außergewöhnlichen Fülle anatomischen Wissens, eine große Geschicklichkeit und durch keine Schwierigkeiten zu erschütternde Kaltblütigkeit. Als Lehrer war er in hohem Grade anregend, sein klinischer Unterricht war äußerst interessant und lehrreich, besonders für ältere Schüler. Mit Vorliebe aber gab er seine Operationscurse, die, ebenso wie früher in Wien, zu den besuchtesten Collegien gehörten. Da er ein Feind alles blinden Glaubens und Nachbetens war, entschloß er sich nur spät Neuerungen anzunehmen; wenn er aber den Nutzen derselben erkannt hatte, ließ er nicht mehr von denselben ab. Als Schriftsteller zeichnete er sich durch kurze und bündige Darstellung aus, in welcher der topographischen Anatomie, die er sein Leben lang mit allen Kräften zu fördern gesucht hat, als der zuverlässigsten Führerin die erste Stelle angewiesen war. Er gehört zu denjenigen deutschen Chirurgen, welche, wie K. J. M. Langenbeck, die Chirurgie mit der Anatomie in die innigste Verbindung zu bringen, mit Erfolg getrachtet haben.

Vergl. Riedinger in Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. 9. 1878. S. 586.